Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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GÜNTHER VON SCHWARZBURG (1349)

I.

Günt(h)er/Gunther, Gf. von Schwarzburg, Herr zu Blankenburg, Herr zu Arnstadt, gubernator et capitaneus marchie Brandenburgensis (1330, 1342/44); iudex generalis per Thuringiam (1325-46), Romanorum rex (1349). * 1303/04 auf Blankenburg(?); ∞ vor 9. Sept. 1331 Elisabeth von Honstein, Tochter Gf. Dietrichs III. von Honstein, † 1380; Kinder: Heinrich XIII. † 1357, Elisabeth † 1380, Agnes † 13. April 1399, Sophie † 1394/95, Mathilde † 26. Juni 1381. † 14. Juni 1349 in Frankfurt am Main;⚰ 18./19. Juni 1349 Frankfurt/ am Main, Stiftskirche (heutiger Dom) St. Bartholomäus. G. entstammt der sich nach Blankenburg benennenden, von seinem Großvater Heinrich V. (1274-87) begründeten, bis 1571 bestehenden Nebenlinie der Gf.en von Schwarzburg-Käfernburg und wurde 1349 für 115 Tage zum Gegenkg. → Karls IV. erhoben (Wahl 30. Jan. 1349 vor Frankfurt am Main; Krönung 6. Febr. 1349 in Frankfurt am Main.; Verzicht auf das Kgt. 26. Mai 1349 in Eltville.

II.

Nach dem Tod seines Vaters Heinrich VII. von Schwarzburg-Blankenburg 1324 folgte G. gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich X. in der Regierung nach. Auch wenn die den Brüdern zufallenden und anfängl. gemeinsam beherrschten Erb- und Lehnsgüter (Blankenburg, Saalfeld, Ranis, Pößneck, die Hälfte von Arnstadt) bereits 1330 geteilt wurden und so die ohnehin kleine territoriale Ausgangsbasis G.s weiter geschmälert wurde, vermochte G. gleichzeitig den Besitz und Einflußbereich der nach den wettin. Lgf.en und dem Ebf. von → Mainz mächtigsten Grafenfamilie inThüringen erhebl. auszuweiten. 1332 kamen die Schwarzburg-Blankenburger in den Besitz der anderen Hälfte der Stadt Arnstadt, die seit den 30er Jahren zur namengebenden Res. aufstieg. Gleichzeitig erhielten sie durch Kauf bzw. Verpfändung umfangr. Güter von mit ihnen versippten und zumeist hochverschuldeten thüring. Grafen- und Herrenfamilien: Die seit 1338 erworbenen Güter der Honsteiner und Beichlinger Gf.en in Schlotheim, Frankenhausen und im Ratsfeld bildeten die Grundlage der schwarzburg. Unterherrschaft im südl. Harzvorland; seit Beginn der 30er Jahre stießen die Schwarzburg-Blankenburgeran der Saale nach N vor und gewannen bis 1344 von den Gf.en von Orlamünde bzw. von den Herren von Lobdeburg mit Rudolstadt, der Leuchtenburg, Kahla und Roda, Dornburg und - allerdings nur kurzfristig - der Hälfte der Stadt → Jena entscheidende Herrschaftspunkte. Finanziert wurden diese beträchtl. Gebietsgewinne mit den Kupfer-, Silber- und Goldvorkommen im Blankenburger und Saalfelder Raum, die G. als den führenden Vertreter der Familie u. a. auch zum Kreditgeber der → Wittelsbacher machten. Der schwarzburg. Machtstellung in Thüringen entsprach ebenso die mehrfachbezeugte Tätigkeit G.s als Hauptmann des Thüringer Landfriedensgerichtes. Obgleich der mit der sog. Thüringer Grafenfeh-de von 1342-46 unternommene letzte Versuch der vom → Mainzer Ebf. Heinrich von Virneburg und G. angeführten thüring. Gf.en und Herren scheiterte, den seit 1247 erworbenen Anspruch der → Wettiner auf die lgfl. Oberherrschaft in Thüringen zurückzudrängen, und damit das Ende und die weitgehende Rücknahme eines das Thüringer Becken übergreifenden, bis an die mittlere Saale reichenden schwarzburg. Territorialgürtels bedeutete (bis auf die nordthüring. Gebiete und Rudolstadt gingen alleNeuerwerbungen an die → Wettiner verloren), konnte G. seiner Familie die Macht- und Rangstellung bewahren und diese in den folgenden Jahren durch Schutz- und Bündnisverträge mit den → Wettinern festigen. Entscheidend für diese - auf Perspektive hin gesehen - dauerhafte Sicherung der schwarzburg. Positionen war nicht zuletzt die reichspolit. Rolle, die G. seit Mitte der 20er Jahre gespielt hatte und in der sich die wachsende Bedeutung Thüringens im Reich widerspiegelt, das seit den ersten Jahrzehnten des 14. Jh.s aufgrund seiner Mittellage zw. den rivalisierendenHausmachtdynastien der → Luxemburger und → Wittelsbacher zu einer umworbenen Einflußzone geworden war. Neben den → Wettinern (Lgf. Friedrich der Ernsthafte war seit 1323/28 Schwiegersohn Kg. → Ludwigs IV. des Bayern) und dem über Erfurt gebietenden → Mainzer Ebf. (v. a. seit 1328 Heinrich von Virneburg) waren die Schwarzburger zu den wichtigsten Stützen des Kgt.s → Ludwigs des Bayern aufgestiegen, der 1323 als entscheidende Erweiterung seiner oberbayer. Hausmacht die Mgft. → Brandenburg hinzugewinnen konnte,diese aber gegen innere und äußere Konkurrenten, allen voran den expansiven luxemburg. Kg.en von → Böhmen behaupten mußte, der von seinen nordwestl. und südöstl. Herrschaftszentren her Ansprüche auf das Reich und insbes. auf die Mark → Brandenburg erhob. 1323 bestätigte → Ludwig der Bayer den schwarzburg. Lehnsbesitz an Saalfeld für G. und seinen Bruder Heinrich, 1332 bekräftigte er den Erwerb der Arnstädter Güter. G. muß darüber hinaus, darin Traditionen seines Vaters fortsetzend, ein überaus enges Vertrauensverhältnis zum wittelsbach. Kg./Ks. besessenhaben, in dessen engstem Umfeld und Dienst er seit Ende der 20er Jahre immer wieder begegnet (1330 Verweser und Landeshauptmann der Mark → Brandenburg für den noch unmündigen Ludwig von Brandenburg, 1334-39 Aufenthalt am → Münchner Hof, 1342 Begleiter Ludwigs von Brandenburg während seiner Brautwerbung in Tirol, 1342 Vermittlungsverhandlungen im ksl. Auftrag zw. den Hansestädten und den Gf.en von Holstein in → Lübeck), wobei er sich nicht nur als Diplomat, sondern v. a. auch als ein geschickter Stratege und erfolgreicher Militär auszeichnete.

Als nach dem Tod Ks. → Ludwigs des Bayern 1348 die → Wittelsbacher planten, um ihren Einfluß im Reich zu behaupten, dem schon 1346 mit nachdrückl. Unterstützung Clemens' VI. zum Gegenkg. → Ludwigs des Bayern erhobenen und nun seinen Anspruch machtvoll durchsetzenden → Luxemburger → Karl IV. einen eigenen Kg. entgegenzustellen, jedoch keiner der Söhne Ludwigs hierfür geeignet war und die ersten zwei in Aussicht genommenen Kandidaten, Edward III. von England und der → Wettiner Friedrich der Ernsthafte, absagten, wurdeseit Okt. 1348 G., der die → Wittelsbacher gegen den von den → Luxemburgern installierten falschen Woldemar in der Mark milit. unterstützte, als der nach dem wettin. Fs.en einflußreichste Gf. in der für die wittelsbach. Interessen entscheidenden Brückenlandschaft Thüringen der geeignetste Thronprätendent. Am 30. Jan. 1349 wurde G. auf dem Feld vor Frankfurt mit der schriftl. zugesicherten bzw. erkauften kfs.l. Stimmenmehrheit des → Mainzer Ebf.s Heinrich von Virneburg, des Mgf.en Ludwig von Brandenburg, des Hg.s Erich von Sachsen-Lauenburg und der→ Pfgf.en bei Rhein Rudolf II. und Ruprecht I. gewählt, wobei die Wahl im Unterschied zu der → Karls IV. zwar formalrechtl. korrekt, aber die Legitimation von drei seiner Wähler aufgrund des Mainzer Schismas (seit 1346 zw. Heinrich von Virneburg und dem luxemburg. Parteigänger Gerlach Gf.en von Nassau), der in den sächs. Häusern → Lauenburg und → Wittenberg umstrittenen Kurstimme und der infolge des Auftretens des von → Karl IV. zum brandenburg. Mgf.en erhobenen falschen Woldemar geschwächten Stellung des Brandenburgers höchst angefochtenwar. Wenige Tage nach der Wahl öffnete die Reichsstadt Frankfurt unter Zusicherung umfangr. Privilegien ihre Tore; G. wurde in einer feierl. Prozession eingeholt und am 6. Febr. in einem liturg. Festakt im kgl. Bartholomäusstift in das Amt eingeführt.

Vergl. mit den Ausgangspositionen der anderen »kleinen Hausmachtkönige« des 13./14. Jh.s, waren die strukturellen, finanziellen und personellen Voraussetzungen eines schwarzburg. Kgt.s - trotz gegenteiliger Urteile zeitgenöss. Chronisten - keineswegs aussichtslos und G. von Sch. gegenüber Mgf. Ludwig von Brandenburg, dem Initiator der Kandidatur, ein überaus vorsichtig abwägender Politiker, der seine Zusage (am 9. Dez. 1348 in → Dresden) abhängig machte von einer an enge Fristen gebundenen schriftl. Zusicherung der Mehrheit der Kurstimmen bereits vor dem eigentl. Wahlakt,einer formalrechtl. unanfechtbaren Wahl (Kur am rechten Ort, Feststellung der Vakanz des Reichs und damit der Ungültigkeit der Erhebung → Karls IV., Wahl ohne Simonie) sowie von Schutz- und Hilfsgarantien bei den zu erwartenden milit. Auseinandersetzungen mit → Karl IV. bzw. in Hinblick auf die Folgen eines eventuellen Mißlingens der Wahl. Im Unterschied zu seinen Vorgängern scheiterte G. aber an der überragenden, die Aussichten seines Gegenspielers keineswegs unterschätzenden Diplomatie → Karls IV., aber auch an den Zufällen einer milit. Fehlplanung und tödl.Erkrankung.

→ Karl IV. nutzte geschickt die zw. den tragenden Kräften des Reichs, insbes. den für die Königswahl entscheidenden Kfs.en, offen oder latent bestehenden dynast. und territorialen Interessenkonvergenzen und -spannungen (u. a. um die strittigen Kurstimmen), um den Zusammenhalt der wittelsbach. Partei weitgehend auszuhöhlen. In deutl. Absicht, die wittelsbach. Pläne zu durchkreuzen, hielt sich → Karl IV. zum Zeitpunkt der Kandidaturzusage G.s im Dez. 1348 ebenfalls in → Dresden auf, gewann sowohl den wettin. Fs.en als auch engste Verwandte G.s (seineNeffen Heinrich und Günther von Schwarzburg und den aus der Familie seiner Frau stammenden Gf. Heinrich von Honstein), zog über Thüringen und → Kassel, wo er die → Lgf.en von Hessen auf sich verpflichtete, in die Rheinlande nach → Köln, das sich ihm aufgrund massiver Privilegienzusagen am 7. Febr. 1349 öffnete und wo er in Geheimverhandlungen die für den weiteren Gang der Ereignisse entscheidende Eheverabredung mit dem rhein. Pfgf.en Rudolf traf (die Heirat mit dessen Tochter Anna erfolgte am 4. März in → Bacharach), in deren Folge G. die einzige,unangefochtene Wahlstimme entzogen, der Zerfall der wittelsbach. Partei besiegelt und das polit. Kräfteverhältnis im Reich endgültig zu Gunsten des Luxemburgers entschieden wurde. Obwohl sich G. ledigl. auf seine schwarzburg. Hausgüter, wenige thüring. Anhänger, den Gf.en von → Henneberg, einige Reichsstädte (Aachen, Dortmund, Frankfurt und die Städte in der Wetterau), den Pfgf.en Ruprecht, den durch das Schisma bedrängten Ebf. Heinrich von Virneburg und den durch den Druck der → Luxemburger in Tirol und → Brandenburg gebundenen und seine Positionen nurmühsam verteidigenden Ludwig von Brandenburg stützen konnte, hielt er am Kgt. fest (Ablehnung eines Verhandlungsangebotes → Karls IV. im April 1349) und suchte die Entscheidung in der für ihn als erfahrenen Kriegsherren vertrauten milit. Auseinandersetzung. Das Heer → Karls IV. erwartend, begann er seit Febr. 1349 seine ihm verbliebenen Stützpunkte im Frankfurter Raum, in der Wetterau und im ebfl.-mainz. Rheingau zu einem Sperriegel gegen → Karl IV. auszubauen und die Politik gegenüber den Reichsstädten zu intensivieren, die die rigorose Verpfändungspolitik→ Karls IV. fürchteten. Das Zusammentreffen der gegner. Heere Mitte Mai im Rheingau bei Eltville führte jedoch infolge eines takt. Fehlers zu einem nahezu kampflosen Sieg → Karls IV. am 21. Mai. Im Ergebnis der nachfolgenden Kapitulationsverhandlungen vom 22.-26. Mai in Eltville verzichtete G. auf das Kgt. und urkundete von nun an wieder als Gf. von Schwarzburg. Dem unterlegenen und tödl. erkrankten G. erwies → Karl IV. in überaus großzügiger Weise herrscherl. Gnade und finanzielle Entschädigung (die Summe von 20 000 Mark Silber wurde durch die Verpfändung vonReichsstädten und Zöllen erbracht). Als G. nur drei Wochen später am 14. Juni in Frankfurt gest. war, nahm → Karl IV. an den prunkvollen Exequien und der Be-stattung in der Frankfurter Wahlkirche St. Bartholomäus teil; → Karl IV. hat demzufolge das einem Kg. würdige Begräbniszeremoniell und darüber hinaus die Übertragung des Totengedenkens an das kgl. Stift gestattet. Die Vorgänge verweisen sowohl auf die Hochachtung des Luxemburgers gegenüber seinem einstigen Gegner (die schon von zeitgenöss. Chronisten kolportierten Gerüchte einer angebl. Vergiftung G.s im Auftrag → Karls IV. hat Janson 1880, S. 113-117, widerlegt),als auch auf die Bedeutung, die die schwarzburg. Familie dem kurzen Kgt. G.s beimaß, dem in den folgenden Jh.en für die in mehrere Linien zersplitterten Schwarzburgerer identitätsstiftende Funktion zukam und das die Vorstellung von einem vorgebl. rfsl. Rang der Familie wachhielt, den die Schwarzburger jedoch erst 1697/1711 erlangten. Das Grab G.s, über dem die Familie und einige seiner ehemaligen thüring. und mittelrhein. Parteigänger 1352 eine Tumbengrabanlage errichten ließen, verblieb wahrscheinl. auch deshalb auf Dauer im Frankfurter Bartholomäusstift als einem der für Verfassung und Reichhochrangigsten und symbolträchtigsten Orte und wurde nicht in eines der schwarzburg. Hauskl. verlegt. Die Überreste G.s sind seit der Räumung des Grabes 1714 verschollen. Die Platte des Hochgrabes aus rotem Sandstein mit der überlebensgroßen Figur G.s. und die mit 18 Wappenfeldern geschmückten Sockelwände wurden zu einem bislang nicht abgesicherten Zeitpunkt im 18. Jh. (Meyer 2000, S. 94-96: 1714, 1743 oder nach 1746) als Epitaph in der Südwand des Chors eingemauert.

III.

Zum kgl. Hof G.s und dessen Prosopographie liegen, wie allg. zur Hofhaltung der Schwarzburger, bisher keine Untersuchungen vor. Die Kürze seines Kgt.s, während dessen er sich fernab von seinen thüring. Hausgütern in Frankfurt, in der Wetterau bzw. im Rheingau aufhielt und fortwährend unter dem Druck der polit.-milit. Durchsetzung und Absicherung seiner Ansprüche stand, werden das Schwergewicht der personellen Zusammensetzung des Hofes auf das Militär verschoben (am 2. Jan. 1349 stellte sich der Propst des Mainzer Domstifts und Stiftsverweser Kuno vonFalkenstein mit 60 Panzerreitern in den Dienst G.s) und die Entfaltung einer repräsentativen Hofhaltung kaum zugelassen haben. Wären die Reichskleinodien, deren Übergabe ihm Ludwig von Brandenburg am 9. Dez. 1349 zugesichert hatte, in seine Hand gekommen, dann hätte G. für deren standesgemäße Aufbewahrung ähnl. wie im Falle seiner ärztl. Betreuung durch den Frankfurter Arzt Freidank (eine in der älteren Lit. aufgrund des Beinamens »von Heringen« vermutete Herkunft aus Thüringen scheint wenig wahrscheinl.) die sich ihm bietenden Möglichkeiten in der Reichsstadt Frankfurt nutzen müssen(Residenzort war der schon von → Ludwig dem Bayern als Quartier genutzte Frankfurter Johanniterhof, wo G. auch starb). Dennoch werden in den wenigen verwertbaren Nachrichten Ansätze einer Hofhaltung erkennbar, die nicht nur von den Frankfurtern und der außerthüring. Anhängerschaft G.s getragen (Febr./März 1349 entlohnte G. den Ritter Rudolf von Sachsenhausen für Unkosten in seinem Dienst), sondern bei der auch Personal des schwarzburg.-gfl. Hofes übernommen wurde. So griff G. bei seiner kgl. Urkundentätigkeit offenbar auf einen bereits in seiner gfl. Schreibstube tätigen Notarzurück (Herz 1963, S. 69-71). Da G. am 12. März 1349 seine Honsteiner Verwandten mit der Vormundschaft über seinen Sohn Heinrich und mit der treuhänder. Verwaltung seiner thüring. Besitzungen betraute, scheint es, daß G. sogar größere Teile seiner gfl. Verwaltung nach Frankfurt genommen hatte. Der Vorgang läßt zudem Rückschlüsse auf die Finanzierung des Kgt.s zu, denn G. überließ den Honsteiner Gf.en gleichzeitig Stadt und Residenzburg Blankenburg als Pfand für Geldanleihen. Repräsentative Ansprüche spiegeln die im Febr. 1349 in Frankfurt stattfindenden Turniere;ob diese allerdings in Verhöhnung (in derisu) des vor Kastell seine Truppen zusammenziehenden → Karl IV. abgehalten wurden, wie Mathias von Neuenburg behauptet (Chronica Mathiae de Nuwenburg, S. 274, Zeile 12f.), muß offen bleiben. Die - wenn auch im Vorfeld vorsichtig auskalkulierten - offensichtl. Ansprüche auf das Kgt. schlagen sich ebenso in den kgl. Siegeln G.s nieder, die er bereits einen Tag nach seiner Wahl am 7. Febr. 1349 erstmals verwendete. Sowohl in Form, Ikonographie und ihrer Ausbildung als Majestäts-, Rück- und Sekretsiegelschließen sie sich eng an die von → Heinrich VII. und → Ludwig den Bayern geführten kgl. Siegel an. Das Majestätssiegel G.s zeigt den Kg. auf einem Thron sitzend mit Lilienszepter und Reichsapfel; die Füße auf einem liegenden Löwen ruhend. Die Inschrift lautet +GVNTHERVS DEI GRACIA ROMANO[RUM] REX SEMPER AVGVSTUS. Das Rücksiegel ist hingegen in der seit → Heinrich VII. übl. Form als einfaches Adlersiegel mit der Devise IVSTE IVDICATE FILII HOMINVM ausgeführt. Das in Umschrift -+S[IGILLUM] SECR[ETUM] GVNTHERI DEI GRA[TIA] ROMANO[RUM] REG[IS] SE[M]P[ER] AVG[USTUS] - und Größe eindeutig als Sekretsiegel ausgewiesene zweite Königssiegel G.s zeigt in einem dreieckigen Schild einen von mehreren kleinen Flammen umgebenen Adler. Ob diese, von seinen Vorgängern übernommene Ikonographie aussagekräftig für eine Programmatik des Kg.s G. ist, der keinerlei Selbstzeugnisse hinterlassen hat, istebensowenig untersucht, wie die Frage, ob das erst drei Jahre nach seinem Tod entstandene Grabmal, das G. nicht als Kg., sondern als aufrechten, durch Untreue scheiternden Krieger zeigt, den Reflex eines Selbstverständnisses G.s darstellt.

Quellen

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