Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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Medien

Festberichte

Beschreibungen höf. Feste durch nachträgl. veröffentlichte Festberichte waren wichtige publizist. Mittel, um die Wirkung eines Festes, die repräsentative Botschaft und die Selbstdarstellung des Hofes über das Fest hinaus einem größeren Adressatenkreis zugängl. zu machen.

1200-1450

Vor der Erfindung des Buchdrucks wurden Festbeschreibungen meist in Form von Bildern oder in Manuskripten festgehalten; auch später sind den Beschreibungen häufig Bilder beigefügt. Frühe Festbeschreibungen oder Berichte nur über einen Teil des Festes sind zudem in den Ritterromanen des hohen MA zu finden. Hier werden hauptsächl. Reiterspiele wie das Turnier oder der bûhurt dargestellt. Als sehr frühe Quelle kann Hartmann von der Aues Erec angeführt werden. Die Turnierbeschreibungen übernahmen, ebenso wie generell die Festberichte, eine wichtige Funktion für die Selbstdarstellung der Mäzenaten des Dichters. Nach 1300, als die Romanproduktion allmähl. ihrem Ende zuging, finden sich Beschreibungen von Festen weiterhin in der Lied- und Spruchdichtung sowie in der Minne- und Herolddichtung.

1450-1550

Seit dem späten 15. Jh. begegnen jene Festbeschreibungen, die dann in der frühen Neuzeit bis zum 18. Jh. einen signifikanten Typus bilden und sich ab den 1520er Jahren als Genre etablieren (Watanabe-O'Kelly 1988). Diese erschienen entweder als kurze, auf wenige Blätter beschränkte, sehr sachl. Publikationen (in Heftform oder als Einzelillustration) oder als umfangr., bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Beschreibungen, die bis zu 200 Seiten umfassen konnten. Frühneuzeitl. Festberichte liegen als bildl. Darstellung, als Text oder als Kombination von Bild und Text (manchmal mit ausfaltbaren Kupfer- oder Holzstichen) vor. Sie wurden meist vom adeligen Veranstalter des Fests in Auftrag gegeben; durch die detaillierte Beschreibung des Festes erreichte er eine Vervielfältigung und Verbreitung seines repräsentativen Anspruchs.

Alle Arten von Hoffesten konnten Anlaß zum Verfassen eines Berichts geben: Taufen, Hochzeiten, Geburtstage, Krönungen, Huldigungen, Staatsbesuche, Vertragsabschlüsse und Beerdingungen. Vom Quellentypus her sind im frühen 16. Jh. noch die Turnierbücher vorherrschend, während ab der zweiten Hälfte des 16. Jh.s weitgehend edierte Festberichte zu finden sind, die manchmal auch nur als Einblattdruck mit bildl. Darstellung und Erläuterung erschienen. Auch Diarien oder Funeralwerke überliefern Beschreibungen von höf. Festen. Als herausragende Beschreibung vieler Festlichkeiten an dt. Höfen ist die aus dem frühen 18. Jh. stammende Ceremonialwissenschafft von Julius Bernhard von Rohr zu nennen. Signifikante inhaltl. Punkte und Typologien sind in den meisten Beschreibungen wiederzufinden: die Nennung der Teilnehmer mit Titel, die Reihenfolge bei den Prozessionen und die Sitzordnung beim Bankett sowie manchmal auch Abbildungen, die vom Autor kommentiert und beschrieben werden. Quellenkrit. ist anzumerken, daß die Berichte inhaltl. und im Aufbau bestimmten vorgegebenen Formen folgen, häufig ledigl. die Beobachtungen des Berichterstatters wiedergeben oder die Vorstellungen des Hofes transportieren, wie das Fest hätte ablaufen sollen.

Turnierbücher aus dem Umkreis Ks. Maximilians I., etwa von Lukas Cranach d. Ä. oder Hans Burgkmair d. J., stellen die frühesten schriftl. Festbeschreibungen als Quellentypus dar. Sie sind, bspw. die Werke Theuerdank, Weißkunig und Freydal, in das Programm der Selbstdarstellung und Repräsentation Maximilians I. einzuordnen. Bes. im Freydal sind 64 Variationen über das Fest enthalten, u. a. Illustrationen zum Rennen, Stechen, Kämpfen und zu Mummereien. In den Aufschwung der Repräsentation unter Maximilian I. fallen auch die von Albrecht Dürer, Hans Burgkmair und Albrecht Altdorfer angefertigten Holzschnitte des Triumphbogens und der Triumphzüge. Die äußerst detaillierte Darstellung des Triumphzuges, der Wagen und der Teilnehmer wurde Vorbild für spätere visuelle Darstellungen von Prozessionen oder Festumzügen, etwa zweier Taufzeremonien am Hof Moritz von Hessen-Kassel 1596 und 1600.

Ks. Maximilian I. förderte zudem das Medium der newen Zeittungen, die ebenfalls über Großveranstaltungen berichteten. Auch »Diarien« erschienen mit Beschreibungen von höf. Festen. Der Verfasser transportierte hier seine persönl. Sicht der Ereignisse, bereits im frühen 16. Jh. auch in gedruckter Form. Bspw. beschreibt Johannes Cuspinian in seinem Diarium die 1515 in Wien abgehaltenen Verhandlungen zw. Ks. Maximilian I., Kg. Sigismund von Polen sowie Kg. Wladislaw von Böhmen und Ungarn. In einer zweiten Ausgabe erschien das Diarium als gedruckte Fassung und wandte sich damit an eine breitere Öffentlichkeit. Die Berichte beschränkten sich nicht nur auf die Wiedergabe der polit. Verhandlungen, sondern trugen bes. mit der Schilderung der gesellschaftl. Ereignisse zur Verbreitung der Repräsentation am Wiener Hof bei.

1550-1650

Bis zur Mitte des 17. Jh.s entwickelte sich an vielen dt. Höfen eine ausgeprägte Festkultur, die ihren Höhepunkt in den häufig ausladenden Festlichkeiten des Barock fand. Zu den Bestandteilen der Feste gehörten einerseits die religiösen Zeremonien, die Kirchgänge, Prozessionen und Einzüge, andererseits die weltl. Vergnügungen wie Festessen, Ballette, Feuerwerke, Turniere, Ringrennen, Aufzüge und Komödien.

Beschreibungen dieser Zeremonien und der verschiedenen Festteile zeichnen sich meist durch eine sehr große Detailtreue aus. Beispielhaft kann die von Hanns Wagner angefertigte Beschreibung der Hochzeit des bayer. Erbprinzen Wilhelm (später Wilhelm V.) mit der lothring. Prinzessin Renata angeführt werden. Sie erschien als prachtvoller Folioband mit 67 Seiten Text sowie 15 großformatigen Eisenradierungen. Der Verfasser listet nicht nur die Namen der Anwesenden genau auf, sondern widmet sich ausführl. auch der Beschreibung, wo die Gäste und deren Hofstaat sowie die Pferde und die Gespanne untergebracht waren und wer die Gastgeber waren.

Eine weitere Textsorte stellen die Funeralwerke dar, von denen exemplar. das Gedenkwerk für Ludwig von Württemberg († 1593), das erste in einem protestant. Territorium, erwähnt werden soll. Die über 400 Seiten enthalten einen Bericht über das Leben des Fs.en, die Leichenpredigten, die Leichenprozession sowie Trauergedichte. Wie generell bei Festberichten, konnte sich mit der Publikation von Funeralwerken ein deutl. polit. Anspruch verbinden. So etwa im Funeralwerk auf den verstorbenen Lgf.en Ludwig V. von Hessen-Darmstadt, das 1626 publiziert wurde. Die Darstellung untermauerte in sehr bewußter Weise den Herrschaftsanspruch und die Selbstdarstellung der landesfsl. Dynastie und sprach in die konkrete zeitgenöss. polit. Situation hinein.

Festberichte sind bis ins frühe 17. Jh. auch über die »Pritschenmeister«-Berichte überliefert. Der Pritschenmeister nahm als eine Art Zeremonienmeister an den Festen teil und berichtete später in gereimten Versen über die Geschehnisse. Beispielhaft steht Heinrich Wirre oder Wirrich, der über die Münchner Hochzeit (1568) und über die Wiener Hochzeit (1571) Beschreibungen verfaßte. Einige »Pritschenmeister«-Berichte wurden durch Holzschnitt-Illustrationen ergänzt.

Einen etwas anderen Blick auf höf. Feste werfen satir.-iron. Aufarbeitungen, die aus dem frühen 17. Jh. überliefert sind, etwa die Beschreibung der Niddaer Sauhatz durch den Maler Valentin Wagner (1633). Holzstiche zeigen nicht nur das Jagdgeschehen, sondern auch kom. Geschehnisse, etwa die Lgf.en Wilhelm V. und Friedrich im Alkoholrausch oder eine Gruppe von Treibern, die sich gegen Angriffe einer Sau wehren.

Quellen

Hans Burgmair, Der Weißkunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten. Von Max Treitzsaurwein auf dessen Angaben zusammengetr.; nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten (etc.), Wien 1775. – Freydal. – Hanns Wagner, Kurtze doch gegründte beschreibung des Durchleuchtigen hochgebornen Fürsten […] Wilhalmen […] Hertzogen inn Obern und vnd Nidern Bairen etc. Vnd der […] Renata […] Hertzogin zu Lottringen … gehalten Hochzeitlichen Ehren Fests […], München 1568. – Heinrich Wirri, Ordenliche Beschreybung der Fürstlichen Hochzeyt […] Wilhelm Pfaltzgraf beym Rheyn[ …] mit […] Fräwlin Renatta […] auß Luttringe[n], Augsburg 1568. – Heinrich Wirri, Ordenliche Beschreibung des Christlichen, Hochlöblichen und Fürstlichen Beylags oder Hochzeit, so da gehalten ist worden durch den Durchleuchtigisten […] Herrn Carolen, Ertzhertzog zu Osterreich […] mit dem Hochgebornen Fräwlein Maria, geborne Hertzogin zu Bayrn, den XXVI. Augusti in der Kayserlichen Statt Wienn, Wien 1571.

Bepler, Jill: Das Trauerzeremoniell an den Höfen Hessens und Thüringens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Frühneuzeitliche Hofkultur in Hessen und Thüringen, hg. von Jörg Jochen Berns und Detlef Ignasiak, Erlangen u. a. 1993 (Jenaer Studien, 1), S. 249-265. – Berns, Jörg Jochen: Die Festkultur der deutschen Höfe zwischen 1580 und 1730. Eine Problemskizze in typologischer Absicht, in: Germanisch-romanische Monatsschrift 65 (1984) S. 295-311. – Jackson, William Henry: Das Turnier in der deutschen Dichtung des Mittelalters, in: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. von Josef Fleckenstein, Göttingen 1985 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 80), S. 257-295. – Rahn, Thomas: Fortsetzung des Festes mit anderen Mitteln. Gattungsbeobachtungen zu hessischen Hochzeitsberichten, in: Frühneuzeitliche Hofkultur in Hessen und Thüringen, hg. von Jörg Jochen Berns und Detlef Ignasiak, Erlangen u. a. 1993 (Jenaer Studien, 1), S. 233-248. – Meise, Helga: Die Macht des Unvorhersehbaren. Höfische Zeremonielldarstellung zwischen Dokumentation und Satire, in: Zeremoniell in der Krise. Störung und Nostalgie, hg. von Bernhard Jahn, Thomas Rahn und Claudia Schnitzer, Marburg 1998, S. 46-60. – Wagenknecht, Christian: Die Beschreibung höfischer Feste. Merkmale einer Gattung, in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 2, hg. von August, Hamburg 1981, S. 75-80. – Watanabe-O'Kelly, Helen: Festival Books in Europe from Renaissance to Rococo, in: The Seventeenth Century 3 (1988) S. 181-201.