Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart

Die Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“ ist 1984 gegründet worden und hat seitdem achtzehn Symposien veranstaltet. In den wissenschaftlichen Tagungen, deren Ertrag jeweils in Buchform veröffentlicht worden ist, haben Juristinnen und Juristen mit historischen, philosophischen, dogmatischen und rechtsvergleichenden Ansätzen nach Antworten darauf gesucht, woher das Gesetz kommt, wie es gestaltet wird, was das Gesetz leistet und wie es sich unter dem Eindruck von Europäisierung und Internationalisierung verändert.

Auch wenn im Titel der Kommission der Begriff des Rechts nicht vorkommt, spielt er dennoch in der Kommissionsarbeit eine wichtige Rolle. Denn das Gesetz ist seit der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart die Hauptquelle des Rechts und die primäre Handlungsform, in der die öffentliche Gewalt ihren politischen Gestaltungsanspruch übersetzt. Das Gesetz ist zudem mehr als ein Befehl mit beliebigem Inhalt, wie vor allem das durch hohe Stabilität und Höchstrangigkeit charakterisierte Verfassungsgesetz deutlich macht.

Das Gesetz ist aber längst nicht mehr die exklusive Handlungsform für wichtige politische Gestaltungsvorhaben oder für Eingriffe in die individuelle Freiheit der Bürger. Auf überstaatlicher Ebene existieren mit Verordnungen und Richtlinien der Europäische Union sowie mit völkerrechtlichen Abkommen Handlungsformen, die sich den vertrauten Kategorien der Gesetzgebungslehre erst einmal entziehen. Zugleich wird Normativität zunehmend durch rechtlich nicht bindende Verhaltensregeln, die politisch-moralisch auf den Bürger einwirken („Soft Law“), begründet. Auch diese Entwicklungen und Phänomene werden in der Kommissionsarbeit berücksichtigt.

Aus der Gesamtschau der bisherigen Symposien zeigt sich, dass der Begriff des „Gesetzes“ für die Kommission klug gewählt war. Der Begriff ermöglicht es nämlich, nicht nur alle Teilfächer des Rechts, sondern auch die Grundlagendimension der Rechtswissenschaft sowie Bezüge zu den angrenzenden Geistes- und Gesellschaftswissenschaften in die Kommissionarbeit zu integrieren. Er ist zugleich hinreichend entwicklungsoffen, um die gesellschaftliche Dynamik und ihre politische Gestaltung abzubilden.