Bundesverdienstkreuz für den Sprachhistoriker Oskar Reichmann

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Foto: Ulrich Lottmann

Der Bundespräsident hat auf Vorschlag des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Prof. em. Dr. Oskar Reichmann das Bundesverdienstkreuz verliehen. Der Sprachhistoriker leitet das Forschungsprojekt "Frühneuhochdeutsches Wörterbuch".

Landrat Bernhard Reuter überreichte den Orden am 3. Febraur 2021 im Kreishaus Göttingen. Aufgrund der Corona-Beschränkungen fand die Feierstunde in begrenztem Rahmen statt – begleitet wurde Prof. Reichmann von seiner Frau Prof. Dr. Anja Lobenstein-Reichmann; beide wohnen in der Gemeinde Gleichen. Das Bundesverdienstkreuz ist die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland für Verdienste um das Allgemeinwohl. Verliehen wurde Prof. Reichmann der Verdienstorden in der Ordensstufe Verdienstkreuz 1. Klasse. Der Germanist Prof. Reichmann ist einer der führenden Sprachhistoriker des Deutschen. Seit 2013 ist er ehrenamtlich wissenschaftlicher Leiter des Forschungsprojektes "Frühneuhochdeutsches Wörterbuch" an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen; Prof. Reichmann hat das Wörterbuch begründet, wirkt als Herausgeber und hat sechs Bände selbst erarbeitet. Das Verdienstkreuz 1. Klasse sei eine Anerkennung seines bedeutenden Lebenswerkes, zitierte Landrat Reuter aus der Ordensbegründung.

„Das Bundesverdienstkreuz würdigt die gesellschaftliche Bedeutung Ihres Wirkens“, machte Landrat Reuter gegenüber dem Geehrten deutlich. Der Orden sei kein Lohn für seine wissenschaftliche Leistung, auch wenn diese außergewöhnlich sei; vielmehr weise der Staat auf die Haltung hin, in der diese Leistung zum Wohl der Menschen erbracht werde. „Ihre Arbeit über Jahrzehnte hinweg belegt, wie Sprache Identität schafft und das Gemeinwesen formt. Das ist bedeutsam in einer Zeit, in der gesellschaftlicher Zusammenhalt von vielen Seiten bedroht ist – und fasziniert mich auch persönlich“, führte Landrat Reuter aus: „Verbunden mit Ihrem ehrenamtlichen Engagement und Ihrer Unterstützung für Nachwuchswissenschaftler sind Sie ein Vorbild für die Menschen. Das macht unser Staat mit diesem Orden für alle sichtbar.“

Prof. Reichmann zeigte sich von der Auszeichnung sehr bewegt. Er dankte allen Beteiligten auch deshalb, weil er in der Auszeichnung auch eine Ehrung für sein Fach, die in der Bundesrepublik zunehmend randständig werdende Sprachgeschichtsforschung, sah. Dem folgte eine kurze Darlegung seines zentralen Anliegens: des von ihm begründeten, geleiteten und großenteils erarbeiteten Frühneuhochdeutschen Wörterbuches.
Dieses Werk, seit 2013 eines der großen Projekte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, beschreibt den Wortschatz des 14. bis 16. Jahrhunderts; es liegt inzwischen in 12 Bänden mit rund 80.000 Stichwörtern, drei Vierteln seines geplanten Umfanges, vor. Seine Ideologie umriss er wie folgt: „Wir erlernen den Zugriff auf unsere Welt über die Sprache; teils gliedern wir die Wirklichkeit im sprachlichen Handeln. Vor allem soziale Realitäten konstituieren wir im sprachlichen Umgang miteinander, immer identifizieren wir uns über die Weise des Sprechens als soziale Gruppen. Daraus ergibt sich die Anlage des Wörterbuches: Es beruht auf einem interpretativ erschlossenen Textkorpus von mehr als 300.000 Seiten. Es hat eine historisch semantische, genau gesprochen eine kognitiv- und handlungssemantische Stoßrichtung; die Lexik wird so beschrieben, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Sprechen und Schreiben der Gegenwart bewusst werden. Historische Semantik ist damit zugleich Erkenntnis der Gegenwart“. Prof. Reichmann äußerte abschließend die Hoffnung, auch weiterhin im vorgetragenen Sinne tätig sein zu können.

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