Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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[WERDENBERG-SARGANS-]VADUZ

A. [Werdenberg-Sargans-]Vaduz

I.

Die Gf.en von [W.-S.]-V. führten ihren Namen nach der 1021 erstmals urkundlich erwähnten Ortschaft V. am Rand der Alpenrheintalebene auf der rechten Seite des Flusses. Von diesen Gf.en von S. spaltete sich eine Zweiglinie ab, die 1342-1416 im Besitz der Gft. V. war und von da benannt wurde, ohne aber den bisherigen Namen aufzugeben. Auf Hartmann III. (gest. 1354), dem Begründer dieser Linie, folgte dessen Sohn Heinrich V. Von Heinrich V.(gest. 1397) ging die Gft. V. auf dessen Bruder Hartmann IV. (gest. 1416) über, der sie seinen Halbbrüdern Ulrich Thüring und Wolfhart IV. von → Brandis übertrug.

II./IV.

Der um 1305 geb. Hartmann III. hatte 1322 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Rudolf IV. (geb. um 1310) den Vater Rudolf II. von W.-S. beerbt. Beide Brüder verwalteten dieses Erbe zwanzig Jahre lang ungeteilt. Durch die Ehe Rudolfs IV. mit Ursula von Vaz und das von ihr 1338 eingebrachte Vazer Erbe (u. a. die Gft. Schams und ausgedehnte Rechte in Safien und im Schanfigg) kam es zwischen den Brüdern zum Konflikt. Am 3. Mai 1342 teilten sie auf Druck der Familienoberhäupter der Gf.en von W.-Heiligenberg und von → Montfort-Tettnang ihr Erbe: Rudolf IV. erhielt Burg und Stadt S., die Vogtei über das Kl. Pfäfers und das Vazer Erbe, Hartmann III. V. nebst Blumenegg (Thüringerberg) und Nüziders (Sonnenberg) sowie Rechte im Raum zwischen der Luzisteig und der Landquart sowie den Schultheißen Heinrich von S. mit Leib und Gut (womit der alten montfortischen Gewohnheit Rechnung getragen wurden, bei Teilungen in dem Gebiet, das dem Partner zugesprochen wurde, einen weniger gewichtigen Erinnerungsposten zu behaupten, um damit an die ehem. Einheit und Zusammengehörigkeit der Familie zu gemahnen). Ein anderes Beispiel dafür ist der abgegangene Hof Lutzenweiler in Bodolz (Lkr. Lindau), den die Gf.en von → Montfort-Feldkirch, → Montfort-Tettnang, → Montfort-Bregenz, W.-Heiligenberg und W.-S. 1285 gemeinsam verkauft haben.

Der Vertrag von 1342 wurde oft als die Gründungsurk. der Gft. V. und damit des späteren Fsm.s Liechtenstein interpretiert. Hartmann III. siegelte jedoch weiterhin als Gf. von W.-S., erst 1376 nannte sich sein Sohn Heinrich V. Herr zu V. Die Konsolidierung der V.er Besitzungen als Territorialherrschaft bedurfte noch jahrzehntelanger Bemühungen. Die zunehmenden Hinweise auf Grenzmarkierungen (Jagdberg 1391, Blumenegg 1391) deuten das zielbewußte Streben nach einem geschlossenen Territorium an. Die Darstellung der neuen Linie nach Außen (Name, Wappen, Erbbegräbnis) ging nur langsam vor sich und erstreckte sich über Jahrzehnte.

Die Ehe Hartmanns III. mit Agnes von → Montfort-Feldkirch, durch die die Fehde der Gf.en von W. mit den benachbarten Gf.en von → Montfort-Feldkirch um das Vazer Erbe beigelegt wurde, trug zu einer ersten Festigung der neuen Herrschaft bei (zumal Ulrich II. von → Montfort-Feldkirch seit 1338 die Burg V. als Leibgeding innehatte). Wenig später kamen die Söhne aus dieser Ehe zur Welt: um 1343 Hartmann IV., um 1344 Rudolf VI. und um 1345 Heinrich V. Nach dem Tode Hartmanns III. am 27. Aug. 1354 übernahm Rudolf IV. von W.-S. die Vormundschaft über die minderjährigen Söhne seines Bruders.

Hartmanns III. Wwe. Agnes von → Montfort-Feldkirch heiratete in zweiter Ehe Wolfhart I. von → Brandis (gest. 1371). Diese Ehe ist für die liechtensteinische Geschichte von großer Bedeutung, weil durch die aus ihr hervorgegangenen Kinder Ulrich Thüring und Wolfhart IV. von → Brandis, die Stiefbrüder Heinrichs V. und Hartmanns IV., die Gft. V. 1416 an die Frh.en von → Brandis überging und diese den Ausbau der Territorialherrschaft fortges. haben. Nach der Ermordung Rudolfs IV. 1361 und der Volljährigkeit der Söhne Hartmanns III. kam die Gft. V. an Heinrich V., der sie zunächst gemeinsam mit seinem Bruder Rudolf VI. (gest. 1367) verwaltete. Ihr Bruder Hartmann IV., seit 1360 Mitglied des Johanniterordens, widmete sich vornehmlich der Verwaltung seiner Kommenden Bubikon, Wädenswil und → Feldkirch, 1388 stieg er zum Bf. von Chur auf. Heinrich V. bemühte sich um den Ausbau der Herrschaft in V. Um seinen Einfluß in der Region zu stärken, trat er 1374 als Laie in das Churer Domkapitel ein, das ihn zum Dompropst wählte (1377 resigniert). Den ihm 1375 von seinem Onkel Rudolf V. von → Montfort-Feldkirch bestätigten Erbanspruch auf die Gft. → Feldkirch konnte Heinrich gegen Ansprüche Österreichs nicht durchsetzen; er wurde 1390/91 von Hzg. Albrecht von Österreich mit der Herrschaft Jagdberg (auf Lebenszeit) und den → Montforter Gütern am Eschnerberg (als Eigen) abgefunden. Heinrich V. war Mitsiegler und Mitgarant des großen Freiheitsbriefes, den Gf. Rudolf V. von → Montfort-Feldkirch 1376 der Stadt → Feldkirch gewährte. Heinrich konnte für sich bei Hzg. Leopold das Privileg erringen, daß die Stadt → Feldkirch künftig keine werdenbergischen Untertanen mehr als Bürger aufnehmen würde; da solche Bürgeraufnahmen die landesherrliche Position in V. beeinträchtigten. Weitere Privilegien gewann er von Kg. Wenzel, so 1379 die Befreiung vom ksl. Hofgericht in Rottweil und 1396 die Bestätigung der Gft. V. als Reichslehen. Des weiteren suchte er 1381 seine Position durch eine politische Annäherung an den Schwäbischen Städtebund zu festigen, der sich gegen die Ausdehnung der Macht der fsl. Territorien und gegen die ksl. Verpfändungspolitik wandte. Im Hinblick darauf dürfte wohl auch der Ausbau der Befestigungen in V. 1383 erfolgt sein. Heinrich V. hielt sich aus den Kämpfen der Habsburger mit den Eidgenossen heraus. 1392 wurde er Mitglied der adeligen Rittergesellschaft mit Sankt Jörgenschild. Heinrich V., der sich erst spät zu einer Ehe entschließen konnte, blieb kinderlos. Nächster Erbe war sein Bruder Hartmann IV., seit 1388 Bf. von Chur, eine streitbare Persönlichkeit, die immer wieder zugunsten seiner Verwandten in das politische Geschehen eingriff. Die zahlr. Fehden führten ihn in finanzielle Nöte, die zur schrittweisen Verpfändung und zum Verkauf seiner Blumenegger (seit 1391) und V.er (seit 1396) Besitzungen an seine Stiefbrüder Ulrich Thüring und Wolfhart IV. von → Brandis führten. Letzterer übernahm mit dem Erlöschen des Geschlechtes von W.-S.-V. 1416 die Herrschaft in V.

Trotz der Teilung von 1342 blieben die Familienbande zwischen den Gf.en von V. und S. und W. sehr eng. 1379 setzte der noch unverheiratete Heinrich V. seinen Vetter Johann I. von S., den Sohn Rudolfs IV., unter bestimmten Bedingungen zum Erben seiner Burgen V. und Nüziders und seiner Gft.en V. und Walgau ein, doch wurde diese Verfügung von den späteren Ereignissen überholt. 1395 erhob Heinrich V. im Namen seiner Ehefrau Katharina von W.-Heiligenberg-Bludenz Ansprüche auf die Burg und die Stadt W. Den Gf. von S. stand noch 1422 ein Einlösungsrecht für V. zu, sie waren aber nicht in der Lage, die notwendigen Mittel aufzubringen. Noch 1464 behauptete Georg II. von S., ein Enkel Johanns I., gegenüber den Frh.en von → Brandis ein Erb- und Lösungsrecht auf V. zu haben, wurde damit aber abgewiesen. 1466 leisteten Georg II. und Wilhelm II. Verzicht auf die Gft. V. gegen Zahlung von 4000 Gulden. Nach dem Aussterben der → Brandis erhob Johann VI. von W.-Trochtelfingen zu Heiligenberg (gest. 1522) gegen die Gf.en von → Sulz ähnliche Erbansprüche auf V. und Blumenegg; auch er wurde abgewiesen, erreichte aber eine finanzielle Entschädigung.

Anders als ihre nächsten Verwandten, die Gf.en von W.-Heiligenberg und später auch die Gf.en von W.-S., standen die Gf.en von V. nicht mehr in den Diensten des Reiches. Die Gf.en von V. engagierten sich aber auch als milit. Unternehmer, bes. in den Amts- und Solddiensten der Gf.en von Tirol und der Habsburger. Im Thronstreit zwischen Friedrich dem Schönen von Österreich und Ludwig IV. von Bayern unterstützten Hartmann III. und Rudolf IV. den Habsburger, während ihr Bruder Heinrich III. von S. zu Albeck die andere Partei unterstützte. Die Kriegsdienste bedingten eine häufige Abwesenheit der Gf.en von ihrem Herrschaftszentrum, sodaß sie sich nicht um den Ausbau ihrer Territorien kümmern konnten. Prominentester Vertreter der V.er Linie war der Bf. von Chur Hartmann IV. Im Gegensatz zu den Gf.en von → Montfort und W. des 13. Jh.s waren die Angehörigen dieser jüngeren Zweiglinien mit traditioneller Struktur kleine Herren geworden, die sich gegen die modernen großen Landesherrschaften, insbes. Österreich, aber auch die wachsende Eidgenossenschaft (Glarus, Zürich) nicht durchsetzen konnten. Auch interne Fehden mit ihren Verwandten führten wiederholt zu Rückschlägen. Wie ihre Verwandten der Linie W.-S. hatten auch die Gf.en von V. um die Wende zum 15. Jh. ihren politischen Einfluß längst eingebüßt, als ihre Linie mangels Nachkommenschaft frühzeitig ihr biologisches Ende fand.

Die neue Linie V. schuf sich ein neues Wappen, indem sie die herkömmliche Tingierung des S.er Wappens, die silberne Fahne in Rot, in eine silberne Fahne in Schwarz änderte. Diese nur aus späteren Quellen belegte Farbabscheidung erfolgte wohl erst Jahrzehnte nach der Teilung von 1342; es sind auch, da die Zweiglinie V. bereits 1416 ausgestorben ist, keine zeitgenössischen farbigen Wappendarstellungen des V.er Wappens überliefert. Noch in dem seit 1394 angelegten Botenbuch der Bruderschaft St. Christoph auf dem Arlberg führt Heinrich V. von V. das S.er Wappen, die silberne Fahne in Rot. Und in Richenthals Konzilschronik (nach 1420) wird als Wappen Hartmanns IV., des Bf.s von Chur und letzten Gf. von V., fälschlich das → Montforter Wappen (rote Fahne in Silber) angegeben, aber wohl nicht, weil damit an seine Feldkircher Mutter gedacht wurde (das hätte eine rote Fahne in Gold verlangt), sondern vermutlich deshalb, weil Burg und Herrschaft W. seit 1401 den Gf.en von → Montfort-Tettnang gehörte. Daß aber ungeachtet dieser Überlieferung für das Haus V. ein Farbwechsel zu einer silbernen Fahne in Schwarz stattgefunden hat, wird durch zwei von einander unabh. spätere Quellen, Thomas Lirers Schwäbische Chronik (1486) und Ägidius Tschudis Arma Gentilicia Nobilium Helvetiae (zweite Hälfte 16. Jh.), wahrscheinlich gemacht. Von einem solchen Farbwechsel berichten auch chronikalische Zeugnisse des späten 17. Jh.s. Dieses V.er Wappen lebt auch in offiziellen Darstellungen des 20. Jh.s fort (Regierungsgebäude und Landtagssaal in V.).

Der Nebenlinie W.-S.-V. war nur eine kurze Lebensdauer von nur wenig mehr als 70 Jahren beschieden; sie reichte über zwei Generationen nicht hinaus. Von Anfang an ist ein spürbarer Einfluß der Gf.en von W.-Heiligenberg und von → Montfort-Tettnang vorhanden, die schlichtend in den Streit zwischen den Brüdern Hartmann III. von V. und Rudolf IV. von S. eingriffen und den Teilungsvertrag von 1342 zustande gebracht haben. Da ein Sohn unmündig starb (Rudolf VI., gest. 1367), Hartmann IV. aber die geistliche Karriere ergriff, gab es überhaupt nur zwei Ehen, bei denen das Konnubium auf die Gf.en von → Montfort bzw. die Gf.en von W. beschränkt blieb: Hartmann III. heiratete Agnes von → Montfort-Feldkirch, Heinrich V. Katharina von W.-Heiligenberg (Wwe. des Diethelm VI. von → Toggenburg, gest. 1385); Katharina ihrerseits war eine Tochter Albrechts II. von W.-Heiligenberg und dessen Gemahlin Mechthild von → Montfort-Tettnang.

Zur Festigung der eigenen Linie V. hat nicht zuletzt die Grablege in der St. Florinskapelle zu V. beigetragen, die seit dem 14. Jh. von den Gf.en von V. und später auch von ihren Rechtsnachfolgern, den Frh.en von → Brandis und den Gf.en von → Sulz, genutzt wurde. Hier wurden u. a. Hartmann III. (gest. 1354) oder Heinrich V. (gest. 1397) bestattet.; Hartmann IV. (gest. 1416) hingegen fand mit Rücksicht auf sein Amt seine letzte Ruhestätte in der Kathedrale von Chur. Die Schloßkapelle, die mit ihren Kaplaneien einen geistlichen und geistigen Mittelpunkt der Gft. gebildet hatte, wurde im frühen 19. Jh. abgetragen. Infolgedessen sind die Inschriften und die Insignien vieler Gf.en sowie ein noch in Visitationsakten von 1639/40 erwähntes aus Stuck kunstvoll gefertigtes Grabmal des Gf.en Hartmann verloren gegangen.

Quellen

Siehe auch A. Sargans, B. Vaduz und C. Vaduz. – Liechtensteinisches Urkundenbuch, Tl. 1: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, Bde. 1-2, bearb. von Franz Perret, Bd. 3, bearb. von Benedikt Bilgeri, Bd. 4, bearb. von Georg Malin, Bd. 5, bearb. von Benedikt Bilgeri, Bd. 6, bearb. von Otto P. Clavadetscher, Vaduz 1948-1996.

Siehe auch A. Sargans, B. Vaduz und C. Vaduz. – Burmeister, Karl Heinz: Die Grafen von Werdenberg-Sargans-Vaduz, in: Zeugen, 1992, S. 34-43. – Diebolder, Paul: Graf Heinrich I. (= V.) von Werdenberg-Sargans zu Vaduz, in: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 35 (1935) S. 3-38. – Diebolder, Paul: Graf Hartmann II. (=IV.) von Werdenberg-Sargans zu Vaduz, Bischof von Chur (1389-1416), in: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 37 (1937) S. 101-131. – Diebolder, Paul: Graf Hartmann III. von Werdenberg-Sargans, der erste Graf von Vaduz, in: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 39 (1939) S. 33-61. – Hermann, Cornelia, Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 2: Das Oberland, Bern 2007. – Liesching, Walther P.: Siegel und Wappen der Grafen von Werdenberg, in: Zeugen, 1992, S. 44-61. – Liesching, Walther P./Vogt, Paul: Die Wappen der Grafen von Werdenberg-Sargans zu Vaduz, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 84 (1984) S. 81-99. – Malin, Georg: Die Teilungsurkunde vom 3. Mai 1342, in: Zeugen, 1992, S. 10-33. – Sablonier, Roger: Graf Hartmann sol ze tail werden Vadutz, in: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 92 (1994) S. 1-36. – Valenti, Giuseppe: Hartmann IV. von Werdenberg-Sargans, Bischof von Chur, Graf von Werdenberg-Sargans-Vaduz, Komtur der Johanniterkommenden Bubikon, Wädenswil und Feldkirch, Eine Biografie, Liz. Zürich 2006.