Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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FINSTINGEN

A. Finstingen

I.

Die Herren von F. leiten sich her von den Herren von Malberg in der Eifel, die seit dem 11. Jh. nachweisbar sind. Im frühen 12. Jh. erscheinen sie als Träger eines Vogteilehens der Abtei Remiremont in und um F. an der oberen Saar (Fénétrange, dép. Moselle). Die Benennung nach F. findet sich erstmals 1224, wohl nachdem dort eine Burg errichtet worden war, setzt sich aber erst nach der Aufgabe Malbergs Ende des 13. Jhs wirklich durch.

II.

Die Familie stellte mit Heinrich von F. einen Ebf. von Trier (1260-1286) und Domherren in Köln, Metz, Straßburg und Trier. Heinrich I. von F.-Brackenkopf kämpfte auf Seiten Kg. Ludwigs des Bayern in der Schlacht bei Mühldorf und wurde von ihm mit der elsässischen Landvogtei (1323/25) und dem Reichsschultheißenamt in Hagenau belohnt. Auch seine Söhne Johann, Burkhard und Ulrich waren reichspolitisch aktiv. Johann zählte zu den frühen Unterstützern Karls IV., der ihm neben der elsässischen Landvogtei (1348/49) die gubernacio der Stadt Toul übertrug. Burkhard hat 1354-1362 im Hzm. Lothringen in Stellvertretung von Gf. Eberhard II. von Württemberg die Regentschaft ausgeübt. 1359 führte er als Vergeltung für ausgebliebene Zahlungen von Seiten der frz. Krone einen ausgedehnten Raubzug in der Champagne durch, der die Beziehungen zwischen dem Hzm. und Frankreich lange Zeit schwer belastet hat. Ulrich wurde mehrfach von Hzg. Wenzel von Luxemburg zum stellvertretenden Landvogt im Elsaß ernannt (1367/69, 1370/71, 1377-81, 1382-84).

Von der Linie Schwanhals ist v.a. Johann von F.-Schwanhals (gest. 1467) politisch hervorgetreten. Er war Marschall von Lothringen und Bar, frz. und auch kurpfälzischer Rat. 1439 und 1444 stand er den Armagnaken bei ihren Zügen ins Elsaß zur Seite. Als Gesandter spielte er eine wichtige Rolle in den diplomatischen Beziehungen der Jahre 1444-1462 zwischen Kg. Karl VII. von Frankreich, den Habsburgern und Kfs. Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz.

III.

Der Wappenschild der F.er zeigt einen silbernen Balken in Blau (erster Beleg: Siegel von 1280). Die wichtigsten Helmzieren sind der Brackenkopf und der Schwanhals, auch Bockshörner kommen vor.

Die F.er haben die Burgen Falkenberg und F. gebaut. Grabdenkmäler von Mitgliedern der Familie haben sich erhalten in F. (Stiftskirche St. Peter; heute: St. Remigius) und Trier (Liebfrauendom), weitere Gräber befanden sich in den Abteikirchen von Maursmünster und Stürzelbronn.

IV.

Der Aktionsraum der Herren von Malberg und F. hatte sich im 13. Jh. überwiegend nach Lothringen verlagert. 1225 sind sie im Besitz von Falkenberg an der Nied (Faulquemont, dép. Moselle). Den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung markiert 1280 der Verkauf von Malberg und der Vogtei in Wittlich durch Hugo, Johann und Gerlach von Malberg und F. an den damaligen Ebf. von Trier, Heinrich von F. Eben diese Generation, die die Positionen in der Eifel aufgegeben hatte, nahm auch eine Teilung des lothringischen Besitzes vor. Während F. selbst Gemeinherrschaft wurde, ging Falkenberg an die ältere und Diemeringen (dép. Bas-Rhin) an die jüngere Linie. In gemeinsamer Hand blieb auch zumindest ein Teil der ererbten Lehen. Diese Teilung hatte bis zum Erlöschen des Geschlechts am Ende des 15. Jhs Bestand. Beide Linien führten dass. Wappen. Zu ihrer Unterscheidung bediente man sich der Helmzier. Die ältere Linie führte hauptsächlich den Brackenkopf, die jüngere den Schwanhals.

Im 14. Jh. treten v.a. die Vertreter der Linie Brackenkopf hervor. Alle vier Söhne Heinrichs I. von F.-Brackenkopf (1309/35), Burkhard I., Ulrich, Johann II. und Hugo (Abt von Gorze), spielten zeitw. eine wichtige Rolle in der lothringischen Politik. Burkhard und Ulrich waren vielbeschäftigte Söldnerführer. Dank ihrer Kriegsdienste waren die Brackenkopf in dieser Zeit finanziell liquide und konnten ihren Besitz auch durch Zukäufe vergrößern, so etwa im Fall der Herrschaft Geroldseck a.d. Saar. Durch Heirat hat Burkhard in der Eifel die Herrschaften Schönecken sowie Bettingen a.d. Prüm und Falkenstein erworben (alle Lkrs. Prüm). Schönecken wurde freilich nach dem Tod Burkhards 1383 an Hzg. Wenzel von Luxemburg verkauft. Ulrich, mit dessen Tod 1387/89 diese Zeit der Expansion zu Ende ging, hatte einen eigenen lignaige begründen wollen. Das war ihm aber zu seinem eigenen Bedauern nicht vergönnt. Seine Söhne starben früh oder blieben in der Kirche. Daher unternahm er alles, um seinen beiden überlebenden Töchtern das Erbe zu sichern. Für die Reichslehen, die ihm u. a. in seiner Zeit als stellvertretender Landvogt im Elsaß zugefallen waren, ließ er sich von Kg. Wenzel die weibliche Erbfolge zusichern. Dass. erreichte er für seine bfl. metzischen Lehen. Testamentarisch vermachte er seinen gesamten Besitz seinen beiden überlebenden Töchtern und ihren Ehemännern. Zumindest im Fall von Falkenberg stieß dies auf den erbitterten Widerstand der Erben seines Bruders Burkhard. Die Herren von → Blâmont, die Ulrich in Falkenberg beerbt hatten, konnten sich deshalb dort langfristig nicht halten. Burkhards Sohn Johann III. hatte freilich selbst das Problem, daß sein frühverstorbener älterer Bruder ebenfalls sein Erbteil auf seine einzige Tochter übertragen hatte, die mit einem Bayer von Boppard verh. war. Auch hier kam es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung, in der Johann unterlag. Die Bayer von Boppard trugen Falkenberg dem Hzg. von Lothringen zu Lehen auf, der diese Lehenshoheit auch in der Folgezeit behauptet hat. In den Händen der Bayer von Boppard blieb die Hälfte von Falkenberg und ein Drittel der Herrschaft F.-Brackenkopf. Die F.-Schwanhals blieben von solchen Krisen verschont, weil es über viele Generationen an männlichen Nachkommen nicht fehlte und immer nur einer der Söhne weltlich blieb und eine Ehe einging. Die Vertreter beider Linien haben aber nie von der Praxis abgelassen, das Heiratsgeld für ihre Töchter ggf. auf eine der Burgen anzuweisen. So war an den Burgen immer eine ganze Reihe von Familien beteiligt, je nachdem, ob nun die Heiratsgelder abgelöst werden konnten oder nicht. Deshalb wurden seit der zweiten Hälfte des 14. Jhs für die Burgen F., Falkenberg, Geroldseck a.d. Saar und Diemeringen regelmäßig Burgfrieden beschworen.

In männlicher Linie sind die F.-Schwanhals mit dem Tod Johanns, Marschall von Bar und Lothringen, 1467 ausgestorben. Das Erbe ging an die beiden Töchter. Die Versuche Arnolds von F.-Brackenkopf, Teile des Erbes an sich zu bringen, blieben ohne Erfolg. Die Wwe. Johanns, Beatrix von Ogéviller, hat noch gemeinsam mit ihren beiden Schwiegersöhnen, Gf. Nikolaus von → Moers und → Saarwerden und Fernand von Neufchâtel, für das Seelenheil ihres Mannes und ihrer übrigen Vorfahren an der Finstinger Pfarrkirche St. Peter ein Kollegiatstift gegr. Mit dem Tod Arnolds 1492 verschwanden auch die F.-Brackenkopf. Sein Bruder Johann, der in Trier Chorbf. geworden war, hat ihn noch um einige Jahre überlebt.

Im 13. Jh. erscheinen die Herren von F. als consanguinei der Hzg.e von Lothringen, der Gf.en von Grüningen (→ Württemberg) und der Bgf.en von Nürnberg. Hervorzuheben ist das gfl. Konnubium mit den Gf.en von → Blankenheim, von → Leiningen, von → Saarwerden, von Zweibrücken und den → Wildgrafen.

Quellen

Die Reste des Finstinger Hausarchivs sind auf das Departementalarchiv in Nancy und die Pariser Nationalbibliothek verteilt. Unter den vielen für die Geschichte der Familie einschlägigen regionalen Quellenveröffentlichungen sind hervorzuheben: Chatelain, Victor: Vasallenverzeichnis der Herren von Finstingen aus der Mitte des XIII. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde 7, 2 (1895) S. 1-68. – Herrmann, Hans-Walter: Geschichte der Grafschaft Saarwerden bis zum Jahre 1527, Bd. 1, Saarbrücken 1957 (Veröffentlichungen der Kommission f. saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, 1).

Die alten Territorien des Bezirkes Lothringen nach dem Stande vom 1. Januar 1648, 2 Tle., Straßburg 1898/1909 (Statistische Mittheilungen über Elsaß-Lothringen, 28/30). – Benoît, Arthur: La chapelle castrale de Fénétrange, in: Mémoires de la Société d'Archéologie Lorraine, 2e série, 3 (1861) S. 107-162. – Benoît, Louis: Les sires de Fénétranges au commencement du XIVe siècle et la pierre tombale de Henry-le-vieux, mort en 1335 (Notes sur la Lorraine allemande), o.O. o.J., S. 149-193. – Benoît, Louis: Notice sur l'église de Fénétrange, in: Mémoires des la Société d'Archéologie Lorraine. 2e série, 10 (1868) S. 233-257. – Burger, Emil: Aus Finstingens Vergangenheit. Geschichte der Stadt und der Herrschaft Finstingen von den ältesten Zeiten bis zur französischen Revolution 1789, Metz 1931. – Chatelain, Victor: Histoire du comté de Créhange, in: Jahrbuch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde 3 (1891) S. 175-231. – Cuny, Franz: Reformation und Gegenreformation im Bereiche des früheren Archipresbyterates Bockenheim, Bd. 1: Das Archipresbyterat Bokkenheim in der Vorreformationszeit, Metz 1937. – Eiselé, Albert: Un »Etat« singulier et minuscule: La baronnie de Fénétrange, in: Les Cahiers lorrains (1991) S. 111-145. – Gallet, Jean: Le bon plaisir du baron de Fénétrange, Nancy 1980. – Hauck, Marieluise: Unbekannte spätgotische Glasmalereien in der Kirche zu Finstingen (Fénétrange), in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 20 (1966) S. 121-134. – Hermann, Hans-Walter: Der Freiheitsbrief für Diemeringen. Ein Beitrag zur Geschichte der Territorialstädte im Westrich, in: Die Stadt in der europäischen Geschichte. Festschrift Edith Ennen, Bonn 1972, S. 410-424. – Herrmann, Hans-Walter: Städte im Einzugsbereich der Saar bis 1400, in: Les petites villes en Lotharingie. Die kleinen Städte in Lotharingien. Actes des 6es Journées Lotharingiennes, Luxemburg 1992 (Publications de la Section historique de l'Institut Grand-Ducal de Luxembourg, 108), S. 225-318. – Maleczek, Werner: Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich in der Zeit von 1430 bis 1474, Diss. phil. (masch.) Innsbruck 1968. – Paravicini, Werner: Streit an der Sprachgrenze: aus dem Briefwechsel zwischen den Herren von Vinstingen und von Blâmont am Ende des 14. Jahrhunderts, in: Retour aux sources. Texte, études et documents d'histoire médiévale offerts à Michel Parisse, hg. von S. Gougenheim u. a., Paris 2004, S. 810-827. – Thomas, Heinz: Zwischen Regnum und Imperium. Die Fürstentümer Bar und Lothringen zur Zeit Kaiser Karls IV., Bonn 1973 (Bonner Historische Forschungen, 40). – Witte, H[einrich]: Die Armagnaken im Elsass. 1439-1445, Straßburg 1889 (Beiträge zur Landes- und Volkskunde von Elsaß-Lothringen, 11).