Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Römhild

Römhild

(1) R. liegt am Rand des fruchtbaren Grabfeldes im Flussgebiet der fränkischen Saale, die in den Main mündet. 799/800 schenkte die Äbtissin Emhild von Milz, eine Verwandte Karls des Großen, ihr Kloster und dessen Besitz, darunter das benachbarte R., dem Abt von Fulda; die Urkunde stellt die Ersterwähnung R.s dar. Der fuldische Besitz in diesem Raum ist in der Folgezeit an die mit dem Kloster eng verbundenen Vorfahren der Grafen von Henneberg übergegangen.

Die nahe gelegene Burg Hartenberg wurde bei der 1274 erfolgten Erbteilung im Gf.enhaus Sitz einer Linie des Hauses, die 1378 erlosch. Bereits 1371 waren Teile der Herrschaft, darunter das ausdrücklich als Stadt bezeichnete R. an Graf Hermann von Henneberg-Aschach verkauft worden, der in der Folge seine Residenz auf die Hartenburg verlegte. R. blieb im Besitz von dessen Nachkommen, bis der hoch verschuldete Graf Berthold († 1549) 1548 seine Hälfte der Herrschaft an die Grafen Hans Georg und Hans Albrecht von Mansfeld verkaufen musste, die die Herrschaft R. ihrerseits im August 1555 im Tausch an die Herzöge von Sachsen (Wettiner / Ernestiner) abtraten. Mit Bertholds Bruder Albrecht, der die andere Hälfte besaß und in Schwarza residierte, ist diese Linie des Hauses Henneberg im Mai 1549 erloschen.

Die Herrschaft R. fiel 1572 bei einer Erbteilung im Hause der Herzöge von Sachsen an die 1638 erloschene Linie Sachsen-Coburg/-Eisenach, 1640 an die 1672 erloschene Linie Altenburg, dann an Herzog Ernst den Frommen († 1675), den Gründer der Linie Gotha. Er hatte seinen Söhnen testamentarisch die Einkünfte bestimmter Ämter zugewiesen. Sein Sohn Herzog Heinrich (1650–1710) war nach seiner Vermählung 1676 nach R. gezogen. Bei der Teilung des Territoriums 1680 erhielt er – allerdings mit eingeschränkter Souveränität – die Ämter R. und Themar sowie die Kellerei Behrungen. Für drei Jahrzehnte war R. wieder Residenz. Nach dem Tod des Hzg.s 1710 wurde das kleine Territorium unter den nächsten Verwandten aufgeteilt. Das Amt R. war von 1710 bis 1826 gemeinsamer Besitz der sächsischen Linien Meiningen und Saalfeld, von 1826 bis 1918 gehörte es zum Herzogtum Sachsen-Meiningen-Hildburghausen.

(2) Die frühen urkundlichen Erwähnungen beziehen sich auf das südlich des heutigen R. liegende Altenrömhild. Die planmäßige Anlage der heutigen Stadt geht auf Graf Heinrich († 1317), den Gründer der Henneberger Linie Hartenberg, zurück. Eine förmliche Verleihung von Stadtrechten ist nicht belegt. Erwähnt werden Bürger zu R. erstmals 1317 und 1319, ein Vogt als Vertreter des Landesherrn 1344; die Hartenburg war noch 1419 Amtssitz. 1392 war in R. ein Schloss vorhanden, das Graf Friedrich dem Bischof von Würzburg öffnete. Eine Befestigung mit zwei Toren und zwei weiteren Ausgängen wurde erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts angelegt. Um diese Zeit (1472) dürfte R. auch Sitz des Amtmanns geworden sein.

Zent und Halsgericht (sowie der dortige Zoll) waren Reichslehen der Grafen, die das Zentgericht zu R. zum obersten Gericht in ihrem Territorium machten. Im Juli 1498 stellte König Maximilian ausdrücklich fest, dass dort erfolgte Übertragungen, Vermächtnisse und Bestätigungen eine Rechtskraft hätten, als seien sie vor dem Hofgericht zu Rottweil oder dem Landgericht zu Würzburg erfolgt. Dies dürfte sich gegen Ansprüche des in Händen des Bf.s von Würzburg in seiner Eigenschaft als Herzog zu Franken befindlichen Landgerichts gerichtet haben.

Mehr als 2000 Einwohner hat R. wohl nie gehabt (1492 190 Familien; 1631 280; 1672 175 Fam. bzw. 789 Einwohner, 1789 1400 Einwohner). Ein Bürgermeister und ein von diesem geführtes Stadtsiegel werden erstmals 1414 erwähnt, der älteste erhaltene Abdruck stammt von 1454. Der Rat bestand aus zwölf Personen. Seine Ergänzung erfolgte in der Neuzeit auf Vorschlag des Rates durch den Landesherrn.

1498 bestätigte König Maximilian den Wochenmarkt und drei Jahrmärkte, die wohl schon länger bestanden, denn bereits 1334 wurde in der Umgebung mit R.er Maß gemessen. Die Grafen, ihr Hof und dessen Bedürfnisse dürften bis 1549 die Stadt wirtschaftlich dominiert haben. Eine allerdings vom Ende des 18. Jahrhundert stammende Statistik zählt Angehörige von 45 Handwerken und Gewerben auf, darunter auch Apotheker, Buchdrucker, Perückenmacher und Posamentierer. Dies spricht für eine gewisse, auch zu diesem Zeitpunkt noch existierende zentralörtliche Funktion. Mehr als zehn Angehörige stellten allerdings nur die Bäcker, Fleischer, Leineweber, Rotgerber, Schneider, Schumacher und Seiler.

Dafür, dass Besucher der Landesherren und ihres Hofes angemessen untergebracht werden konnten, spricht auch, dass R. häufig in Urkunden als Ort von Einlager- und Zahlungsverpflichtungen genannt wird; 1794 gab es in R. sechs Gasthöfe.

(3) 1344 wird ein in R. ansässiger Frühmesser erwähnt. 1405 wurde die Kirche zu R., die bis dahin zur Pfarrei Mendhausen gehörte, vom Bischof von Würzburg zur Pfarrkirche erhoben. Die Gründung einer Bruderschaft für die Pfarrer des Territoriums, die 1407 beabsichtigt war, zog sich wohl länger hin, denn erst 1426 bestätigte der Bischof von Würzburg die vom Grafen und seiner Ehefrau gestiftete Bruderschaft an der Pfarrkirche zu R., deren Mitgliedschaft auch Laien beiderlei Geschlechts offenstand. Anschließend erfolgte ein Neubau dieser Kirche, an der das gräfliche Ehepaar ein Stift mit zwölf Pfründen einrichtete (1450 durch den Bischof von Würzburg bestätigt). Daneben ist 1401 eine Kirche zu Altenrömhild belegt; 1421 bestand dort ein vom Grafen ausgestattetes, wohl kurz zuvor gegründetes Spital.

(4) Die wohl um 1300 planmäßig angelegte Stadt erstreckte sich über einen rechteckigen Raum von etwa 320 × 170 Metern und verfügte über ein Straßennetz in Rippenform. Durch R. führte die aus dem Grabfeld (Königshofen) nach Themar und weiter Richtung Thüringer Wald führenden Straße. 1418 bestand dort ein Zoll, der Reichslehen war. Das erstmals 1392 erwähnte Schloss und die (Stifts-) Kirche dominieren bis heute das Stadtbild. Um 1465 wurde mit einem Neubau des Schlosses begonnen, der vermutlich 1491 (Wappenstein mit diesem Datum) abgeschlossen war. In den folgenden Jahrzehnten ist das Schloss erweitert und verändert worden; 1539 brannte es teilweise ab. Der 1540 begonnene Wiederaufbau führte zum völligen Ruin Graf Bertholds, der sich schon zuvor in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hatte. Der Verlust der Residenzfunktion, ein Stadtbrand 1609 und die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges brachten einen erheblichen Niedergang, der erst 1676 endete, als R. zur Residenz für Herzog Heinrich von Sachsen-R. wurde. Dieser baute das Schloss zur Unterbringung der Behörden seines neu entstandenen Territoriums aus. Diese Phase endete bereits 1710 mit dem Tod des kinderlosen Hzg.s. Ab 1735 war R. Sitz der verwitweten Herzogin Elisabeth Sophie von Sachsen-Meiningen († 1748). Zwischen 1764 und 1780 haben nicht regierende Angehörige der Linie Saalfeld in R. gelebt.

(5) R. liegt am Rand des klimatisch begünstigten und mit ertragreichen Böden ausgestatteten Grabfeldes. Neben Getreide wurde bis in das 18. Jahrhundert hinein in der unmittelbaren Umgebung R.s Wein angebaut. Für jeweils nur kurze Zeit wurde – vermutlich nicht sehr erfolgreich – an verschiedenen Stellen der näheren Umgebung Bergbau betrieben.

Zu den Charakteristiken der Grafschaft Henneberg gehört es, dass sie mit einem Netz von Kleinstädten überzogen war, die etwa 15 bis 20 km voneinander entfernt lagen. Die nächsten Städte im Hochstift Würzburg (Königshofen, zeitweise im Pfandbesitz der Grafen von Henneberg-R., und Mellrichstadt) waren ähnlich weit entfernt. All diese (Klein-)Städte waren Verwaltungssitze mit Märkten. Sie beschränkten daher den Raum, für den R. Nahmarkfunktion hatte.

(6) In den Zeiten, in denen R. Residenz war, haben die Landesherren und ihr Hof das städtische Leben völlig dominiert. Zu Herkunft und sozialen Verflechtungen des Personals vor 1549 sagen die Quellen nichts aus. Das Personal der zweiten – nur kurzen – Phase, in der R. Residenz war, stammte nach Ausweis der Familiennamen zu einem erheblichen Teil aus Familien, die in anderen ernestinischen Residenzen (Gotha, Coburg, Meiningen) das Fachpersonal bis hin zu den Führungsposten gestellt hatten und weiterhin stellten; gleiches gilt für die Geistlichkeit. Die stets prekäre finanzielle Lage des Hzg.s führte zu Forderungen (u. a. Fron und Wacht), die die Bevölkerung als Zumutung empfand, zumal das Hofpersonal davon befreit war.

(7) Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Meiningen [LATh-StAM]: Geheimes Archiv Meiningen; Amt Römhild, Urkunden; Herrschaft Schwarza, Urkunden; Amtsarchiv Römhild, Akten; Hennebergica aus Gotha, Akten; Henneberg-Schwarza, Akten [Depositum, 2008 an den Eigentümer zurückgegeben].

Schultes, Johann Adolph: Diplomatische Geschichte des Gräflichen Hauses Henneberg, 2 Bde., Leipzig/Hildburghausen 1788/1792 (ND Neustadt an der Aisch 1994). – Schultes, Johann Adolph: Historisch-Statistische Beschreibung der gefürsteten Grafschaft Henneberg, 2 Bde., Hildburghausen 1794/1804 (ND Neustadt an der Aisch 1999), hier Bd. 1 S. 563–848.

Regesta sive Rerum Boicarum Autographa, Bd. 4, hg. von Karl Heinrich Lang u. a., München 1828. – Hennebergisches Urkundenbuch (1842–1877). – Monumentorum Boicorum Collectio Nova, Bd. 41, München 1872; Bd. 44, München 1883. – Regesta Thuringiae, hg. Dobenecker (1896–1939). – Mötsch, Johannes: Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 2006 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe 13). – Wölfing, Günther: Das Prämonstratenserkloster Veßra. Urkundenregesten 1130–1573, Köln/Weimar/Wien 2010 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe 18).

(8) Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft 31: Herzogthum Sachsen-Meiningen, Amtsgerichtsbezirke Heldburg und Römhild, bearb. von Paul Lehfeldt und Georg Voss, Jena 1904. – Köhler, Paul: Die Residenzen der Henneberger Grafen der Römhilder Linie, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 1 (1938) S. 1–30. – Deutsches Städtebuch, Bd. 2: Mitteldeutschland (1941), S. 350–352. – Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 9: Thüringen (1968) S. 382–385. – Wölfing, Günther: Geschichte des Henneberger Landes zwischen Grabfeld, Rennsteig und Rhön, Hildburghausen 1992, verbesserte Neuausgabe Leipzig und Hildburghausen 2009 (Veröffentlichungen des Hennebergischen Museums Kloster Veßra, 1; Hennebergisch-Fränkischer Geschichtsverein, Sonderveröffentlichung 1). – Wendehorst, Alfred: Die Stifte Schmalkalden und Römhild, Berlin/New York 1996 (Germania Sacra, N. F. 36 – Bistum Würzburg, 5). – Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 9: Thüringen (1968). – 1200 Jahre Römhild. 800–2000, bearb. von Kerstin Schneider, Römhild 2000. – Mötsch, Johannes: Art. „Römhild“, in: Höfe und Residenzen I,2 (2003), S. 491–494.

Johannes Mötsch