Warum fehlt die „Henoch-Überlieferung“ in unserer Bibel?

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Loren T. Stuckenbruck, Professor für Neues Testament an der Universität München, hält am 6. Dezember 2024 um 18 Uhr in der Aula am Wilhelmsplatz die Wellhausen-Vorlesung.

GÖTTINGEN. „Die antike Henoch-Überlieferung als autoritative Tradition in Geschichte und Gegenwart“ – so lautet das Thema der 16. Julius-Wellhausen-Vorlesung, die Loren T. Stuckenbruck, Professor für Neues Testament an der Ludwig-Maximilians-Universität München, am Freitag, dem 6. Dezember 2024, um 18 Uhr c.t. in der Aula am Wilhelmsplatz 1 in Göttingen halten wird. Der Eintritt ist frei.

Vom späten 4. Jh. v.Chr. bis 100 n. Chr. entstand eine Sammlung von jüdischen, der Hebräischen Bibel nahestehenden Schriften, meistens zunächst auf Aramäisch verfasst, die den Urgestalten Henoch und Noe als Empfängern von Offenbarungen gewidmet waren. Als das Werk auf Griechisch überliefert wurde, entbrannte unter patristischen Schriftstellern eine heftige Debatte, die dessen Zugehörigkeit zum biblischen Kanon zunehmend infrage gestellt. So wurde die Sammlung von den kanonisch-biblischen Schriften der westlichen Kirchen ausgeschlossen. Doch die Henoch-Tradition hatte bereits Spuren in sowohl frühjüdischen als auch frühchristlichen Schriften hinterlassen. Vor allem in Afrika, wo die Tradition in altäthiopischer Sprache in seiner ausführlichsten Form weiterverbreitet und rezipiert wurde, waren die Schriften höchst beliebt und als autoritativ anerkannt. Dementsprechend wird heute das Buch in der Bibelausgabe der Ethiopian Bible Society als unentbehrlicher Bestandteil des Alten Testaments gedruckt.

In vergleichender Hinsicht stellt die Vorlesung die Wertschätzungen der Henoch-Überlieferung in der jüdisch-christlichen Antike und der gegenwärtigen Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo Kirche dar und erwägt, warum diese bedeutungsvolle antik-jüdische Überlieferung in eine ökumenisch orientierte Fassung der Bibel mitaufgenommen werden könnte.

Für die Julius-Wellhausen-Vorlesung wird einmal im Jahr eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler von internationaler Bedeutung eingeladen, um einen Vortrag über ein Thema aus den Gebieten der klassischen und orientalischen Altertumswissenschaften zu halten. Die Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und die Göttinger Universität richten die Veranstaltung gemeinsam aus.

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