Die Referentin ist Dr. Larysa Mandryshchuk (Heidelberg/Lwiw). Anmeldungen bitte bei Dr. Dirk Fonfara (dirk.fonfara@hadw-bw.de)
Kants Philosophie hat eine entscheidende Rolle in Jaspers’ Denken gespielt, was sowohl in Jaspers' Schriften über Kant als auch in Jaspers' eigenen Überlegungen seinen Ausdruck gefunden hat. Ein eklatantes Beispiel dieses Einflusses ist das Gut-Böse-Problem, das Kant im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vernunftglauben und Jaspers im Zusammenhang mit der Frage nach dem philosophischen Glauben im Gegensatz zum Offenbarungsglauben vorzugsweise erörtern. Obwohl der philosophische Glaube sich laut Jaspers auch auf die Vernunft gründet, verweist er doch auf Transzendenz, während der moralisch bestimmte Vernunftglaube bei Kant allein auf der selbstgesetzgebenden Vernunft beruht. Trotz dieses Unterschiedes stimmen beide Philosophen darin überein, dass Gut und Böse erst durch den Menschen entstehen. Kants drei Stufen des Guten (Tierheit, Menschheit und Persönlichkeit) und des Bösen (Schwäche, Unlauterkeit und Verkehrtheit des menschlichen Herzens) erweisen sich als eine bedeutsame Quelle für Jaspers’ dreifaches Verhältnis von Gut und Böse, nämlich das moralische, das ethische und das metaphysische. Aber im Gegensatz zu Kant, der die allgemeinen praktischen Prinzipien a priori begründen will, betont Jaspers vor allem die Einmaligkeit der Existenz des Menschen und den subjektiven Weg der Erhellung. Jaspers geht also davon aus, dass das metaphysische Niveau des Guten sich nicht durch Gesetz und Pflicht verwirklicht, wie bei Kant, sondern durch die Liebe, die der Grund eigentlicher Kommunikation ist.