Erschließung der Akten des Kaiserlichen Reichshofrats

Einblicke in bisher kaum genutzte Quellen

Recht und Verfassung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation werden künftig durch ein umfangreiches und bisher nur schwer zugängliches Quellenmaterial neu zu bewerten sein. Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen betreut seit 2007 ein Projekt, bei dem ca. 15 Prozent der Judizialakten des kaiserlichen Reichshofrats im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv erschlossen werden sollen.
Die rechtshistorische Forschung hatte sich in der Vergangenheit überwiegend mit der Rechtsprechung des 1495 gegründeten und seit 1693 in Wetzlar ansässigen Reichskammergerichts befasst. Grundlage bildeten die zu 95% erschlossenen Reichskammergerichtsakten. Der seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1806 stets am Hofe des Kaisers – meist in Wien – tagende Reichshofrat, der mit dem Reichskammergericht teils konkurrierte, teils kooperierte, wurde demgegenüber vernachlässigt, womit unsere Kenntnisse von der Reichsgerichtsbarkeit unvollständig und korrekturbedürftig waren. Denn beide Gerichte bildeten bei grundsätzlich gleicher Kompetenz die letzten und höchsten Instanzen im Heiligen Römischen Reich. Darüber hinaus war der Reichshofrat nicht nur Rechtsprechungsorgan, sondern auch Regierungs- und Verwaltungsbehörde des Kaisers. Spätestens unter Kaiser Rudolf II. (1576-1612) begann der Reichshofrat als führende rechtspolitische Kraft im Spannungsfeld von Reich und Territorialmächten das von den Reichsständen dominierte Reichskammergericht sogar zu überflügeln.

Im Rahmen des  Projekts wurden bereits mehrere Tausend Akten vornehmlich des 16. und 17. Jahrhunderts erschlossen und der Forschung in zehn beim Erich Schmidt Verlag Berlin erschienenen Bänden und online (www.archivinformationssystem.at ; www.RHRdigital.de) zugänglich gemacht. Auf diese Weise hat das Vorhaben in den vergangenen Jahren der rechtshistorischen und historischen Forschung zur Funktion und Bedeutung des Reichshofrats nachhaltige Impulse gegeben. Denn das Aktenmaterial bildet in Umfang und Dichte einen der wichtigsten Quellenbestände für die Rechts-, Verfassungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte des Heiligen Römischen Reiches und seiner Territorien.  

Die weitere Erschließung wird zeigen, in welchem Maß der Reichshofrat zusammen mit dem Reichskammergericht den Frieden im Rechts- und Verfassungsleben des Alten Reiches mitgestaltet hat.

Leiter der Göttinger Arbeitsstelle
Prof. em. Dr. jur. Wolfgang Sellert
Juristische Fakultät der Universität Göttingen
Abt. Rechtsgeschichte
Weenderstr. 2 (Altes Auditorium)
37073 Göttingen
Telefon: 0551-39-19795
Telefax: 0551-394872
email: wseller@gwdg.de

Homepage des Projektes: http://www.reichshofratsakten.de