Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Wittenberg

Wittenberg

(1) W. liegt auf einer leicht erhöhten Terrasse am linken Ufer der mittleren Elbe, wo es einen Flussübergang gab (ab 1487 Holzbrücke). Der Name W. geht auf mnd. wit zurück und bezieht sich auf einen hellen Sandsteinfelsen (Siedlung am weißen Berg bedeutend). Die spätere Stadt entstand aus einem Burgwardsmittelpunkt der Zeit Markgraf Albrechts des Bären von Brandenburg. Die Burg wird 1161 erstmals erwähnt, 1174 ein Graf von W. und 1187 der Burgward mit Siedlung. W. kam nach der Entmachtung Herzog Heinrichs des Löwen von Sachsen und Bayern 1180 an die Askanier, welchen das Herzogtum Sachsen als Lehen übertragen wurde. Aufenthalte in W. sind ab 1227 unter Herzog Albrecht I. (1212–1260) nachweisbar. Nach seinem Tod 1260 entstand die jüngere Linie der Askanier mit W. als Hauptort (Sachsen-W.). Das bereits im 13. Jahrhundert ausgeübte Kurrecht, mit der ein erhöhter Rang verbunden war, wurde in der Goldenen Bulle 1356 den W.er Askaniern fest zugeschrieben. Sie behielten die Kurwürde bis zum ihrem Aussterben 1422, woraufhin die Kur an die Wettiner überging, die neben der Markgrafschaft Meißen, der Landgrafschaft Thüringen nun auch die Gebiete des (späteren) sächsischen Kurkreises (1499 errichtet) erhielten. 1485 fiel W. bei der Leipziger Teilung an die ernestinischen Wettiner, 1547 dauerhaft an die albertinische Linie. 1815 wurde W. der preußischen Provinz Sachsen-Anhalt zugeordnet. Ab Herzog Albrecht II. von Sachsen-W. (1260–1298) und Herzog Rudolf I. (1298–1356) wurde W. als Residenz bevorzugt, unter Kurfürst Wenzel (1370–1388) und Friedrich dem Weisen (1486–1525) war W. Hauptresidenz. 1547 verlor W., das auf Befehl Kaiser Karls V. im Schmalkaldischen Krieg nicht zerstört wurde, seine Bedeutung als Residenz der albertinischen Wettiner an Torgau. Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) wurde die Stadt von den Preußen besetzt und zur Festung erklärt, ca. ein Drittel der Häuser sowie Schloss und Universitätsgebäude wurden zerstört.

Kirchlich gehört W. zum Bistum Brandenburg. Außerordentliche Bedeutung erhielt W. durch die 1502 gegründete Universität Leucorea, an der Luther und zahlreiche namhafte Reformatoren wirkten, weswegen W. in erster Linie als Stätte der Reformation allgemein bekannt ist. Als besonderes Gewerbe ist der Buchdruck zu nennen. Die Universität wurde 1816 nach Halle a. d. Saale verlegt.

(2) W. weist einen klar gegliederten, rechteckigen Grundriss aus, der sich in ost-westlicher Ausrichtung parallel zur Elbe erstreckt. Das Schloss im Westen mit der Schlosskirche, dem Amtshaus, dem Zeughaus, der kfl.en Küche sowie der Amtsmühle bildeten ein geschlossenes Areal, welches sich an die Stadtmauer anlehnte; der Zugang erfolgte über das Coswiger Tor. Nordwestlich davon schloss sich außerhalb des Mauerrings die Schlossvorstadt an. Am östlichen Stadttor, dem Elstertor, befand sich das Augustiner-Eremitenkloster (heute Lutherhaus) sowie das Kollegium Augusteum. Vor der Stadtmauer lag hier die Elster-Vorstadt. Ungefähr in der Mitte der ost-westlich verlaufenden Durchgangsstraße (Schlossstraße und Kollegienstraße) befand sich der großräumige Marktplatz mit dem Rathaus, der Stadtkirche St. Marien und dem Kaufhaus.

1293 erweiterte Herzog Albrecht II. von Sachsen-W. das zu einem unbekannten Zeitpunkt verliehene Stadtrecht. Gegen eine jährliche Zahlung wurden die Bürger von Abgaben für die Nutzung hzl.er Grundstück befreit. 1313 werden erstmals Rat und Schöffen erwähnt, 1314 die Schneiderinnung, und 1317 schlichtete Herzog Rudolf I. (1298–1356) und sein Bruder einen Streit zwischen dem Rat und der Bäckerinnung, was auf eine ausgebaute, seit längerem bestehende Selbstverwaltung hinweist. Die Bäckerinnung schloss Juden und Slawen aus, zudem wird erstmals das Rathaus erwähnt. 1330 erhielt die Stadt von Herzog Rudolf I. das Recht, anstelle des Stadtherrn Münzen zu schlagen; Münzmeister besetzten mehrmals Ratsherrenstellen (belegt ab 1361). Kaufhaus und Kaufhauszins übertrug der Landesherr 1354 an die Stadt. Die Innungen der Fischer, Fleischer, Schuhmacher (mit den Gerbern) und Bäcker erhielten 1350 ihre Statuten durch den Rat, allerdings auf Befehl des Landesherrn. Das Monopol auf den Tuchhandel wurde 1356 den Gewandschneidern gewährt. W.s Gewerke waren in erster Linie auf die Versorgung des Hofs und auf den Regionalhandel ausgerichtet. Seit 1402 durfte der Rat mit Zustimmung des Hzg.s die Preise für Handwerksprodukte festsetzen. 1415 wurde W. das Stapelrecht für den Elbhandel verliehen, Zoll- und Geleitsrecht verblieben jedoch fest in landesherrlicher Hand, weswegen die Stadt bezüglich des auswärtigen Handels an die Landesherren gebunden blieb. Wirtschaftlich wurde der Verlust der Hofhaltung 1547 durch die Anwesenheit von Studenten und Gelehrten an der Reformations-Universität kompensiert, zumal der Buchdruck eine Blüte erlebte. Zu nennen sind Melchior Lotter und seine Söhne, Hans Luff und Samuel Selfisch, der der berühmteste Buchdrucker des 17. Jahrhunderts war und daneben das Amt des Bürgermeisters bekleidete. Er verstarb in W. (Epitaph in der Marienkirche).

Der Rat bestand zunächst aus vier Mitgliedern, ab 1340 aus sieben. Der Bürgermeister wurde jährlich neu bestimmt. In einem dreijährigen Turnus bestimmte der jeweils amtierende Rat den der nächsten Periode, ein Ratsdrittel übernahm die Gerichtshoheit und das weitere Ratsdrittel pausierte. 1331 und 1361 fungierte ein Ratmann anstelle des landesherrlichen Vogtes als Richter am Stadtgericht.

Die Einwohnerzahl lag um 1500 bei ca. 3500 und erhöhte sich infolge der Universitätsgründung 1502 um ca. 1000 (anfangs 400 Studenten immatrikuliert). 1513 gab es in Wittenberg 350 Häuser, von denen 172 brauberechtigt waren, die Schlossvorstadt wuchs auf 60 Häuser. Von 1536 bis 1547 wurden insgesamt 4500 Studenten aufgenommen. Abgesehen von einem Rückgang der Studentenzahlen blieb W. vom Dreißigjährigen Krieg verschont.

(3) Pfarrkirche war die 1187 erstmals zusammen mit Pfarrhaus (dem späteren Bugenhagenhaus) und Kirchhof erwähnte St. Marienkirche. Auf Betreiben Herzog Rudolfs II. (reg. 1356–1370) wurde die Kirche dem Allerheiligenstift (Schlosskirche) unterstellt. Das Langhaus und die beiden Westtürme wurden 1411/12–1439 erbaut. Um 1530 wurden drei Diakonhäuser angebaut. Ausgestattet wurde sie sowohl durch den Landesherrn (Hzg. Rudolf I. stiftete 1323 den Nikolausaltar), als auch durch die Einwohner (die Schützenbruderschaft stiftete 1412 den Sebastiansaltar, 1436 die Tuchmacher den Severus-Altar). Gemeinsam schlichteten Rat und Herzog zwischen 1368 und 1375 mehrfache Auseinandersetzungen um Opfergaben und Testamente zwischen der Marienkirche und dem Franziskanerkloster.

Zwischen 1261 und 1273 stiftete Herzogin Helene, Witwe Albrechts I., das Franziskanerkloster, wo sie 1273 bestattet wurde, 1286 folgte ihr ihr Sohn Johann I., der 1282 in das Kloster eingetreten war. Seitdem diente die Klosterkirche bis 1422 den Askaniern als Begräbnisstätte (als letztes für Herzog Albrecht III. von Sachsen-W.). 1522/1527 wurde das Kloster in ein städtisches Hospital umgewandelt. 1535 erfolgte die endgültige Aufhebung. Philipp Melanchthon fertigte 1544 ein Verzeichnis der noch vorhandenen Grabplatten an, jedoch bereits 1537 waren auf Geheiß Herzog Johann Friedrichs des Großmütigen zwei repräsentative Grabmäler (das Herzog Rudolfs II. und seiner Gemahlin Elisabeth) in die Schlosskirche verlagert worden. Im Zusammenhang mit dem Schmalkaldischen Krieg wurde das Kloster geplündert, das Inventar sowie die Grabmäler zerstört.

Die Einrichtung des Kollegiatstiftes Allerheiligen (der späteren Schlosskirche) ist nicht genau zu datieren, erfolgte wohl um 1338, da Erzbischof Otto von Magdeburg zu diesem Jahr der Verlegung der Kapelle von Pratau (W. gegenüber auf der anderen Elbseite gelegen) nach W. zustimmte. Mit der Einrichtung des Stifts erfüllte Herzog Rudolf I. den Wunsch seiner 1331 verstorbenen Frau Kunigunde. Papst Clemens VI. erlaubte 1346 die Bestallung von sechs Kaplänen, seitens des Hzg.s wurde die Besetzung der Propststelle beeinflusst. Einer der Stiftsherren wurde nach Inkorporation der Stadtkirche zum Ortspfarrer. Unter den Askaniern rekrutierte sich im 14. Jahrhundert das Kanzleipersonal aus dem Allerheiligenstift. Die 1509 geweihte Schlosskirche umfasste eine der größten Reliquiensammlungen Europas, für deren Zustandekommen Kurfürst Friedrich der Weise verantwortlich war. 1527 wurde das Allerheiligenstift aufgelöst, seine Einkünfte flossen vollumfänglich der Universität zu. Die Schlosskirche verlor an Bedeutung, die Stadtkirche St. Marien wurde Hauptkirche W.s. Die in der Schlosskirche befindliche kurfürstliche Bibliothek ging 1547 nach Weimar, 1558 nach Jena, schließlich 1817 nach Halle a. d. Saale, andere Buchbestände der Klöster gingen im Zuge der Säkularisierung in den Bestand des neugegründeten Evangelischen Priesterseminars über.

Zu 1301 ist ein Hl.-Geist-Hospital am Elstertor überliefert, welches gewiss älter sein dürfte. Gestiftet worden war es von Herzogin Agnes, Witwe Albrechts II. Ebenfalls vor dem Elstertor richtete der Rat 1355 ein Leprosenhaus mit einer dem Hl. Bartholomäus geweihten Kapelle ein. Der Ratsherr Konrad Wymann stiftete um 1368 die Kapelle »Zum Heiligen Leichnam« neben der Stadtkirche St. Marien, die um 1377 und um 1388 von Herzog Wenzel umfangreich beschenkt wurde.

Seit 1414 gab es Augustiner-Eremiten in W., zunächst eine Terminei der Herzberger Brüder. Ein eigenes Kloster wurde 1503 im Zuge der Universitätsgründung auf dem Gelände des Hl.-Geist-Spitals eingerichtet. Nachdem 1522 alle Mönche das Kloster verlassen hatten, bezog 1524 Martin Luther ein Gebäude und nutzte es bis zu seinem Tode als Wohnhaus. Seine Erben verkauften es 1564 der Universität, die es in das Augusteum, ursprünglich ebenfalls ein Teil des Augustiner-Eremitenklosters, das der Universität bis 1817 als Lehrgebäude diente, eingegliederte.

1336 wird ein Schulmeister an der St. Marienkirche für die Jungen erwähnt, ab 1442 wurden die Schulmeister in deren Priesterbruderschaft aufgenommen. Eine Entlohnung der Schüler ist ab 1494 nachweisbar, u. a. für Gesangsdienste für die Bruderschaften (z. B. Liebfrauenbruderschaft 1517, auch die der Bäcker, Fuhrleute und die Schützen). Zu Neujahr gab es eine Reiterprozession des Schulleiters zusammen mit den Knaben von der Stadtkirche durch die Stadt bis zum Rathaus. In der Reformation wurde die Schulbildung auf die Mädchen erweitert (belegt 1529). Spätestens 1533 wurde am Kirchplatz, wo sich auch die 1368 erstmals erwähnte Fronleichnamskapelle befand, ein Schulmeisterhaus errichtet. An der Nordseite des Kirchplatzes erfolgte zwischen 1564 und 1567 der Neubau der Stadtschule. Mit der Universitätsgründung kam es zu einer engeren personellen Bindung des Lehrpersonals der Schule an die akademische Einrichtung.

Kirchengeschichtlich höchst bedeutsam ist die 1517 von Martin Luther, der seit September 1511 Mönch im W.er Augustiner-Eremiten-Kloster und seit Oktober 1512 Professor an der W.er Universität war, begonnene Reformation. Seine Tätigkeit hatte weitreichende Rückwirkungen auf die W.er Stadtgeschichte, vor allem durch den Zuzug zahlreicher reformatorisch gesonnener Theologen und Philologen, die durch ihr Korrespondentennetz W. zu einem Zentrum der gelehrten und (kirchen-)politischen Auseinandersetzung der 1520er bis 1550er Jahre machten, wozu auch die umfangreiche Buchproduktion beigetragen hat.

In W. kam es 1521/22 durch radikale Strömungen in der Studentenschaft zu Unruhen und Akten der Bilderstürmerei unter der Leitung Andreas Karlstadts. Luthers Rückkehr von der Wartburg im März 1522 beendete dies, kurz danach wurde der evangelische Gottesdienst eingeführt und alsbald eine neue Kirchenordnung für die Stadt verabschiedet. Die Einkünfte der eingezogenen Kirchengüter ermöglichten ab 1545 eine großzügige Stipendienvergabe, was zu einem vermehrten Zuzug von Studenten nach W. führte. Als erster, 1523 von der Gemeinde gewählter protestantischer Pfarrer an der Marienkirche amtierte Johannes Bugenhagen. 1525 verstarb Kurfürst Friedrich der Weise, dem Luther die Leichenpredigt hielt; beigesetzt wurde Friedrich in der Schlosskirche (Grab mit Bronzeplatte aus der Vischer-Werkstatt in Nürnberg). Auch Friedrichs Bruder und Nachfolger, Kurfürst Johann der Beständige, wurde 1532 hier beigesetzt. Luther wurde 1546 ebenfalls in der Schlosskirche bestattet.

(4) Die Stadtbefestigung (1409 als Mauer errichtet) verfügte über drei Tore (Schloss- bzw. Coswiger Tor, Kreuz- oder Elstertor und das Elbtor), ab 1430 folgte der Ausbau mit Zwingern mit Rondellen. Der Um- und Ausbau der alten Burg einschließlich der Schlosskirche Allerheiligen ab 1490 unter Kurfürst Friedrich den Weisen hatte Auswirkungen auf das Baugeschehen in der Stadt (ältere Bürgerhäuser standen mit der Traufe zur Straße, Fenster und Portalumrahmungen wurden nun hinzugefügt). Im frühen 16. Jahrhundert wurden die Bauaktivitäten in der Stadt verstärkt. Der Bereich um den Marktplatz wurde mit mehrgeschossigen Häusern im Stil der Renaissance versehen (Rathaus 1523–1525, Melanchthonhaus 1536/1537, Marktbrunnen 1540, steinerne Marktbuden 1530–1540). Bauelemente wie der Arkadengang am Rathaus oder die hölzernen Laufgänge im Obergeschoss des Cranachhauses und bei anderen Gebäuden an der Südseite des Marktplatzes dürften wohl auf süddeutsche Vorbilder zurückgehen. Repräsentative Bürgerhäuser, die u. a. von den bedeutenden Gelehrten der Universität, nicht zuletzt von Martin Luther selbst, errichtet wurden, prägten zunehmend das Erscheinungsbild. Der Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. richtete 1505 seine Malerwerkstatt ein, von der neben zahlreichen Portraits und dem Reformationsaltar weitere ca. 5000 Werke bekannt sind (1537 wurde er erstmals Bürgermeister in W.). Typisch für W.er Bürgerhäuser ist der aufgesetzte Giebel mit volutenartigen Elementen als Antwort auf die Fassade des umgebauten Schlosses. Aussagen zur Sozialtopographie erlauben die seit 1481 überlieferten Schoßregister, die zeigen, dass sich um 1500 die steuerpflichtigen Geistlichen (d. h. 10 % aller Geistlichen) vorrangig im Coswiger, im Markt- und Jüdenviertel niedergelassen hatten; vom Schoß befreit waren die Klöster der Franziskaner und der Augustiner-Eremiten sowie das Allerheiligenstift, diejenigen, die ein öffentliches Amt ausübten sowie Universitätsangehörige mit Lehrauftrag.

(5) Überregionale Bedeutung hatte zunächst der W.er Schöppenstuhl seit Ende des 14. Jahrhunderts, die nach Einrichtung der Universität 1502 noch Anwuchs. Seit 1542 gab es in W. ein Konsistorium. Das Hofgericht des Kfm.s bzw. ab 1806 für das Königreich Sachsen bestand bis 1815. Landfriedensbündnisse schloss W. mit Zustimmung des Landesherren 1306 und 1361 mit den umliegenden askanischen Städten Aken, Herzberg, Köthen, Dessau und Zerbst ab. An den sich herausbildenden Landtagen der sächsischen Lande nahm W. seit 1428 teil, wo es den Vorsitz der Städtebank innehatte. Verträge zur Regelung der Bedeleistung sind nicht bekannt, hingegen gewährte die Stadt dem Landesherrn Kredite. Im Gegenzug erließen die Askanier mehrfach die jährliche Steuer, so 1361 für vier Jahre. 1383 vereinbarte man, dass die Landesherren für die von Herzog Albrecht II. und Wenzel aufgenommenen 682 Schock böhmischer Groschen Stadt 68 Schock jährlichen Schoß der Stadt überließen, bis die Summe bezahlt ist. Die ab 1330 in W. geschlagenen Pfennige erhielten keine überregionale Bedeutung.

Die städtische Feldmark wurde erweitert, als 1301 Hzg.witwe Agnes und ihr unmündiger Sohn Grundstücke veräußerten und zugleich das Hl.-Geist-Hospital reich dotierten.

(6) W. ist in erster Linie als Stadt der Reformation und der Reformatoren bzw. als Zentrum des Protestantismus bekannt, daneben als Universitätsstadt und in gewerblicher Hinsicht als Zentrum des Buchdrucks im 16. Jahrhundert Das höfisch-herrschaftliche Element ist dabei zu berücksichtigen: W. konnte sich als Ort der Reformation entwickeln, weil der Kurfürst Friedrich der Weise und dessen Vertraute (vor allem Johann Bugenhagen [gen. Dr. Pommer], Justus Jonas d. Ä. und der kurfürstliche Sekretär und Prinzenerzieher Georg Spalatin sowie Kanzler Georg von Brück und Augustin Schurff) ihre schützende Hand über die Universität und zugleich über die Residenzstadt hielten.

W. typologisch als Residenzstadt zu deuten ist möglich, da die Stadt ab 1227 zunächst nur sporadisch, ab Herzog Albrecht II. (1260–1298) und von Herzog Rudolf I. (1298–1356) verstärkt von den Askaniern aufgesucht wurde. Seit 1301 förderte der Herzog die Bürgerschaft in größerem Umfang. Vermehrt fanden Hoftage in W statt. Auch die 1422 nachfolgenden Wettiner hielten an der Förderung fest. Krisenhafte Zuspitzungen im Verhältnis zum Landesherrn blieben Episode, so als 1421 der sich in akuter Geldnot befindliche Herzog Albrecht III. († 1422) alle seine der Stadt übertragenen Einkünfte zurückforderte, worüber es beinahe zum Krieg gekommen wäre, der nur durch die Vermittlung Markgraf Friedrichs von Brandenburg verhütet werden konnte. Dieser bestätigte die Stadt in all ihren Rechten.

W. verlor seine Funktion als Residenzstadt der ernestinischen Linie der Wettiner im Zuge des Schmalkaldischen Krieges 1547, doch bestätigte Herzog Moritz von Sachsen aus der albertinischen Linie der Stadt 1551 ihre alten Rechte und Privilegien. Als Universitätsstadt und Hort des Protestantismus blieb W. weiterhin bedeutend.

(7) Neben den Beständen des Stadtarchivs sind die Archivalien des Gemeinen Kastens im Wittenberger Stadtkirchenarchiv St. Marien (1526–1806) aufschlussreich. – Im Stadtarchiv Wittenberg selbst sind als einschlägig zu nennen: Stadtbuch 100 (Bc 88) (1332–ca. 1435), Stadtbuch 101 (Bc 89) (ca. 1435/38–1502), Gerichtsbuch 106 (Bc 94) (1377–1507), Gerichtsbuch 107 (Bc 93) (1414–1458), Gerichtsbuch 108 (Bc 96) (1487–1514), Rechnungsbücher (KR) (1410–1921), Kopialbuch1 (Ba 1) (1293–1714), Kopialbuch 2 (Ba 2) (1245–1725), Kopialbuch 102 (Bc 90) (1301–1683), Kopialbuch 100 (Bc 88) (1332–1435).

Ein Urkundenbuch zur Geschichte der Stadt existiert nicht. Einzelne Urkunden sind verstreut zu finden in: Schoettgen/Kreysig, Diplomataria et Scriptores, 1760, im Codex diplomaticus Anhaltinus (1867–1883) bzw. Codex diplomaticus Brandenburgensis (1838–1868).

Dillich, Wilhelm: Ansicht von Wittenberg 1628, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Fotothek. – Merian d. Ä., Matthaeus: Topographia Saxoniae, Thüringiae, Misniae, Lusatiae etc. das ist die Beschreibung der … Stätt vnd Plätz, im Churfürstenthum Sachsen, Thüringen, Meissen, Ober vnd Nider Laußnitz von einverleibten Landen, Frankfurt 1650 (ND Kassel 1964 mit einem Begleitwort von Martin Zeiler). – Stadtkarte von Wittenberg, Andreas Goldmann zugeschr. um 1623, Stadtkarte von Wittenberg, Schmidt 1742, Stadtkarte von Wittenberg, anonym, nicht datiert, in: Das ernestinische Wittenberg. Stadt und Bewohner. Bildband, Abb. 1–3. – Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Bd. 1 (1502–1611), Bd. 2 (1611–1813), hg. von Walter Friedensburg, Magdeburg 1926, 1927 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, N.R., 3–4). – Matrikel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. 1: 1690–1730, hg. von Fritz Junke und Franz Zimmermann, Halle 1960. – Matrikel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. 2 1730–1741, hg. von Charlotte Lydia Preuss, Halle 1996.

(8)Oppermann, Otto: Das sächsische Amt Wittenberg im Anfang des 16. Jahrhunderts. Dargestellt auf Grund eines Erbbuches vom Jahre 1513, Leipzig 1897. – 450 Jahre Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. 1: Wittenberg 1502–1817, Halle 1952. – Mrusek, Hans-Joachim: Das Stadtbild von Wittenberg zur Zeit der Universität und der Reformation, Wittenberg 1977 (Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg, 1), S. 2–18. – Schwarz, Hilmar: Chronik der Stadt Wittenberg, Wittenberg 1985 (Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums, 10). – 700 Jahre Wittenberg. Stadt – Universität – Reformation, hg. von Stefan Oehmig, Weimar 1995. – Beck, Lorenz Friedrich: Herrschaft und Territorium der Herzöge von Sachsen-Wittenberg (1212–1422), Potsdam 2000. – Butz, Reinhardt: Art. „Wittenberg“, in: Höfe und Residenzen I,2 (2003), S. 634–637. – Das ernestinische Wittenberg. Universität und Stadt (1486–1547), hg. von Heiner Lück, Petersberg 2011 (Wittenberg-Forschungen, 1). – Das ernestinische Wittenberg. Stadt und Bewohner, hg. von Heiner Lück, Petersberg 2013 (Wittenberg-Forschungen, 2). – Lang, Thomas: »bucher gud unde beße«. Die Beziehung zwischen der Wittenberger Schlossbibliothek und dem kursächsischen Hof. Möglichkeiten und Grenzen der Auswertung von Rechnungsquellen, in: Buch und Reformation. Beiträge zur Buch- und Bibliotheksgeschichte Mitteldeutschlands im 16. Jahrhundert, hg. von Enno Bünz, Thomas Fuchs und Stefan Rhein, Leipzig 2014, S. 125–172. – Das ernestinische Wittenberg. Spuren Cranachs in Schloß und Stadt, hg. von Heiner Lück, Petersberg 2015 (Wittenberg-Forschungen, 3).

Reinhardt Butz