Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

Zurück zur Liste

BURGUND, FGFT.

I.

Die Gft. B. des hohen und späteren MA entsprach in ihrem territorialen Bestand der östl. der Saône gelegenen alten Gft. → Besançon, wie sie in karoling. Zeit im Rahmen des Kgr.s B. entstanden war. 1032, nach dem Anfall der burgund. Krone an Ks. Konrad II., geriet sie in die Vasallität des Reiches, während das Hzm. B. im gleichen Jahr an eine jüngere Linie der Kapetinger kam und eine eigenständige, nach Frankreich hin orientierte Entwicklung nahm. Bis zur Mitte des 12. Jh.s bauten die Herrscher der Gft. B. sich freilich zunehmend eine vom Reichunabhängige Stellung auf. Erst Friedrich I. Barbarossa brachte durch seine Heirat mit Gf. Rainalds III. Tochter und Erbin Beatrix (1156) in der Gft. die ksl. Oberhoheit wieder entschieden zur Geltung. Beider Sohn Otto I. führte als erster Gf. von B. dann auch den Titel eines Pfgf.en. Durch die Verbindung seiner Tochter und Erbin Beatrix II. mit Otto I. von Andechs-Meranien kam die Gft. an dessen Haus, was die Quelle steter Auseinandersetzungen mit der jüngeren Linie des alten gfl. Hauses, den → Chalon, wurde. Diese gelangten durch Heiratspolitik allerdings 1236 ihrerseits in denBesitz der Gft., bis durch den Vertrag von Vincennes (1295) - geschlossen in der Folge der Heirat der Tochter und Erbin Gf. Ottos IV. mit dem zweiten Sohn Kg. Philipps IV. von Frankreich, dem späteren Kg. Philipp - deren fakt. Verwaltung an Frankreich kam. Nach Philipps V. Tod 1322 regierte Johanna II. allerdings wieder selbständig. Ihre Tochter und Erbin Johanna III. vermählte sich mit Hzg. Odo IV. von B., wodurch ab 1330 Hzm. und Gft. erstmals in eine Hand gelangten. Nach dem Tod seines Enkels Philipp von Rouvres, des letzten Sprosses des alten kapeting. Herzogshauses, fiel die Gft.1361 an die jüngste Tochter Kg. Philipps V. und der Gf.in Johanna II., Margarethe von Flandern, während das Hzm. an eine jüngere Linie der frz. Valois kam. Erst in der Folge der Vermählung von Margarethes Enkelin mit Hzg. Philipp dem Kühnen gerieten ab 1384 beide Burgund für mehr als neun Jahrzehnte wieder unter eine gemeinsame Herrschaft. Nach dem Tod des ohne männl. Nachkommen 1477 vor → Nancy gefallenen Hzg.s Karls des Kühnen war das burgund. Erbe zw. Kg. Ludwig XI. von Frankreich und Ehzg. → Maximilian als dem Gemahl von des Hzg.s einziger Tochter Maria umstritten;erst im Vertrag von Senlis (1492) gelangte → Maximilian mit Kg. Karl VIII. zu einer Einigung, nach der die niederländ. Besitzungen zusammen mit der Gft. Burgund an seinen Sohn Philipp den Schönen gingen, während das Hzm. bei Frankreich verblieb. Die Bezeichnung der Gft. B. als »Freigrafschaft« (Franche-Comté) kam erst um die Mitte des 14. Jh.s auf und soll nach Auffassung mancher Forscher auf den Anspruch bereits der hochma. Gf.en, dem Ks. nicht huldigen zu müssen, zurückzuführen sein, nach anderer Meinung mit bestimmten Privilegien(franchises) in Zusammenhang gestanden haben. 1548 wurde die Fgft. B. zusammen mit den anderen aus dem burgund. Erbe stammenden Ländern der Habsburger dem Burgundischen Reichskreis zugeschlagen. Mit dem Übergang an Frankreich durch den Frieden von Nimwegen (1679) schied die Gft. B. endgültig aus dem Reichsverband aus.

II.

Hof und Zentralverwaltung der Gf.en vor dem Übergang der Fgft. an die Hzg.e von B. sind bestenfalls in vagen Umrissen bekannt und erst in jüngster Zeit von der Forschung stärker ins Licht gerückt worden (Allmand-Gay). Die Kompetenzen der einzelnen Amtsträger, soweit sie in den Quellen überhaupt hervortreten, sind demgemäß nur schwer voneinander abzugren-zen. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten im Umkreis des Gf.en war seit den Tagen Reginalds III. der connétable, der allem Anschein nach übergeordnete administrative Funktionen ausübte und später zusammen mit dem sénéchal den ersten Platz im Rat einnahm. Dieses zuletzt genannte, ursprgl. viell. aus der Verantwortung für die Tafel sowie für die Angehörigen der maison der Gf.en hervorgegangene, Amt war in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s erbl. geworden und ebenfallsmit administrativen Aufgaben, v. a. der Aufsicht über untergeordnete Amtsträger, betraut. Ein in vieler Hinsicht ähnl. Aufgabenfeld scheint der chambellan gehabt zu haben, der ab dem letzten Viertel des 13. Jh.s nachzuweisen ist. Ihm oblag v. a. die Regelung der Beziehungen zu den Vasallen des Gf.en; zugl. führte er das Siegel. Seit der Mitte des 13. Jh. ist ferner das Amt des gonfalonier (Bannerträgers) belegt, dessen Aufgaben wohl im wesentl. milit. Natur waren. Nach dem Übergang der Gft. an die Hzg.e von B. (1330-61) war der Landesherr meistabwesend; auch Margarethe von Flandern hielt sich weitestgehend in ihren niederländ. Herrschaften auf. Nach dem endgültigen Anfall an die Hzg.e von B. geriet die Fgft., wie auch das benachbarte Hzm., erst recht in den Schatten von deren niederländ. Besitzungen und wurde nur noch gelegentl. Schauplatz von Aufenthalten der Herrscher. Somit hatte der einstige gfl. Hof fakt. aufgehört zu existieren bzw. war ganz im Hof der Hzg.e aufgegangen. Auch auf der institutionellen Ebene verlor die Fgft. weitgehend ihre Eigenständigkeit. Nachdem ein Rat als zentrales Regierungsorgan in den Jahren 1330-61 mitZuständigkeit sowohl für das Hzm. als auch für für die Gft. existiert hatte, wurde von Margarethe ab 1361 ein solcher erstmals allein für die Gft. eingerichtet. Er vertrat die meist abwesende Landesherrin. Margarethe umgab sich ihrerseits mit mehreren aus der Gft. B. stammenden Ratgebern, die zw. den Entscheidungszentralen hin- und herreisten und Kontakt zw. ihr und dem nicht regelmäßig, sondern bedarfsweise zusammentretenden Rat der Fgft. hielten. Nach dem Wiederanfall der Fgft. an die Hzg.e von B. wurden in Lille und in Dijon zwei neue Ratsorgane gegr., mit Zuständigkeit jeweils für dienordfrz.-niederländ. bzw. die burgund. Teilherrschaften. Johann Ohnefurcht versuchte 1408 in der Reichsstadt → Besançon, deren gardien er als Gf. von B. war, einen Rat, eine Rechenkammer und eine Kanzlei mit Zuständigkeit nur für die Gft. zu gründen, scheiterte aber mit diesem Unterfangen, das wohl als ein Versuch verstanden werden muß, die reichsunmittelbare Enklave seinem Herrschaftsgebiet einzugliedern. Hzg. Philipp der Gute reorganisierte 1422 den burgund. Rat in Dijon, der künftig als oberstes Regierungsorgan für Hzm. und Gft., aber auch alsoberste Appellationsinstanz für die Parlamente von Beaune und Dole - letzteres war 1306 in den Zeiten der frz. Herrschaft über die Gft. gegr. worden - fungieren sollte. Hierdurch wurde die Fgft. auch in jurisdiktioneller Hinsicht fester an die Verwaltungsstruktur des Hzm.s gebunden. Nach dem Übergang an das Haus Habsburg ließen sich die Landesherren - zunächst Ehzg. Philipp der Schöne, dann Ks. → Karl V. und schließl. die Kg.e von Spanien als Erbe von dessen burgund. Besitzungen und Ansprüchen - von einem dem regionalen Adel entstammenden Gouverneur repräsentieren, während dasParlament von Dole neben seinen jurisdiktionellen Aufgaben nun auch als zentrales Regierungsorgan der Gft. fungierte.

Quellen

Anonym: Recueil d'aucuns édicts, statuts et mandemens publiés et observez au comté de Bourgoigne, 1570. - Petrémand, Jean: Recueil des ordonnances et édicts de la Franche-Comté de Bourgogne, Dole 1619.

Allemand-Gay, Marie-Thérèse: Le pouvoir des comtes de Bourgogne au XIIIe siècle, Besançon u. a. 1988. - Dunod de Charnage, François: Histoire du Comté de Bourgogne, 3 Bde., Dijon u. a. 1735-40. - Febvre, Lucien: Histoire de Franche-Comté, 9. Aufl., Paris 1932. - Gollut 1588. - Gresser, Pierre: LaFranche-Comté au temps de la guerre de cent ans, Besançon 1989. - Richard, Jean: Les institutions ducales dans le duché de Bourgogne, in: Histoire des institutions françaises au Moyen Age, hg. von Ferdinand Lot und Robert Fawtier, Bd. 1, Paris 1957, S. 209ff.