Die Kommission wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, die Geschichte der Akademie vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur frühen Bundesrepublik zu erforschen und sich dabei besonders auf die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft 1933–1945 zu konzentrieren. Sie will herausarbeiten, wie sich die Akademie und ihre Mitglieder in den politisch-kulturellen Systemen des Wilhelminischen Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der frühen Bundesrepublik positioniert haben.
Die NS-Zeit steht dabei aus zwei Gründen im Mittelpunkt. Zum einen hat die Göttinger Akademie ihre Vergangenheit im Nationalsozialismus bisher noch nicht aufgearbeitet. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die institutionellen Vorgänge zu untersuchen, die zum Rückzug oder Ausschluss von Mitgliedern aus weltanschaulichen oder rassistischen Gründen führten. Ebenso ist nach den Kriterien und Umständen von Neuaufnahmen zu fragen. Zum anderen wirkte die NS-Zeit erheblich auf das deutsche Wissenschaftssystem in seiner Gesamtheit ein: Neue Institutionen wurden gegründet, andere verschwanden, Forschungsparadigmen wandelten sich ebenso wie die Pflichten und Möglichkeiten des Forschers. Dementsprechend gilt es auch herauszuarbeiten, welche Rolle die Akademie in der sich verändernden Forschungslandschaft einnahm und welche Kontinuitätslinien sich zu der Zeit vor 1933 wie zu den ersten Nachkriegsjahrzehnten feststellen lassen.
Dabei ist zu bedenken, dass die Akademie immer einen Doppelcharakter trug: Auf der einen Seite war sie eine lokale Institution, eingebunden in die Göttinger Wissenschaftslandschaft und Stadtgesellschaft, auf der anderen war sie vor allem durch ihre Mitglieder Teil vielfältiger regionaler, nationaler und internationaler Netzwerke und agierte somit unter verschiedenen, potentiell in Spannung zueinander stehenden Rahmenbedingungen. Außerdem ist die Ambivalenz zu berücksichtigen, die zwischen der Institutionalität der Akademie, d. h. ihrer Tradition, ihren eingeübten Verfahren sowie ihrem gewachsenen Selbstverständnis einerseits und den politisch-kulturellen Systemwechseln andererseits bestand. Das Ergebnis der Kommissionsarbeit soll somit ein Beitrag zu einer Geschichte der Göttinger Akademie sein, der den Weg einer Wissenschaftsinstitution im „Zeitalter der Extreme“ nachzeichnet.

Das Programm der Ringvorlesung "Forschung im 'Zeitalter der Extreme'. Akademien und andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Nationalsozialismus" (im Wintersemester 2017/18) wurde von der Kommission gestaltet und wurde 2020 publiziert. Mehr

Aus der Kommission ist das Forschungsprojekt "Zwischen elitärer Selbstbeschreibung und politischer Positionierung. Die Göttinger Akademie der Wissenschaften vom Ersten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre" hervorgegangen, das vom Land Niedersachsen im Rahmen des Programms Pro Niedersachsen 2016 gefördert wird. Mehr dazu erfahren Sie hier

Mit dem Erscheinen der Monographie von Désirée Schauz (Umkämpfte Identitäten. Die Göttinger Akademie der Wissenschaften und ihre Mitglieder, 1914-1965, Göttingen: Wallstein 2022) und ihrer öffentlichen Vorstellung und sowie der Errichtung und Enthüllung der Gedenktafel für die in der NS-Zeit aus der Akademie ausgeschlossenen oder zum Austritt gedrängten Mitglieder hat die Kommission ihre Arbeit abgeschlossen. Sie hat daraufhin um ihre Auflösung gebeten, was auf der Akademiesitzung vom 15. Dezember 2023 erfolgte.