Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Saalfeld

Saalfeld

(1) S. liegt am Nordrand des Thüringer Schiefergebirges links der Saale gegenüber jener Stelle, an der die Orlasenke auf das Saaletal trifft. Die Stadt entstand dort, wo sich mehrere Passstraßen über das Gebirge mit einer west-östlich verlaufenden Straße kreuzten, die von Hessen ins östliche Mitteldeutschland führte.

Siedlungskern war der 899 erstmals urkundlich erwähnte Königshof Salauelda. Im 10. Jahrhundert durch die Ottonen zur Pfalz ausgebaut, gelangte er 1013 an den Grafen Ezzo von Lothringen, dessen Tochter ihn 1056 dem Erzbistum Köln schenkte. Daraufhin entstand 1071 in der ehemaligen Pfalz das Benediktinerkloster St. Peter und Paul. Die Stadt S. wurde 1180 durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa gegründet. 1208 gelangte sie an die Grafen von Schwarzburg. Diese wiederum verkauften sie 1389 an die wettinischen Markgrafen von Meißen und Ldgf.en von Thüringen. In der Leipziger Teilung von 1485 wurde Saalfeld der ernestinischen Linie zugesprochen. Bis 1572 unterstand S. den Hzg.en von Sachsen, danach den Teillinien Sachsen-Weimar (bis 1603), Sachsen-Altenburg (bis 1671) bzw. Sachsen-Gotha-Altenburg. Durch die Landesteilung nach dem Tod Ernsts des Frommen 1675 entstand schließlich das Herzogtum Sachsen-S., später Sachsen-Coburg-S. Von 1676 bis 1745 war S. Hauptresidenz der Herzöge Albrecht (1675–1699, in S. 1676–1680), Johann Ernst (1680–1729), Christian Ernst (1729–1745) sowie Franz Josias (1729–1764, in S. 1729–1735). Von 1745 bis 1826 besaß die Stadt nur noch die Funktion einer Nebenresidenz, Hauptresidenz wurde Coburg, wohin Herzog Franz Josias bereits 1735 übergesiedelt war. Durch die letzte ernestinische Landesteilung von 1826 gelangte S. schließlich zu Sachsen-Meiningen (bis 1918/20). Im Laufe der Jahrhunderte nutzten drei verwitwete Fs.innen S. als Ruhesitz: Elisabeth von Schwarzburg, Witwe Graf Günthers XXI. von Schwarzburg (um 1352/58), ferner Katharina von Brandenstein, Witwe Herzog Wilhelms III. von Sachsen (1482–1492) sowie Katharina von Braunschweig-Grubenhagen, Witwe Herzog Johann Ernsts von Sachsen (1553–1559 und 1564–1581).

S. war in staufischer Zeit kaiserliche Münzstätte. Bedeutend war die durch Herzog Johann Friedrich I. von Sachsen 1551 gegründete Münze (existierend bis 1846), die 1571 zur Kreismünze des Obersächsischen Reichskreises erhoben wurde.

Kirchlich waren Stadt und Amt S. bis zur Reformation dem Erzbistum Mainz, Archidiakonat Erfurt, angeschlossen, obgleich die Rechte des Kölner Erzstiftes am Benediktinerkloster gewahrt blieben. 1529 wurde S. Sitz einer Superintendentur.

(2) Für die Stadt wählte man das freie Areal zwischen dem Benediktinerkloster samt Klostersiedlung im Norden und einer rund einen Kilometer südöstlich gelegenen Marktsiedlung, die zur Kaiserpfalz erweitert wurde. Die geplante Anlage schob sich zwischen diese Siedlungskerne. Aufenthalte der Reichsoberhäupter sind für 1188, 1190 und 1194 belegt. Nach 1208 führten die Schwarzburger den Ausbau fort. Mit der Einbindung der vormaligen Pfalz, einer Ausdehnung des Stadtgebietes nach Süden und der Errichtung einer Ringmauer erreichte S. um 1300 seine die nächsten Jahrhunderte bestimmende Ausdehnung. Erst die Anlage eines Residenzquartiers durch die Herzöge von Sachsen-Saalfeld am Ende des 17. Jahrhunderts erweiterte das Stadtgebiet über den Mauerring hinaus. Die Einwohnerzahl lag um 1550 bei knapp 3000. Nach Rückgang durch den Dreißigjährigen Krieg wurde dieser Stand erst Anfang des 19. Jahrhunderts wieder erreicht.

S. dürfte seit der Gründung ein Stadtrechtsprivileg besessen haben. 1208 wird S. in einer Urkunde als civitas bezeichnet. Bereits im 13. Jahrhundert bildete sich ein von den Bürgern gewählter Rat heraus. Das älteste bekannte Stadtsiegel stammt von 1286. Aus dem Jahre 1324 ist der erste Name eines Ratsmeisters überliefert und etwa aus derselben Zeit stammt die älteste noch erhaltene Kodifizierung des Stadtrechts. 1346 erwarb S. das Fischereirecht für die Saale. Es folgten 1350 das alleinige Markt- und das Münzrecht sowie 1482 die Hohe Gerichtsbarkeit.

(3) Die Stadtpfarrkirche St. Johannis wurde vermutlich bereits 1180 gegründet, einen romanischen Vorgängerbau ersetzte man von ca. 1380 bis 1514 durch einen gotischen Neubau. Patronatsherr war von 1306 bis zur Reformation der Deutsche Orden. Ins späte 9. Jahrhundert datiert möglicherweise die Gertrudiskirche der nördlich der Benediktinerabtei gelegenen Urpfarrei Graba. Seit dem 13. Jahrhundert unterstand sie der Abtei. Zu Graba gehörte auch die Martins- oder Siechenkapelle (wohl 1264, gesichert 1338). Weitere wichtige Kapellen waren die Marienkapelle vor dem Benediktinerkloster (Ersterwähnung 1125, abgebrochen 1676), die Salvatorkapelle (Weihe 1379, abgebrochen 1880) auf der Saalebrücke sowie die Nikolaikapelle (um 1100, im 15. Jahrhundert profaniert) auf dem Areal der staufischen Kaiserpfalz. Das geistliche Leben vor der Reformation wurde von zwei Ordenskonventen beherrscht: dem Benediktinerkloster St. Peter und Paul (gegründet 1071, aufgelöst 1527) außerhalb sowie dem Franziskanerkloster (gegründet um 1250, aufgelöst 1534) innerhalb der Stadtmauern. Die einstige Benediktinerabtei wurde 1676/77 abgebrochen, um an ihrer Stelle das barocke Residenzschloss der Herzöge von Sachsen-S. zu errichten (seit 1920 Landratsamt). In das ehemalige Franziskanerkloster zogen bereits 1534 die Knabenschule sowie 1904 das städtische Museum. In S. existierten ferner Termineien der Karmeliter, Augustiner und Dominikaner sowie ein Beginenhof. Der Übergang zur lutherischen Lehre vollzog sich schrittweise zwischen 1522 und 1534, vorangetrieben durch die kfl.-sächsischen Kirchenvisitationen unter Melanchthon und Spalatin. Martin Luther besuchte S. 1530 und empfahl seinen Vertrauten Caspar Aquila als ersten örtlichen Superintendenten.

(4) Wichtig für die Stadtentstehung waren die vorhandenen Kaiserpfalzen. Aus der ottonischen Pfalz gingen im 11. Jahrhundert zuerst eine Burg und anschließend das Benediktinerkloster hervor. Die staufische Pfalz entstand 1180 parallel zur Gründung S.s auf einer Anhöhe am südöstlichen Stadtrand. Von ihr ist nichts erhalten, wohl aber das zeitgleich errichtete romanische Amtslokal des ksl.en Vogts am Markt. Das Pfalzgelände fiel 1208 an die Grafen von Schwarzburg, die hier um 1300 eine Burganlage mit großem Wohnturm, dem sogenannten »Hohen Schwarm«, errichteten. Die Burg war mit Burgmannen besetzt, diente jedoch nicht als Residenz. Nach 1389 war sie der Sitz eines sächsisch-wettinischen Amtsmannes. Im 16. Jahrhundert erwarb der Stadtrat den bereits weitgehend verfallenen Hohen Schwarm.

Im 14. Jahrhundert brachte der Bau einer Stadtmauer (Ersterwähnung 1363) mit fünf stark befestigten Tortürmen an den Ausfallstraßen eine wachsende Eigenständigkeit zum Ausdruck. Vor dem Saaltor entstand eine steinerne Saalebrücke (Ersterwähnung 1356), auf der die Stadt Brückenzoll erhob. Kennzeichnend für den Ausbau der städtischen Selbstverwaltung war schließlich das Rathaus. Nach Nutzung verschiedener Gebäude, darunter auch des romanischen Vogtshauses, führte ein Großbrand 1517 zur Errichtung eines Neubaus. So entstand am Markt ein repräsentatives Renaissancegebäude (eingeweiht 1537), das bis heute als Rathaus dient.

Schließlich veränderte der Aufstieg S.s zur Residenz 1676 das Erscheinungsbild der Stadt stark. Das ehemalige Benediktinerkloster wurde abgebrochen und an seiner Stelle das hzl.e Schloss mit Schlosskapelle und Park errichtet (1677–1726). Zwischen Schloss und Stadt entstand ein Residenzquartier mit Zweckbauten (Wachhaus, Marstall, Orangerie, Verwaltungsgebäude, Gasthof). Eine eigene Zufahrt (Schlossstraße) mit flankierender Wohnbebauung für die Hofbediensteten stellte die Verbindung zum Schloss her. Die Straße mündete stadtseitig in ein Tor, für dessen Errichtung 1702 erstmalig ein Teil des Mauerrings niedergelegt wurde. In der Johanniskirche ließen die Herzöge eine Fürstenloge einbauen und die Gruft unter dem Chor als Grablege herrichten.

Die früheste Ansicht S.s, ein Merianstich von 1650, zeigt die Stadt noch in ihrem spätmittelalterlichen Erscheinungsbild mit Benediktinerkloster. Erst Adaptionen des Stiches aus dem 18. Jahrhundert geben eine aktualisierte Ansicht mit Schloss und Residenzquartier wieder.

(5) Innerhalb des Weichbildes mit einer Fläche von rund 21 km2 erlangte S. seit dem 15. Jahrhundert weitgehende Selbstbestimmung. Einzelne Privilegien, wie das Schankrecht oder das Zoll- und Geleitrecht auf einem Teilstück der Handelsstraße Nürnberg-Leipzig (seit 1458), reichten bis ins weitere Umland hinein. Die Beteiligung der patrizischen Oberschicht am Fernhandel sowie am Silber- und Kupferbergbau führte im 16. Jahrhundert zum wirtschaftlichen Aufschwung und zur verstärkten Kapitalbildung. Mit dem wirtschaftlichen wuchs auch das politische Gewicht der Stadt. So wurden zwischen 1552 und 1567 gleich drei Landtage des sächsisch-ernestinischen Herrschaftsraumes in S. abgehalten.

Nach dem dramatischen Niedergang im Dreißigjährigen Krieg wurde die städtische und regionale Wirtschaft durch den Aufstieg S.s zur Residenz erneut belebt. Innerhalb der Stadt etablierten sich Zulieferer für den Hof, so die erste Buchdruckerei (1673), eine Posamentenmacherei (1723), zwei Apotheken (1682 bzw. 1715) und kurzzeitig auch eine Fayencemanufaktur (1718/19). Im Umland nahmen die Herzöge den Bergbau wieder auf und unterstützten die Anlage von Hammerwerken, Schieferbrüchen und Glasbläsereien im Thüringer Wald. Das Herzogtum Sachsen-S. umfasste ein Territorium von rund 450 km2, das aus den Ämtern Saalfeld, Gräfenthal und Probstzella sowie den Städten Lehesten und Pößneck bestand. Die volle Landeshoheit blieb den Hzg.en allerdings verwehrt. Sie konnten nur grundherrliche Rechte ausüben, während sich die Hauptlinie Sachsen-Gotha-Altenburg aufgrund des sogenannten Nexus Gothanus alle landesherrlichen Rechte vorbehielt (Jurisdiktion, Militär- und Steuerhoheit, Sitz und Stimme auf dem Reichstag und dem Obersächsischen Kreistag).

(6) Die Besiedlung des S.er Raumes und die Entstehung der Stadt waren eng verbunden mit herrschaftlichem Agieren. Ottonen und Staufer machten S. zu einem Zentrum ihrer Machtausübung in Mitteldeutschland, allerdings waren die wiederholten Königsaufenthalte im 10. und 12. Jahrhundert nur Episoden. Zu einer Residenz im neuzeitlichen Sinne wuchs die Stadt erst mit Gründung des Hzm.s Sachsen-S. 1676/80 heran, verlor diese Funktion jedoch nach knapp vierzig Jahren bereits wieder. Zwischen diesen zeitlich weit auseinanderliegenden, begrenzten Phasen direkten herrschaftlichen Einflusses entwickelte sich S. zu einem Gemeinwesen mit ausgeprägter städtischer Autonomie. Begünstigt durch den Bergbau und seine Lage am Schnittpunkt wichtiger Fernhandelsrouten, erlangte die Stadt zudem eine überregionale wirtschaftliche Bedeutung.

(7) Infolge der häufig wechselnden territorialen Zugehörigkeit finden sich Quellen in zahlreichen Archiven. Zu nennen sind die Staatsarchive Coburg, Meiningen und Gotha sowie das Thüringische Hauptstaatsarchiv in Weimar (hier vor allem der Bestand Amt Saalfeld), ferner das Stadtarchiv Saalfeld mit Bestand A (Urkunden ab 1313) sowie umfangreichem Verwaltungsschriftgut, darunter Bestand B (Stadtrechnungen ab 1500). Im Stadtarchiv befindet sich außerdem das Original der nur handschriftlich überlieferten ältesten Stadtchronik, der Salfeldographia des Sylvester Lieb (beendet 1625). Schließlich verfügt das Stadtmuseum Saalfeld im ehemaligen Franziskanerkloster über umfangreiche Sammlungen historischer Sachzeugen und Dokumente zur Stadtgeschichte.

(8)Wagner, Christian Wilhelm Friedrich: Wagner’s Chronik der Stadt Saalfeld im Herzogthum Sachsen-Meiningen. Nach des Begründers Tode fortgesetzt von Dr. Ludwig Grobe, Saalfeld 1867 (ND Arnstadt 2013). – Lehfeldt, Paul: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft 6: Herzogtum Sachsen-Meiningen, Amtsgerichtsbezirk Saalfeld, Jena 1892. – Stoob, Heinz: Saalfeld, in: Deutscher Städteatlas, Lfg. 2,12: Saalfeld (1979). – Gockel, Michael: Saalfeld, in: Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Bd. 2: Thüringen, hg. vom Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen 1991–1998, S. 465–523. – Werner, Gerhard: Geschichte der Stadt Saalfeld, Saalfeld 1995–1998. – Bärnighausen, Hendrik: Saalfeld als Residenz, in: Residenzkultur in Thüringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, hg. von Roswitha Jacobsen, Bucha 1999 (PALMBAUM. Texte. Kulturgeschichte, 8), S. 60–87. – Bärnighausen, Hendrik: Ein Rathaus als Residenzschloß? Saalfeld 1676. Zur erwogenen Nutzung des Saalfelder Renaissance-Rathauses als herzogliche Residenz, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 6 (1999) S. 55–65. – Fleck, Niels: Die allegorisch-emblematischen Bildprogramme in Schloss und Schlosskirche Saalfeld. Vorlagen, Genese und Auftraggeber, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 34 (2007) S. 217–249. – Becher, Hans: »Dytz ist der Stadbuch czu Salueld«. Betrachtungen zum ältesten Saalfelder Stadtrecht, Saalfeld/Weimar 2008. – Römer, Christof, Bärnighausen, Hendrik, Butz, Reinhardt: Saalfeld, in: Germania Benedictina, Bd. 10: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, bearb. von Christof Römer und Monika Lücke, St. Ottilien 2012, S. 1355–1419. – Werner, Gerhard: Bemerkungen zur territorialen Entwicklung Saalfelds in der Barockzeit, in: Rudolstädter Heimathefte 61 (2015) S. 133–139.

Dirk Henning