Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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FRIEDRICH DER SCHÖNE (1314-30)

I.

Dt. (Gegen-)Kg., Hzg. von → Österreich, Beiname aus dem 16. Jh.; * 1289; ∞ 1314 Isabella († 12. Juli 1330), die in → Österreich Elisabeth genannte Tochter Kg. Jakobs (Jayme) II. von Aragón (Hochzeitsfeier am 31. Jan. 1314 in Judenburg, Stmk.); Kinder: Friedrich II. (1316), Elisabeth (1317-36) und Anna (1318-42, ∞ Hzg. Heinrich III. von Niederbayern und Gf. Johann von Görz); † 13. Jänner 1330 in Gutenstein (Niedersterreich), ⚰ in der von ihm 1316 gestifteten Kartause Mauerbach bei Wien, seit 1782 in St. Stephan zuWien, am 19. Okt. 1314 von vier Kfs.en zum dt. Kg. gewählt, gekrönt (mit der »richtigen« Reichskrone) von Ebf. Heinrich II. von → Köln in → Bonn. Eltern: Kg. → Albrecht I. (1255-1308) und Elisabeth von Görz-Tirol († 1312).

II.

Das Wirken F.s, der seit 1306 die Verwaltg. im Hzm. → Österreich führte, wurde erhebl. vom jüngeren Bruder Hzg. Leopold I. (1290-1326) und dessen polit. Zielen (habsburg. Territorialbildg. im SW, Italienpolitik, Durchsetzg. des Kgtm.s gegenüber → Ludwig dem Bayern) beeinflußt. Nachdem Aspirationen auf die böhm. Krone gescheitert waren, führte der Konflikt mit den → Luxemburgern (9. Nov. 1313 habsburg. Niederlage bei Gammelsdorf) am 19. und 20. Okt. 1314 zur Doppelwahl im dt. Kgtm. Am 19. wurde Friedrich von Ebf. Heinrich II.von → Köln, Pfgf. Rudolf bei Rhein, Hzg. Johann von Sachsen-Wittenberg und von dem das → böhm. Kgtm. beanspruchenden Hzg. Heinrich von Kärnten in Sachsenhausen gewählt, tags darauf → Ludwig der Bayer, Vetter F.s, unmittelbar vor den Toren Frankfurts am Main von den Ebf.en Peter Aspelt von → Mainz und Balduin von → Trier sowie von Kg. Johann von → Böhmen, Hzg. Johann von Sachsen-Lauenburg und Mgf. Woldemar von Brandenburg. Keiner der beiden Kg.e wurde später (1323) von Papst Johannes XXII. anerkannt. Die Habsburger, diezunächst auf Diplomatie setzten und, um → Ludwig zuvorzukommen, eine offensive Italienpolitik betrieben, für die spezielle Gesandte und Machtboten eingesetzt und Vertraute des Kg.s als Reichsvikare, darunter 1319 bzw. 1320 Vater und Sohn Ulrich I. bzw. II. von Walsee-Graz, ersterer Landeshauptmann der Steiermark, ernannt wurden, drängten mehrmals auf eine milit. Entscheidung, der sich → Ludwig jedoch zunächst entzog; erst am 22. Sept. 1322 kam es bei Mühldorf in → Bayern zur Entscheidungsschlacht, im Zuge derer F. gefangengenommen und in der oberpfälz. BurgTrausnitz inhaftiert wurde. Der Konflikt, den Leopold I. weder diplomat. noch milit. lösen konnte, wurde nach knapp drei Jahren mit dem vom Papst ebenfalls nicht akzeptierten Münchner Vertrag vom 5. Sept. 1325 bereinigt, nachdem → Ludwig seinen Vetter im März 1325 aus der Haft entlassen hatte. Kg. → Ludwig sicherte darin F. ein Mitkgtm. und die gemeinsame Regierung zu. Kg. F. ließ es dabei bewenden und griff bis zu seinem Tod nicht mehr in die Reichspolitik ein, vielmehr zog er sich in das Hzm. → Österreich zurück und förderte u. a. dieEntwicklung der Stadt Wien, die um 1300 das haubet und ein behaelterinne unseres [des habsburgischen] fuerstentumes geworden, nachdem sie schon 1281 erstmals als des rîches houptstat in Osterrich erschienen war und seither als die Hauptstadt des Landes → Österreich und als Ort von dessen zentraler Verwaltung galt. Man hatte sich spätestens seit F. für diesen Zentralismus entschieden, denn schon seit Hzg. (Kg.) → Albrecht I. tagte das Hoftaiding ständig und auch in Abwesenheit der Hzg.ein Wien, und auf F. geht höchstwahrscheinl. der Zusatz in der von Kg. → Rudolf I. 1277 erstmals erlassenen Münzverordnung zurück, daß die Münze in chain statt des ganzen lands zu Oesterreich, nur allein ze Wienn, die die vordrist und haubtstatt ist desselben landes, erneuert werden dürfe.

III.

Für die Entwicklung Wiens und des dortigen habsburg. Hofes hat F. einiges getan und nach Großvater (Kg. → Rudolf I.) und Vater weitere Grundlagen geschaffen, die Wien späterhin zu der Haupt- und Residenzstadt der Monarchia Austriaca machen sollten. Der Residenzbezirk der Stadt war seit Ende des 13. Jh.s durch Kg. → Albrecht I. weiter ausgebaut worden, so daß dessen Söhne Rudolf III., F. und Leopold bereits in der neuen Res. am Widmertor heranwuchsen. F. zog sich seit dem Tod seines aktiven Bruders Leopold 1326 ganz nach → Österreich und Wien zurück und trug zu jenen Entwicklungen bei, die das Hzm. unter F.s Nachfolger Hzg. Albrecht II. (1330-58) zum Kernland der habsburg. Herrschaft machten. Die von → Ludwig dem Bayern für → München eingeleiteten Maßnahmen wirkten durchaus vorbildl. auf den »zweiten« Kg., der in den letzten Lebensjahren seine Präsenz auf Wien bzw. dessen Umgebg. konzentrierte. In dieser Zeit besaß die Stadt bereits ein nachvollziehbar organisiertes Verwaltungszentrum, an dem ein ganz bestimmter und in den Quellen teilw. faßbarer Personenkreis jene Aufgaben wahrnahm,die dem Landesfs.en zukamen, und die dieser an ihn delegiert hatte.

F. gab der Stadt zudem mit der Errichtg. der Augustinerkirche als einer Hofkirche einen geistl. Mittelpunkt, um den sich schließl. ein ähnl. Herrenviertel bildete wie zuvor schon nördl. der Burg. Mit der Stiftg. des Augustinerkl.s am 15. März 1327 bahnte F. einem weiteren Pfalzheiligtum den Weg, denn St. Augustin wurde als Hofkirche ausgebaut und ist eines der bedeutendsten Bauwerke der Wiener Hochgotik, das schließl. 1525 durch einen gedeckten Gang direkt mit der Hofburg verbunden und danach von Ks. → Ferdinand III. als die Hofkirche schlechthin privilegiert wurde. Kg. F.privilegierte seinerseits die Kapelle in der (Hof-)Burg, bei der seit 1296 eine aus Musikern und Sängern bestehende, für geistl. wie weltl. Musik zuständige Hofkapelle bezeugt ist, die von Hzg. Rudolf IV. (1358-65) bedeutend erweitert wurde. Über den dort wirkenden Personenkreis ist leider nichts bekannt. 1327 wurde auch der schon 1314 begonnene Ausbau der in unmittelbarer Nähe des neuen Kl.s gelegenen Färberstraße fertiggestellt. Die Gemahlin F.s, von den Österreichern Elisabeth gen., wählte in unmittelbarer Nähe der alten Hofburg die prächtige Ludwigskapelle in der Minoritenkirche, deren Bausie veranlaßt hatte (zu Ehren des zur Verwandtschaft Isabellas gehörenden, 1317 heilig gesprochenen Ebf.s von Toulouse), zu ihrer Grablege. Diese wurde 1328 noch vor Vollendung der dortigen Johanneskapelle, ebenfalls eines Werkes aus der Zeit F.s, fertiggestellt. Als Kirche des Hofgesindes diente damals schon die nach der fast völligen Zerstörung durch einen Brand (1276) bis 1288 wieder aufgebaute Michaelerkirche. In der Wiener Hauptkirche St. Stephan, die F.s Vater Kg. → Albrecht I. durch einen Chorbau hatte vergrößern lassen, und die er 1304 ohne Erfolg zur Kathedrale machenwollte, stiftete F. auf der Empore einen Leonhardaltar samt Messe. Zu seiner Grablege bestimmte er nicht die Augustinerkirche sondern die Kirche des von ihm 1316 gestifteten Kartäuserkl.s Mauerbach bei Wien, dessen erster Prior Gottfried des Kg.s Beichtvater war, und dessen Prioren als Hofkapläne in perpetuo das Recht hatten, bei Hofe drei Pferde zu halten. 1327 stiftete der Kg. an dem bis dahin von den Augustinern bewohnten Johanneskl. vor dem Werdertor ein Siechenhaus für 13 Kranke samt einem Priester für deren Seelsorge. F.s fsl. Hof (sein kgl. ist kaum faßbar) war selten auf Reisen,sicherl. aber mit einigem festl. Gepränge bei Empfang und Hochzeit des Hzg.s in Juden-burg mitten im Winter 1314 - bei ihrer Ankunft in Wien dürfte die neue Fs.in großartig empfangen worden sein -, v. a. aber bei der curia sollempnissima der Habsburger (so Mathias von Neuenburg) zu → Basel im Mai 1315, bei der Hzg. Leopold I. Katharina von Savoyen heiratete und Isabella von Aragón vom → Kölner Ebf. zur Kg.in gekrönt wurde. Dem Volke wurde damals »das Reich« gezeigt, die insignia que »regnum« dicuntur, was so viel Publikumanzog, daß eine zusammenstürzende Tribüne etl. Menschen zu Tode drückte. 1323 wurden die Reichskleinodien an → Ludwig den Bayern übergeben und nach → Nürnberg gebracht.

In F.s Zeiten sind in Wien bereits permanent funktionierende Behörden bezeugt: Hoftaiding samt Hofrichter werden zu einer dauerhaften höf. Institution mit festem Personal. Seit 1314 führte der Hofrichter Weichard von Toppel in diesem Gericht als Vertreter der präsentialen hzgl. Gerichtsbarkeit den Vorsitz. Er berief das Hoftaiding üblicherweise dreimal jährl. für drei bis fünf Tage ein und wurde wohl von dem seit 1300 bezeugten, allerdings städt. notarius/scriptor civitatis (zuvor notarius civium) unterstützt. Oberster »Minister undExekutivbeamter« Hzg. F.s war der Land- und Hofmarschall Dietrich von Pilichdorf (seit 1306), der den Hzg. bei dessen Abwesenheit als Hauptmann und Verweser im Lande vertrat (1315-18 und 1321/22 waren zeiten des marschalls von Osterreich) und für die Aufrechterhaltg. des Landfriedens zu sorgen hatte (seit 1312). In der Schlacht bei Mühldorf trug er das Landesbanner. Nach dem Tode Dietrichs 1326 trennte F. die Ämter des Hof- und des Landesmarschalls und schuf ein eigenes Hofmarschallamt. Als hzgl. Hofmeister begegnet in diesen Zeiten Hervord von Simaning (später auchHofmeister der Kg.in Isabella), Kammermeister der Kg.in war der Kanonikus von Friesach (Kärnten) Friedrich von Gloyach, Obersttruchseß von → Österreich war Pilgrim von Puchheim, Oberstkämmerer Chalhoch von Eberstorf. Belegt sind auch die Ämter des Hubmeisters (Konrad), des Münzmeisters (Johann), des Forstmeisters (Albrecht) und des Kellermeisters (Johann von Mannswörth). Als Rat und Geheimschreiber F.s. war der (Leib-?)Arzt Magister Johannes von Verona tätig, als ein weiterer Arzt bei Hofe und in den Hoflagern tritt der Pfarrer von Spital am Semmering (Steiermark) MagisterBernold in Erscheing.; bezeugt sind auch ein Hofastrologe Magister Bartholomäus von Vicenza, ein Türhüter Johannes' von → Konstanz, und als einer der Hofkuriere ein Johannes de Lusimburgo. Als Mitglied der Gesandtschaft F.s nach Aragón begegnet auch der Verfasser der großen Steirischen Reimchronik Otacher oŭz der Geul (um 1265-vor 1321).

In den Jahren nach seiner Wahl zum Kg. sind mehrere Kanzleivorstände F.s. nachweisbar. Sie waren Leiter einer einzigen »königlich-herzoglichen« Kanzlei, deren Kompetenzen unkompliziert ineinander übergingen. Cancellarius, Kanzleileiter und Hofkanzler Kg. F.s. war zeitweilig (1320/21 und 1326) der 1306 zum Bf. von → Straßburg ernannte (1305 Bf. von → Eichstätt) Johann von Zürich (1260/70-1328), der von 1303-08 bereits Hofkanzler Kg. → Albrechts I. gewesen war. Leiter der hzgl. Kanzlei war zunächst der altbewährte ProtonotarMagister Berthold von Kiburg, und zwar von 1306 bis Dez. 1312 († 1314). Ihm folgte wohl der als kgl.-hzgl. Kanzleileiter von Dez. 1317 bis zu seinem Tod im Jan. 1319 bezeugte Protonotar Magister Konrad von Meinwang nach, der in ital. Quellen gar als supracancellarius aulae regis erscheint. Er kam auf einer diplomat. Mission nach Treviso bei einem Überfall der Mannschaften des Cangrande II. della Scala (1291-1329) ums Leben. Nach der Rückkehr F.s nach → Österreich und Wien seit 1325 führte der kgl. Notar Magister Piterolf von Gortschach, Burgkaplan undPassauer Chorherr, die Kanzlei, als deren Leiter er 1327 bezeugt ist († 1350). 1322 wurde Magister Heinrich Visler, Pfarrer von Wien, Notar Kg. F.s. und im Jahr darauf Protonotar der jüngeren Brüder des Kg.s, der Hzg.e Albrecht II. und Otto des Fröhlichen. Er tritt kurz vor der Entscheidungsschlacht des Jahres 1322 als imperialis aule notarius auf und hatte wie auch Berthold von Kiburg, der in der Frühzeit Hzg. F.s als Kanzleibehelf ein Formularbuch (Cod. Vind. pal. 2493) hatte anlegen lassen, und Johann von Zürich, von dem kanonist. Schriften erhalten sind, in Bolognastudiert, so daß die Kanzlei Kg. F.s gute Beispiele für das Vordringen der Juristen in alle Bereiche der Verwaltung liefert. Mit dem Regierungswechsel im Hzm. → Österreich 1330 kam übrigens auch das Archiv in die Wiener Hofburg, das zuvor seit 1299 wenigstens teilw. im Zisterzienserkl. Lilienfeld (Niederösterreich) verwahrt worden war. Als Schreiber, Kuriere und Boten ist darüber hinaus ein stark wechselnder Personenkreis tätig. Etl. der genannten Funktionäre treten immer wieder auch in Privaturk.n als Zeugen, Siegler oder Schiedsrichter auf, ohne daß wir sonst Näheresüber sie wüßten. Der in Ansätzen schon unter F. sichtbare höf. Zentralismus wurde unter den Hzg.en Albrecht II. und Rudolf IV. weiter ausgebaut.

Für die Aufgaben der höf. Diplomatie und das Gesandtschaftswesen bildete F. ein consortium secretariorum et familiarum, ein Gremium geheimer Räte und Vertrauter, dem u. a. der aus einer südsteir. Ministerialenfamilie stammende prominente Kanonist, Magister und Dr. beider Rechte Dietrich von Wolfsau, seit 1306 Propst des Kollegiatskapitels von Gurnitz (Kärnten) und von 1317-32 Bf. von → Lavant, und der Preßburger Propst Albrecht, Hofkaplan und Pfarrer von Melk († 1320), aber auch der Hofkaplan Gundakar, Abt von Seitenstetten (Niederösterreich) sowie derReichsvikar für Lucca, Castruccio de Antelminellis, angehörten, und wahrscheinl. auch der Ritter Ermanno de Guelfoni da Gubbio, der Vikar F.s. für Treviso, für das der Kg. ein Universitätsprivileg vorbereiten hatte lassen, sowie der kgl. Rat und Diener Gf. Rambald von Collalto. Auch die geistl. Umgebung des Königspaares hatte Einfluß auf diese in Hofdiensten stehende Gemeinschaft von familiaren, wie etwa der Rektor der Kapelle Johannes des Täufers in Klosterneuburg (Niederösterreich), Konrad, oder der Pfarrer von Stillfried (Niederösterreich), Matthias, beide Kapläne desKg.s, denen sich noch der Kaplan der Burgkapelle, Ulrich von Kirchberg, hinzugesellte. Als Kaplan und Sekretär für Kg.in Isabella war der Abt des Wiener Schottenkl.s, Nikolaus, ebenso tätig wie der Pfarrer von Pottenstein (Niederösterreich), Ulrich. Engste Vertraute der Kg.in bei Hofe war die Isabella in deren neue Heimat begleitende aragones. Hofdame Bianca de Calderiis.

Quellen

Chronik des Mathias von Neuenburg, 1924. - Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum, hg. von Fedor Schneider, Leipzig 1909-10 (MGH SS VI; SS rer. Germ. XXXVI). - Ottokars Österreichische Reimchronik, nach den Abschr. Franz Lichtensteins hg. von Joseph Seemüller, Hannover 1890/93 (MGH SS VIII; Dt. Chron. V,1, V,2). - Regesta Habsburgica I,3, 1924.

Csendes 1987. - Hödl 1970. - Hödl 1988. - Lhotsky 1967. - Redik, Annelies: Friedrich von Glojach. Ein steirischer Kleriker im Dienst Friedrichs des Schönen, in: Blätter für Heimatkunde 53 (1979) S. 103-110. - Stelzer 1984. - Strnad, Alfred A.: Dietrich von Wolfsau. Ein Kärntner Kirchenfürst und Diplomat im Dienste König Friedrichs des Schönen, in:Strnad 1997, S. 91-126. - Wretschko 1897. - Zeit der frühen Habsburger, 1979.