Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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SAYN

B. Sayn

I.

Da so gut wie keine der später dokumentierten Besitzungen mit Sicherheit der ersten Generation der Gf.en von S. zuzuweisen sind, ist die territoriale Entwicklung der Gft. unter Eberhard I. (gest. 1176) kaum nachvollziehbar. In das Jahr 1152 dat. die Nachricht, daß die auf Allodialbesitz errichtete Burg S. nach Beendigung einer für die Gf.en von S. ungünstig verlaufenen Auseinandersetzung mit dem Kölner Ebf. Arnold II. von Wied dem Erzstift Trier übertragen und als ligisches Lehen wieder in Empfang genommen wurde.

Einen ersten direkten Hinweis auf die Gft. S. bietet die 1265 anläßlich der Erbteilung zwischen Gottfried (gest. 1283) und Heinrich (gest. 1289), Söhnen des Gf.en Johann von → Sponheim (gest. 1266), seinerseits Sohn und Erbe Adelheids von → Eberstein- → Sponheim ausgestellten Urk. Gemäß Teilungsvertrag sollten Heinrich nach dem Tod seines Vaters die sponheimischen Besitzungen und die Allode Adelheids zufallen. Gottfried wurde dann die Gft. S. (comiciam de Seyne) sowie dasjenige Erbe zugesprochen, das dem Vater durch den Tod Mechthilds von S. zufallen sollte. Außerdem erhielt Gottfried die Burgen und Herrschaften S., → Hachenburg, Weltersburg und Holstein (Homburg). Ein weiteres Mal ist 1273 von der Gft. S. die Rede. Mit zwei gegenseitigen, annähernd gleichlautenden Urk.n des Hzg.s von Bayern und Pfgf.en Ludwig und des Gf.en Gottfried von S. (gest. 1283) nimmt letzterer 1273 comiciam Seynensem cum omnibus suis pertennenciis als Lehen entgegen.

Im Zusammenhang mit der Beendigung eines milit. Konflikts um die Gft. Bonn werden bereits Mitte des 12. Jh.s als gegnerische Parteien die Gf.en von S. und die Gf.en von Molbach erwähnt. Am 6. Jan. 1152 vermittelte der Trierer Ebf. Albero von Montreuil zwischen den beiden Kontrahenten einen Frieden, nachdem sie um die Gft. Bonn (pro Bunnensi comitatu) eine heftige Fehde geführt hatten. Der konkrete Inhalt der mit der Herrschaftsgewalt über die Bonner Gft. kann aufgrund der lückenhaften Überlieferung nicht erschlossen werden. Vermutlich war mit der Bonner Gft. die Vogtei über die beiden Bonner Stifter St. Cassius und Dietkirchen verbunden. Unbekannt ist auch der Ausgang der 1152 geführten Fehde zwischen den Gf.en von S. und den Gf.en von Molbach. Der Konflikt um die Bonner Gft. zeigt deutlich, daß es sich bei der Familie um ein territorial ambitioniertes Hochadelsgeschlecht handelt, daß seine Ziele nicht allein politisch oder durch Heiratsverbindungen, sondern auch milit. durchzusetzen versuchte. Wenn auch das Ausgreifen nach N Mitte des 12. Jh.s noch durch den Kölner Ebf. Arnold von Wied verhindert wurde, so zeichnet sich doch bereits u diesem Zeitpunkt deutlich die politische Stoßrichtung in das Niederrheingebiet ab.

Gf. Heinrich II. von S. (gest. 1176) ist 1173 als Kölner Domvogt und 1174 als Vogt zu Bonn bezeugt und gelangte als Ehemann der Gf.in Adelheid von Saffenberg in den Besitz der beiden Titel und der damit verbundenen umfangr. Herrschaftsrechte. Aus dem Saffenberger Erbe erlangten die Gf.en von S. die Saffenburg, verschiedene Güter in der Eifel sowie die Gft. Hülchrath und umfangr. Streubesitz am Niederrhein.

Vermutlich bildete die Übernahme der Vogteien ein Fanal für den zu Beginn der Mitte der 1170er Jahre erfolgten territorialen Vorstoß der Gf.en von S. nach NW, wo sie auf dem Gebiet des alten rechtsrheinischen Auelgaus mit der Neugründung der Burg → Blankenberg am Unterlauf der Sieg ein neues Machtzentrum errichteten. Während Eberhard I. von S. 1152 und 1163 noch gelegentlich am Hof des Ebf. von Trier und vereinzelt auch in mainzischen und pfgf.en Urk.n nachweisbar ist, finden wir ihn ab 1165 fast ausschließlich im Umfeld der Kölner Ebf. und Ks. Friedrich Barbarossas. 1166 und 1176 erwirbt Eberhard I. von S. zwei Häuser in der Domstadt Köln. Die enge Bindung der Gf.en von S. an das Erzstift Köln sollte auch in den folgenden Generationen den politischen Kurs bestimmen.

Für die 1230er Jahre sind gfl. Rechte der älteren Gf.en von S. auf dem linksrheinischen Maifeld in den Schriftquellen nachweisbar. Sehr wahrscheinlich haben die Gf.en von S. im Auelgau ohne ein amtsrechlich legitimiertes Mandat agiert. Die in der Literatur formulierte These, daß es sich bei den S.ern um eine von einer übergeordneten Instanz – den Pfgf.en – eingesetzte Amtsgf.en gehandelt hat, die sich zu einem nicht bekannten Zeitpunkt von ihren Oberlehnsherren emanzipiert haben, läßt sich nicht verifizieren. An der Wende vom 12. zum 13. Jh. erstreckte sich der Einflußbereich der Gf.en von S. vom linken Niederrhein nördlich von Köln bis zur Mosel und auf rechtsrheinischem Gebiet von der Sieg bis zur Lahn.

Im staufisch-welfischen Thronstreit ergriffen die Gf.en Heinrich II. (gest. 1202), Heinrich III. von S. (gest. 1246/1247) und Bruno Ebf. von Köln (gest. 1208), für die Welfen Partei. 1198 war Bruno von S. von Otto IV. zum Propst des Aachener Marienstifts erhoben worden. Ein bes. aussagekräftiges Dokument, daß die s.isch-welfische Allianz verdeutlicht, ist die im Sommer 1202 ausgestellte Lehnsurk., mit der das Reichsoberhaupt die Übertragung der Hälfte der Burg Saffenberg an der Ahr zum einen die Verdienste Heinrichs II. von S. vergelten und andererseits dessen Sohn, Heinrich III. an sich binden wollte. Letztendlich waren auch die territorialen Auseinandersetzungen im Westerwald durch den staufisch-welfischen Thronstreit bestimmt. Dort standen sich die prowelfischen Gf.en von S. und Gf. Dietrich von → Landsberg, ein Gefolgsmann des Staufers Philipp von Schwaben, gegenüber. Auch nach dem Wechsel zahlr. rheinischer Hochadelsfamilien in das Lager der Staufer, behielt Gf. Heinrich III von S. (gest. 1246/47) einen prowelfischen Kurs bei. Erst 1215, nach dem endgültigen Scheitern der Welfen unterwarf sich Gf. Heinrich III. 1215 in Andernach Friedrich II. von → Staufen.

Die heftige Fehde zwischen den Gf.en von S. und Gf. Dietrich von → Landsberg wurde schließlich durch eine Heiratsverbindung zwischen beiden Erben der Familien beendet. Mechthild, die Tochter Gf. Dietrichs von → Landsberg und der Lgf.in Jutta von Thüringen, vermählte sich vor 1215 mit Gf. Heinrich III. von S. (gest. 1246/47) und brachte den reichen landsbergisch-thüringischen Besitz, der u. a. die Burgen Alt- und Neu-Windeck, Neuerburg, Altenwied und Bilstein umfaßte, in diese Ehe mit ein. Im Vergleich zu dem mit der Ehe verbundenen territorialen Zuwachs nimmt sich die Erwerbspolitik Gf. Heinrichs III. eher bescheiden aus. Der Versuch den s.ischen Machtbereich im N auszuweiten und mit Hilfe des Kölner Ebf. Konrad von Hochstaden die Essener Vogtei sowie die Burg Neu- → Isenburg an der Ruhr dauerhaft an sich zu ziehen, scheiterte, da der 1244 erworbene Besitz bereits 1247 wieder verloren ging.

Eine entscheidende Zäsur innerhalb der territorialen Entwicklung der Gft. S. markiert der Tod Gf. Heinrichs III. in der Neujahrsnacht 1246/47. Infolge der von seinen Neffen vorgenommenen recht komplizierten Erbteilung gingen der Herrschaftsbereich an der Siegmündung mit Burg und Stadt → Blankenberg, der Löwenburg, der niederrheinische Besitz mit dem Herrschaftsmittelpunkt Hülchrath sowie die aus dem Besitz der Lgf.en von Thüringen herrührenden Herrschaften im Südwestfalen und im nordwestlichen Westerwald, verloren. Gf. Gottfried von S. (gest. 1283), der ältesten Sohn des Gf.en Johann von → Sponheim (gest. 1266) verblieben lediglich große Teile des auf dem Westerwald gelegenen s.ischen Besitzes und die Exklave Homburg im Oberbergischen Land. Zwischen das Kernterritorium südlich der Sieg und die oberbergischen Besitzungen schob sich die Herrschaft der Edelherren von → Wildenburg, deren Unabhängigkeit 1284 in einem zwischen Gf. Johann II. von S. (gest. 1324) und Heinrich von → Wildenburg 1284 ausgehandeltem Vergleich festgeschrieben wurde.

Die s.ische Burg-gründung → Blankenberg und die aus der Eheverbindung mit dem Hauses Saffenberg herrührenden Herrschaften Hülchrath und Saffenberg gelangten nach einem Ausgleich zwischen Gf. Simon von → Sponheim mit seinem Bruder Heinrich, der den Linie der Herren von Heinsberg begründete, an letzteren. Heinrichs Sohn, Dietrich von Heinsberg konnte diese Herrschaften 1268 um die 1247 erstmals erwähnte, um 1200 gegr. Burg Löwenburg im Siebengebirge vermehren, die 1247 als Wwe.nsitz in der Verfügungsgewalt der Wwe. Gf. Heinrichs III. von S., Mechthild, verblieben war. Burg Altenwied und die dazu gehörenden Kirchspiele Neustadt a. d. Wied, Asbach und Windhagen, die sich vor 1131 in lgf. thüringischen Besitz befanden, 1190 dem Erzstifts Köln zu Lehen aufgetragen wurden und durch die Heirat Mechthilds von → Landsberg schließlich um 1215 an Gf. Heinrich III. von S. gefallen waren, überließ Gf.in Mechthild 1250 vorläufig und 1262 endgültig dem Erzstift Köln. Zum bilstein-thüringischen Erbe Mechthilds gehörten auch die Neuerburg an der Wied mit dem Kirchspiel Waldbreitbach. Zusammen mit der Löwenburg gehörte die Neuerburg zu den Gütern, die sich Mechthild 1250 zur lebenslänglichen Nutzung vorbehielt. Nach der Abtretung an Köln, bildete die Neuerburg 1290 den Mittelpunkt eines erzstiftischen Amtes. Die unweit von Altenwied und der Neuerburg entfernt gelegene Burg Rennenberg überließ die verwitwete Gf.in von S. 1250 ebenfalls dem rheinischen Erzstift. Zwei Jahre zuvor, 1248 hatte Gf.in Mechthild von S. dem Ebf. Konrad von Hochstaden die → Waldenburg in Südwestfalen veräußert, die einen wichtigen Stützpunkt für den weiteren Ausbau der kurkölnischen Landesherrschaft im südlichen Sauerland darstellte.

Gf. Gottfried I. von S. (gest. 1283) gelang es die s.ische Herrschaft im oberbergischen Land 1270 durch die Übernahme der Rechte und Güter der Flecke von Holstein zu festigen. Burg Homburg trug Gf. Gottfried I. Kg. Rudolf von Habsburg 1276 zu Lehen auf. Im NO der s.ischen Interessensphäre führte Gf. Gottfried 1259 eine Fehde (Wildbannfehde) gegen Gf. Otto von → Nassau, konnte kurzzeitig Burg und Stadt Siegen einnehmen und schließlich die Landesgrenze zwischen den Territorien S. und → Nassau zwischen Freusburg und Siegen auf dem Giebelwald festigen. Gf. Gottfrieds Söhne, Johann II. (1283-1324) und Engelbert von S. (1287-1336) vollzogen 1294 eine Erbteilung. Engelbert, Stifter der jüngeren Engelbert-Linie der Gf.en von S. erhielt außer der Burg und den Gefällen zu Vallendar die Hälfte der Homburg und des Gerichts Nümbrecht sowie die Hälfte des an die Gf.en von Berg versetzten Gerichts Gummersbach. Gf. Johann, Inhaber des Westerwälder Besitzes der Gft. S. und der zweiten Hälfte von Burg und Herrschaft Homburg, begründete die ältere Johann-Linie, führte den Gf.en-Titel und machte vor 1314 seinen Gottfried II. (gest. 1327) zum Mitregenten.

Von seinem Anteil an der Homburg konnte Engelbert von S. (gest. 1336) erst nach dem Tod seiner Mutter, die gemäß eines Vertrages von 1276 Burg Homburg als Wittum innehatte, Besitz ergreifen. In den Urk.n tritt Engelbert von S. ab 1315 als Herr von Homburg in Erscheinung. Durch die Ehe mit Sophie von Volmarstein erlangte Engelberts Sohn, Gottfried von S. (gest. 1354) die Herrschaft Volmarstein an der Ruhr, die er jedoch bereits 1319 an das Erzstifts Köln veräußerte. Folgenreicher als der kurzfristige Besitz der Herrschaft → Greifenstein im Westerwald, die auf dem Heiratsweg an die Gf.en von S. gelangte, war die Ehe des Gf.en Salentin (gest. 1391), der sich mit Adelheid, der Erbtochter des Gf.en Siegfried III. von Wittgenstein vermählte, 1352 dessen Erbe in der Gft. Wittgenstein antrat und sich dort nach einer langjährigen Fehde schließlich 1366 endgültig gegen seine erbberechtigten Verwandten, die Gf.en von → Solms und → Eberstein durchsetzten konnte. Vor 1368 übergab Salentin die Gft. Wittgenstein seinem Sohn Gf. Johann von S.-Wittgenstein und begnügte sich mit der Herrschaft Homburg im Oberbergischen Land. Auf die territoriale Entwicklung der Gft. Wittgenstein nahm Salentin nach 1368 kaum noch Einfluß.

Gf. Gottfried II. aus der Johann-Linie der Gf.en von S. erwirkte 1314 für die Orte → Hachenburg, Altenkirchen und Weltersburg Stadtrechte. Im Kirchspiel Daaden am Ostrand der Gft. S., konnte Gf. Gottfried von S. (gest. 1327) unter Ausnutzung des Niedergangs der Edelherren von Molsberg Fuß fassen. Die s.ische Herrschaft im Ksp. Daaden sicherte er durch die Gründung der Burg Friedewald um 1320 und die von ihm initiierte Stadterhebung des bei der Burg gelegenen Ortes 1324. Territoriale Aktivitäten in dem südlich und westlich an die Gft. → Nassau grenzenden Freien Grund lassen sich erstmals Mitte des 14. Jh.s unter Gottfrieds Sohn, Gf. Johann II. von S. (gest. 1359) nachweisen, der den Ganerben von Seelbach als Lehnsherr 1350 nachträglich den Bau der Burg Hohenseelbach gestattete. Im SpätMA und in der Frühen Neuzeit teilten sich die Gf.en von S. und → Nassau die Herrschaft im Freien Grund. Kg. Ludwig der Bayer belehnte 1327 Gf. Johann II. von S. für seine treuen Dienste in Italien mit den pfälzischen Lehen seines Burders, den vier Gft.en → Solms, → Virneburg, Bilstein und → Eberstein, jedoch nicht mit der Gft. Dortmund, die Johanns Vater, Gottfried II. 1326 vom Reich als Lehen erhalten hatte. Burg und Stadt Weltersburg versetzte Gf. Gottfried II. von S. 1355 an seinen Schwiegersohn den Edelherrn Johann von Westerburg. Unter Gf. Johann III. von S. (gest. 1408) wurde die Gft. S. 1367 dem Schutz des Trierer Ebf. Kuno von → Falkenstein unterstellt, der ferner die Lehnshoheit über Burg und Herrschaft Freusburg erlangte. Ein Teil des umfangr. → Falkenstein-Münzenberger Erbes, der durch die zweite Ehe Gf. Gerhards I. (gest. 1419) mit Anna von → Solms an die Gf.en von S. gelangte, wurde bereits in der darauf folgenden Generation wieder veräußert. Dietrich versetzte 1446 seinen Anteil an dem → Falkenstein-Münzenberger Erbe an Gf. Reinhard von → Hanau, Gf. Diether von → Isenburg und Frank von Kronberg d.Ä. und erwarb im Gegenzug vom Erzstifts Köln Burg, Zoll und Amt Rheinbach sowie die Hälfte der Gft. → Neuenahr. 1545 entzog der Hzg. von Jülich den Gf.en von S. Rheinbach und → Neuenahr.

Da die Ehe des Gf.en Dietrich von S. mit Margaretha von → Nassau - → Vianden (gest. 1465) ohne Erben blieb, fiel die Gft. S. an Gf. Gerhard II., der als Domherr zu Köln resignierte und 1452 die Regentschaft übernahm. 1458 verkaufte er den Wetterauer Teil der → Falkenstein-Münzenberger-Erbschaft an Frank von Kronberg d.Ä. Von Gf. Wilhelm von Wied erwarb er 1459 die Kirchspiele Almersbach, Höchstenbach und Schöneberg im Westerwald. Seine 1453 geschlossene Ehe mit Elisabeth der Erbtochter der Gf.en von Sierck, Wwe. des Gf.en Hanemann von Zweibrücken-Bitsch (gest. 1452) und Nichte des Trierer Ebf. Jakob von Sierck (gest. 1456), eröffnet Gf. Gerhard II. von S. die Anwartschaft auf reiche Erbe der Gf.en von Sierck. Nach dem Tod von Elisabeths Onkel, des Gf.en Philipp von Sierck (gest. 1492), wird dessen Vermächtnis unter die erbberechtigten Verwandten aufgeteilt. Die Söhne Gerhards II. von S. (gest. 1493), erhielten die sierckschen Herrschaften Meinsberg, Montclair und Freudenburg, die dem gfl. Haus S. 1589 (Freudenburg) bzw. 1602 (Montclair und Meinsberg) wieder verloren gehen. Die weitere Entwicklung der Gft. S., die unter Gf. Gerhard II. von S. 1452 bis 1493 noch einmal einen glanzvollen Höhepunkt erreichte, wurde zu Beginn des 17. Jh.s durch mehrere Erbteilungen bestimmt. Mit dem Tod Gf. Heinrichs von S. am 17. Jan. 1606 erlosch der Mannesstamm der Gf.en von S. aus dem Haus → Sponheim. Auf Grund einer 1565 zwischen S. und S.-Wittgenstein abgeschlossenen Erbverbrüderung ergriff Gf. Wilhelm von S.-Wittgenstein (gest. 1623), der mit Gf.in Anna Elisabeth von S. (gest. 1608), Erbin der Gft. S. vermählt war, von einem Großteil der Gft. S. Besitz. Seinem Bruder Gf. Georg II. von S.-Wittgenstein (gest. 1631), der 1605 die Linie S.-Wittgenstein-Berleburg begründet hatte, hatte Gf. Wilhelm bereits 1603/04 die Herrschaft Homburg im Oberbergischen Land überlassen. Die von Gf. Wilhelm und seiner Gattin Anna Elisabeth gestiftete Linie S.-Wittgenstein-S. erlosch bereits 1632 mit Gf. Ernst, da Ludwig, der einzige Sohn aus dessen Ehe mit Gf.in Louise Juliane von → Erbach bereits 1636 verstarb. Das Erbe der Gft. S. ging an die Töchter der Louise Juliane über. Resultat langwieriger Erbstreitigkeiten war 1652 bzw. 1661 die Entstehung der Gft.en S.-Hachenburg und S.-Altenkirchen.

Die Gft. S.-Altenkirchen fiel durch die Ehe der Gf.in Johannetta von S.-Wittgenstein-S. (gest. 1701) 1661 an deren zweiten Gemahl Hzg. Johann Georg von Sachsen-Eisenach und verblieb bis 1741 bei den Hzg.en von Sachsen-Eisenach, denen bis 1791 die Markgf.en von Brandenburg-Ansbach folgten. Seit 1791 von Preußen regiert, gelangte S.-Altenkirchen nach einem nassauischen Intermezzo 1802-1815, schließlich endgültig an Preußen und wurde Bestandteil der preußischen Rheinprovinz.

Johannettes Schwester, Gf.in Ernestine von S.-Wittgenstein-S. (gest. 1661) brachte ihren Erbteil, die Gft. S.-Hachenburg ihrem Gemahl, dem Gf.en Salentin Ernst von → Manderscheid- → Blankenheim (gest. 1705) zu. Als Inhaber der Gft. S.-Hachenburg folgten 1714 die Bgf.en von → Kirchberg-Farnroda und ab 1799 die Fs.en von → Nassau-Weilburg bzw. 1806 die Hzg.e von → Nassau 1866 wurde die vormalige Gft. S.-Hachenburg durch die Annektion des Hzm. → Nassau schließlich preußisch. Um 1800 umfaßten die zum niederrheinisch-westfälischen Reichskreis zählende Gft.en S.-Altenkirchen und S.-Hachenburg ein Gebiet von fünf Quadratmeilen und hatten 12 000 Einw.

Lehen hatten die Gf.en von S. vom Reich, von den Erzstiften Köln und Trier und den Pfgf.en. Die namengebende Stammburg war 1152 dem Erzstift Trier zu Lehen aufgetragen worden.

Über die s.ische Ministerialität im 12. Jh. sind keine zuverlässigen Aussagen möglich, obwohl bereits anläßlich der Lehnsauftragung der Burg S. von 1152 von einem s.ischen Ministerialengericht vor der Burg die Rede ist. Ebenso wie beim Bau der Burg → Blankenberg in den 1170er Jahren, werden bereits unter den ersten Gf.en von S. Ministeriale einen erheblichen Teil an der milit. Sicherung und der Bewirtschaftung der Befestigungen getragen haben. Zu den bedeutendsten adeligen Vasallengeschlechtern, die dem Lehnsverband der Gf.en von S. angehörten, zählten u. a. die Edelherren von → Blankenberg, die zu dem ausgedehnten Verwandtschaftskreis der aus den Herren von Nister hervorgegangenen Familien mit dem Rautenwappen gehörten. Christian von → Blankenberg ist zwischen 1216 und 1233 urkundlich nachweisbar und kann aufgrund seiner häufigen Präsenz an der Seite Gf. Heinrichs III. wohl zu der kleinen Gruppe der wichtigsten niederadeligen Gefolgsleute bezeichnet werden. Auf Burg → Blankenberg hielten sich außer den Herren von → Blankenberg auch verschiedene s.ische Ministerialenfamilien, die bereits als die inhabitantes der Befestigung i.J. 1181 gen. werden. In der trierischen Ausfertigung der Gründungsurk. für die Prämonstratenserabtei S. begegnen von den ministeriales comitis de Seine als er Besatzung der Burg S. deutlich getrennt, insgesamt neun castellani de Blankenbergh, zu den u. a. ein Bgf. Dietrich zählte. Zur engen Gefolgschaft Gf. Heinrichs III. von S. zählten u. a. der s.ische Truchseß Rorich von Gehardshain, die sehr wahrscheinlich aus der Familie Herren von Nister hervorgegangenen Walpoden von der Neuerburg, die mit dem thüringischen Erbe Mechthilds an die S.er übergegangen waren und sich 1332 nach ihrer neu errichteten Burg im Holzbachtal Herren von → Reichenstein nannten. Eine vergleichbare Bedeutung wie die Walpoden von der Neuerburg und die Herren von → Blankenberg erlangten die Vögte von → Hachenburg, die mit Rorich dem Kleinen seit 1215, also dem terminus ante quem der landsbergisch-s.ischen Eheverbindung als die wichtigsten Lehnsmäner am Ostrand des s.ischen Territoriums anzusehen sind. Zu den edelfreien Gefolgsleuten des Gf.en Heinrichs III. von S. gehörten darüber hinaus die Herren von Rennenberg, von Dorndorf und Rosenau. Zeitgenössische Quellen zu s.ischen Burgmannen und Lehnsleuten auf den linksrheinischen Burgen Saffenberg und Hülchrath fehlen.

II.

Zum Hof der ersten Gf.en von S. sind nur wenige Nachrichten überliefert, die keine zusammenhängende Darstellung erlauben. Die am Nordrand des Neuwieder Beckens gelegene 1152 erstmals urkundlich Burg S. wurde hinsichtlich ihrer Bedeutung als Herrschaftszentrum der Familie bereits wenige Jahrzehnte später von der Burg → Blankenberg am Unterlauf der Sieg übertroffen. Während der Regierungszeit des Gf.en Heinrich III. von S. (gest. 1246/47) war nicht mehr S., sondern → Blankenberg der wichtigste befestigte Platz und bevorzugte Aufenthaltsort der gfl. Familie im entstehenden s.ischen Territorium. Während aus der Zeit Heinrichs III. von S. keine einzige auf Burg S. abgefaßte Urk. überliefert ist, wird in den 42 von dem Gf.en ausgestellten Urk.n 18 Mal in der Datumszeile ein Ausstellungsort angegeben, davon sieben Mal → Blankenberg. Ungeachtet dessen konnte Burg S. sich hinsichtlich ihrer baulichen Ausstattung durchaus mit → Blankenberg.messen. Beide Burgen verfügten über Doppelkapellen und zu ihrem Umfeld zählten Talsiedlungen, von denen freilich → Blankenberg.1245 erweitert und mit Stadtrechten ausgestattet worden war. In Sichtweite der Burg S. gründete Gf. Heinrich II. von S. (gest. 1202) um 1200 die Prämonstratenserabtei S., die die Familiengrablege aufnahm und 1206 mit der Armreliquie des Hl. Simon ausgestattet wurde, die der spätere Kölner Ebf., Bruno von S. (gest. 1208), Propst zu Bonn, seinem Neffen Gf. Heinrich III. (gest. 1246/47) zum Geschenk gemacht hatte. Das 1246 von der Gf.in Mechthild, zu → Blankenberg gestiftete Prämonstratenserkl. wurde gemäß den testamentarischen Bestimmungen ihres Mannes, Gf. Heinrichs III. 1246/47 in die Zisterzienserinnenabtei De pace Dei umgewandelt und zwischen 1259 und 1265 nach Zissendorf bei Hennef verlegt. Über die stadtkölnischen Wohnsitze der Gf.en von S. liegen – sieht man einmal von Nachrichten über Transaktionen in den städtischen Schreinsbüchern ab – keine gesicherten Nachrichten vor, so daß über die höfische Repräsentation der Dynastenfamilie an einem ihrer häufigsten Aufenthaltsorte wenig gesagt werden kann.

Spätestens im Zuge der Erbteilungen des Vermächtnisses von Gf. Heinrichs III. von S. (gest. 1246/47) entwickelte sich die wohl Ende des 12. Jh.s gegr. 1215 erstmals erwähnte → Hachenburg zum Herrschaftsmittelpunkt der Gft. S. Die Talsiedlung unterhalb der Burg wurde 1247 als Stadt bezeichnet und erhielt 1314 zusammen mit den sayischen Orten Altenkirchen und Weltersburg Stadtrechte. Das unweit der Res. → Hachenburg entfernt gelegene Zisterzienserkl. Marienstatt erfreute sich insbes. unter Gf. Gerhard II. von S. bes. Aufmerksamkeit und diente zahlr. Angehörigen der gfl. Familie als Grabstätte.

In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, während der Besetzung der Res.stadt → Hachenburg durch osnabrückische und kurkölnische Truppen 1637 bis 1649 hielt sich die Regentin der Gft. S., Gf.in Louise Juliane von S.-Wittgenstein-S. mit ihrem Hof, kurzfristig auf der Freusburg (1637) und nach ihrer Vertreibung von dort mehrere Jahre (1637-1649) in Friedewald auf. Infolge der Teilung der Gft. S. avencierte schließlich Altenkirchen zum Res.stadt der Gft. S.-Altenkirchen, während → Hachenburg Res. der Regenten der Gft. S.-Hachenburg blieb.

Zur Ausbildung von Hofämtern in der Gft. S. und zu den ersten Ansätzen einer Kanzleitätigkeit liegen nur wenige Schriftquellen vor. Die Hinweise auf s.ische Ministerialen, die als Träger der klassischen Hofämter, Truchseß, Mundschenk und Kämmerer bekleidet haben, datieren in die erste Hälfte des 13. Jh.s. Ein sich nach der Burg S. benennender Ministeriale Giselbert hatte 1208 das Amt des Mundschenken inne, während 1216 Rorich von Gebhardshain als s.ischer Truchseß in Erscheinung tritt. Ein Kämmerer Gerlach wird 1246 erwähnt. Im Jahr 1215 findet sich im Gefolge des Gf.en Heinrich III. erstmals ein Notar namens Eckbert, als dessen Nachfolger zwischen 1231 und 1234 ein Notar Siegfried gen. wird. Vermutlich haben Siegfried und sein Bruder, der Kleriker Rutger erste Ansätze einer schriftlichen Verwaltungstätigkeit in der Gft. S. wahrgenommen. Zu S. ist 1219 ein Kellner nachweisbar, dem offenbar die Verwaltung des gesamten Streubesitzes um die Burg oblag. Der 1239 und 1244 für die Burg Hülchrath nachweisbare Truchseß geht wohl noch auf die Einführung dieses Amtes durch die Gf.en von Saffenberg zurück.

Spätestens in der ersten Hälfte des 15. Jh.s waren in der Gft. S. Zentralbehörden ausgebildet, deren Sitz → Hachenburg war. Seit 1441 ist ein ksl. Notar als Schreiber und Sekretär der Gf.en von S. bezeugt. Gf. Gerhard II. (gest. 1493) ordnete 1491 an, daß sich seine Söhne gemeinsam der gfl. Kanzlei bedienen sollten. Der Kanzlei gehörten 1492 außer dem Schreiber ein Kammerschreiber für die Finanzverwaltung an. Seit 1576 fungierten juristisch vorgebildete Amtleute häufig gleichzeitig als Räte der Gf.en von S. Ihnen oblag gemeinsam mit einem Sekretär die Verwaltung der Gft. Bald nach den Landesteilungen erwuchsen in den Teilgft.en eigenständige Behörden.

Bereits Gf. Eberhard I. von S. (gest. 1176) scheint auf der Burg S. eine Münze unterhalten zu haben, da aus seiner Regierungszeit Münzen mit der Legende EVERHARDUS COMES auf der Vorderseite und CASTRUM IN SEINE COMITIS auf der Rückseite überliefert sind. Am 17. Aug. 1329 erwirkte Gf. Johann II. von S. von Ks. Ludwig dem Bayern das Recht Heller zu schlagen, wie dies in Frankfurt, Speyer, Nürnberg und anderen Städten des Reiches üblich war. Johanns Vetter, Gf. Gottfried II. aus der Engelbert-Linie der Gf.en von S. bestellte 1334 einen Münzmeister Siverlin Stratzburg in die Münze zu Vallendar. Sein Sohn, Gf. Salentin von S. (gest. 1391) ließ sich 1359 das Münzrecht für Silbermünzen in Vallendar und in der Herrschaft Homburg bestätigen. In den Schriftquellen ist Gf. Salentin von S. letztmalig als Münzherr und Homburg als Münzstätte gen. Eine Münztätigkeit der Gf.en von S. läßt sich erneut erst im letzten Drittel des 16. Jh.s nachweisen, nachdem die Gf.en Heinrich IV., Hermann und Sebastian 1570 ihr Münzrecht von Ks. Maximilian II. hatten bestätigen und auch auf Goldmünzen ausdehnen lassen.

Über das höfische Leben auf den Burgen zur Zeit Heinrichs III. und seiner Gemahlin Mechthild von S. in der ersten Hälfte des 13. Jh.s geben nur wenige Schriftquellen Auskunft. Der Minnedichter Reinmar von Zweter, der sich zeitweilig am Hof der Mainzer Ebf.en aufgehalten hat, lobt ausdrücklich Großmut und Gastfreundschaft eines Gf.en von S.: […] swelch wirt kann di geste empahhen, so daz vor Ere unt ouch ir kint mit goutem willen bi im sint, als der von Sein, der mac wol ere ergahen. Zweifellos handelt es sich bei dem Gf.en von S. um Heinrich III., der Reinmar in sinem Hus bi sinem brot bewirtet und beköstigt hatte.

Quellen

Siehe A. Sayn.

Siehe auch A. Sayn. – Halbekann, Joachim J.: Besitzungen und Rechte der Grafen von Sayn 1246/1247, Köln 1996 (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft V/5 und Karte). – Hömberg Albert K.: Zur Geschichte des südlichen Sauerlandes im Hochmittelalter, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 33 (1958) S. 253-255. – Meinhardt, Albert: Und als man singt und als man spricht. Saynische Lieder des Mittelalters, in: Sayn – Ort und Fürstenhaus, hg. von Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, Bendorf 1979, S. 29-36. – Müller, Aegidius: Beiträge zur Geschichte der Herrschaften Sayn-Hachenburg und Sayn-Altenkirchen sowie zur Geschichte des Klosters Marienstatt, Wissen 1894. – Müller-Jahnecke, W.-D./Volz, F. E.: Die Münzen und Medaillen der gräflichen Häuser Sayn. Mit landesgeschichtlichen Beiträgen von J. Kloft nebst einem Anhang: Die Münzen und Medaillen des gräflichen Hauses Hatzfeldt, von F. E. Volz, Frankfurt am Main 1975. – Nellesen, E.: Herrschaft und Amt Löwenburg. Denkmäler zu 800 Jahren Geschichte, in: Rheinische Denkmalpflege. NF 18 (1981) S. 94-101. – Reisach, Karl Anton Graf von: Mannbuch der Grafschaft Sain, in: Archiv für rheinische Geschichte 2 (1835) S. 125-160. – Roethe, Gerhard: Die Gedichte Reinmars von Zweter, Leipzig 1887. – Schabow, Dietrich: Sayner Burgmannen, in: Sayn – Ort und Fürstenhaus, hg. von Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, Bendorf 1979, S. 100-106. – Schneider, Konrad/Forneck, Gerd Martin: Geld im Westerwald. Münzprägung und Geldumlauf, hg. vom Westerwaldkreis, Montabaur 1985. – Schneider, Konrad: Abriß der saynischen Münzgeschichte, in: Sayn – Ort und Fürsenhaus, hg. von Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, Bendorf 1979, S. 69-74.