Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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JÜLICH, GF.EN UND HZG.E VON (HEIMBACH)

I.

Als 1207 mit Wilhelm II. das alte J.er Grafenhaus ausstarb, dessen Abkunft von den Matfriedingern des 9./10. Jh.s sich vermuten, aber nicht belegen läßt, gingen Besitz und Rechte über an den gleichnamigen Sohn von Wilhelms Schwester Jutta, die mit dem Edelherrn Eberhard von Heimbach (Henge-) verheiratet war. Wilhelm von Heimbach titulierte sich fortan - unter Verzicht auf den Herkunftsnamen Heimbach - Gf. von J. (als solcher Wilhelm III.). Das Edelherrengeschlecht der Heimbach benannte sich nach der gleichnamigen Burg in der Nordeifel, die ihrerseits den Nameneines Baches trug, der dort in die Rur floß. Erster eindeutig bezeugter Angehöriger dieses Geschlechts war ein Ethelger de Heingebach (1094), dessen Stellung zu dem 1112-30 in den Quellen nachzuweisenden Hermann von Heimbach, mit dem die kontinuierl. belegbare Genealogie der Familie einsetzt, nicht klar ist. Die namengebende Burg Heimbach spielte schon in den von Alpert von Metz geschilderten niederrhein. Adelsfehden der Jahrtausendwende eine Rolle (zuerst zu 1012 gen.). Die Edelherren von Heimbach, deren Adler-Wappen Familienverbindungen zu den Gf.en von Are anzeigt, nahmen unter den rhein.Grafen- und Adelsgeschlechtern des HochMA einen hervorragenden Platz ein. Die geistl. Mitglieder des Hauses begegnen im Kreise der Kölner Prioren, Hermann von Heimbach in den Jahren 1164-67 sogar als Kölner Dompropst, mithin in einer episkopabelen Position. Der Aufstieg auf den → Kölner Erzbischofsstuhl gelang tatsächl. dann 1208 seinem Neffen Dietrich, der ihn aber im Zusammenhang mit dem stauf.-welf. Thronstreit 1212 wieder verlor. Nach dem Erbanfall der Gft. J. an das Haus Heimbach blieb die gleichnamige, von Köln lehnrührige Herrschaft (bestehend v. a. aus Klostervogteien undWildbannrechten am nördl. Eifelrand) im Besitz eines jüngeren Bruders des Gf.en Wilhelm III. von J. Dieser vererbte sie 1234/37 unter Übergehung einer Tochter seinem Neffen, dem Gf.en Wilhelm IV. von J., der 1219 die Nachfolge seines auf dem Kreuzzug vor Damiette gefallenen Vaters angetreten hatte. Seitdem ist die Herrschaft Heimbach als eigenständige polit. Größe verschwunden und in der Gft. J. aufgegangen. Die Dynastie verdrängte ihre Herkunftsbezeichnung und nannte sich fortan »von Jülich«. Mit Hzg. Wilhelm IV. von J.-Berg ist sie am 6. Sept. 1511 im Mannesstamm ausgestorben. WilhelmsErbtochter Maria, die letzte J.erin († 1543), brachte die unierten Hzm.er J.-Berg samt der Gft. Ravensberg ihrem Mann, dem Junghzg. Johann (III.) von Kleve-Mark (→ Mark, Gf.en von der) zu, der 1521 die Herrschaft in allen »Fünflanden« antrat.

II.

Besitz und Machtstellung der J.er waren zunächst abhängig von den → Kölner Ebf.en, in deren Lehnshof sie eingebunden waren. Im namengebenden alten Römerkastell J. amtierten sie als köln. Bgf.en. An dieser Abhängigkeit änderte sich auch nichts, als der letzte Vertreter des alten Grafenhauses Wilhelm II. den Besitz der Gf.en von Maubach erheiratete (1177), zu dem neben Allod in der Nordeifel v. a. die von den (lothring.) → rhein. Pfgf.en (indirekt also vom Reich) lehnrührige Waldgft. zw. Rhein und Maas, der comitatus nemoris,gehörte. Die köln. Zustimmung zum Bau der Burg Nideggen auf Maubacher Allod (um 1180) konnte nur durch eine Lehnsauftragung an Ebf. Philipp von Heinsberg gewonnen werden. Die Heimbacher erbten also eine polit. eng an das Ebm. → Köln gebundene, in ihrem Besitzschwerpunkt deutl. nach S verschobene Gft. Die ungemein lange Regierungszeit des Gf.en Wilhelm IV. (1219-78) war charakterisiert durch stets wiederholte Versuche, sich aus der köln. Prädominanz zu emanzipieren und ein eigenständiges, polit. unabhängiges Territorium aufzubauen. Er nutzte dabei die zw. den röm. Kg.en undden Ebf.en von → Köln seit 1242 immer wieder auftretenden Spannungen, um in Anlehnung an das Reich den Ebf.en Paroli bieten zu können. Durch die Anknüpfung direkter Lehnsbindungen (1273 Auftragung der Burgen Kaster, Liedberg und Worringen) wurde die Annäherung an das Reich dokumentiert; einen handfest materiellen Gewinn stellten die Reichspfandschaften Düren (seit 1246) und Sinzig (1267-76) dar. Gewonnene Königsnähe und dynast. Solidarität ließen die J.er auch die schwere Krise von 1278 überstehen, als nach dem gewaltsamen Tod Gf. Wilhelms IV. in Aachen der Kölner Ebf. Siegfried vonWesterburg sich anschickte, die Gft. J. bzw. große Teile davon dem köln. Territorium einzuverleiben. Die Gründung und Dotierung des Kölner Klarissenkl.s durch die Gf.in Richarda, Wwe. Wilhelms IV., ihren Sohn Gf. Walram von J. und die übrigen Familienmitglieder 1298 wird man als Dank für die überstandene Gefahr interpretieren dürfen. Unter Wilhelms IV. Nachfolgern setzte sich die auf eine immer engere Bindung an Kg. und Reich zielende Politik des Hauses J. fort. Gerhard (III. bzw. V.), der 1297 seinen Bruder Walram beerbte, behielt die antiköln. und königsfreundl. Tendenz seines Vaters bei undwar als Reichslandvogt Kg. → Albrechts I. (1300) die Hauptstütze der gegen Ebf. Wikbold von Köln und die übrigen rhein. Kfs.en gerichtete Politik des → Habsburgers am Niederrhein. Belohnt wurde er mit der einträgl. Verpfändung Kaiserswerths und des dortigen Rheinzolls (1302). In der Regierungszeit Ks. → Ludwigs IV. (des Bayern) kam es dann zur engsten Annäherung der J.er an das Reich. Während Gerhard im Thronstreit zwar entschieden auf die Seite → Ludwigs IV. trat, die Verbindungen zum Papst aber nicht abreißen ließ, schloß sich sein Sohn Wilhelm V. (1328-61) fürs erstevorbehaltlos dem Bayern an. Als Gatte der Johanna von Hennegau sowohl Schwager des Ks.s wie des engl. Kg.s Eduard III., versuchte er in den 30er und 40er Jahren des 14. Jh.s die Frage der päpstl. Anerkennung → Ludwigs IV. mit derjenigen der Erbfolge im Kgr. Frankreich (Hundertjähriger Krieg) durch ein dt.-engl. Bündnis miteinander zu verknüpfen, was hieß, große Politik im europ. Maßstab zu betreiben. Seine Aktivitäten brachten ihm die Erhebung in den Reichsfürstenstand (1336 Mgf.) sowie zum Peer of England, zeitweilig die Positionen eines Reichsvikars von → Cambrai und einesRuwards von Flandern ein. Der endgültige Bruch des dt.-engl. Bündnisses (1345) hat es ihm erleichtert, nach → Ludwigs IV. Tod (1347) entschlossen auf die Seite des bisherigen Gegenkg.s → Karl IV. zu treten und mit Erfolg für dessen Anerkennung im W des Reiches zu werben. Der Dank hierfür war seine Erhebung zum Hzg. und die der Mgft. J. zum Hzm. (1356). Die engen Beziehungen zu Ks. → Ludwig IV. konnten 1336 erfolgreich zur reichsrechtl. Absicherung des Erwerbs der Gft.en Ravensberg (1346) und Berg (1348) durch Wilhelms V. ältesten Sohn Gerhard genutzt werden, der die Erbtochterbeider Gft.en Margarete von Ravensberg geheiratet hatte. Der Gewinn des Hzm.s → Geldern durch Wilhelms V. gleichnamigen Enkel, den Sohn des Hzg.s Wilhelm II. von J., in den Jahren 1371/78 war allerdings nicht das Ergebnis des Zusammengehens, sondern eines Konflikts mit dem Hause → Luxemburg, insofern Ks. → Karl IV. die Belehnung Wilhelms von J. mit dem Hzm. → Geldern als Preis für die Freilassung seines Halbbruders, Hzg. Wenzels von Brabant, aus jülich. Gefangenschaft bezahlte, in welche dieser in der Schlacht von Baesweiler (1371) geraten war. Vorbereitet worden war dieserunvorhersehbare Erbfall durch die Heirat Marias, Tochter Hzg. Rainalds II. von Geldern, mit dem jüngsten Sohn und späteren Nachfolger des ersten Hzg.s von J. in der Zeit und als Befestigung der engen polit. Kooperation beider Väter im Rahmen des dt.-engl. Bündnisses. Als 1380 Gf. Wilhelm II. von Berg, der als Sohn Gerhards von J. († 1361) die berg. Linie des Hauses fortsetzte, von Kg. → Wenzel zum Hzg. erhoben wurde, stand das Haus J. als Inhaber von drei Rfsm.ern im Zenit seiner Entwicklung und Machtstellung. In der Folge waren die Orientierung auf das Reich hin und die Rücksicht auf diepolit. Situation in Westeuropa die beiden Pole, zw. denen die Politik des Hauses schwankte. Bei der Belagerung von Neuss (1474/75) hielt Hzg. Wil-helm IV. von J.-Berg zum Unwillen Ks. → Friedrichs III. zur burgund. Partei. Mit der burgund. Heirat Ehzg. → Maximilians löste sich für das Haus J. der Loyalitätskonflikt zw. dem Reich und Burgund auf. Der letzte J.er unterstützte → Maximilian I. beim Antritt des burgund. Erbes und wurde dafür später mit der Führung des Reichsheers in Ungarn belohnt.

III.

Eine eigene familienbezogene Chronistik hat das Haus J.-Heimbach - im Gegensatz etwa zu den älteren klev., geldr. und berg. Herrscherhäusern - nicht gefunden. Das Bewußtsein dynast. Herkunft und Identität lässt sich an den Titulaturen zwar durchaus ablesen, doch hat die Aufspaltung der Familie auf drei in sich bereits gefestigte Territorien die territoriale über die familiale Tradition siegen lassen. Die J.er sind nach ihrem Selbstverständnis in Berg wie in → Geldern in die Fußstapfen der Herrscherhäuser getreten, die sie dort jeweils beerbt haben. Daslässt sich an den Grablegen ablesen. Die Gf.en und Hzg.e von J. haben sich zumeist in der Kirche von Nideggen begraben lassen, an der sie 1219 eine Deutschordensniederlassung (→ Deutscher Orden) stifteten, die 1283 durch eine Johanniterkommende (→ Johannitermeister) ersetzt wurde. Diese Kirche behielt ihre Funktion als Familiengrablege auch bei, als Mgf. Wilhelm V. 1342 vor den Toren des 1313 zur Stadt erhobenen Burgfleckens ein repräsentatives (Res.-)Stift gründete, das mit dem gleichzeitigen, auf eine aufwendigere Hofhaltung zugeschnittenen Ausbau der Burg korrespondierte. DieRechnungen der Gf.en von Hennegau-Holland lassen jedenfalls Umrisse eines von westl. Kultureinflüssen geprägten höf. Lebens in Nideggen erahnen. Gf. Gerhard galt in den Niederen Landen als Experte in Minnefragen.

Der erste Gf. von Berg aus dem Hause J. ließ sich wie seine Vorgänger im berg. Hauskl. Altenberg begraben. Dasselbe taten auch seine Nachfahren, obwohl sein Sohn mit der Neugründung und reichen Dotierung des Lambertus-Stifts in Düsseldorf eine andere Grablege ins Auge gefasst hatte, die in seiner (dazu ausersehenen) Residenzstadt liegen sollte. Aber die Residenzprojekte in Nideggen wie in Düsseldorf zerschlugen sich. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jh.s ging man in J., seit dem zweiten Dezennium des 15. Jh.s in Berg wiederum zur »Reiseherrschaft« über, wobei in J. die Bevorzugungdes verkehrsgünstig gelegenen Kaster zu Lasten Nideggens unverkennbar ist. Die entstandenen Länderunionen (1371 J.-Geldern, 1423 J.-Berg) mögen dazu beigetragen haben, die Ansätze zu einer Residenzbildung in J. und Berg zu ersticken. Die beiden geldr. Hzg.e aus dem jülich. Hause, Wilhelm I. (als Hzg. von J. Wilhelm III.) und Rainald IV., nahmen die Grablege des alten geldr. Fürstenhauses, das Zisterzienserinnenkl. Gräfenthal bei Goch, nicht an, sondern ließen sich in der Kartause Monnikhuizen bei Arnheim bestatten - Ausdruck einer über eingespielte Gewohnheiten sich hinwegsetzenden neuenFrömmigkeitshaltung. Von ihr war auch die letzte, streng altgläubige Vertreterin des Hauses J., Maria, geprägt, die sich nicht bei ihrem Mann in der Klever Stiftskirche, nicht bei ihrem Vater in Altenberg, sondern in der vom Urgroßvater ihres Mannes, Hzg. Adolf I. von Kleve († 1448), gestifteten Kartause bei Wesel beisetzen ließ, wo ihr der Humanist Konrad Heresbach eine eindrucksvolle, die Nichtigkeit aller ird. Güter bekundende Grabinschrift setzte.

Mit dem Namen hatten die Heimbacher auch ihr Adlerwappen aufgegeben und den jül. Löwen übernommen. Löwen waren auch schon die Wappentiere der alten berg. und geldr. Herrscherhäuser gewesen, so daß hier - von kleinen Differenzen in Form und Farbe abgesehen - keine Konkurrenz zw. Familien- und Territorialwappen entstehen konnte.

IV.

Der im hellen Licht der hochma. Quellenüberlieferung erfolgende Aufstieg der Heimbacher in den Grafenrang und ihr mühseliger Weg aus dem Schatten der → Kölner Ebf.e zu polit. Eigenbedeutung hat keinen Raum für myth. Herkunftsspekulationen gelassen. Genealog. Rückführungen des ersten sich selbst als solchen bezeichnenden Heimbachers Ethelger auf frühere Besitzer der Burg Heimbach sind mehrfach versucht worden. 1012 war Heimbach - wie Alpert von Metz wissen lässt - in der Hand von Richezos Sohn Godizo, der mit der Gf.in Adela von Elten und dem Moselgf.enGerhard versippt war, sich also im hocharistokrat. Verwandtenkreis von lothring. Matfriedingern und sächs. Liudolfingern bewegte. Ähnl. gilt für den in gleichen Zusammenhängen anzutreffenden Gf.en Bruno († nach 1063), der im Nekrolog des Kölner Mariengradenstifts (um 1300) als comes de Hengebach verzeichnet ist, was in dieser Form nur eine Titulierung ex post sein kann. Ob es verwandtschaftl. Bindungen von Godizo, der nur »unmündige Töchter« hinterlassen hat, zu Bruno und von diesem zu den späteren Edelherren von Heimbach gegebenhat, ist allerdings fragl. Entspr. genealog. Konstruktionen bleiben »eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten« (Oediger 1973, S. 248), um mehr als unterschiedl. begründete Vermutungen darzustellen.

Als die Heimbacher das Erbe der Gf.en von J. antraten, hatten diese ihren in der Einflußsphäre der → Kölner Ebf.e entwickelten, anfängl. recht schmalen, aus Allod, köln. Amtsgut und - v. a. - Altar- und Ortsvogteien bedeutender Kölner Stifte und Kl. bestehenden Besitzkern schon um das ansehnl. Erbe der Gf.en von Maubach erweitert. Das 13. und frühe 14. Jh. sahen den kontinuierl. Erwerb weiterer kleiner Adelsherrschaften und von Teilen zusammenbrechender Gft.en an Erft, Rur und Niers, darunter neben Burg und Herrschaft Kaster (1231/73) v. a. das von der Abtei → Prüm zu Lehengehende Gebiet um Münstereifel aus dem Erbe der Gf.en von Are (1246/49) durch die jülich. Nebenlinie der Herren von Bergheim und die späteren Ämter Brüggen und Grevenbroich aus der Hinterlassenschaft der Gf.en von Kessel (1304). In der zweiten Hälfte des 14. Jh.s und im 15. Jh. kam es zu einer weiteren, allerdings nach Territorien zu differenzierenden Ausdehnung und Arrondierung des Herrschaftsgebietes des Hauses J.: das Hzm J. erweiterte sich deutl. nach W hin und gliederte sich die Herrschaften Monschau (1357/1435/1473) und Heinsberg (1472) an, das Hzm. Berg schob sich durch den Erwerb derHerrschaft Blankenberg (1363) nach S bis an und über die Sieg vor und integrierte mit Hardenberg (1355) und Elberfeld (1430) letzte fremdherrschaftl. Enklaven innerhalb des Territoriums. Die Bergheimer Seitenlinie der J.er, 1258 durch eine Erbteilung zw. Gf. Wilhelm IV. und seinem Bruder Walram entstanden, vereinigte sich nach dem Tode Walrams II. von Bergheim-Münstereifel 1312 wiederum mit der Hauptlinie. Seitdem hat es keine Bildungen von Nebenlinien im eigentl. Sinne mehr gegeben. Der vom Mitherrschaftsanspruch der überzähligen männl. Familienmitglieder ausgehende Druck wurde aufandere Weise aufgefangen: zum einen durch den Gewinn geistl. Fsm.er - prominentestes und polit. bedeutsamstes Beispiel ist die Regierung Walrams von J., Bruders des Mgf.n/Hzg.s Wilhelm V./I., als Ebf. und Kfs. von → Köln (1332-49) - und zum anderen durch den Gewinn von in sich bereits konsolidierten Territorien, also durch eine Diffusion der Dynastie in die gegebenen polit. Strukturen der weiteren Region. Das hatte zur Folge, daß die Interessen und Traditionen der jeweiligen Territorien das polit. Handeln und Selbstverständnis der Herrscherfamilie in ihren einzelnen Zweigen bestimmten,wogegen ein nur schwach ausgebildetes Bewußtsein dynast. Zusammengehörigkeit deutl. zurücktrat. Die angesprochene Entwicklung setzte in der Mitte des 14. Jh.s mit dem Erwerb von Berg (1348) und Ravensberg (1346) durch das Haus J. ein; 1371/79 folgte das Hzm. → Geldern. Nach dem Tode Hzg. Wilhelm II. von J. 1393 wurde die Vereinigung mehrerer Länder in der Hand der Herrscherfamilie dann überboten durch die Territorialunion unter einem Herrscher: Hzg. Wilhelm von Geldern trat unter Berufung auf die Primogenitur und unter Verdrängung seines jüngeren Bruders Rainald auch die Regierung in J.an. Nach dem kinderlosen Tode dieses Rainald IV. 1423, der 1402 seinem ebenfalls ohne Kinder verstorbenen Bruder in der Herrschaft gefolgt war, eröffnete sich die Möglichkeit, das Doppelterritorium J.- → Geldern zu einem Tripelterritorium J.-Berg- → Geldern zu erweitern. Zwar wurde Adolf von J., Hzg. von Berg, als nächster Erbe im Mannesstamm von Reichs wg. mit → Geldern belehnt, doch die geldr. Landstände entschieden sich gegen diese Respektierung des dynast. Prinzips und wählten den über die weibl. Linie nächsten Verwandten des ersten Hzg.s von → Geldern, Rainald II.(† 1343), seinen Urenkel Arnold von Egmond zum Hzg. Der Zwiespalt zw. einem reichsrechtl. legitimen und einem mit Zustimmung der Stände fakt. regierenden Herrscher hat dann in der Folge seinen Teil zu den von burgund. Annektionsbestrebungen ausge-henden Wirren um → Geldern im letzten Drittel des 15. Jh.s beigetragen. 1537-43 ist dann unter betontem Rückgriff auf den Erbanspruch des Hauses J., den Hzg. Wilhelm V. von J.-Berg-Kleve als Sohn der letzten J.erin erhob, noch einmal versucht worden, die Scharte von 1423 auszuwetzen; diesmal im Zusammenwirken mit den geldr. Ständen gegen die von Ks. → Karl V. verfochtenen Rechte → Burgunds - vergeblich.

Heiratsverbindungen gingen die J. zunächst mit Angehörigen der benachbarten Grafenfamilien ein, was die Voraussetzung für die Territorienkumulationen des 14. Jh.s. bot. Dazu traten seit dem Ende des 13. Jh.s Ehekonnexe entlang den nach Nordwesteuropa führenden polit. Orientierungs- und Interessenlinien mit dortigen fsl. bzw. fürstengleichen Herrscherhäusern (Hennegau, → Brabant-Aarschot, → Bayern-Holland, Harcourt). Die Heirat Gf. (seit 1380 Hzg.) Wilhelms II. (I.) von Berg mit Anna von der Pfalz, der Schwester des späteren Kg.s → Ruprecht, i. J. 1363 markierte eine neueStufe dynast. Geltung. Im Verlauf des 15. Jh.s, als die generative Kraft des Hauses J. bereits bedenkl. Schwächen zeigte, knüpfte man dann, dem über die Region hinaus auf das ganze Reich ausgedehnten polit. Horizont entspr., Ehekontakte nach O (→ Sachsen-Lauenburg, → Brandenburg). Die Bildung der vereinigten Hzm.er beruhte aber wiederum auf einer 1496 abgesprochenen Heiratsverbindung in der engsten Nachbarschaft zw. den Erben der beiden noch übriggebliebenen Dynastenfamilien im Ebm. → Köln, der Häuser → Mark und J.

Quellen

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