Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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GÖRZ

A. Görz

I.

Die Vorfahren der späteren Gf.en von G. kamen wohl aus Altbayern und gehörten wahrscheinlich zur Verwandtschaft der Gf.en von Andechs und Gießen, sicher zu jener der Gf.en im Lurngau. Sie werden im ausgehenden 10. und im 11. Jh. unter dem Leitnamen Me(g)inhard im Bereich von Oberkärnten (zu dem im MA auch der größere Teil des heutigen Osttirol gehörte) und im Pustertal (zwischen Lienz und Brixen) faßbar. Der erste bekannte Träger dieses Namens ist wahrscheinlich identisch mit dem gleichnamigen Vogt des Bf.s Albuin von Brixen (977-1006), weitere – vermutlich Sohn und Enkel des ersten – waren Gf.en im oberen Lurngau, der etwa das heutige Osttirol umfaßte. In einer Urk. von 1064, die allerdings nicht im Original, sondern nur in einer gerade auch hinsichtlich dieses Namens später verfälschten Version erhalten ist, wird Meginhard II. als Meginardus de Guriza bezeichnet; seit seiner Zeit waren die Meginharde offenbar auch im Patriarchat Aquileja aktiv.

Als erste Generation der Gf.en von G. werden gemeinhin die vermutlichen Söhne Meginhards III., die beiden (Halb-)Brüder Pfgf. Engelbert I. von Bayern (ca. 1102/06-1120) und Gf. Meinhard I. (1120/21-1142) bezeichnet. Meinhard, Sohn aus Meginhards zweiter Ehe mit Diemut von Spanheim und dadurch mit den Kärntner Hzg.en versippt, wird 1120/21 de Guriça gen. und tritt seit 1125 als Vogt des Patriarchats Aquileja auf; parallel dazu – jedoch nie gleichzeitig mit dem Prädikat »von G.« oder seiner Eigenschaft als Vogt – wird er gelegentlich auch als Gf. bezeichnet, was sich auch auf seine Eigenschaft als Gf. im Lurngau beziehen kann (die lange Zeit als älteste Nennung eines Gf.en von G. angesehene Urk. Ebf. Konrads I. von Salzburg für das Kl. Nonnberg von 1117 gilt inzwischen als Fälschung). Tatsächlich wird Meinhard I. nur posthum 1147 als Gf. von G. bezeichnet, erst sein Sohn Heinrich I. führte zu Lebzeiten erstmals 1146 diesen Titel.

Die namengebende Siedlung wird erstmals 1001, als Gf. Weriand von Friaul und der Patriarch von Aquileja von Ks. Otto III. je die Hälfte dieses Ortes erhielten, als villa que Sclavorum lingua vocatur Goriza gen., abgeleitet von der slawischen Bezeichnung (Verkleinerungsform von Gora = Berg) für jenen Hügel, der an der heutigen Grenze von Slowenien und Italien etwa 60 m über den Isonzo aufragt und auf dem auch die 1202 erstmals gen., aber vermutlich schon etwa ein Jh. früher von Heinrich von Spanheim gegr. Burg → G. steht.

II.

Ausschlaggebend für den späteren Aufstieg der Gf.en von G. war ihr vermutlich unter dem ihnen verwandten Patriarchen Sigehard nach 1077 beginnendes Engagement im Patriarchat Aquileja, das ihnen den Erwerb umfangr. Lehengüter in Friaul und Istrien ermöglichte und 1122/25 in die Übernahme der Vogtei mündete. Auf deren Basis entwickelten sie sich in der Folge v.a. auf Kosten des Patriarchats von einer Gf.enfamilie unter vielen zum bedeutendsten Adelsgeschlecht des Südostalpenraums. Reichen Eigenbesitz hatten sie aber auch schon vorher nicht nur innerhalb des Patriarchats, sondern v.a. nördlich davon in Oberkärnten, im Pustertal sowie um Moosburg und → Eberstein in Unterkärnten. Dazu kam nach dem Aussterben der Lurngauer Gf.en 1135 auch noch der größere Teil von deren Erbe. Burg und Herrschaft G. waren wohl nicht, wie meist angenommen, ein Amtslehen des Patriarchats für die Ausübung der Vogtei, sondern dürften als Erbschaft von Gf. Weriand auf dem Umweg über die Spanheimer an die Gf.en von G. gelangt sein. Die – ohnedies meist nur theoretische – Lehenshoheit des Patriarchats darüber resultiert aus Konflikten zwischen den Patriarchen und ihren Vögten in der zweiten Hälfte des 12. Jh. und scheint erst 1202 festgelegt worden zu sein.

Weiteren Besitzgewinn brachten günstige Ehen. Gf. Engelbert III. erwarb um 1170 durch seine Heirat mit Mathilde von Andechs-Pisino Teile Inneristriens. Entscheidend wurde aber die 1237 geschlossene Ehe Meinhards III. mit Adelheid, einer Erbtochter Gf. Alberts III. von Tirol, denn ähnlich wie die Gf.en von G. als Vögte der Patriarchen von Aquileja ihre Gft. v.a. auf deren Kosten aus Besitzungen und Rechten des Patriarchats gebildet hatten, hatten zur selben Zeit die Gf.en von Tirol, die sich nach ihrer Stammburg oberhalb von Meran nannten, ihre Stellung als Vögte der Bf.e von Brixen und Trient genutzt, um überwiegend aus dem Besitz dieser beiden Bm.er eine den Alpenhauptkamm übergreifende Gft. zu bilden, wobei sie auch einige konkurrierende Gf.engeschlechter ausgeschaltet hatten. Die Bedeutung Tirols lag v.a. in der Kontrolle der wichtigsten Übergänge über die Ostalpen, den Brenner- und den Reschenpaß. Diese Position verschaffte den Gf.en nicht nur reiche Zolleinnahmen, sondern im Hinblick auf die Ks.krönungen und die Italienpolitik der dt. Kg.e auch eine wichtige politisch-strategische Stellung.

Durch die gen. Heirat konnte Meinhard III. (= Meinhard I. von Tirol) zunächst den südlichen und in weiterer Folge auch den nördlichen Teil der Gft. Tirol gewinnen. Spätestens mit ihm traten die G.er auch als unbedingte ksl. Parteigänger auf Reichsebene in Erscheinung, so daß er nach dem Aussterben der Babenberger 1248 von Ks. Friedrich II. zum Generalkapitän der Steiermark ernannt wurde und 1250 auch als Hauptmann von Österreich fungierte. Diese Positionen hat er entweder nach des Ks.s Tod zurückgelegt, oder er konnte sie gegen Kg. Ottokar II. von Böhmen und Kg. Bela IV. von Ungarn, die 1251/54 das Erbe der Babenberger unter sich aufteilten, nicht halten. Der Aufstieg in den Reichsfs.enstand gelang schließlich seinem Sohn Meinhard IV. (= Meinhard II. von Tirol), und zwar zunächst faktisch, als er 1259 Elisabeth von Bayern, die Wwe. Kg. Konrads IV., heiraten konnte, theoretisch jedoch erst, als er 1286 von Kg. Rudolf, dessen wichtigster Verbündeter (u. a. im Kampf gegen Kg. Ottokar von Böhmen um das Erbe der Babenberger) und wohl auch Freund von jungen Jahren an er gewesen war, mit dem Hzm. Kärnten belehnt wurde. Sein Bruder Albert erhielt gleichzeitig die neu geschaffene Würde eines Pfgf.en von Kärnten, die bis zum Aussterben der G.er in dieser Linie verblieb. Die reichsrechtliche Stellung der beiden Gft.en Tirol und G. – hier bezüglich der Unabhängigkeit vom Hzm. Bayern, dort vom Patriarchat Aquileja – blieb trotzdem noch längere Zeit ungeklärt, obwohl bereits 1282 Bf. Konrad von Chur in einem politischen Freundschaftsakt vor Kg. Rudolf bezeugte, daß der Gf. von Tirol weder zum Hzgm. Bayern noch zu Schwaben gehöre, sondern als Vogt des Bf.s von Trient zum Kgr. Italien (was sachlich damals längst nicht mehr stimmte). Außen vor ließ er dabei sowohl die Funktion der Gf.en von Tirol als Vögte der Bf.e von Brixen und Chur wie auch ihr unklares Verhältnis zum Hzm. Bayern, doch hat sein Zeugnis die spätere Belehnung Meinhards mit Kärnten sicher sehr erleichtert, war viell. sogar eine Voraussetzung dafür, und muß jedenfalls als vorbereitende Aktion gesehen werden. Durch den Aufstieg der Familie in den Reichsfs.enstand wuchsen in der Folge auch die Länder G. und Tirol de facto allmählich in den Rang gefürsteter Gft.en. Die ausdrückliche Bezeichnung als Reichslehen durch den Kg. erfolgte bei Tirol 1330 durch Ks. Ludwig d. B., bei G. 1365 durch Ks. Karl IV.

Von Meinhards Söhnen erreichte Heinrich, der jüngste, aufgrund seiner Ehe mit Anna, der Schwester Wenzels III., des letzten Přzemysliden, 1307 die Krönung zum Kg. von Böhmen (und führte in diesem Zusammenhang zeitw. auch den Titel eines Kg.s von Polen), stieß jedoch auf eine starke Opposition und konnte sich gegen seinen Kontrahenten Johann von Luxemburg nicht durchsetzen. 1310 mußte er sich aus Böhmen wieder zurückziehen, doch führte er den Titel eines Kg. von Böhmen bis zu seinem Tod.

III.

Der bedeutendste Repräsentativbau der Gf.en von G. ist Schloß → Tirol, das in seinen wesentlichen Teilen allerdings schon von den Gf.en von Tirol errichtet wurde, v.a. auch der aus dem 12. Jh. stammende und sich an den Kg.spfalzen dieser Zeit orientierende große Südpalas, der sich zusammen mit der angrenzenden Kapelle dendrochronologisch auf die Zeit um 1139 datieren läßt. Es ist sicher kein Zufall, daß die Errichtung dieses Baues praktisch zeitgl. mit der Erstnennung der Gf.en von Tirol (1141) erfolgte. Um 1270, also unter Meinhard II./IV., erhielten Burgkapelle und Palas ein Obergeschoß. Doppelstöckige Kapellen waren zu dieser Zeit zwar nicht mehr ausschließlich Kg.en und Fs.en vorbehalten, trotzdem ist sie als signifikanter Ausdruck von Meinhards Selbstverständnis und Machtanspruch zu sehen. Dazu gehört auch das Fresco des Tiroler Wappens an der Westwand des Oberstocks der Kapelle oberhalb des Eingangs aus dem Südpalas, wohl kurz nach der Errichtung der Kapelle hier angebracht, und seine Ergänzung durch das Kärntner Wappen ober dem Seiteneingang nach der Belehnung Meinhards mit Kärnten.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist Schloß → Bruck bei Lienz, die Res. der Gf.en von G. vor dem Anfall des Tiroler Erbes, eine im dritten Viertel des 13. Jh.s (erster Beleg 1277) von vornherein als typische Dynastenburg dieser Zeit geplante Anlage, ebenfalls mit doppelstöckiger Kapelle. Anlaß zur Errichtung dieses repräsentativen neuen Sitzes ohne Vorgängerbau war offenbar der Friede von Lieserhofen vom 27. Dez. 1252 nach der schweren Niederlage der verbündeten Gf.en Meinhard III. von G. und Albert III. von Tirol gegen Hzg. Bernhard von Kärnten und seinen Sohn Philipp, erwählter Ebf. von Salzburg. Meinhard sah sich dabei gezwungen, auch das castrum Lunze außerhalb der Stadt Lienz (nordöstlich der Stadt in Patriasdorf; nicht erhalten), vermutlich der ursprgl. Stammsitz der Familie, herauszugeben. Auch wenn er diese Burg lehensweise wieder zurück erhielt, war es für einen Mann seines Standes doch nicht akzeptabel, in einer Burg, die nur Lehensbesitz und kein freies Eigen war, zu residieren, so daß er in strategisch günstiger Lage nordwestlich von Lienz eine neue, 1277 erstmals urkundlich erwähnte Res. errichten ließ. Deren wie auf Schloß → Tirol doppelstöckige Kapelle wurde ab etwa 1440 gotisch umgestaltet und erhielt um 1480/85 reichen Freskenschmuck.

Die dritte bedeutende Res. war die Burg → G. in Friaul.

Als Familienkl. und Grablege der Gf.en von G. fungierte das Benediktinerkl. Rosazzo in Friaul, eigtl. eine Gründung der 1122 ausgestorbenen Kärntner Hzg.sfamilie der Eppensteiner, das aber in der Folge auch von den Gf.en von G. viele Schenkungen erhielt. Im 13. Jh. fühlten sich letztere offensichtlich als Nachfolger der Stifter und wurden auch vom Kl. als solche gesehen, wie z. B. das in Stein gemeißelte G.er Wappen an einem romanischen Kapitell im Kapitelsaal zeigt. Kurz nach der Länderteilung von 1271 (siehe unten Abschn. IV.) gründete Meinhard II./IV. 1273 gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth in Stams im Oberinntal ein Zisterzienserkl. zum Gedächtnis an den in Neapel hingerichteten Sohn Elisabeths (aus erster Ehe) Konradin von Hohenstaufen und als künftige eigene Grablege seiner Familie.

Das Wappen der Gf.en von G. ist schrägrechtsgespalten, vorne in silber-rot dreifach geteilt oder schräglinksgespalten, hinten in schwarz ein auf der Teilungslinie aufwärts schreitender, meist rotgezungter goldener Löwe. Der Helm des Beiwerks war spätestens seit dem 15.Jh. goldgekrönt.

Ein in mehrfacher Hinsicht bemerkenswertes Reitersiegel ist bereits von Gf. Engelbert II. aus dem Jahr 1177 überliefert, gleichzeitig das älteste erhaltene Siegel eines Gf.en von G. Es zeigt einen sich in gemächlichem Schritt nach rechts bewegenden Reiter, so daß dessen Schild nicht von der Schauseite, sondern von der Innenseite zu sehen ist, mit der Umschrift + ENGELBERTVS AQILEG[E]NSIS ADVOCATVS. Offensichtlich wurde damals die Eigenschaft als Vogt von Aquileja noch wichtiger gesehen als die Gft. G., und da auf die Darstellung des Wappens auf dem Schild kein Wert gelegt wurde, kann auch dieses, falls es denn schon existierte, im Selbstverständnis Engelberts noch keinen großen Wert gehabt haben. Die späteren Reitersiegel zeigen wie üblich einen nach links galoppierenden Reiter mit Wappen auf dem Schild. Nach der Erwerbung Tirols führte von den Brüdern Meinhard II./IV. und Albert bis zur Länderteilung von 1271 Meinhard als d.Ä. im Schild des Reiters das G.er Wappen, Albert jenes von Tirol. Mit der Teilung der Länder erfolgte quasi auch ein Wappen- bzw. Siegeltausch, indem von nun an Meinhard das Tiroler Wappen verwendete, Albert jenes von G.

Bei der Ausmalung der Burgkapelle von Bruck um 1480/85 ließen sich Gf. Leonhard und seine Frau Paola Gonzaga sowohl im Obergeschoß wie im Untergeschoß als Stifterpaar verewigen, etwa gleichzeitig auf einem Tafelbild. Um 1500 wurde im Dom zu G. ein Marmor-Kenotaph für Gf. Leonhard errichtet, in den als kleine Figur auch Paola eingearbeitet ist, und Kg. Maximilian ließ 1506/07 in der Lienzer Stadtpfarrkirche einen vom Innsbrucker Bildhauer Christoph Geiger gearbeiteten sehr qualitätvollen Grabstein aus rotbraunem Marmor aufstellen, der wie der Kenotaph von G. Leonhard als stehenden Ritter mit Fahnenlanze und Wappen zeigt. Auch eine Votivfigur aus Holz und Wachs (ehem. St. Sigmund im Pustertal, jetzt Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum) von ihm ist erhalten.

IV.

Schon wenige Jahre nach der Vereinigung der Gftt. G. und Tirol teilten 1267/71 die Brüder Meinhard IV./II. und Albert I. den Gesamtbesitz in der Art, daß Meinhard die relativ geschlossene Gft. Tirol mit dem Zentrum Meran/Schloß → Tirol erhielt, Albert die weit gestreuten Besitzungen östlich der Mühlbacher (auch: Haslacher) Klause östlich von Brixen, d.h. die in der Folge so gen. »Innere« Gft. G. mit der Stammburg G. und Besitzungen in Friaul, in Istrien, auf dem Karst und in der Windischen Mark, und die »Vordere« Gft. G. mit Zentrum um Lienz und Besitzungen in Kärnten und im Pustertal. Beide Linien führten Zeit ihres Bestehens sowohl den Titel eines Gf.en von G. wie den eines Gf.en von Tirol. Die beiden Linien, die »meinhardinische« und die »albertinische«, gingen schon bald mehr und mehr getrennte Wege, wobei sich die letztere noch weiter aufspaltete. Zwar wurden mehrere gegenseitige Erbverträge geschlossen, aber realiter waren beim Aussterben einer Linie die jeweils überlebenden anderen meistens zu schwach, um ihre Erbansprüche durchsetzen zu können. Nach und nach fielen daher zwischen 1335 und 1500 alle G.er Besitzungen an die Habsburger.

Meinhardinische Linie: Meinhard IV./II. hatte wesentlichen Anteil am Sieg Kg. Rudolfs von Habsburg, mit dem er schon lange vor dessen Kg.swahl die Heirat ihrer Kinder Albrecht, dem späteren Kg., und Elisabeth vereinbart hatte, über Ottokar von Böhmen, und wurde dafür 1286 mit dem Hzm. Kärnten belehnt (siehe oben Abschn. II.). Dabei war der Hzg.stitel und die damit erfolgende Erhebung in den Reichsfs.enstand wichtiger als das ziemlich zersplitterte Land, in dem die reale Macht des Hzg.s recht begrenzt war, und das für Meinhard und seine Nachkommen immer ein Nebenland blieb, wie sich am Beibehalten der Res. in Schloß → Tirol deutlich zeigt. Überdies erhielt er die Herrschaft Krain und die Windische Mark als Pfandbesitz. Hinsichtlich Organisation und Finanzverwaltung war Meinhard einer der aktivsten und innovativsten Fs.en seiner Zeit und baute Tirol zu einem Musterland mit reichen fsl. Einkünften aus. Bei seinem Tod 1295 übernahmen seine drei Söhne gemeinsam die Herrschaft, doch starben die beiden älteren schon früh und ohne Erben. Der dritte, Heinrich, wurde nach dem Aussterben der Přzemysliden 1307 zum Kg. von Böhmen gekrönt, konnte sich aber dort nicht behaupten und wurde 1310 wieder vertrieben. Seine Erbtochter Margarethe (später mit dem in seinen Zusammenhängen nicht eindeutig geklärten, aber ziemlich sicher nicht auf ein körperliches Gebrechen zurückzuführenden Beinamen »Maultasch« versehen) wurde mit dem Luxemburger Johann Heinrich, dem jüngeren Sohn Kg. Johanns von Böhmen, vermählt. Nach Heinrichs Tod 1335 vertrat jedoch Ks. Ludwig d.B. in Absprache mit den Habsburgern den Standpunkt, daß seine Länder nun erbenlos seien und daher an das Reich heimfallen würden, wobei eine Aufteilung zwischen Habsburgern und Wittelsbachern geplant war. Im folgenden Streit konnte Margarethe trotz Unterstützung durch die Familie ihres Mannes nur Tirol behaupten, während Kärnten und Krain an die Habsburger fielen. 1341 trennte sie sich jedoch in einer staatsstreichähnlichen Aktion von ihrem Gemahl, um an seiner Stelle Ludwig den Brandenburger, einen Sohn Ks. Ludwigs d. B., zu ehelichen. Als nach diesem auch ihr einziger Sohn Meinhard 1363 in noch jugendlichem Alter starb, vermachte sie Tirol den Habsburgern, die es gegen die noch einige Jahre auch milit. vorgebrachten wittelsbachischen Ansprüche behaupten konnten.

Albertinische Linie [die Zählung einzelner Mitglieder dieser Linie ist in der Literatur nicht eindeutig, so daß die folgend gen. Alberte und Meinharde auch um jeweils eine Ordnungszahl höher bezeichnet werden]: Albert I. (1271-1304) war in zweiter Ehe mit Euphemia, der Wwe. des letzten Gf. von Hardeck in Niederösterreich, verh., was der Familie auch dort einige Güter einbrachte. Alberts Söhne Heinrich II. und Albert II. teilten 1307 ihr Herrschaftsgebiet so, daß jeder Anteile am inneralpinen wie am südlichen Besitz hatte. Heinrich residierte fortan auf der Burg G., deren darunter gelegenen Burgmarkt er im selben Jahr zur Stadt erhob, Albert in Schloß → Bruck. Albert teilte seine Gebiete vor seinem Tod 1327 unter seine drei Söhne; dabei erhielt der ältere Albert III. die Gebiete in Istrien, in Krain und der Windischen Mark und residierte fortan in → Mitterburg, die beiden anderen den ungeteilten Rest. Heinrich II. betrieb eine sehr aktive Italienpolitik, in der er durch Zusammenarbeit mit Kg. Heinrich VII. und Friedrich dem Schönen zum Reichsvikar für Treviso und Padua ernannt wurde und faktisch die Herrschaft über diese Städte und über das dem Patriarchen gehörende Cividale erlangen konnte; schon 1310 hatte ihn die Stadt Triest zu ihrem Podestà gewählt. Kurzfristig zählte er damit zu den bedeutendsten oberital. Fs.en. Nach seinem plötzlichen Tod 1323 brach jedoch seine Herrschaft in diesen Gebieten zusammen, da sein einzig überlebender Sohn, der später mit Anna von Österreich verh. Johann Heinrich, noch im Kleinkindalter war und 1338, gerade volljährig geworden, ohne Nachkommen starb. Die ihm verbliebenen eigtl. G.er Gebiete fielen an die drei Söhne Alberts II. zurück, die sie unter sich aufteilten. Augenfällig wird die Schwächung der Gf.en von G. bei der Erneuerung des Bündnisses der drei Brüder mit Hzg. Albrecht II. von Österreich 1345, bei der sich die G.er verpflichteten, dem Hzg. gehilflich und dinstlich zu sein, und dadurch in die Nähe von habsburgischen Dienstleuten rückten. Aber wenigstens hatte Albrecht ihnen schon 1339 die erbliche Würde eines Pfgf.en von Kärnten bestätigt. – Von den drei Brüdern hatte nur Meinhard VI. überlebende erbfähige Kinder. Das Erbe seiner Brüder vermochte er aber nur zum Teil zu halten, während sich den größeren Teil der Besitzungen Alberts III. (gest. 1374) die Habsburger durch einen 1364 abgeschlossenen Erbvertrag sichern konnten. Immerhin war Meinhard 1365 von Ks. Karl IV. zu seinem Rat und Hofgesinde angenommen und bei dieser Gelegenheit als erster der Albertinischen Linie ausdrücklich als Reichsfs. anerkannt worden, womit auch die theoretisch immer noch bestehende Lehenshoheit des Patriarchen über Burg und Herrschaft G. aufgehoben wurde.

Nach der Eroberung des Patriarchats Aquileja durch Venedig 1420, während derer Gf. Johann Meinhard kurzzeitig in venezianische Gefangenschaft geriet und einen Teil seines Archivs verlor, verlegten die G.er ihre Hauptres. in das sicherer scheinende Lienz und brachten auch ihr Archiv dorthin. Trotzdem sah sich sein älterer Bruder Heinrich IV. 1424 gezwungen, die bisherigen Aquilejer Lehen der G.er vom Dogen in Empfang zu nehmen, und in der Folge betrachtete sich Venedig als Lehensherr des gesamten friulanischen Besitzes der G.er, was freilich seitens des Reichs nie anerkannt wurde. Nach dem kinderlosen Tod Johann Meinhards vereinigte Heinrich IV. 1430 den Restbesitz der Familie. In erster Ehe war er mit Elisabeth von Cilli, einer Schwester der Ks.in Barbara, verh. Nach deren Tod schloß er 1437 einen Erbvertrag mit den Gf.en von Cilli, obwohl er noch i.J. zuvor den 1394 mit den Habsburgern geschlossenen Erbvertrag erneuert hatte. Nach dem Aussterben der Cillier 1456 unterlagen Heinrichs Söhne Johann und Leonhard im Kampf um deren Erbe Ks. Friedrich III. und mußten im Frieden von Pusarnitz 1460 zusätzlich allen Besitz östlich der Lienzer Klause an diesen abtreten. Den Besitz im heutigen Osttirol mit Lienz konnten sie zwar 1462 wieder zurückgewinnen, weitere Bemühungen blieben aber trotz diverser zu diesem Zweck geschlossener Bündnisse vergeblich. Kurz vor seinem Tod im April 1500 schloß Leonhard, der letzte Gf. von G., einen Erbvertrag mit Kg. Maximilian, der das gesamte G.er Erbe gegen venezianische Ansprüche behaupten konnte. Er vereinigte den verbliebenen G.er Besitz um Lienz und im Pustertal mit der Gft. Tirol und den Streubesitz in Kärnten mit diesem Hzm. Nur die Innere Gft. G. blieb als eigenes Land im habsburgischen Länderkonglomerat und später in der österr.(-ungarischen) Monarchie bis 1918 bestehen, fiel dann an Italien und nach 1945 teilw. an Jugoslawien.

Quellen

Tiroler Landesarchiv, Rep. 10 (Repertorium über das Görzer Archiv von ca. 1515). – Joppi, Vincenzo: Documenti Goriziani, Tl. 1, in: Archeografo Triestino 11 (1885) S. 377-405; Tl. 2, in: 12 (1886) S. 1-89, 277-310; Tl. 3, in: 13 (1887) S. 49-99, 379-410; Tl. 4, in: 14 (1888) S. 21-60, 265-297; Tl. 5, in: 15 (1890) S. 53-90, 417-453; Tl. 6, in: 16 (1890) S. 5-54, 345-376; Tl. 7, in: 17 (1891) 5-41, 293-324; Tl. 8, in: 18 (1892) S. 5-36, 291-311. – Die Regesten der Grafen von Görz und Tirol bzw. Tirol und Görz, Herzöge von Kärnten, 2 Bde. [957-1295], hg. von Hermann Wiesflecker, Innsbruck 1949-1952 (Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. R. 4, Abt. 1), Registerbd., bearb. von Roland Kubanda, Innsbruck 2006 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs. Sonderband 1). – Swida, Francesco: Urkunden und Regesten zur Geschichte von Görz und Friaul, Tl. 1, in: Archeografo Triestino 14 (1888) S. 399-425; Tl. 2, in: 15 (1890) S. 199-235; Tl. 3, in: 16 (1890) S. 55-85; Tl. 4, in: 17 (1891) S. 42-73. – Das Urbar der Vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299, hg. von Friederike Klos-Bužek, Wien 1956 (Österreichische Urbare, I, 3). – Urkunden zur Geschichte von Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Triest, Istrien, Tirol aus den Jahren 1246-1300, hg. von Joseph Chmel, Wien 1849 (Fontes rerum Austriacarum, II, 1).

Zahlreiche Aufsätze zur Geschichte der Gf.en von G. finden sich in der von Franz Nikolasch hg. Reihe: Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten 1999, ebd. 2000, ebd. 2001 und ebd. 2002; ein Teil dieser Aufsätze ist auch in ital. Übersetzung erschienen (La contea dei Goriziani nel Medioevo. A cura di Sergio Tavano, Gorizia 2002). – Antenhofer, Christina: Briefe zwischen Süd und Nord. Die Hochzeit und Ehe von Paula de Gonzaga und Leonhard von Görz im Spiegel der fürstlichen Kommunikation (1473-1500), Innsbruck 2007 (Schlern-Schriften, 336). – Baum, Wilhelm: Die Grafen von Görz in der europäischen Politik des Mittelalters, Klagenfurt 2000. – Baum, Wilhelm: Die Gründung des Klosters Rosazzo und die Anfänge der Grafen von Görz, in: Der Schlern 61 (1987) S. 623-637. – Czoernig, Carl von: Görz, Oesterreich's Nizza. Nebst einer Darstellung des Landes Görz und Gradisca, Wien 1873. – Dopsch, Heinz/Meyer, Therese: Von Bayern nach Friaul. Zur Herkunft der Grafen von Görz und ihren Anfängen in Kärnten und Friaul, Krain und Istrien, in: ZBLG 65 (2002) S. 293-370. – Haidacher, Christoph: Auf den Spuren des Archivs der Grafen von Görz, in: Tirol in seinen alten Grenzen. FS für Meinrad Pizzinini zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia Sporer-Heis, Innsbruck 2008 (Schlern-Schriften, 341), S. 123-138. – Jaksch, August von/Wutte, Martin/Richter, Eduard: Kärnten, Krain, Görz und Istrien, Wien 1914 (Erläuterungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer, I, 4). – Leonhard und Paola. Ein ungleiches Paar, in: circa 1500 [Katalog zur Tiroler Landesausstellung], Mailand 2000, S. 1-205. – Margarete »Maultasch«. Zur Lebenswelt einer Landesfürstin und anderer Tiroler Frauen des Mittelalters, hg. von Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Innsbruck 2007 (Schlern-Schriften, 339). – Pizzinini, Meinrad: Die Grafen von Görz in ihren Beziehungen zu den Mächten im nordöstlichen Italien 1264-1358, Diss. [masch.], Innsbruck 1968. – Riedmann, Josef: Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, Wien 1977 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, 307). – Riedmann, Josef: Mittelalter, in: Geschichte des Landes Tirol, hg. von Josef Fontana u. a., Bd. 1: Von den Anfängen bis 1490, Bozen 1985, S. 265-661. – Štih, Peter: Studien zur Geschichte der Grafen von Görz. Die Ministerialen und Milites der Grafen von Görz in Istrien und Krain, München 1996 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsbd. 32). – Štih, Peter: villa que Sclavorum lingua vocatur Goriza. Studie über zwei Urkunden Ottos III., Nova Goriza 1999. – Thomas, Christiane: Kampf um die Weidenburg. Habsburg, Cilli und Görz 1440-1445, in: MÖStA 24 (1972) S. 1-86. – Veider, Andreas: Die politischen Beziehungen der Grafen von Görz zu den deutschen Herrschern und den Landesfürsten von Österreich, Prüfungsarb. [masch.] am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Wien 1940. – Weingartner, Josef: Die letzten Grafen von Görz, in: Lienzer Buch. Beiträge zur Heimatkunde von Lienz und Umgebung (Festschrift zur 700-Jahr-Feier der Stadt Lienz), Innsbruck 1952 (Schlern-Schriften, 98), S. 111-135. – Wiesflecker, Hermann: Meinhard der Zweite. Tirol, Kärnten und ihre Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts, Innsbruck 1955 (Schlern-Schriften, 124; Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 16). – Wiesflecker, Hermann: Die politische Entwicklung der Grafschaft Görz und ihr Erbfall an Österreich, in: MIÖG 56 (1948) 329-384. – Wiesflecker, Hermann: Die Verwaltung der »Vorderen Grafschaft Görz« im Pustertal bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, Diss. [masch.] Wien 1936.