Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

Zurück zur Liste

KARL IV. (1347-78)

I.

K., getauft Wenzel, * 14. Mai 1316. Gattinen: 15. Mai 1323 Blanca (Margarete von Valois, 1316-1. Aug. 1348); 4./11. März 1349 Anna von der Pfalz (1329-2. Febr. 1353); 27. Mai 1353 Anna von Schweidnitz (→ Schlesien) (1339-11. Juli 1362); 21. Mai 1363 Elisabeth von Pommern (1345/47-11. Juli 1362). Kinder: Margarete (24. Mai 1335-Sept. 1349), Katharina (1342-86), Wenzel (17. Jan. 1350-26. Dez. 1351), Elisabeth (19. April 1358-4. Sept. 1373), → Wenzel (IV.; später röm. Kg. - 26. Febr. 1361-16. Aug. 1419), Anna (11. Juli 1366-94),→ Sigismund (später röm. Kg./Ks. - 14. Febr. 1368-9. Dez. 1437), Johann (von Görlitz - 15. Juni 1370-1. März 1396), Karl (13. März 1372-24. Juli 1373), Margarete (29. Sept. 1373-1410), Heinrich (1377-29. Nov. 1378). Krönungsdaten: 26. Nov. 1346 in → Bonn und 25. Juli 1349 in Aachen zum röm. Kg., 2. Sept. 1347 Kg. von → Böhmen, 6. Jan. 1355 in Mailand zum Kg. von Italien, 5. April 1355 in Rom Kaiserkrönung, 4. Juni 1365 in Arles zum Kg. von → Burgund. Regierungszeiten: Wahl zum röm. Kg. 11. Juli 1346 in Rhens, Kg. von → Böhmen und Gf. vonLuxemburg 26. Aug. 1346. Abstammung: Haus Luxemburg (verwandt mit den Hzg.en von → Brabant), mütterlicherseits Nachkomme der → Přemysliden.

II.

K. war einer der bedeutendsten Ks. des ma. röm.-dt. Reichs, eine der größten Herrscherpersönlichkeiten des SpätMA. Unter seiner Regierung erreichte die Zentralgewalt im Reich ihren Höhepunkt. Der am Pariser Hof erzogene und in Italien erste Kriegserfahrungen sammelnde Herrscher konnte mit seiner pragmat. Politik, in der er ausgewogen die haus-, landes-, reichs-, außen- und kirchenpolit. Aspekte verband, und mit Hilfe seines bedeutenden Familienvermögens sowie dank seiner durchdachten polit. Ideologie, die die Traditionen des Reichs und des Kgr.s→ Böhmen verband, seine Position befestigen und eine Epoche des relativen Friedens und kulturellen Aufblühens in Mitteleuropa einleiten. Zielbewußt vermehrte er das Familienvermögen (1373 Gewinn der Mark → Brandenburg) und pflegte die ideolog. Begründung seiner Machtambitionen sowie die polit. Propaganda. Dazu nutzte er auch seine kulturelle Tätigkeit, die offizielle Geschichtsschreibung und die höf. Kunst.

III.

Der Hof K.s, der in kurzer Zeit röm. und böhm. Kg. wurde, sollte von Anbeginn der selbständigen Regierung K.s seine Funktion als Herrschaftszentrum beider Gebilde erfüllen. In keinem jedoch konnte K. an den Hof seines Vorgängers anknüpfen. In → Böhmen schloß der spezif. Regierungsstil Johanns von Luxemburg die Existenz eines dauerhaften Regierungs- und Repräsentationszentrums aus. Im Reich kam die Übernahme des Hofes seines Vorgängers für den gewählten Gegenkg. nicht in Frage. K. musste seinen Hof also ganz neu aufbauen. Als Vorbild diente ihm wohlder Hof der frz. Kg.e dienen, an dem er seine Jugend verbracht hatte.

Die ersten Anläufe zur Gestaltung des Hofes sind schon während K.s Aufenthalt in Italien zu verfolgen (22. Sept. 1332: RI VIII, 1877, Nr. 1, hier S. 1: iudici et auditori curie paterne et sue). Deutl. Anfänge des Hofes K.s sind zu suchen in der Zeit nach seiner Rückkehr aus Italien im Herbst 1333, als er als Stellvertreter seines Vaters, Kg. Johanns, und als Mgf. von Mähren (zw. dem 4. Dez. 1333 und dem 25. Jan. 1334) die → böhm. Länder regierte. Schon damals begann er die veräusserten kgl. Burgen und Besitzungen einzulösen und seine Res. auf der PragerBurg vorzubereiten. Einstweilen umgab er sich mit Leuten, mit deren Hilfe er seinen Hof als Verwaltungs- und Repräsentationszentrum aufbauen konnte (v. a. Kanzler Nikolaus von → Brünn, Notar und Diplomat Laurentius Nikolai von Dieditz). Nur kurz trug der frz. Hof seiner Gattin Blanca, die am 12. Juni 1234 nach Prag kam, zur Hofrepräsentation bei, da K. ihn unter dem Druck des tschech. Adels nach einem Monat zurücksenden musste. Als K. am 13. Juli 1346 zum Gegenkg. → Ludwigs des Bayern im Reich gewählt wurde, musste er seinen Hof um die Institutionen der Reichsverwaltungerweitern. Nur weniger als sieben Wochen später, am 26. Aug. 1346, starb Johann von Luxemburg auf dem Schlachtfeld und K. wurde Kg. von → Böhmen. Weitere Marksteine der Entwicklung des Hofes K.s bildeten der Tod Kg. → Ludwigs IV. am 11. Okt. 1347 nebst der darauffolgenden allgemeinen Anerkennung K.s, die v. a. die Anforderungen an die Regierungs- und Verwaltungsfunktionen sowie das repräsentative Auftreten des Hofes steigerten, und K.s Kaiserkrönung in Rom am 5. April 1355, die sich dann wiederum v. a. in weiter wachsenden Ansprüchen an die Hofrepräsentationspiegelte, und den Hof zu höchster Blüte führte.

Seit der Anerkennung K.s erlangte sein Hof europaweite Bedeutung, dies sowohl im polit. Bereich als auch auf kulturellem Gebiet, so daß von einem »Höhepunkt höfischer Geschichte« und »Hofkönigtum« gesprochen werden kann (Moraw 1983b, S. 33). Nach dem Tod K.s setzte sich die Tradition seines Hofes einige Zeit im Hof seines Erben und Thronfolgers → Wenzel fort.

Der Hauptsitz des Hofes K.s war Prag, wo K. auch die meiste Zeit seiner Regierung verbrachte. Mehr als die Hälfte der polit. Angelegenheiten, egal, ob es sich um diejenigen → Böhmens oder des Reichs handelte, erledigte K. von Prag aus. In seinem zweiten Aufenthaltsort → Nürnberg, gemessen an der Frequenz seiner Besuche und der Dauer seiner Aufenthalte, verbrachte K. nur etwa ein Zehntel seiner Regierungszeit. Andere Aufenthaltsorte treten noch mehr zurück (Eberhard 1978, Hlaváček 1988).

Wie bei anderen ma. Herrschern ist auch bei K. der Hof als Verwaltungszentrum, das von Bediensteten und Hofbeamtentum gebildet wird, zu unterscheiden vom Hof »im engeren Sinne«, den Höflingen verschiedenster Kategorien, die polit. oder repräsentativen Zwecken dienten. Die Struktur der Höflinge ist auf Grund der Quellenunbestimmtheit schwer zu fassen. Die größte und mannigfaltigste Gruppe bildeten Personen mit dem Titel familiaris, evtl. mit dem Zusatz domesticus, unter denen auch Angehörige des niederen Adels und des Bürgertums belegt sind.Etwas höher standen Personen mit dem Titel commensalis domesticus (Tischgenosse). Zu dieser Gruppe gehörten meist Adelige und Prälaten, von den Bürgern nur Patrizier. Der Sinn der Beifügung cottidianus, die in den Quellen ab und zu vorkommt, ist unklar. Wahrscheinl. unterscheidet sie die »tatsächlichen Höflinge«, die dauerhaft am Hof lebten, von denen, die »ehrenhalber« zum Hof gehörten. Die Bezeichnungen consiliarius und secretarius, die überwiegend für einige Hochadelige undhöchste kirchl. Würdenträger benutzt wurden, deuten wohl auf die Zugehörigkeit der zuständigen Personen zum Hofrat und zur Hofkanzlei.

Der Hof K.s als polit. Zentrum → Böhmens und des Reiches wurde v. a. von den Trägern der Hofämter, dem Kanzler, dem Hofmeister, dem Kammermeister, dem Küchenmeister und dem Marschall gebildet, bei festl. Anlässen kamen Träger der Ehrenämter wie der Kämmerer, der Truchseß, der Mundschenk und der Jägermeister dazu.

Das »Hauptorgan« der zentralen Verwaltung war der Hofrat. Da K. primär nicht durch Institutionen, sondern durch Personen regiert hat (Moraw 1978, S. 285), d. h. durch persönl. Vertraute, die dann entspr. Titel und Ämter erhielten, war auch der Hofrat keine geschlossene, fest umgrenzte Körperschaft mit konstanter Mitgliederzahl, sondern eine kleine Gruppe in wechselnder Zusammensetzung An den Sitzungen nahmen regelmäßig die führenden Hofbeamten und einige Räte ohne Hofamt teil, zu denen sich weitere, auch zufällig Anwesende oder Personen hohen Standes sowieFachleute hinzugesellen konnten. Es sind etwa 200 Männer namentl. bekannt, die mit dem Titel »Rat« bzw. »Sekretär« - consiliarius und secretarius - in den Quellen erscheinen. Etwa ein Viertel von ihnen stammte aus dem städt. Patriziat (v. a. aus Prag und Nürnberg, auch aus Frankfurt am Main und → Mainz, in den Erbländern aus → Brünn und → Breslau). Überwiegend waren es Geistliche. Zu dem geistl. Stand gehörte fast die Hälfte der Ratgeber des Herrschers, v. a. deshalb, weil diese Gruppe die nötige Bildung v. a.im kirchl. Recht hatte und verschiedene Tätigkeiten in Verwaltung, Kanzlei und Diplomatie usw. ausüben konnten. Mehr als die Hälfte der Räte und Sekretäre waren Laien aus aristokrat. Geschlechtern. Etwa zwei Drittel der Adeligen stammten aus den Erbländern. Es waren Mitglieder der böhm. (meistens nicht gerade mächtigsten) Adelsgeschlechter wie die Herren von Welhartitz, Wartemberg, Hasenburg, Ossek, Pardubitz, Wlaschim, Jenstein und Vertreter der Nebenländer wie K.s Bruder Johann Heinrich und dessen Sohn → Jobst als Mgf. von Mähren, die Bf.e von → Olmütz, die Hzg.e vonTroppau und die schles. → Piasten. Das übrige Drittel der Hofräte und Sekretäre waren Rfs.en und -gf.en, v. a. aus Franken (die Nürnberger Bgf.en von → Hohenzollern, die Familien Hohenlohe, → Leuchtenberg, → Henneberg), Schwaben (die Oettingener) und anderen königsnahen Gebieten. Die Stellung und der Einfluß einzelner Räte und Sekretäre waren jedoch unterschiedlich. In keinem Fall waren diese regelmäßig im Hofrat vertreten. Einige Hofräte waren nur für bestimmte Territorialgebiete oder spezielle Fragen zuständig. Unter ihnen waren auch hochstehendePersönlichkeiten wie einige kuriale Kardinäle, die gegen großzügige Belohnung die ksl. Interessen an der Kurie wahrnahmen und durchsetzten.

Über den größten Einfluss verfügten diejenigen Räte und Sekretäre, die den engen Rat als eine Art Minister im Kabinett K.s. bildeten. Auch dies war kein geschlossenes Organ mit konstanter Mitgliederbasis. Es zählte etwas mehr als zehn Personen, je nach Bedarf konnten weitere Personen (Experten) zur Sitzung geladen werden. Die vornehmste Stelle im Rat bekleideten die → Prager Ebf.e (einander folgend Ernst von Pardubice, Johann Očko von Vlašim und Johann von Jenstein) und andere Personen mit großem Weitblick und hervorragenden persönl. Eigenschaften (eine Zeitlang bspw. derDiplomat von europ. Rang Dietrich von Portitz). Trotzdem besaß der Rat kein selbständiges Entscheidungsrecht, denn diese lag ausschließl. in Händen des Herrschers.

Zu den wichtigsten Verwaltungseinrichtungen gehörte die Kanzlei. Die Kanzlei war mit dem Rat persönl. verbunden, da ihr Hauptrepräsentant, der Kanzler, Mitglied des Hofrats war, so wie auch einige höhere Kanzleibeamte, Notare und Protonotare den Titel eines Rates bzw. Sekretärs trugen. Die Anfänge der Kanzlei K.s reichen in die Zeit seines Aufenthaltes in Italien 1332 und v. a. in die Zeit nach seiner Ankunft in → Böhmen 1333 zurück, als sich seine mgfl. Kanzlei konstituierte. Die mgfl. Kanzlei wurde auch zur Grundlage der Reichskanzlei, die in kurzer Zeit auch mit der Kanzleides Kg.s von → Böhmen verbunden wurde. Dank dieser Tatsache war die Kanzlei K.s bezügl. des Umfangs sowie der Hierarchie des Kanzleipersonals wesentl. größer und struktuierter als die Kanzleien seiner Vorgänger. Neben drei Erzkanzlern des Reiches und dem Probst von Wyschehrad als Kanzler → Böhmens, dessen Funktion nur den Charakter eines Ehrenamtes hatte, stand an der Spitze der Kanzler. Unter ihm arbeiteten einige Protonotare (»oberste Schreiber«), oft gebildete Juristen, und eine Reihe an Notaren (Schreiber), denen zahlr. niedrigere Beamten -Subnotare (Unterschreiber) - zur Verfügung standen. Allmähl. konstituierte sich auch die Gruppe der höheren und subalternen Konzeptbeamten, die v. a. die Reinschriften anfertigten (ingrossatores, scriptores usw.). Neben ihnen waren in der Kanzlei Registratoren, Siegelbewahrer und Boten tätig. Die Mitarbeiter der Kanzlei waren bis auf wenige Ausnahmen Kleriker, überwiegend jüngere Söhne des Großbürgertums und des niederen Adels. Die personelle Zusammensetzung, v. a. die Persönlichkeit des Kanzlers, bestimmte den Einfluß einzelner Territorien auf dieKanzlei und durch ihre Vermittlung auch die Orientierung der Politik (Moraw 1978, S. 291f.). Die berühmteste Persönlichkeit unter den Kanzlern K.s war Johann von Neumarkt (Hofkanzler 1353-74 mit kurzer Unterbrechung 1364-65), wohl Schlesier von bürgerl. Herkunft, Geistlicher und erfahrener Beamter, dessen Tätigkeit mit bedeutenden kirchl. Pfründen - Bm. in → Leitomischl (1353-64), später in → Olmütz (1364-80) - belohnt wurde. Unter seiner Leitung wurde zur Zeit der Kaiserkrönung K.s die Kanzleireform durchgeführt, die für lange ZeitKanzleigewohnheiten und Urkundenstil festlegte (Formularsammlungen Cancellaria Johannis Noviforensis, Summa Cancellariae).

Das nächste ständige Mitglied des Rates war der Oberste Kammermeister als höchster Repräsentant der Finanzverwaltung. Unter ihm standen die Kammermeister und der Kammerschreiber. Das Amt des Obersten Kammermeisters bekleideten Mitglieder der mit den Prager und Nürnberger Bankhäusern verbundenen böhm. Adelsgeschlechter wie Zbynko Zajíc von Hasenburg, später dann Thimo von Koldic. Die nächsten Mitglieder des ständigen Rates waren die übrigen höchsten Beamten: der Hofmarschall, der die Oberaufsicht über das Hofleben in seinen Beziehungen nach außen hatte (über Reiseangelegenheiten undGästebetreuung), und der Hofmeister, der die Aufsicht und die Gerichtsbarkeit über die Palastdienerschaft ausübte. Außerdem gehörten zu K.s Rat Diplomaten und Prälaten in verschiedenen Funktionen und natürlich auch Soldaten.

Zum Hof gehörten selbstverständl. auch diejenigen Personen, die durch ihre Dienste mit dem Herrscher und seiner Familie verbunden waren wie Kapläne, Ärzte, Kindererzieher, Kammerdiener und -dienerinnen, Barbiere, Badermeister, Türhüter und Herolde, zahlr. Stallmeister und Knechte, Kellermeister, Köche und Bäcker mit ihren Gehilfen. Zahlr. Künstler, Literaten und Gelehrte, die auf dem Gebiet der herrscherl. Repräsentation oder der ideolog. und polit. Propaganda tätig waren, auch Pagen aus den vornehmen adeligen Familien und verschiedene Gäste ergänzten die internationale Gesellschaft desKönigs- bzw. Kaiserhofes K.s und machten den Hof zu einem kulturellen Zentrum (Macek 1978).

Noch vor seinem selbständigen Machtantritt strebte K. danach, die Prager Burg instand zu setzen und den herrscherl. Palast nach dem Vorbild des Sitzes des frz. Kg.s cum maximis sumptibus (Franz von Prag) zu erneuern (ab 1334). Der beschränkte Raum der Prager Burg erlaubte jedoch im Vergleich mit dem zerstörten roman. přemyslid. Palast nur eine bescheidene Erweiterung des kgl. Palastes. Trotzdem erregte er Bewunderung bei den Zeitgenossen. Imposant war v. a. die Lage des Palastes, der auf dem Burghügel über der Stadt emporragte und mit dem geistl. Zentrum→ Böhmens, dem St.-Veits-Dom mit dem Grab des hl. Wenzels, dem Landespatron, eng verbunden war.

Der Palast war ein zweistockiges, turmloses Gebäude mit einem von einer hohen Mauer umschlossenen Hof. Den Zugang zum Hof stellten zwei kleine Tore her. Innenhof und Palast bildeten einen günstigen Hintergrund für die festl. Zeremonien bei Ankunft und Begrüßung von Gästen und Gesandschaften. An der westl. Pforte saß K. persönl. in der Karwoche öffentl. zu Gericht für jeden, der eine Klage vorbrachte. Das Erdgeschoß, wo die ständig zur Verfügung stehende Dienerschaft wohnte und wo sichauch die Küche befand, öffnete sich mit Arkaden zum Burghof hin. Die Räume im ersten Geschoss dienten Repräsentationszwecken. Im östl großen Saal, der mit einer Galerie der Bilder der Vorgänger K.s am ksl. Thron geschmückt war, fanden feierl. Audienzen, Hof- und Landtage, aber auch üppige Festmahle statt. Der Zugang zu diesem Saal war direkt vom Burghof über eine Treppe mit Söller zu erreichen. Der kleinere Saal wurde wohl zu Privataudienzen und Ratsitzungen genutzt. Im zweiten Geschoß hielten sich wahrscheinl. Höflinge oderGäste mit ihrer Begleitung auf. Die Wohnung der kgl. bzw. ksl. Familie befand sich in einem zweigeschossigen Querflügel, der sich an der Westwand des Palastes anschloß. Das Erdgeschoß dieses Gebäudeteiles war Gerichtssitzungen vorbehalten. In zwei Räumen des ersten Stockes wohnte der Herrscher, im zweiten seine Gemahlin. Vom zweiten Stock führte eine Fachwerkbrücke in das Oratorium der Kathedrale. Dem Wiederaufbau des Palastes folgte der planmäßige Umbau des ganzen Burgareals einschließl. der Mauern und Gräben. Die Dominante bildete der neue Dom, seit 1344 Kathedrale, dessen Aufbau seit demJahr 1341 vorbereitet und seit Herbst 1344 großzügig in Angriff genommen wurde (Matthias von Arras, Peter Parler). Der Dom sollte nicht nur zur Kathedrale des Prager Ebf.s werden. Als Krönungskirche und ständige Grabstätte der böhm. Kg.e sollte er wichtige Funktionen auch im polit. Leben erfüllen. Das Aufbauprogramm der Res. umfasste die ganze Stadt, die durch die großzügige Gründung der Prager Neustadt (1348) stark erweitert und durch zahlr. Kirchen und Klosterstiftungen geschmückt wurde. Nach K.s Rückkehr von seinem Romzug 1355 wurde der Aufbau Prags in großem Stil fortges. Die 1357gegründete und kurz darauf gebaute Steinbrücke verband beide Ufer der Moldau. Auch die Befestigung der Stadt wurde umgebaut und erweitert.

Als Teil der Prager Res. wurde die Burg Karlstein gebaut (1348-57). Auch der zweite Aufenthaltsort K.s, Nürnberg, seit 1373 Tangermünde, wurde repräsentativ umgebaut.

Er war kein »Kaufmann auf dem Thron«, wie Karl IV. ab und zu gen. wurde, auch wenn er die ökonom. Lage der Prager Städte zu begünstigen strebte. Da Prag abseits der Trassen des Fernhandels lag, versuchte K. die Stellung im Fernhandel zu fördern und Prag in die N-S-Trasse einzubeziehen. Prag sollte zum wichtigsten Umschlagsplatz des Luxemburgerreiches werden. K. gelang es, eine direkte Verbindung mit Venedig zu knüpfen (1364). Die Idee, die Verbindung des venezian. Handels mit den Niederlanden anstatt auf der Donau und dem Rhein über Prag nach Hamburg umzuleiten, konnte er jedochnicht verwirklichen. Prag in einen erstrangigen Kreuzungspunkt der Fernstraßen umzuwandeln, ist ihm sowohl aus ökonomischen als auch aus polit. Gründen nicht gelungen.

Da die Einnahmen aus dem Reich (Jahressteuern der Reichstädte und die Abgaben der Juden) zur Finanzierung der Reichspolitik in keinem Fall genügen konnten, finanzierte K. ähnl. wie auch andere röm. Kg.e und Ks. seine Politik v. a. mit dem Kammergut seiner Erbländer. Die Hauptquelle der Finanzen stellten die Kuttenberger Silbergruben dar, weitere Finanzen stammten aus den kgl. Städten und Kl.n, teilw. auch aus den regelmäßigen und außerordentl. Jahressteuern. Eine wichtige Rolle im Finanzwesen K.s spielte das mit den Nürnberger Bankhäusern verknüpfte Prager Patriziat, das Kredit gewährenkonnte und einige Finanzämter bekleidete (wie bspw. die Mitglieder der Familie Welf als Unterkämmerer, die Rotlews als Münzmeister). Das höchste Amt in der Finanzverwaltung war dasjenige des obersten Kammermeisters und wurde von Adelugen bekleidet, die mit denselben Häusern verbunden waren (Zbynko Zajíc von Hasenburg 1350-61, Thimo von Kolditz 1361-83).

Die Hofgesellschaft setzte sich aus Menschen unterschiedl. sozialer Stellung zusammen. Neben den schon erwähnten Beamten, Prälaten und Höflingen aus den fsl. und verschiedenen adeligen, evtl. auch bürgerl. Familien waren am Hof K.s Persönlichkeiten des kulturellen Lebens und der Hofrepräsentation zu finden. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang wieder der Hofkanzler Johann von Neumarkt zu nennen, dessen Berühmtheit sich nicht nur an mit seiner Organisationstätigkeit in der Kanzlei verbindet, sondern auch mit seinen literar. Schriften und Übersetzungen (Buch derLiebkosung, das Hieronymianum), seinem Mäzenatentum, seinen kulturellen Interessen und Kontakten wie bspw. mit Petrarca oder Cola di Rienzo, von deren Eloquenz und Stil sich der Kanzler beeinflussen ließ. Beide berühmten Italiener besuchten auch persönl. den Prager Hof. Splendor imperatoris sollte durch die ideolog. Propaganda gekrönt werden, die in der Literatur, v. a. in der offiziellen Geschichtsschreibung und in der höf. Kunst zum Ausdruck gebracht wurde. Die prominenteste Stelle unter den Literaten am Hofe gehörte dem Herrscher selbst, der als Verfasser mehrererWerke (zu nennen sind v. a. die Wenzelslegende, seine eigene Lebensbeschreibung, Moralitates) bekannt wird. Kurz nach seiner Rückkehr aus Rom beauftragte der Ks. seinen Höfling und Rat, den ital. Minoriten und Bf. von Bisignano Johann Marignolla, eine Universalgeschichte zu schreiben und die Geschichte → Böhmens darin einzugliedern. Das zweite offizielle Geschichtswerk der Zeit K.s, die Chronica Boemorum Přibíks Pulkava von Radenín, wurde planmäßig nur der Geschichte der Erbländer gewidmet. Andere dem Herrscher günstige histor. Werke haben Franz vonPrag, Benesch Krabice von Weitmühl und Abt Neplach geschrieben. Unter der Obhut des Herrschers und der Prälaten wurden auch Übersetzungen in die tschech. und die dt. Sprache gepflegt (die Bibel, K.s Autobiographie, die Chronik Böhmens des Přibík Pulkava von Radenín). Die Gründung der Prager Universität 1348 bildete die Voraussetzung für die Entwicklung der Wissenschaft.

Bedeutendste Baumeister und Bildhauer am Hof K.s waren Matthias von Arras († 1352) und Peter Parler (um 1333-39), die nacheinander an der Spitze der Prager Dombauhütte standen. Peter Parler entwarf auch große Werke der Goldschmiedekunst. Von mehreren Edelsteinschneidern und -schleifern sowie Glasmachern, Kunstschmieden und -schlossern, Goldschmieden und Malern, die am Hof und an den repräsentativen Bauten tätig waren, sind nur einige mit ihren Namen bekannt (z. B. Johannes, pulier imperatoris, Schmied Wenzel, Hofmaler Meister Theodoricus, Nikolaus Wurmser aus→ Straßburg, Meister Oswald).

Auch die Musik erfuhr regelmäßige Pflege. Bläserfanfaren begrüßten die Gäste. Die unterhaltende Instrumentalmusik begleitete Gastmahle und Feste. - Guillaume de Machault zählte bei seinem Besuch in Prag 25 Musikinstrumente, manche sind auch in illuminierten Handschriften wiedergegeben. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Pfeifer (namentl. belegt sind Svah, gen. Goldene Hand, und sein Bruder Maršík) und die Trompeter (Jan und Vlk). Unter der Geistlichkeit des Veitsdomes wurde auch die »neue« frz. Vokalmusik bekannt. Zum Hof gehörten schließl. noch Narren - einer von ihnen kam zugroßem Erfolg auch beim Papsthof in Avignon -, namentl. sind diese allerdings nicht bekannt.

Häufige Krankheiten, Verletzungen und Todesfälle in der herrscherl. Familie erforderten regelmäßige Pflege, die von Ärzten besorgt wurde. Unter den 16 bekannten Ärzten waren sechs Professoren der medizin. Fakultät der Prager Universität. Alle Ärzte gehörten zur Geistlichkeit, oft wurden sie mit kirchl. Pfründen belohnt. Zu den beliebtesten gehörte Johannes Witlonis aus Großglogau in → Schlesien, der mehrere Kanonikate bekleidete, weiter der Italiener Thomas de Burgo und der erste Professor der Prager medizin. Fakultät Balthasar de Marcellinis sowie der Tscheche Gallus vonStrahov, Verfasser mehrerer medizin. Schriften. Hofapothekar war der Florentiner Angelo, u. a. Besitzer des botan. Gartens in der Prager Neustadt (dieser Mann hatte auch die Kontakte des Kanzlers Johann von Neumarkt mit Petrarca vermittelt). Die Namen der Astrologen, deren Kenntnisse am Hof in verschiedenen Zusammenhängen genutzt wurden, sind nicht überliefert.

Seelsorge und religiöse Übungen wie das Segnen der Speisen und Getränke, das Vorbeten am Tisch und beim Zubettgehen, das Vorlesen der Psalmen und Stundengebete besorgten in der herrscherl. Familie zahlr. Kapläne. Sie gehörten zu den »Tischgenossen«. Aus den Quellen sind etwa 30 namentl. bekannt. Von den Erziehern der ksl. Kinder ist der ksl. Hofmeister Burchard als Erzieher des Thronfolgers bekannt. Er übte jedoch wohl nur die Aufsicht über die Erziehung → Wenzels aus. Später wur-de diese Pflicht Ebf. Johann Očko von Wlaschim anvertraut.

Über die Frauen am Hof ist nur wenig bekannt. Auf Bildern sind Hofdamen der Kg.in regelmässig dargestellt, die schriftl. Quellen bringen von ihnen aber nur bescheidene Informationen. Man kann vermuten, daß im Gefolge der Kg.in v. a. die Gemahlinnen der Höflinge, ihre Wwe.n und Töchter waren.

Die Repräsentation des Hofes realisierte sich v. a. in verschiedenen Feierlichkeiten und Festen. Die feierl. Audienzen, Huldigungen, Belehnungen und Hoftage spielten sich mit dem zuständigen Zeremoniell ab. Bes. Aufmerksamkeit widmete K. seinen Krönungen. K. war zweimal zum röm. Kg. gekrönt worden. Für die Krönung zum Kg. von → Böhmen verfasste er selbst das neue Krönungsordo und besorgte die neue Krone. Ausserordentl. feierl. fand die Kaiserkrönung in Rom statt. Regelmässig veranstaltete K. die Krönungen der Kg.innen bzw. Ks.innen. Zu den Hoffesten gehörten auch die kgl.Heiraten und Taufen der kgl. Kinder. Alle Hoffeste sind jedoch vom sechstägigen Trauerzeremoniell beim Begräbnis des Ks.s im Dez. 1378 übertroffen worden. Auch die neugebaute Prager Neustadt bekam ihre Feste und hatte Repräsentationsfunktion: das Heiltumsfest (Fest der hl. Lanze und der Nägel) mit der Ausstellung der Reichsinsignien und das »Prager Gnadenjahr«.

Noch mehr als seine Vorgänger auf dem böhm. Thron sorgte sich K. um die kirchl. Institutionen. Dazu gehörte die Erneuerung des Kollegiatkapitels an der Allerheiligenkapelle 1338/41 und die Errichtung eines Kollegiatkapitels von 24 Mansionaren, 30 Chorschülern und 12 Psalmisten zur bes. Pflege des Marienlobes am Veitsdom 1343/44. Das alles machte aus der Prager Burg auch ein prominentes Zentrum geistigen Lebens. Später traten v. a. die sieben neu gestifteten Kl. in der Prager Neustadt dazu (das Slawenkl. der Benediktinerinnen, das sog. Emmauskl., 1347, das Kl. der Karmeliter 1347, dasjenigeder Augustinerkanoniker im Karlshof 1350, der Augustiner der hl. Katharina 1354, der Benediktiner des hl. Ambrosius 1354, der Serviten der hl. Maria 1360 und der Coelestiner des hl. Michael unter der Burg Wyschehrad 1387).

Zur Zerstreuung der Höflinge und Gäste v. a. bei Besuchen vornehmer Gäste wurden auch mehrere Wochen andauernde Turniere veranstaltet (bspw. aus Anlaß des Besuches des ungar. Kg.s Ludwig 1353, des poln. Kg.s Kasimir 1356, des Kg.s Peter von Zypern 1364). Großer Beliebtheit erfreute sich die Jagd in den Wildgehegen der Prager Burg (im sog. Hirschgraben und in Ovenec) oder in den Wäldern bei Karlstein oder Burglein, aber auch der Besuch der ksl. Menagerie mit einer riesigen Schlange, Löwen und anderen Raubkatzen.

Quellen

Briefe Johanns von Neumarkt. Mit einem Anhang: Ausgewählte Briefe an Johann von Neumarkt, urkundliche und briefliche Zeugnisse zu seinem Leben, ges., hg. und erl. von Paul Piur, Berlin 1937 (Vom Mittelalter zur Reformation, 8). - Petrarcas Briefwechsel mit den deutschen Zeitgenossen. Mit einem Anhang: Petrarcas sonstige Berichte und Urteile über Deutschland, unter Mitwirkung von Konrad Burdach hg. von Paul Piur, Berlin 1933 (Vom Mittelalter zur Reformation, 7). -Cibulka, Josef: Český řád korunovační a jeho původ, Prag 1934 (Casopis katolického duchovenstva. NF 1). - FRB III, 1882, IV, 1884. - Monumenta Vaticana res gestas Bohemicas illustrantia. Denkmäler aus dem Vatikanischen Archiv zur Geschichte Böhmens, hg. von Ladislav Klicman u. a., Bd. 1-4, Prag 1903-54. - Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae, 5-7, 1928-63. - RI VIII, 1877.

Bláhová, Marie: Die königlichen Begräbniszeremonien im spätmittelalterlichen Böhmen, in: Tod des Mächtigen, 1997, S. 89-111. - Bláhová, Marie: Offizielle Geschichtsschreibung in den mittelalterlichen böhmischen Ländern, in: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme, hg. von Jaroslaw Wenta, Thorn 1999 (Subsidia historiographica, 1), S. 21-40. - Bláhová, Marie: Panovnické genealogie a jejich politická funkceve středověku, in: Sborník archivních prací 48 (1998) S. 11-47. - Bláhová, Marie: Život a dílo Jana ze Středy, in: Studia z dziejów Środy Sląskiej, regionu i prawa Średzkieg. Red. Ryszard Gładkiewicz, Breslau 1990 (Acta Universitatis Wratislaviensis, 980; Acta Universitatis Wratislavienis: Historia, 70), S. 77-93. - Eberhard, Winfried: Herrschaft und Raum - Zum Itinerar Karls IV., in: Kaiser Karl IV., 1978, S. 101-108. - Hlaváček, Ivan: Prag alsAufenthaltsort westmitteleuropäi- scher geistlicher Fürsten in der Zeit Karls IV. in: Festschrift Ferdinand Seibt, 1992, S. 153-163. - Hlaváček, Ivan: Ústřední moc a správa v českém státě za Lucemburků, zejména za Karla IV. a Václava IV., a její fungování, in: Jenštejn 1977, Brandýs nad Labem-Stará, Boleslav 1988, S. 49ff. - Hlaváček, Ivan: Zentralörtliche Funktion Prags während der Luxemburger Zeit, in: Historiker-Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik.Wissenschaftliche Mitteilungen II-III (1988) S. 74-81. - Hoensch 2000. - Kaiser Karl IV. 1316-1378. Forschungen über Ks. und Reich, im Auftr. des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine hg. von Hans Patze, Neustadt an der Aisch 1978 (Sonderabdr. der Aufsätze aus BDLG, 114). - Kaiser Karl IV., 1978. - Kavka, František: Die Hofgelehrten, in: Kaiser Karl IV., 1978, S. 249-253. - Kavka, František: Místo Prahy v politicko-hospodářském konceptu vládyKarla IV, in: Numismatické listy 41 (1986) S. 129-146. - Kavka 1989. - Kavka 1993. - Legner, Anton: Karolinische Edelsteinwände, in: Kaiser Karl IV., 1978, S. 356-362. - Macek, Josef: Die Hofkultur Karls IV., in: Kaiser Karl IV., 1978, S. 237-241. - Moraw, Peter: Räte und Kanzlei, in: Kaiser Karl IV., 1978, S. 285-293. - Moraw 1980. - Moraw 1983b. - Patze 1978. -Seibt, Ferdinand: Karl IV. Ein Kaiser in Europa 1346 bis 1348, München 1978. - Spěváček, Jiří: Karel IV. Život a dílo (1316-1378), Prag 1979. - Stoob, Heinz: Karl IV. und seine Zeit, Graz u. a. 1990. - Šusta, Josef: Karel IV. Otec a syn, Prag 1946. - Šusta, Josef: Karel IV. Za císařskou korunou, Prag 1948.