Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Lauenburg

Lauenburg

(1) L. entstand an dem Punkt, wo der Limes Saxoniae, ein breiter, sich von Kiel bis an die Elbe erstreckender Naturgürtel mit Grenzbefestigungen, der bis in das 12. Jahrhundert das Siedlungsgebiet der slawischen Polaben im Osten von dem der Sachsen im Westen trennte, an die Elbe stieß; drei Kilometer weiter westlich befand sich auf dem gegenüberliegenden Elbufer die Artlenburg. Unter dem aus der askanischen Familie stammenden Herzog Bernhard I. von Sachsen (um 1140–1212) entstand die L., die 1182 als »Lovenburg« erstmal urkundlich in Erscheinung tritt. Der Name deutet auf die altpolabische Bezeichnung für Elbe »Labo« oder »Lawe« hin. Daß der Name auf Heinrich den Löwen, der 1189 in den Besitz der Burg gelangte, zurückzuführen sei, ist eher unwahrscheinlich.

Nach der Schlacht von Bornhöved 1227, mit der eine seit Anfang des 13. Jahrhunderts bestehende Vorherrschaft des dänischen Kg.s in Nordelbingen endete, erhielt Bernhards Sohn Albrecht (1212–1260) die Herrschaft im Herzogtum Sachsen und damit auch über L. 1260 kam es zur Teilung der askanischen Linie in Sachsen-Wittenberg und Sachsen-L. In Wittenberg starben die Askanier 1422 aus, ohne dass die L.er Linie davon hätte profitieren können. Sie regierte – meist unter beschränkten wirtschaftlichen Verhältnissen – bis 1689; dann starb die askanische Linie Sachsen-L. ebenfalls im Mannesstamme aus. Die Kurfürsten von Hannover übernahmen die Herrschaft, unter ihnen spielte L. keine Rolle als Residenz. Auch 1816, als der König von Dänemark, und 1865, als der König von Preußen als Landesherren folgten, blieb L. Landstadt.

(2) Burg und Stadt trugen zwar denselben Namen, aber aus dem Herrensitz und der ihm zu Füßen liegenden Stadt hat sich nie eine Symbiose ergeben, die den Charakter des Ortes bestimmt hätte. Beide sind im 12. Jahrhundert entstanden, die erste urkundliche Erwähnung der Stadt stammt von 1260, das Kirchspiel L. ist bereits 1243 bezeugt. Die Stadt L. bestand bis 1872 nur aus dem schmalen Streifen entlang der Elbe zu Füßen des Schlossbergs, weswegen L. auch als »Stadt ohne Land am Fluß« bezeichnet worden ist. Aus einer Urkunde des Schiffsamtes, der Zunft der Schiffer, lässt sich eine Einwohnerzahl im 14. Jahrhundert von 500 bis 600 erschließen. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts dürfte sie auf ca. 1000 gestiegen sein. Vogt, Rat und Bürgerschaft verhandelten ebenbürtig mit Vertretern des deutlich größeren Lübecks. Am Ende der Askanierzeit 1689 hatte L. 86 Häuser. L. und die umliegenden eigenständigen Gemeinden Hohler Weg (entstanden nach 1550), Unterbrück, Oberbrück und Vorstadt hatten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts jeweils eigene Bürgermeister. Die von Herzog Franz II. 1599 erlassene Polizeyordnung regelte nicht nur die öffentliche Ordnung, sondern wirkte als Verfassungstext, da in ihr die Kompetenzen des Rats bis ins Kleinste festgelegt wurden.

L. war eine Handels-, Schiffer- und Fischersiedlung, die von der Lage an der Elbe und am Einfluss der Delvenau, der nach der Eröffnung des Stecknitzkanals 1398 auch den Eingang des Kanals nach Lübeck bildete, profitieren konnte. Die starke Stellung der Schiffer schlug sich in der die Geschicke L.s bestimmenden Rolle des Schiffsamts seit dem 16. Jahrhundert nieder. Ob und inwieweit es eine Nähe zu den in der Stadt wohnenden Hofbediensteten gab, ist fraglich. Bis ins 18. Jahrhundert hinein nahm L. eine wichtige Position beim Transport des Lüneburger Salzes nach Lübeck ein. Die Gründung der Schützengilde von 1666 darf als Ausdruck einer gewissen bürgerlichen Blüte interpretiert werden. Die Stadt verfügte nicht über landwirtschaftlich nutzbare Flächen, so dass die Einwohner nicht auf städtischem Grund Landwirtschaft betreiben konnten.

Der älteste Stadtplan stammt von 1735. L. war keine »feste« Stadt, eine Stadtmauer hat es nie gegeben: Nach Osten war der Ort durch die Delvenau-Niederung geschützt, im Süden lag die Elbe, im Norden die Burg. Nur nach Westen gab es ein Tor (1827 abgebrochen), das, verbunden mit dem Zollhaus, unter Herzog Franz II. (reg. 1581–1619) ausgebaut wurde.

(3) Die Maria-Magdalenenkirche stellte das zentrale Element dar, das die Stadt, die anderen vier Gemeinden und den Burg-/Schlossbezirk miteinander verband. Sie dürfte im 13. Jahrhundert entstanden sein und erhielt ihren Namen, nachdem die Dänen in der Schlacht bei Bornhöved am Maria-Magdalenentag (22. Juli) 1227 geschlagen worden waren. Der ursprüngliche Bau war erheblich kleiner als der 1598 errichtete. In der Kirche befindet sich die Fs.engruft der askanischen Herzöge Herzog Franz II., der mit der L.ischen Kirchenordnung 1585 die Reformation im Herzogtum zum Abschluss gebracht hatte, ließ in der Kirche für sich und seine Frau 1599 ein Epitaph errichten, das wie ein Lettner zwischen Kirchenschiff und Chorraum angelegt war (1827 abgebrochen). Heute sind nur noch die Figuren des Hzg.s und seiner Frau erhalten.

(4) Die L. war von 1228 bis 1689 eine der Residenzen der Herzöge von Sachsen-L. Bis zur Fertigstellung der Burganlage 1429 ist an ihr durchgehend gebaut worden. Im Spätmittelalter gab es Burgmannen aus den Adelsgeschlechtern der Region, denen ein Burgvogt, zugleich Burgkommandant, vorstand. Adlige Freihöfe gab es nicht. Zur Versorgung des Hofs hatte das Vorwerk, das seit 1429 nachweisbar ist, beizutragen.

In der älteren Literatur ist die Rede von einem Brand und einem Neubau der L. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Als Beleg hierfür wird der Schlossturm genannt. Neuere Forschungen ergeben indes, dass es den Brand und den anschließenden Neubau nicht gegeben hat. Stattdessen ist eine Beschreibung der Burg aus dem Jahr 1429 gefunden worden, die anlässlich der Teilung der Burg zwischen den hzl.en Brüdern Erich V. († 1435) und Bernhard II. († 1483) angefertigt wurde. In gemeinsamer Nutzung verblieben Turm, Brunnen, Tore und Wege, aufgeteilt wurden die Wirtschaftsgebäude sowie das Haus des Vogtes u. a. Deutlich wird, dass die Herzöge in sehr bescheidenen Verhältnissen lebten. Bis Ende des 16. Jahrhunderts gab es keine nennenswerten Bautätigkeiten, erst Herzog Franz II., der in Kriegszügen gegen die Türken zu Reichtum gekommen war, trat wieder als Bauherr hervor. Er ließ die Burg in ein bescheidenes Renaissanceschloss mit Kapelle und Schlossgarten umwandeln (1594). 1616 brannte das Schloss nieder, Herzog Franz II. begab sich nach Neuhaus in das dortige Schloss. Sein Nachfolger, Herzog August, verlegte die Residenz 1619 von L. nach Ratzeburg.

Den Dreißigjährigen Krieg haben Schlossreste und Stadt L. trotz mehrfacher Belagerung und Besetzung halbwegs unbeschadet überstanden. Im Schwedisch-Polnischen Krieg (1655–1660) aber traf es die L. hart: Einnahme 1656 durch schwedische Truppen, 1658 Vertreibung und völlige Zerstörung durch eine antischwedische Koalitionsarmee. Herzog Julius Franz (1641–1689, reg. ab 1666), der letzte, sich in Böhmen aufhaltende Sproß der L.er Askanier, trug sich mit dem Gedanken, den Stammsitz der Familie wiederherzustellen, Entwürfe hierfür sind wie Pläne für eine Gartenanlage erhalten; realisiert wurden sie nicht. Die nachfolgenden Welfen hatten kein Interesse daran, im neuerworbenen Herzogtum L. Nebenresidenzen zu unterhalten, 1706 wurden die Reste des Schlosses abgerissen, der Turm wurde zum Gefängnis umgebaut. Als Beispiel bürgerlichen Bauens sei das mit verziertem Fachwerk versehene Mensingsche Haus von 1573 genannt.

(5, 6) Die Stadt L. hat für die Geschichte des Hzm.s L. nur im Spätmittelalter eine wichtige Rolle gespielt. Danach war die Stadt in erster Linie ein Umschlagplatz im Salzhandel zwischen Lüneburg und Lübeck. Als Residenz trat L. nur selten (wenn überhaupt) in Erscheinung, weil die Herzöge nicht über die erforderlichen Mittel für eine größere Hofhaltung verfügten, die ihre reichsfürstliche Stellung ausgedrückt hätte, weswegen der Hof die Stadt nur in geringem Maße prägte. Seit 1616 war der Hof nicht mehr dauerhaft anwesend. Eine besondere Funktion hatte die von der Stadt zur Burg führende Brücke. Hier tagte nachweislich bis 1544 das Brückengericht, bei dem der Herzog von Sachsen-L. als Gerichtsherr und höchste Appellationsinstanz im Sachsengebiet waltete. Versuche, diesen Anspruch auch über das 16. Jahrhundert hinaus geltend zu machen, waren erfolglos. Neben Ratzeburg war L. häufiger Ort der Landtage, auf denen beide Städte auch vertreten waren, ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurde diese Funktion durch Büchen verdrängt. Entscheidend blieb die Lage an Elbe und Stecknitzkanal, wodurch die Stadt vom Durchgangshandel profitierte. Mit der günstigen wirtschaftlichen Situation Hamburgs und Lübecks in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlebte auch L. einen wirtschaftlichen Aufschwung. Bedingt durch die Politik der Großmächte gab es gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen Niedergang, da der ehedem florierende Getreidehandel unterbunden wurde, L. zudem mit der Übernahme des Hzm.s Sachsen-Lauenburg durch den dänischen König in eine Randlage geriet.

(7) Die wichtigsten Quellen zur Geschichte Lauenburgs im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit befinden sich im Landesarchiv Schleswig, Abt. 210. 216, 217 und 231. Gedruckte Findbücher liegen vor. Das Stadtarchiv Lauenburg verfügt überwiegend über Quellen zur neueren Geschichte.

(8) Festbuch zur 700-Jahr-Feier der Stadt Lauenburg/Elbe, hg. vom Magistrat der Stadt Lauenburg, Lauenburg 1960. – Stadtchronik zur 725-Jahr-Feier der Stadt Lauenburg, hg. vom Magistrat der Stadt Lauenburg, Lauenburg 1985. – Kleinfeld, Martin: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Lauenburg/Elbe vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Hamburg 2000. – Opitz, Eckardt: Art. „Lauenburg“, in: Herzogtum Lauenburg. Das Land und seine Geschichte. Ein Handbuch, hg. von Eckardt Opitz, Neumünster 2003, S. 606–610. – Meding, Wichmann von: Stadt ohne Land am Fluß. 800 Jahre europäische Kleinstadt Lauenburg, Frankfurt a. M. 2007. – Bohlmann, Heinz: Bemerkungen zur Verwaltungsgeschichte im Kreis Herzogtum Lauenburg seit dem 13. Jahrhundert, in: Kunz, Harry: Wegweiser zu den Quellen der Landwirtschaftsgeschichte Schleswig-Holsteins, Tl. 10: Kreis Herzogtum Lauenburg, Bräist (Bredstedt) 2015, S. 10–21. – Biografisches Lexikon Herzogtum Lauenburg, hg. von Eckardt Opitz, Husum 2015.

Eckardt Opitz