Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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Festliche Anlässe und Festformen

Okkasionelles (Reise, Feldzug, Eide, Ständeversammlung, Gastfreundschaft)

Es ist unmögl., alle einmaligen Ereignisse hier aufzuzählen, welche evtl. Anlaß zu einem Hoffest geben konnten. Die Verleihung des Hosenbandordens an Hzg. Friedrich von Württemberg 1605 war in dieser Hinsicht keinesfalls weniger bedeutend als etwa der Abschluß des Westfälischen Friedens. Unter den unzähligen »okkasionellen« Situationen gab es allerdings solche, welche die Feste und Feier doch zieml. systemat. »produzierten«. Zu ihnen gehören v. a. Reisen (auch Pilgerschaften), Feldzüge und verschiedene Versammlungen der Fs.en.

Eine Krönungsreise des röm. (dt.) Kg.s wurde zur unendl. Kette von Festen: er wurde in jeder von ihm besuchten Stadt mit außerordentl. Feierlichkeiten begrüßt, wie die zeitgenöss. Beschreibung einer solchen Fahrt 1442 gut dokumentiert (Seemüller 1896). Die hohe Intensität der damaligen Feste kann man viell. als gewisse Ausnahme einschätzen, aber nicht die Praxis, einen reisenden Fs.en festl. zu begrüßen. Die feierl. Einzüge der Fs.en sowohl in ihre eigenen als auch in die fremden Städte gehörten zu den wichtigsten Repräsentationsakten in der Epoche der reisenden Höfe überhaupt. Der feierl. Empfang erwartete einen reisenden Fs.en aber nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Burgen und in anderen adligen Res.en. Ein opulentes Festmahl, Musik, Tanz und Geschenke gehörten wohl so gut wie immer zu solchen Fällen. Es konnten aber gelegentl. noch weitere Festformen benutzt worden, wie etwa Turniere. Das Ausmaß der Ehren, welche man selbst in einer und derselben Stadt einem und demselben Fs.en erwies, konnte durchaus verschieden sein, was natürl. nicht zuletzt von den polit. Konstellationen, aber auch von anderen Umständen abhing. So hat man die fsl. Pilger auf dem Rückweg vom Heiligen Land üblicherweise sehr warm begrüßt (Nolte 1997, S. 80). Die Feiern, welche in Nürnberg und einigen anderen dt. Städten 1472 zur Ehre der griech. Prinzessin Zoe Paläologos, der Braut des Moskauer Fs.en Ivans III. auf ihrem Weg von Rom nach Lübeck stattfanden, waren von direkten päpstl. Empfehlungen verursacht bzw. intensiviert (Schuhmann 1966). Auf fsl. Art und Weise zu reisen und unterwegs ständig zu feiern bedeutete aber auch, große Unkosten in Kauf zu nehmen, selbst wenn nicht alle Fs.en z. B. gelt unter die kind zu werfen pflegten, wie es Hzg. René II von Lothringen während seines Aufenthalts in Luzern 1476 gemacht haben soll (Die Schweizer Bilderchronik des Luzerner Diebold Schilling, 1981, S. 174). Der sparsame Ks. Friedrich III. beschenkte die Kinder von Nürnberg in einer ähnl. Situation bekanntl. nur mit Lebkuchen. Nicht zufällig tadelte ein Chronist Hzg. Friedrich von Bayern-Landshut (1375-93) dafür, daß er tet weit und kostlich reis, dadurch kam der furst in gross schuld (Ebran von Wildenberg, S. 128).

Ein Feldzug stellte eine spezielle Sorte der Reise dar, an welcher aber mehrere (hoch)adlige Personen zugleich teilnahmen, welche auch ihren Kriegsalltag standesgemäß verbringen wollte, d. h. in Festen. Die Festmähler und Turniere gehörten zu den am meisten verbreiteten Feierformen während der Feldzüge, wobei man gern versuchte, auch die Gegner als Turnierpartner zu gewinnen. Auf den »Preußenreisen« (wie wohl auch in anderen Militärunternehmen) vergnügte sich die in Königsberg versammelte internationale ritterl. Gesellschaft v. a. mit vielen Banketten, zu welchen man sich gegenseitig einlud. Zu einigen von diesen Festmahlen hat man die Gäste nach klaren Prinzipien eingeladen: mal waren das alle Ritter, mal alle Knappen, mal alle aus Frankreich, mal alle aus Niederdtl. usw. (Paravicini 1989, S. 290f., vgl. Paravicini 1995, S. 127-129). Einzigartig war der Ehrentisch, ein glänzendes Bankett, welches die oberste Leitung des Deutschen Ordens im 14. und Anfang des 15. Jh.s für die Kreuzritter unmittelbar vor Angriff gegen die Litauer zu veranstalten pflegte (Paravicini 1989, S. 316-329).

Die Feierlichkeiten anläßl. der Eidesleistung eines neuen Fs.en waren (wie auch die feierl. Einzüge) nur als Ergebnis des Zusammenwirkens zw. dem Fs.en und der huldigenden Gemeinde möglich. Die »Individualität« einzelner Städte äußerte sich in individuellen Besonderheiten im Ablauf der Huldigungszeremonien. In den alten Städten des Rheingebiets (Köln, Worms, Speyer, Straßburg u. a.) hatten die dortigen Kirchenfs.en sehr komplizierte Verhandlungen über alle Einzelheiten dieser Feierlichkeiten mit den Stadträten zu führen, welche sich gelegentl. über mehrere Jahre hinziehen konnten. Dabei war alles wichtig: wie der Text des Eides lautet, wer ihn vorliest, ob der Fürstbf. sein Versprechen, die Rechte und Privilegien der Stadt zu beachten, vor der Huldigung der Bürger gibt oder danach, und ob er seine Hand auf die Brust dabei legt oder nicht. Die Zeremonie der feierl. Eidesleistung verwandelte sich in solchen Fällen in eine lange, komplizierte Prozedur, die aus vielen streng reglementierten Handlungen bestand. Nach deren erfolgreichen Abschluß konnte man sich erlauben, etwa einige Tage lang auf dem Marktplatz zu rennen. Zugleich hat man abends koestlich gessen, houiret, gedantzt und banckette gehalden in des bischofs houe und desglichen in der andern fursten hoeuen (Lacomblet 1857, S. 190).

An anderen Orten lief alles dagegen dörfl. anspruchslos. So haben die Einw. einer Gemeinde nicht weit von Wittlich Tische unter den Bäumen mit Collacie vnd wyne einfach gedeckt. Als ihr Herr, der neue Ebf. von Trier, erschien und von seinem Pferd abstieg, gab jeder von ihnen zuerst ihm seine Hand (Handgelübde), nachdem schworen sie alle zusammen mit ausgestreckten Fingern. Der Fs. erzeigte sich so gutwillig, daß er mit den Bürgern eyne male oder zweye trank, beschenkte sie mit 2 Gulden zu uerdrincken und ritt zum nächsten Ort ab (Bojcov 2004). Das Element des feierl. Dialogs zw. dem Fs.en und seinen Untertanen während der Huldigung blieb nach wie vor auch dann und dort gültig, wo und wann es schwer war, von irgendeiner Unabhängigkeit der Städte von ihren Fs.en zu reden. Im Rahmen dieses Dialogs muß man die Episode 1576 in Hannover wahrnehmen, als der Hzg. aus dem Fenster des Rathauses dem Volk Geld zuwarf. Um dieses Geld wurde auf dem Marktplatz ein Fechtwettkampf veranstaltet. Am selben Tag organisierte man ein Feuerwerk in der damals üblichen Form: es wurde eine mit Feuerwerkskörpern gefüllte hölzerne Burg auf dem Marktplatz errichtet, welche am Abend unter Begleitung von Trompeten und Trommeln angesteckt wurde und über eine Stunde mit großem Lärm und eindrucksvollen Aufflammen brannte (Adam 1995, S. 46).

Die Goldene Bulle von 1356 (Kap. 26-28) beschreibt ausführl. die Reihe von Feierlichkeiten, die am Tage einer ksl. oder kgl. Reichsversammlung (solempnis curia imperialis vel regia) stattfinden müssen. Das Festmahl des Kg.s und der Kg.in, welches auf einem Holzgerüst wohl mitten eines Stadtplatzes (also öffentl.) stattfindet; die sieben Kfs.en, welche ihre symbol. Ehrendienste mit Respekt zu einander und zum Kg. verrichten – diese ganze Szenerie ist nichts anderes als eine klare Demonstration der Harmonie zw. dem Herrscher und seinen Wählern, eine Demonstration, welche für die Zuschauer viell. sogar eine Art von Visualisierung und Personalisierung der abstrakten Idee des Römischen Reiches war. Die Form dieser Inszenierung war keinesfalls von Karl IV. erfunden: noch 1311 leisteten berittene Große während eines großen Hoffestes in Rostock den Tafeldienst dem dän. Kg. Erich VII. Menved (Paravicini 1990, S. 164); ihre Wurzel gehen aber in das FrühMA wenn nicht selbst in die Spätantike zurück.

Solche feierl. Eintrachtsdemonstrationen (welche bekanntl. nicht nur auf dem Pergament der Goldenen Bulle, sonder auch in Wirklichkeit stattfanden) gehören zu denen wenigen, welche für die Fürstenversammlungen spezif. waren. Selbstverständl. eröffnete man große Konzilien des 15. Jh. in Konstanz und Basel sowie Reichs- oder Landständeversammlungen mit der feierl. Messe zum Heiligen Geist (Schimmelpfennig 1969), aber sonst blieb die feierl. Seite solcher Veranstaltungen nicht ausgearbeitet. Solche Versammlungen stellten aber einen Rahmen für mehre unspezif. Feierformen dar. Die gehörten nicht zu Struktur der Tagung, bildeten aber eine lange Reihe der Begleitungsepisoden dazu. Die Tatsache, daß solche Zusammenkünfte reich an Banketten waren, ist schon in Zusammenhang mit Versammlungen 1355/1356 in Nürnberg und Metz, anläßl. der Veröffentlichung der Goldenen Bulle gut bekannt. Der Versuch Karls IV., die fsl. Festmähler zu untersagen, hatte natürl. von Anfang an wenig Chancen, ernsthaft berücksichtigt zu werden. Ansonsten gaben die großen Versammlungen der Fs.en, geistl. und adligen Personen Platz für alle mögl. Feste und Feiern, sowohl für die Elite als auch für die Normalsterblichen. Zu diesen Festlichkeiten gehörten die fsl. Einzüge, Turniere, Jagden, Huldigungen, Belehnungen, Hochzeiten etc. Seit dem 16. Jh. gab es Feuerwerke, sowohl anläßl. eines dieser »Nebenereignisse« als auch als selbständige Belustigung. Die Fs.en mit dem Ks. an der Spitze nahmen an Prozessionen und Exequien (wie diejenige, welche während des Reichstags 1559 in Augsburg für Karl V. veranstaltet wurden) teil. Wenn gelegentl. jemand der Teilnehmer selbst starb, gab auch sein Begräbnis einen guten Anlaß für eine prunkhafte Trauerfeier, etwa den Abschied von Albrecht Achilles 1486. Es ging so weit, daß eine Festlichkeitsbeschreibung mehr Raum im Bericht über einen Reichstag nehmen konnte als die Wiedergabe der Verhandlungsergebnisse (Aulinger 1980, S. 265f.). Außerdem konnte man am Rande eines Konzils oder Reichstags alle mögl. Schauspiele, Fastnachtspiele oder Schwänke genießen. Ungewöhnl. »demokratisch« waren die Armbrustschießen, an welchen Vertreter aller Stände teilnehmen durften. Bei einem solchen Wettbewerb während des Reichstags 1529 übertrumpften vier Bürgerliche alle teilnehmenden Fs.en und Ritter (Aulinger 1980, S. 275).

→ vgl. auch Farbtafel 16, 73, 136; Abb. 163, 174, 176, 256, 266

Quellen

Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, bearb. von Konrad Müller, Bern 1964 (Quellen zur neueren Geschichte, 25). – Die Schweizer Bilderchronik des Luzerners Diebold Schilling, 1981. – Hans Ebran von Wildenberg, Chronik von den Fürsten aus Bayern, hg. von Friedrich Roth, München 1905 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte. NF 2, 1). – Lacomblet, Theodor: Feierlicher Eintritt des Erzbischofs Hermann IV. in die Stadt Cöln, am 23. Februar 1488, in: Archiv für die Geschichte des Niederrheins 2 (1857) S. 180-190. – Maier, Peter: Das Huldigungsbuch, in: LA Koblenz. Bestand 701 (Handschriften), Nr. 4. – Schimmelpfennig, Bernhard: Zum Zeremoniell auf den Konzilien von Konstanz und Basel, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 49 (1969) S. 273-292. – Seemüller, Joseph: Friedrichs III. Aachener Krönungsreise, in: MIÖG 17 (1896) S. 584-665.

Adam, Bernd: Feste im Alten Rathaus, in: Feste und Feiern in Hannover, hg. von Hans-Dieter Schmid, Bielefeld 1995 (Hannoverische Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte, 10), S. 31-55. – Aulinger, Rosemarie: Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, Göttingen 1980 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 18). – Bojcov, Michail: Archiepiskop Trirskij objezžaet svoi vladenija [Der Erzbischof von Trier bereist seine Länder], in: Korolevskij dvor v političeskoj kul'ture srednevekovoj Evropy: teorija, simvolika, ceremonial, hg. von Nina Khachaturjan, Moskau 2004, S. 317-359. – Dirlmeier/Fouquet 1992, S. 113-145. – Holenstein, André: Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800-1800), Stuttgart u. a. 1991 (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, 36). – Nolte, Cordula: Erlebnis und Erinnerung: Fürstliche Pilgerfahrten nach Jerusalem im 15. Jahrhundert, in: Fremdheit und Reisen im Mittelalter, hg. von Irene Erfen und Karl-Heinz Spiess, Stuttgart 1997, S. 65-92. – Paravicini 1989. – Paravicini, Werner: Rittertum im Norden des Reiches, in: Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. von Werner Paravicini, Sigmaringen 1990, S. 147-191. – Schuhmann, Günther: Die »Kaiserin von Konstantinopel« in Nürnberg. Zum Aufenthalt der Paläologin Zoe auf ihrer Reise von Rom nach Moskau im Jahre 1472, in: Archive und Geschichtsforschung. Studien zur fränkischen und bayerischen Geschichte. Fridolin Solleder zum 80. Geburtstag dargebracht, hg. von Horst Heldmann, Neustadt a.d. Aisch 1966, S. 148-174. – Vavra, Elisabeth: »Te deum laudamus.« – Kirchliche Feiern zur Zeit des Konstanzer Konzils (1414-1418), in: Das Fest: Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von Uwe Schultz, München 1988, S. 127-139.