Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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PFALZ-(SIMMERN-)ZWEIBRÜCKEN

I.

Gf.en von Zweibrücken (zw. 1182 und 1188 entstanden, bis 1394); Pfgf.en von Zweibrücken (seit 1410). In der Neuzeit waren die Kg.e Karl XI. und Karl XII. von Schweden aus einer pfalz-zweibrück. Nebenlinie, der Kleeburger Linie, seit 1681 rechtmäßige Erben P.-Z.s bis zum Tod Karls XII. 1718. 1799 trat Pfgf. Maximilian Joseph das pfalz-bayer. Erbe an.

Um 1150 bauten die Gf.en von Saarbrücken zur Sicherung der Klostervogtei von Hornbach im Schwarzbachtal zw. zwei Armen des Baches eine Wasserburg. Eine Teilung der Gft. Saarbrücken führte zw. 1182 und 1188 mit dem Gf.en Heinrich I. († 1228) zu einer eigenen Zweibrücker Linie. Gf. Eberhard (1366-94) veräußerte 1385 die Hälfte der Burgen und die Städte Bergzabern, Hornbach und Zweibrücken mit allem Zubehör an Kfs. Ruprecht I. von der Pfalz für 25 000 Gulden. Die andere Hälfte seines Besitzes übertrug Eberhard dem pfälz. Kfs.en als Lehen. Nach dem Tod Eberhards (1394) wurde dessenHinterlassenschaft von Kurpfalz (→ Rhein, Pfgft. bei, Pfgf.en bei) sofort als heimgefallenes Lehen eingezogen.

Mit der pfälz. Erbteilung vom Okt. 1410 bildete sich eine eigene Zweibrücker Linie eines Wittelsbacher Teilfsm.s aus. Bei der Teilung des väterl. Erbes unter die Söhne Ruprechts waren dem dritten Sohn Stephan größere, aber unzusammenhängende Besitzungen um Simmern im Soonwald, um Wachenheim, Bergzabern und Selz zugefallen; hinzu kam die an → Lothringen verpfändete Gft. Zweibrücken, die 1416 ausgelöst werden konnte. Zusammen mit der Gft. Veldenz (→ Pfalz-Veldenz), die Stephan als Erbe seiner Gemahlin 1444 zufiel, bildeten diese Gebiete die Grundlage für ein eigenesTeilfsm., das als Fsm. P.-Z. bis zum Frieden von Lunéville (1801) existierte.

II.

Bis zur Herausbildung einer eigentl. Residenzstadt in dem 1410 entstandenen Fsm. dauerte es länger als in anderen vergleichbaren Kleinstaaten. Hzg. Stephan (1410-59) zog mit seinem Gefolge noch von Burg zu Burg, ganz in der ma. Tradition der Reiseherrschaft. Als Aufenthaltsort für seinen kleinen Hofstaat bevorzugte er in den ersten beiden Jahrzehnten seiner Regierung Simmern, nach dem Anfall des Veldenzer Erbes (1444) Meisenheim. In Zweibrücken war er nur selten anzutreffen, doch gewann diese Stadt gegen Ende der Regierungszeit Ludwigs I. (des Schwarzen,1459-89), bedingt durch die Zerstörung Meisenheims 1461, an Bedeutung: 1463 wurde die Kanzlei dorthin verlegt, 1477 auch die Hofhaltung. Zweibrücken kann von 1477 an als Residenzstadt angesehen werden. Ludwig I. ließ sich aber noch in der von ihm begonnenen Meisenheimer Schloßkirche bestatten. Meisenheim wäre viell. Haupt- und Residenzstadt von P.-Z. geblieben, wenn es nicht im Verlauf der krieger. Auseinandersetzungen zw. Ludwig I. und dem pfälz. Kfs.en Friedrich dem Siegreichen zerstört worden wäre.

Eine erste Blütezeit der Residenzstadt Zweibrücken, die bis zu den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges andauerte, begann in den vierziger Jahren des 16. Jh.s unter Wolfgang (1532-69) und setzte sich mit Johann I. (1569-1604) und Johann II. (1604-35) fort. Infolge der Kriege des 17. Jh.s wurde Meisenheim, das gelegentl. als Witwenres. diente, erneut zur Hauptres., weil es unter den Zerstörungen nicht so sehr gelitten hatte wie Zweibrücken. So residierte Friedrich (1635-61), nachdem er die ersten neun Jahre seiner Regierungszeit in → Metz im Exil gelebt hatte und erst 1644nach der Aufhebung der ksl. Sequesterverwaltung in sein Territorium zurückkehren konnte, zunächst in Meisenheim und bezog aber nach der Fertigstellung den von ihm in Zweibrücken errichteten Friedrichsbau. Seit 1673 hatte Zweibrücken ganz erhebl. unter den Durchzügen frz. Truppen zu leiden. Im Jan. 1676 wurde sie von den Soldaten Ludwigs XIV. besetzt. Hofstaat, Zentralbehörden und Gymnasium wurden Mitte 1676 wieder nach Meisenheim verlegt.

Aufgrund der Metzer Reunionsbeschlüsse des Jahres 1680 wurde die Stadt Zweibrücken wie das gesamte Hzm. von den Franzosen besetzt und bis 1693 von Homburg aus für Frankreich verwaltet, nachdem Friedrich Ludwig (1661-81) die Metzer Lehnbarkeit nicht anerkannt hatte und deshalb seiner Lande für verlustig erklärt worden war. Erst im Frieden von Rijswijk (1697) verzichtete Frankreich endgültig auf P.-Z., dessen rechtmäßiger Erbe bereits 1681 Kg. Karl XI. von Schweden - aus einer Nebenlinie der Zweibrücker Wittelsbacher stammend - geworden war. Die von Karl XII. 1697 ernannte Statthalterschaftnahm zunächst in Meisenheim ihren Sitz; im März 1698 erfolgte deren Verlegung nach Zweibrücken. Die Stadt blieb aber ohne fsl. Hofhaltung, bis 1714 Kg. Karl XII. dem poln. Kg. Stanislaus Leszczynski Zweibrücken als Exilres. überließ. Der Aufenthalt der Polen brachte für die Stadt nach rund 80 Jahren wieder ein Hofleben größeren Ausmaßes. Stanislaus Leszczynskis Aufenthalt in Zweibrücken fand nach dem Tod Karls XII. im Dez. 1718 sein Ende. Mit dem Regierungsantritt Gustav Samuel Leopolds im Jan. 1719 entwickelte sich Zweibrücken zunehmend zur Landeshauptstadt und Residenzstadt.

Das wieder aufblühende und sich erneuernde Zweibrücken wurde unter Christian IV. (1735-95) die bedeutendste höf. Metropole in der linksrhein. Pfalz. Diese Entwicklung Zweibrückens wurde jäh unterbrochen, als Karl II. Aug. (1775-85) in den späten siebziger Jahren des 18. Jh.s - dem Vorbild anderer Fs.en folgend - seinen Sitz aus dem Zweibrücker Stadtschloß in die für ihn erbaute weitläufige Schloßanlage auf dem Karlsberg bei Homburg/Saar verlegte. Die Verwaltung jedoch blieb in Zweibrücken.

Der Verlust der Residenzfunktion war für die wirtschaftl. Entwicklung Zweibrückens ein schwerer Schlag, der bis weit in das 19. Jh. nachwirkte; Behörden und Garnison seit dem Beginn der bayer. Zeit brachten für die Stadt keinen vollwertigen Ersatz.

Nach gängiger Auffassung bilden der fsl. Hof und die landesherrl. Zentralverwaltung den Kern einer Res.

Das Bild, das vom Zustand der Hofhaltung und der Verwaltung um 1450 gezeichnet werden kann, bleibt in seinen Einzelheiten skizzenhaft. Am Hof hielten sich Hofmeister, Hofstallmeister, Kanzler und Küchenmeister als »Ressortbeamte« ständig auf, sofern sie nicht in Spezialaufträgen auswärts tätig oder den Fs.en auf seinen Reisen zu begleiten hatten. Zu dieser Gruppe traten noch vereinzelt Amtleute hinzu. Aber noch immer, bes. infolge des Ausbaus und der zunehmenden Kontrolle der Amtsbezirke, mußten verschiedene Räte häufig im Territorium unterwegs sein. Hofmeister und Kanzler, die sichstets in der Nähe des Landesherrn aufhielten und infolgedessen erhebl. stärker als die anderen Räte mit der Hof- und Landesverwaltung vertraut waren, hatten das größte Gewicht. Die wenigen Belege über das Hofmeisteramt zeigen, daß es zwei - fast ausschließl. aus dem niederen Adel stammende - Hofmeister gegeben hat, von denen der eine - geringeren Ranges - als Haushofmeister zu gelten hat, während der andere als Hofmeister stärker hervorgetreten ist. Durch den Haushofmeister weitgehend von den tägl. Aufgaben der Hofverwal-tung entlastet, wurde er vorwiegend in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik gehört, verschiedentl. auch mit auswärtigen Vertretungen des Fs.en beauftragt.

Der Hofstaat umfaßte zur Regierungszeit Stephans 42 Personen; er vergrößerte sich unter Wolfgang so sehr, daß nach seinem Tod (1569) eine Reduzierung durchgeführt werden mußte. Innerhalb des Hofstaats lassen sich drei Gruppierungen unterscheiden: Der Hofkammerdienst, der der Familie des Landesherrn galt und hauptsächl. vom Hofmeister geleitet wurde, der Haushofdienst, der die Ökonomie betraf und dem Haushofmeister unterstand sowie der Hofburgdienst, der unter der Leitung des Hofstallmeisters (Hofmarschall) das Reitwesen und den Wachdienst im Schloß umfaßte. Dazu kamen noch die am Hofbeschäftigten Künstler und Handwerker.

Lag bis zum Ende der Regierungszeit Ludwigs II. (1532) der Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit durchaus noch in den Ämtern, basierte die Finanzverwaltung noch auf dem System der Spezialanweisung auf bestimmte Amtseinkünfte, so verschob sich unter Pfgf. Ruprecht während der vormundschaftl. Regierung für Pfgf. Wolfgang in den Jahren 1532 bis 1544 der Akzent hin zu einer zentralen Verwaltung in der Res. Zweibrücken. Diese Entwicklung wird dadurch gekennzeichnet, daß sich der Aufgabenbereich der Kanzlei auf verwaltungsmäßigem Gebiet und auch - nach dem allmähl. Zurücktreten der persönl.Rechtsprechung des Landesherrn - in jurisdiktioneller Hinsicht immer mehr erweiterte. Seit der Mitte des 16. Jh.s war in zunehmendem Maß eine behördenmäßige Verfestigung erfolgt, so daß es sich um ein »consilium formatum«, um eine Behörde im verfassungsrechtl. Sinn handelte. Die Aufgaben der Landesverwaltung lagen nun nicht mehr bei den jeweils anwesenden oder zusammengerufenen Räten - diese Verwaltungspraxis, wie sie sich Mitte des 15. Jh.s unter Pfgf. Stephan herausgebildet hatte, war bis zu den dreißiger Jahren des 16. Jh.s fast in den gleichen Formen bestehen geblieben -, sondern beieinem ständigen Verwaltungskörper. Der Personenkreis des Rates war im wesentl. festgelegt, die Beratung in der Ratstube wurde regelmäßig durchgeführt. Der Rat konnte unabh. vom Fs.en zusammentreten und besaß als Regierungsorgan Autorität; die gefaßten Beschlüsse hatten innerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftskreises einen Anspruch auf Durchführung. Als oberste Verwaltungs- und Regierungsbehörde war die Kanzlei für alle Angelegenheiten zuständig, die sich auf die landesherrl. Regalien und das jus publicum bezogen, d. h. auf alle Hoheits-, Kirchen- und Polizeisachenund Angelegenheiten des öffentl. Staatsrechts.

Die weitere Entwicklung der Verwaltung war durch das Bestreben bestimmt, den einmal erreichten Organisationsstand zu festigen und klare Kompetenzverhältnisse zu schaffen. Diese Entwicklung wurde im wesentl. durch zwei Tendenzen gekennzeichnet: zum einen verursachte die Erweiterung der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit die Aufspaltung des noch einheitl. Verwaltungsapparats durch neu entstehende Behörden, zum anderen war es das Bestreben des Landesherrn, nicht nur die oberste Leitung des Staatswesens innezuhaben, sondern darüber hinaus einzelne Arbeitsgebiete seinem persönl. Entschlußvorzubehalten. Der Kanzleisphäre wurden im wesentl. die Aufgaben der Rechts- und Billigkeitspflege sowie der minderen Landesverwaltung zugewiesen und darüber hinaus die »untere Sphäre« der auswärtigen Angelegenheiten. Das Ratskollegium erlangte eine zunehmende, jedoch keineswegs vollständige Unabhängigkeit vom Landesherrn. Dieser behielt sich die »obere Sphäre« der außenpolit. Angelegenheiten, die oberste Kontrolle der Finanzverwaltung und einige andere Reservatsachen als seinen Wirkungsbereich vor, den er mit bes. Mitarbeitern zur wirksamen Regierungs- und Verwaltungszentraleausbaute. Die Rechenkammer, welche die Funktion der Zentralkasse übernahm, wurde bereits unter Hzg. Wolfgang, dann aber in bes. Maße unter Johann I. zu einer zentralen Instanz, zu der die Überschüsse aus den einzelnen Ämtern einzuliefern waren und von der aus eine Rechnungskontrolle durchgeführt wurde. Die dritte zentrale Instanz neben Regierungskollegium und Rechenkammer war das Hofgericht, das aber weder eine ständige noch selbständige Behörde darstellte; sein Charakter läßt es vielmehr als »Anhängsel« des Regierungskollegiums erscheinen, aus dessen Räten es sich von Fall zuFall zusammensetzte. Die zentrale Bedeutung des Hofgerichts trat jedoch bald gegenüber dem Ratskollegium zurück. Der Hauptgrund war wohl die in der Hofgerichtsordnung von 1605 zugelassene Appellation an die »Kanzlei«, die zur Grundlage der obersten Gerichtstätigkeit für das pfalz-zweibrück. Rätekollegium wurde.

Diese, unter Wolfgang und Johann I. geschaffene Organisation bleibt auch während der Regierungszeit Johanns II. (1604-1635) erhalten. Damit war der behördengeschichtl. Differenzierungsprozeß abgeschlossen - sieht man einmal davon ab, daß die Konsistorialgeschäfte, die bis 1664 von der Regierung ausgeübt wurden, einer eigenen Behörde, dem reformierten Oberkonsistorium, zugewiesen wurden, die allerdings in enger personeller Verbindung mit dem Kollegium der Regierungsräte verblieb. Bei dem relativ geringen Umfang des Territoriums und bei dem Grad der persönl. Mitarbeit der Fs.en bedurfte eskeineswegs neuer »collegia«. Wesentliche Veränderungen in der Organisation der Verwaltung ergaben sich erst im Verlauf des 17. Jh.s.

Quellen

Es fehlen Quelleneditionen. Als ungedruckte Quellen sind die KB des Bestandes F 1 des LA Speyer zu nennen, wobei beträchtl. Kriegsverluste (bedingt durch die Auslagerung nach Aschaffenburg) eingetreten sind. Ludwig Eid (Hof- und Staatsdienst) konnte noch den gesamten Bestand in Speyer benutzen. Für die pfalz-zweibrück. Verwaltung sind folgende KB zu nennen: Bestand F 1, Nr. 119a; 119b; 129; 130; 132; 135; 136; 138; 178. Des weiteren sind die pfalz-zweibrück. Akten des Bestandes B 2 im LA Speyer heranzuziehen.

Ammerich 1981. - Ammerich 1992. - Eid 1897.