Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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SCHWARZBURG-BLANKENBURG

I.

Die nicht mit den Gf.en von B. (nördl. Harzrand) zu verwechselnde, im 13. Jh. entstandene Teillinie einer der mächtigsten Grafenfamilien Thüringens (1231-59; 1274-1571) benannte sich erstmals um 1234 nach ihrer Residenzburg B. Begründer des Gesamthauses Schwarzburg war Sizzo († 1166), über den das hochma. Grafengeschlecht auf den erstmals 1005/06 im Brüderpaar Sizzo und Günther (»der Eremit«) greifbaren Familienverband der Sizzonen zurückzuführen ist, der wiederum mit hochrangigen Adligen verwandt war, die 802 als Gf.en in Thüringen begegnen und sich 719/22unter jenen viri magnifici Thuringi befanden, die die Missionstätigkeit des Bonifatius unterstützten. Ausgangspunkt der Herrschaftsbildung des hochma. Grafengeschlechts waren seine südl. des Thüringer Beckens gelegenen Kernlande, die sich vom Raum um Ohrdruf im NW bis zur Stammburg Schwarzburg im SO (westl. Saalfeld, Zubenennung erstmals 1123/37) erstreckten und die Käfernburg (südöstl. Arnstadt, Zubenennung erstmals 1141) als zweiten Stammsitz einschlossen.

II.

Auf der Grundlage von Allodial- und Lehnsbesitz, Grafen- u. a. Herrschaftsrechten sowie Heiratsverbindungen (siehe unten IV.) errichteten die Gf.en von Schwarzburg bis zur Mitte des 14. Jh.s eine großräumige, wenn auch in sich zersplitterte Territorialherrschaft und stiegen zum bedeutendsten Machtfaktor in Thüringen nach den → Ludowingern/→ Wettinern als Lgf.en von Thüringen und dem über Erfurt gebietenden → Mainzer Ebf. auf. - Die Anerkennung der lgfl. Oberhoheit der → Ludowinger, als deren Vasallen sie 1223 erstmals erscheinen, wie auch1249 des → Wettiners Heinrich des Erlauchten als Erben der im Mannesstamm ausgestorbenen → Ludowinger (→ Heinrich Raspe † 16. Febr. 1247) sicherte den Gf.en von Schwarzburg weitgehende territorialherrschaftl. Eigenständigkeit und garantierte ihnen die erworbene Rangstellung und Herrschaftsposition in Thüringen, verhinderte letztl. aber ihren Aufstieg in den Reichsfürstenstand (erst 1697 bzw. 1711 wurden die Regenten der bestehenden schwarzburg. Linien Sondershausen und Rudolstadt zu Rfs.en erhoben). Das Kgm. Günthers XXI. von S.-B., der 1349 für ein knappes halbesJahr zum Gegenkg. → Karls IV. gewählt und damit zum hochrangigsten Vertreter der Familie wurde, blieb Episode. Rfsl. Stellung erlangten allerdings die Angehörigen der Familie, die zu Ebf.en und Bf.en. (Albert, Ebf. von → Magdeburg 1205-32; Wilbrand, Ebf. von → Magdeburg 1235-53; Günther, Ebf. von → Magdeburg 1403-45; Heinrich, Ebf. von → Bremen 1463-96, zugl. Administrator von → Münster 1466-96; Gerhard, Bf. von → Naumburg 1359/66-72; Bf. von → Würzburg 1372-1400) und zu Meistern des → Johanniterordens erhoben wurden (Albrecht II., 1249-78).

III.

Das älteste Siegelbild (1233 Heinrich II. von Schwarzburg) zeigt einen mit einem neunblättrigen Lindenzweig (seit Mitte des 13. Jh.s durch eine Pfauenwedelscheibe ersetzt) besetzten Helm; 1247 bzw. 1251 zeigen erstmals Reitersiegel einen nach rechts steigenden (bekrönten) Löwen als Wappentier. - Eine im Umfeld der Grafenfamilie entstandene Geschichtsschreibung ist nicht überliefert. Die in der »Cronica Reinhardsbrunnensis« (MGH SS XXX,1, 1896, S. 559) 1340/49 eingeschobene Genealogie stellt aber höchstwahrscheinl. das Frgm. einer eigenständigen, im HochMAentstandenen schwarzburg.-käfernburg. Familientradition dar (Wittmann 1997, S. 33-37). Die Reinhardsbrunner Überlieferung bot vermutl. auch die Grundlage für die Bildunterschriften des Anfang des 16. Jh.s. entstandenen sog. käfernburg. Gemäldes (heute Schloßmuseum Arnstadt), auf dem die führenden Vertreter des in drei Generationen fiktiv zusammengezogenen früh- und hochma. Familienverbandes abgebildet sind. Die älteste Gesamtdarstellung der Familiengeschichte bietet das zw. 1570 und 1633 entstandene »Chronicon Schwartzburgicum« des Paul Jovius. -Rangverständnis und Standesbewußtsein der Gf.en, dessen Rückbindung an Familientraditionen (z. B. das Kgm. Günthers XXI.) und dessen Widerspiegelung in Profan- und Sakralarchitektur, Kunstdenkmälern und Schriftzeugnissen, Regierungs- und Zeremonialakten (auf gesteigerte, an den Rfs.en orientierte herrschaftl.-repräsentive Bedürfnisse verweist bspw. die Ausbildung von Hofämtern Ende des 13. Jh.s: Truchseß zw. 1208-34, 1251; Marschall 1283), Memorialstätten und Grablegen (u. a. Grabplatte Kg. Günthers XXI. im Frankfurter Dom; Doppelgrabtumba Günthers XXV. von Schwarzburg-Arnstadt † 1368,dem Neffen Günthers XXI., und seiner Frau Elisabeth † 1381) sind - bis auf das Grabmal Günthers XXI. - bisher kaum untersucht, wie die Geschichte des Grafengeschlechts seit dem ausgehenden HochMA insgesamt ein dringl. Forschungsdesiderat darstellt.

IV.

Die Schwarzburg-Käfernburger errichteten infolge ihrer Aufspaltung in zahlr. Haupt- und Nebenlinien seit dem 13. Jh. mehrere eigenständige Herrschaftsgebilde in Thüringen, die - trotz Bestrebungen zur Durchsetzung der Primogenitur in einzelnen Linien - durch ständige Teilungs- und Vereinigungsprozesse in ihrem Territorialbestand immer wieder umformiert wurden. Das im 12. Jh. aus dem Familienverband der Sizzonen hervorgehende hochma. Adelsgeschlecht spaltete sich 1221 in die Linien Käfernburg und Schwarzburg. Nach dem Tod des Begründers der Schwarzburger Linie,Heinrich II., entstand 1231 für ca. 30 Jahre erstmals mit Günther VII. eine Linie S.-B., die 1259 durch den erbenlosen Tod seines Bruders Heinrichs III. von Schwarzburg wieder mit der Schwarzburger Linie zusammenfiel. Eigentl. Begründer der Linie S.-B. wurde Heinrich V. (1274-87), der Sohn Günthers VII. und Großvater des späteren Kg.s Günther XXI. von Schwarzburg. Diese Blankenburger Linie beerbte im Verlauf der nächsten Jh.e alle entstehenden schwarzburg. Seitenlinien: (1) die 1221 begründete Linie Käfernburg, aus der sich kurzfristig die 1312 erlöschende Linie Wiehe-Rabenswald abspaltete unddie, in eine jüngere († 1302) und ältere Linie Käfernburg geteilt, 1385 endgültig unterging; (2) die 1274 entstandene Linie Schwarzburg-Schwarzburg, die 1397 ausstarb, von der sich aber bereits 1340 die Linie Wachsenburg († 1450) und die Linie Leutenburg († 1564) abgespalten hatten. Die Linie S.-B. zerfiel 1571/99 endgültig in die Linien Schwarzburg-Rudolstadt (Oberherrschaft) und Schwarzburg-Sondershausen (Unterherrschaft). - Die zeitw. in acht Linien zersplitterte Grafenfamilie hielt das übergreifende Bewußtsein gemeinsamer Ab-stammung zusammen, das in Umrissen in der fragmentar. schwarzburg. Hausüberlieferung der Reinhardbrunner Chronik erkennbar ist: Die fiktive Abfolge von Personen mit den Leitnamen Günther (der auch Leitname des späteren gfl. Adelsgeschlechts bleibt) und Sizzo (der im HochMA verschwindet bzw. von dem seit der Mitte des 12. Jh.s übernommenen Leitnamen Heinrich abgelöst wird) behauptet eine agnat. Beständigkeit der Familie bis in das FrühMA, nimmt auf deren führende Beteiligung an der Christianisierung Thüringens im 8./9. Jh.durch den Bericht der Taufe des Spitzenahns Günther Bezug und benennt die Stiftertätigkeit für das → Naumburger Bm., Leistungen für das Ksm. und die Gründung des Hauskl.s Georgenthal als herausragende und identitätsstiftende Verdienste der Vorfahren. - Das materielle Substrat dieser teilw. fiktiv geformten Tradition besteht neben Namensidentitäten v. a. in nachweisbaren besitz- und herrschaftsrechtl. Kontinuitäten (Grafenämter; Vogteirechte über Hersfelder Güter, auf die die erst zu Beginn des 12. Jh.s belegte Lehnsbindung an → Hersfeld zurückgeht; räuml. Konstanz im späterenschwarzburg.-käfernburg. Kerngebiet um Ohrdruf) zw. dem hochma. Adelsgeschlecht und jenem frühma. adeligen Verwandtenkreis, in dem die Schwarzburg-Käfernburger ihre Vorfahren sahen. - Der gleichnamige Vorgänger des Begründers des schwarzburg.-käfernburg. Grafenhauses Sizzo hatte 1108/14 Grafenrechte im Längwitzgau, auf dessen Grenzen die schwarzburg. Stammburgen wahrscheinl. orientiert waren. Innerhalb des Längwitzgaus besaßen die Sizzonen/Gf.en von Schwarzburg die Allodialgüter Käfernburg, (Stadt)ilm, Remda, Ilmenau, Plaue, die Reichslehen Schwarzburg mit Königsee und Ehrenstein, dasHersfelder Lehen Arnstadt (vor 1133), das Mainzer Lehen Kranichfeld (vermutl. seit 1232) sowie die Vogteien über das Hirsauer Reformkl. Paulinzella (1108) und über das Zisterzienserinnenkl. Ichtershausen. Im W des Längwitzgaus verfügten sie über die Burgen Wachsenburg(?), Schwarzwalde und Liebenstein als Eigengut sowie im Raum von Ohrdruf über Allodialbesitz, der bis in das 9. Jh. zurückzuverfolgen ist und auf dem Sizzo 1141/43 das Zisterzienserkl. Georgenberg/Georgenthal als Hauskl. der Familie gründete. An der Unstrut (Wiehe, Rabenswald) und östl. der Saale lagen kleinere Lehen undallodialer Streubesitz. Infolge des stauf.-welf. Thronstreits erlangten sie 1208/12 Saalfeld, Blankenburg, Schwarza und weiteren Reichsbesitz im Orlagau (Pößneck, Ranis, Leutenberg). Durch gezielte Ansiedlung bzw. Förderung der Reformorden des 12. und 13. Jh.s verdichteten sie ihre Territorialherrschaft (Gründung der Franziskanerkl. in Arnstadt um 1250, Saalfeld vor 1265 und Mellenbach 1383; Gründung des Zisterzienserinnenkl.s in Saalfeld/Stadtilm 1267/74; Gründung des Dominikanerkl.s in Leutenberg um 1400) ebenso wie durch die Gründung (Königsee 1257, Stadtilm 1268, Remda 1286, Blankenburgvor 1323) und den Ausbau von Städten. Die Anfänge der schwarzburg. Kanzlei liegen in der Mitte des 13. Jh.s. (erster Notar 1264 erwähnt); die Ämterorganisation bildete sich seit der ersten Hälfte des 14. Jh.s. heraus. Die Reichslehen im Orlagau waren der Ausgangspunkt für einen, v. a. von der Linie S.-B. vorangetriebenen weiteren Vorstoß nach N in das mittlere Saaletal (Erwerb: 1331 Burg Windberg bei → Jena, 1333 Burg Leuchtenburg mit den Städten Kahla und Roda von den Herren von Lobdeburg, die von diesen 1330 kurzfristig erworbene Hälfte der Stadt → Jena vermochten sie allerdingsnicht gegen die → Wettiner zu halten, 1340 Rudolstadt von den mit ihnen versippten Gf.en von Weimar-Orlamünde, 1343 Dornburg), durch den sie zu den mächtigsten Konkurrenten der → Wettiner im Saaletal wurden. Höhepunkt und gleichzeitige Peripetie der erworbenen Machtstellung und des wachsenden territorial- und herrschaftspolit. Anspruchs der S.-B.er nicht nur im Saaleraum sondern in ganz Thüringen markiert der gegen die Vormachtstellung der wettin. Lgf.en geführte Grafenkrieg 1342-46, an dessen Spitze drei schwarzburg. Gf.en standen. Infolge ihrer Niederlage erkannten dieSchwarzburger die Oberhoheit der → Wettiner endgültig an (als deren Ratgeber und Statthalter sie im 15. Jh. erscheinen) und begannen sich auf ihre Kernlande zurückzuziehen. Bis auf Rudolstadt verloren sie alle Erwerbungen im Saaleraum; das Ende der schwarzburg. Herrschaft an der Saale besiegelte 1389 der Übergang Saalfelds an die → Wettiner. Gleichzeitig und dauerhaft vermochten sie jedoch ihr herrschaftl. Kernzentrum durch den endgültigen Erwerb Arnstadts von Hersfeld (1332) zu stärken und in Nordthüringen aufgrund von Heiratsverbindungen mit den Gf.en von Ho(h)nsteindie Grundlagen der späteren schwarzburg. Unterherrschaft um Frankenhausen und Schlotheim (ab 1338) sowie Sondershausen (1356) zu legen.

Quellen

Chronicon Schwartzburgicum, 1753. - RDHT. - Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle, 1889, 1905. - Urkundenbuch der Stadt Arnstadt 704-1495, hg. von Carl August Hugo Burkhardt, Jena 1883 (Thüringische Geschichtsquellen. NF 1; Ganze Folge, 4).

Bünz, Enno: Art. »Schwarzburg, Gf.en v.«, in: LexMA VII, 1995, Sp. 1620. - Devrient, Ernst: Der Kampf der Schwarzburger um die Herrschaft im Saaletal, in: Festschrift Berthold Rein zum 75. Geburtstag. Forschungen zur schwarzburgischen Geschichte, hg. von Willy Flach, Jena 1935, S. 1-44. - Das Haus Schwarzburg, zusammengestellt von Oskar Vater, Rudolstadt 1894 (Stammtafel). - Helbig 1955, S. 101-105. -Herrmann, Kurt: Die Erbteilungen im Hause Schwarzburg, Halle 1919. - Herz 1963. - Lundgreen, Friedrich: Heinrich II. Graf von Schwarzburg († 1236). Ahnherr des schwarzburgischen Fürstenhauses, Jena 1919. - Lundgreen, Friedrich: Kirchenfürsten aus dem Hause Schwarzburg, Berlin 1923. - Patze 1968, hier S. 146-155. - Europäische Stammtafeln. Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, hg. von DetlevSchwennikke. NF 1.3: Die Häuser Oldenburg, Mecklenburg, Schwarzburg, Waldeck, Lippe und Reuß, Marburg, 2000, Tafeln 312-316. - Thüringen im Mittelalter, 1995. - Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, hg. von Otto Posse, Bd. 1, Dresden 1903, S. 1-21. - Wittmann, Helge: Zur Frühgeschichte der Grafen von Käfernburg-Schwarzburg, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 51 (1997) S. 9-59. - Wittmann, Helge: Der Adel Thüringens und die Landgrafschaft im 12. und 13.Jahrhundert. Das Beispiel der Grafen von Schwarzburg- Käfernburg, in: Kunde, Holger/Tebruck, Stefan/Wittmann, Helge: Der Weißenfelser Vertrag von 1249. Die Landgrafschaft Thüringen am Beginn des Spätmittelalters, Erfurt 2000, S. 63-93.