Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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HERZBERG (AM HARZ) C.7.

I.

Hirzberc (1143) (Hirschberg), Hircesberg (1153), Hirtesberch (1153), Heritesberch (1154), Hertesberch (1157), Hartesburch (1206), castrum Hertisberge (1233), schloß H. (1414), Hertzperg (1449), H. (1582) - Burg/Schloß und Burgflecken (seit 1929 Stadt) - Hzm. Braunschweig-Lüneburg; Hzg.e von Braunschweig-Grubenhagen - Burg, im frühen16. Jh. zum Schloß umgewandelt, am Südwestende der Stadt auf einem felsigen Bergrücken (275 m ü. d. M.); seit der Mitte des 12. Jh.s in welf. Besitz, grubenhagensche Hauptres. neben → Salzderhelden seit dem Ende des 13. Jh.s. - D, Niedersachsen, Reg.bez. Braunschweig, Landkr. Osterode/Harz.

II.

Die hochma. Anfänge der Burg sind nicht völlig geklärt; vermutl. befand sich H. vor 1140 im Besitz des Gf.en Siegfried IV. von Boyneburg und wurde von Ministerialen verwaltet. Der i. J. 1143 urkundl. erwähnte comes Hermannus de Hirzberc ist wohl mit Gf. Hermann II. von Reinhausen-Winzenburg zu identifizieren (Wilke 1998), dem Kg. Konrad III. i. J. 1139 vorübergehend die Reichslehen Siegfrieds IV. von Boyneburg übertragen hatte. Nach Hermanns Ermordung i. J. 1152 erhob Heinrich der Löwe Ansprüche auf dasWinzenburger Erbe. Aus dem Besitz des Reiches erhielt er 1157 durch Friedrich Barbarossa die Burgen Herzberg und Scharzfeld sowie den Königshof Pöhlde im Tausch gegen sein schwäb. Erbe als Allod übertragen. Für das Ende des 12. Jh.s sind Aufenthalte Heinrichs VI. (1192) und → Ottos IV. (1198) bezeugt. Bei der welf. Erbteilung unter den Söhnen Heinrichs des Löwen 1203 fiel H. an → Otto IV.; i. J. 1279 war die Burg Wohnsitz der Wwe. Hzg. Albrechts I. (1236-79), Adelheid von Montferrat († 1285), die sich domina de Hertesberga nannte.

Aus der welf. Landesteilung von 1291 ging das später so genannte »Fürstentum Grubenhagen« hervor, das aus zwei räuml. getrennten Gebietskomplexen um → Einbeck einerseits, → Osterode und Duderstadt andererseits bestand. Die landesherrliche Hauptres. des Einbecker Teils war bis gegen Ende des 15. Jh.s → Salzderhelden, die Hauptres. des Osteroder Gebiets war H. Unter den drei letzten Grubenhagener Hzg.en Philipp I. (um 1476-1551), Wolfgang (1531-95) und Philipp II. (1533-95) war H. der hautpsächl. Wohnort des Fsm.s. Trotz der Bedeutung von H. als Residenzburgwurde das gleichnamige Dorf zu Füßen des Burgberges nicht zum Residenzort weiterentwickelt, behielt vielmehr bis ins frühe 20. Jh. dörfl. Gepräge; hier lag ein der Burg zugeordneter Wirtschaftshof. Wichtige Funktionen eines Residenzortes nahm die 10 km nördl. gelegene Stadt → Osterode wahr: Seit 1551 diente der Altarraum der Marktkirche St. Ägidien als fsl. Grablege; in H. wurden dagegen nur einige früh verstorbene Kinder bestattet.

Während der Auseinandersetzungen um das Grubenhagener Erbe zw. den welf. Linien Braunschweig-Lüneburg-Celle und Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel war bis zum Jahre 1617 die fsl. Hofhaltung in H. unterbrochen; nachdem das Reichskammergericht das ehem. Fsm. Grubenhagen der Lüneburger Linie zugesprochen hatte, gelangte H. als Apanage an Hzg. Georg (1582-1641). In H. wurden die vier Söhne und vier Töchter des Herzogspaares geboren, darunter 1629 Ernst August, der spätere erste Kfs. von Hannover (1692). Als i. J. 1636 auch die Linie Calenberg an ihn gelangte, verlegte Georg die Hofhaltung nach→ Hannover; H. verschrieb er seiner Gemahlin Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt als künftigen Witwensitz; ihr Hofstaat als herzogliche Wwe. umfaßte 85 Personen.

H. behielt den Charakter als Witwensitz bis ins späte 17. Jh., als zeitweiliger Aufenthaltsort regierender welf. Fs.en aus Anlaß von Besuchen und bei Gelegenheit von Jagdausflügen bis in das 19. Jh.

III.

Von der spätma. Burganlage lassen sich eine Kemenate, ein Tor und Turm nachweisen. I. J. 1510 brannte die gesamte Anlage ab und wurde in der Folgezeit als Vierflügelbau um einen Rechteckhof mit spätgotischen, Renaissance- und Barockformen wiedererrichtet; dabei wurden Mauerreste des Vorgängerbaus eingeschlossen. Der Zugang in das neuzeitl. Schloß erfolgte von W durch Torzwinger und Pforthaus (1735) über den sog. Hirschgraben; die Südwestseite der Anlage bildet der Stammhausflügel (heute Museum) mit rundbogiger Tordurchfahrt; in diesem Flügel befinden sich dieKapelle und der sog. Rittersaal. Der östl. anschließende sog. Graue Flügel diente als Jagdschloß und erhielt 1861 ein spätklassizist. Fachwerkobergeschoß. An der Nordostseite schließt sich der sog. Sieberflügel an, 1648-60 unter Hzg. Christian Ludwig (1622 hier geb.) mit massivem Untergeschoß und zwei Fachwerkobergeschossen errichtet, ursprgl. von Galerien nach Art einer Loggia umzogen; hier befand sich die fsl. Hofhaltung. Zu den Besonderheiten der Ausstattung gehörte die sog. Herzberger Jagdtapete: großformatige Wandgemälde im Eßsaal (erstes Obergschoß) mit Jagdszenen, die Hzg. ChristianLudwig seiner Mutter Anna Eleonore zum Geschenk machte. Nordwestl. schließt der massive Marstallflügel aus der Zeit Hzg. Johann Friedrichs (1665-79) die Anlage.

Quellen

Die Quellenlage zur Herzberger Geschichte ist recht disparat; für eine Erforschung der Res. sind die zahlr. regionalen Urkundenbücher und die Archivalien des HSA Hannover grundlegend.

Aufgebauer 1996. - Dehio, Kunstdenkmäler, Bremen. Niedersachsen, 1992. - Grüneberg, Hans: Schloß Herzberg und seine Welfen, Herzberg 1993. - Max 1-2, 1862-63. - Mithoff 1873. - Ohainski, Uwe/Udolph, Jürgen: Die Ortsnamen des Landkreises Osterode, Bielefeld 2000 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, 40;Niedersächsisches Ortsnamenbuch, 2). - Pischke 2000. - Reuther, Hans: Das Schloß Herzberg am Harz und seine Wiederherstellung, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 23 (1965) S. 37-44. - Stolberg 1983. - Wilke, Jürgen: Die Geschichte des Wappens der Stadt Herzberg/Harz, Göttingen 1998 [Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, Signatur: L - AC 50]. - Zimmermann 1911.