Von Prof. Dr. Ekkehard Mühlenberg
Leiter des Forschungsvorhabens und Vorsitzender der Kommission

Das Akademievorhaben "Dionysius Areopagita" erschließt durch kritische Edition die Texte, die unter dem Namen Dionysius Areopagita überliefert sind. Gelegentliche Zweifel an dem Autorennamen und selbst das moderne Wissen, dass er nicht der Apostelschüler aus der biblischen Apostelgeschichte (Kapitel 17 Vers 34) ist, haben das Interesse an seinem Schriftencorpus nicht beendet. Es war die Hereinnahme platonischer Philosophie in die christliche Theologie schlicht zu faszinierend.

Wir wissen, dass aus Schriften unter dem Namen Dionysius um 518/528 n.Chr. zum ersten Mal zitiert wurde. Wir wissen auch, dass eine syrische Übersetzung um 535 n.Chr. angefertigt wurde. Und schließlich wissen wir, dass das Schriftencorpus von vier Traktaten und zehn Briefen von Johannes von Skythopolis († 553) redigiert worden ist, versehen mit Prolog und kommentierenden Scholien. Der Prolog bindet den Namen Dionysius an die Areopagrede der Apostels Paulus und an dessen Programm, philosophische Sprache zur Verteidigung der christlichen Wahrheit zu benutzen. Denn schon den Zeitgenossen war erkennbar, dass Dionysius in vielem mit dem späten Neuplatoniker Proklos († 484) übereinstimmte und deswegen verdächtig war, der Häresie griechischer Philosophen verfallen zu sein. Da Dionysius von verschiedenen theologischen Parteien, die im 6. Jahrhundert miteinander stritten, als Wahrheitszeuge angeführt wurde, musste er in erklärenden Scholien gegen kirchliche Häresien verteidigt werden, zumal unter Kaiser Justinians Kirchenpolitik der Ketzerbereinigung. Die Synthese von neuplatonischer Philosophie und christlicher Theologie war blendend und sprachlich verschlungen. Das Schriftencorpus ist immer zusammen mit Prolog und Scholien des Johannes von Skythopolis, später angereichert vor allem von Maximus Confessor († 662), tradiert worden.

Das griechische Corpus ist ediert (1990/1991). Die griechischen Scholien sind in Bearbeitung (Bd. 1 = 2011, ed. Beate Regina Suchla). Die Herausgabe der lateinischen Übersetzung durch Anastasius Bibliothecarius aus der Zeit 867-875 n.Chr., allen mittelalterlichen Lesern bekannt, wird folgen (B. R. Suchla). Ebenfalls zur Edition vorbereitet werden diejenigen Schriften, die unter dem Namen des Dionysius Areopagita außerhalb des Corpus umlaufen und fast nur in orientalischen Übersetzungen erhalten sind (Michael Muthreich). Schließlich soll auch das allgemeine und weitest verbreitete Kriterium für Häresien (mehr als 1000 Handschriften), die Anakephalaiosis nach Epiphanius von Salamis († 403), ediert werden (Bernhard Neuschäfer).