Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Jena

Jena

(1) J. (ahd. jân, Reihe, Streifen) wurde vermutlich im 11. Jahrhundert als Siedlung um einen adligen Herrensitz an der Einmündung des Leutra-Baches in die Saale, einem wichtigen Saaleübergang des Fernhandelswegs Erfurt-Altenburg, begründet. Um 1150 übernahmen die Herren von Lobdeburg den Ort und trieben dessen Stadtwerdung im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts voran. 1332 fiel die nunmehrige Stadt an die Wettiner und wurde bis ins 15. Jahrhundert regelmäßig als Nebenresidenz genutzt, insbesondere von Balthasar († 1406), Friedrich dem Streitbaren († 1428), Friedrich dem Friedfertigen († 1440) und Wilhelm III. (1425–1482). Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hielten sich die Fürsten nur noch selten dort auf. 1485 wurde J. im Wettiner Teilungsvertrag den Ernestinern zugeschlagen und blieb bis 1918 in deren Besitz. 1558 wurde die Universität gegründet. Im Erfurter Teilungsvertrag 1572 kam J. an das Herzogtum Sachsen-Weimar, 1672 zum neu geschaffenen und um Teile des erloschenen Hzm.s Sachsen-Altenburg erweiterten Herzogtum Sachsen-J., dessen Residenzstadt es wurde. Der regierende Herzog Bernhard verstarb schon 1678, für den Erben Johann Wilhelm wurde eine Vormundschaftsregierung der anderen Linien eingesetzt, J. wurde Witwensitz. Nach dem Tod der Mutter 1683 verzog der immer noch unmündige Erbe an den Hof des Vormunds in Eisenach, J. blieb aber Residenzstadt, wenn auch ohne Fürst bzw. Fürstenfamilie. Wenige Jahre später, 1690, verstarb auch Johann Wilhelm, Stadt und Amt J. kamen zu Sachsen-Eisenach, die Stadt verlor den Residenzstatus, dennoch wurde der Titel der Residenzstadt bis ins 19. Jahrhundert in der offiziellen Bezeichnung weitergeführt. Nach dem Erlöschen des Eisenacher Hauses wechselte 1741 ein letztes Mal die Herrschaft über J.: Die Stadt gehörte nun zum Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, unter dessen Regenten J. zusammen mit Weimar (als »Doppelstadt Weimar-J.«) gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine höchstbedeutende Wirkstätte von Geistesgrößen wie Goethe, Herder, Wieland und Schiller wurde. Die Fs.enfamilie nutzte J. jedoch nur für gelegentliche, wenn auch zum Teil längere Aufenthalte.

(2) Erstmals urkundlich sicher belegt ist J. 1145; ältere Schriftbelege lässt die Forschung nicht gelten, da mit ihnen gleichermaßen Klein- oder Großjena an der unteren Unstrut gemeint gewesen sein könnten. Archäologische Befunde legen nahe, dass der Kern des späteren J. (die heutige Altstadt) bis ins 11. Jahrhundert hinein weitgehend unbesiedelt war, auch wenn es ältere Bestattungsspuren gibt. Davon abzugrenzen ist die archäologisch nachgewiesene slawische Siedlung des 9. bis 12. Jahrhunderts am Ostufer der Saale, die als Vorläufer des im Jahr 1909 eingemeindeten Orts(-teils) Wenigenjena gilt. An der Stelle des heutigen J. entwickelte sich im Verlauf des 11. Jahrhunderts eine deutschrechtliche Siedlung, die sich unter den Wettinern in den 1320/30er Jahren zur wirtschaftlich bedeutendsten Stadt im Osten Thüringens zwischen Saalfeld und Naumburg entwickelte. Ein präzises Datum, an dem die Marktsiedlung Stadtrecht erhielt, ist nicht überliefert; umstritten ist das von der älteren Geschichtsschreibung auf 1236 festgesetzte Gründungsjahr. Ratsmitglieder sind unter Lobdeburgischer Herrschaft urkundlich erstmals 1275 verbürgt, das Stadtsiegel mit dem Bild des Kirchenpatrons St. Michael erstmals 1288 überliefert. 1332 verliehen die Wettiner J. das Gothaer Stadtrecht.

Das Stadtgebiet, 500 × 400 Meter umfassend, wird von einer West-Ost-Achse dominiert, das regelhafte Straßennetz spricht für eine planmäßige Anlage. Um 1300 dürfte die Befestigung errichtet worden sein, 1304 wird die Stadtmauer erwähnt. Der Markt wird 1345 bezeugt. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichteten die Wettiner an der nordöstlichen Stadtmauerecke eine Wasserburg. 1353 gestatteten sie eine Stadterweiterung zur Saale. Die nach und nach entstandenen Vorstädte wurden mit einer weiteren Befestigungslinie durch Türme und Tore gesichert. Im Zentrum stand seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine romanische Klosterkirche, an deren Stelle 1380 mit dem Neubau der spätgotischen Stadtkirche begonnen wurde. Wohl schon vor dem Kirchenneubau ließ die Stadt ein neues Rathaus errichten. Im 16. Jahrhundert erlebte das handwerklich und (wein-)bäuerlich geprägte J. einen Urbanisierungsschub: Erste Straßenzüge wurden gepflastert, Dächer mit Ziegeln zum Brandschutz gedeckt, Fachwerkbauten mit großen Gehöften wichen repräsentativen, massiven mehrgeschossigen (Professoren-)Wohnhäusern.

Politisch standen im Spätmittelalter zwei Ratsmeister und zehn Ratmannen an der Spitze der Stadt, zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren es drei alternierende Stadträte mit 24 Ratsherren. Die genauen sozialen und politischen Verhältnisse der Führungsschicht zu Residenzzeiten gilt es noch zu erforschen. J. war in vier Stadtviertel (Johannis-, Markt-, Schloss- und Leutrabezirk) und zwei Vorstädte (Löbder-, Saalbezirk) unterteilt, Bürger der Vorstädte waren im Stadtrat vertreten. Die im Lauf der Zeit mehrfach revidierten Stadtstatuten von 1540 waren noch im 17. Jahrhundert in Kraft, wonach neue Stadträte vom Landesherrn bestätigt werden mussten.

Wirtschaftlich vollzog J. mit der Reformation einen grundlegenden Strukturwandel. Nachdem Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen mit dem Schmalkaldischen Krieg auch seine Kurwürde und Kurlande inklusive der Stadt Wittenberg mit ihrer Universität verloren hatte, gründete er als Ersatz 1548 in J. eine Hohe Schule, die zehn Jahre später zur Universität (Collegium Jenense) erhoben wurde. Als Universitätsstadt entwickelte sich J. zum geistig-kulturellen Mittelpunkt der Ernestinischen Lande und erwarb sich durch die Theologenausbildung den Ruf als »Hort des ›wahren‹ Luthertums«. Die Ansiedlung der Universität führte zu einem Wandel der Gewerbestruktur; Handwerker, Gastwirte, Buchdrucker u. a. gesellten sich zu Handel, Textilgewerbe, Mühlenwesen, Fischerei und Weinbau. Zur Gründung von Manufakturen kam es nicht, und die Lage fern der im 17./18. Jahrhundert wichtigen Verkehrsstraßen wirkte sich nachteilig aus. Möglicherweise erlebten Dienstleistungs- und Luxusgewerbe im späten 17. Jahrhundert einen Aufschwung durch die Versorgung des Hofes, dem mindestens 150 Bedienstete angehörten. Wegen des noch nicht abgeschlossenen Schlossumbaus waren neben den Studenten auch Hofbedienstete und Verwaltungsbeamte auf Unterkunft in der Stadt angewiesen, wovon die Bürgerschaft profitiert haben dürfte. Der städtische Haushalt litt jedoch sichtlich durch die Inanspruchnahme durch Herzog Bernhard ab 1672, zu den reicheren Kommunen der Wettiner – wie im Spätmittelalter – gehörte J. als Residenzstadt nicht mehr.

1446 zählte J. ca. 2800 Einwohner, 1542 schon etwa 4300, zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs rund 4000 und 1672 etwas über 3500; im Jahr 1719/20 stieg die Zahl wieder unwesentlich auf 3800–4000.

Rechtlich gab es vier verschiedene Korporationen mit jeweils eigener Jurisdiktion: Neben dem Stadtrat hatte die Universität die Gerichtsbarkeit über die akademischen Bürger, die Landesregierung in Weimar bzw. ab 1672 in J. über die bevorrechteten Schriftsassen inne. Die Hofangehörigen bildeten schließlich eine weitere privilegierte Gruppe, über die der Herzog selbst (oder der Hofmarschall) zumindest in zivilen Angelegenheiten direkt richtete. Zwar lag die niedere Gerichtsbarkeit seit 1365, die hohe seit 1429 und die innerhalb des Weichbildes seit 1480 in der Hand der Stadt, sie durften jederzeit vom Landesherrn zurückgekauft werden, wie es Herzog Bernhard 1666 tat. Die daraus resultierenden Konflikte konnten 1670 durch einen Vergleich gemildert werden; beide Seiten blieben jedoch übergriffig. 1675 gab Bernhard die Gerichte an die Stadt zurück. Leben und Alltag im Herzogtum Sachsen-J. versuchte Herzog Bernhard durch Policeyordnungen und Einzelerlasse zu regeln, etliche (Sitten-)Mandate galten speziell den Residenzstadtbewohnern, so zum Beispiel die detaillierte Kleiderordnung von 1673.

(3) Die im Spätmittelalter anstelle einer älteren Saalkirche neu erbaute dreischiffige, mit fünf Portalen und 16 Altären ausgestattete Hallenkirche zu St. Michaelis diente bis zur Reformation sowohl als Pfarrkirche für die Stadt (den Turm besitzend), als auch als Klosterkirche für den seit 1301 an der nördlichen Rückseite angeschlossenen Zisterzienserinnenkonvent (das Langhaus besitzend); von den Lobdeburgern erhielten die Zisterzienserinnen die Aufsicht über die 1254 bezeugte Stadtschule. Nach der Reformation errichtete die Stadt den mit 75 m höchsten Turm Thüringens (1557 vollendet); eine Bauinschrift an der Südseite nennt die Bürgermeister als Bauherren. Bemerkenswert ist die Durchfahrt unter dem Hauptaltar (ara), die zu den sieben Wundern J.s zählt.

Als weitere geistliche Einrichtungen sind mehrere Kapellen zu nennen wie die der Dominikaner (seit 1286) im Paulinerkloster, die Kapelle zum Heiligen Kreuz im Karmeliterkloster (seit 1414), die alte Johanniskirche, die Jakobskapelle vor dem Zwätzentor und die Kapelle des Brüderhospitals zu St. Nicolaus.

Im Zuge der früh Einzug haltenden Reformation wurden das Zisterzienserinnen- und das Dominikanerkloster säkularisiert, ihre Gebäude weiter genutzt. In dem Zisterzienserinnenkloster wurde 1525 eine Stadtschule mit fünf Klassen eingerichtet. Der Stadtrat besaß das Patronat über die Schule und durfte die Schullehrer ernennen, musste sie aber vom Landesherrn bestätigen lassen. Herzog Bernhard ließ nach Regierungsantritt 1672 die Stadtschule reformieren (deutschsprachiger Unterricht) und unterstellte die Schule dem Konsistorium. Die Stadträte behielten als »patroni ecclesiae« ein Mitspracherecht. Im Dominikanerkloster ließ der Landesherr 1548 die Hohe Schule (ab 1558 Universität) einrichten und die Gebäude zum Konvikt mit Bibliothek und Kollegienkirche umbauen. Das Karmeliterkloster hingegen fiel den Zerstörungen des Bauernkrieges und später des Dreißigjährigen Krieges anheim.

Mit der Reformation wurde die im Spätmittelalter größte jüdische Gemeinde in den wettinischen Landen aufgelöst, die Juden vertrieben. Bis ins 19. Jahrhundert blieben sie fernerhin ausgeschlossen.

(4) Präsent waren die Stadt- bzw. Landesherren durch die von den Wettinern im 14. Jahrhundert errichtete Wasserburg, später durch eine (Stadt-)Schlossanlage, die ab 1659 von Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar aus bisher unbekannten Gründen (wohl zur Versorgung eines nachgeborenen Sohnes) zum Schloss umgebaut und erweitert wurde. Als Besonderheit gilt die auf dem Dach des neuen Schlosses 1661 angebrachte, 1692 wieder entfernte Weigelsche Himmelskugel, die den Planetenstand anzeigte. Bereits zehn Jahre vor seinem Regierungsantritt 1672 ließ Herzog Bernhard zahlreiche Modernisierungen vornehmen (Ersetzung der Stechbahn durch zweigeschossige Reithalle u. a.). 1663 wurde der der Universität überlassene Botanische Garten vor der Schlosspforte wieder eingezogen, vergrößert und in einen Lustgarten umgewandelt. 1670/71 wurde das Erfurter Tor abgetragen und aus den Steinen das Ballhaus errichtet. Bereits vor Regierungsantritt ließ er die Stadt repräsentativ umgestalten: Stadtmauer und -graben wurden erweitert, eine Lindenallee von der Schlosspforte bis zum Pulverturm gepflanzt, ein Pestilenzhaus und ein Brauhaus errichtet sowie das Magdalenenspital erneuert, zudem gab es Pflasterungen. In das kurz zuvor neuerbaute Haus des Baumeisters Richter wurde zunächst die Regierungskanzlei eingerichtet, bald darauf diente es als Witwensitz für Herzogin Maria Charlotte. Hochrangige Amtsträger der nun in J. ansässigen Hof-, Regierungs- und Verwaltungsbehörden errichteten prunkvolle barocke Wohnhäuser. Wegen der mannigfaltigen Projekte spricht die Forschung von einem »Bauboom«, der J. in dieser Zeit erfasste.

In Ermangelung einer Hofkirche, die erst 1686 begonnen und 1693 fertiggestellt wurde, als J. keine Residenz mehr war, nutzte der Herzog die Stadtkirche zur fsl.en Repräsentation. Nach seinem Regierungsantritt ließ er 1673 den dortigen Fürstenstuhl erneuern und in dem Kreuzgewölbe auf der rechten Seite des Altars eine mit dem Sachsen-J.er Wappen geschmückte Fürstengruft anlegen, wo Bernhard selbst, seine Gattin und zwei seiner Söhne beigesetzt wurden. Die fürstliche Familie ruhte neben Adligen, Professoren, Superintendenten und nicht zuletzt neben der Grabplatte Martin Luthers, die eigentlich für Wittenberg bestimmt, im Schmalkaldischen Krieg aber in J. verblieben und 1571 in der Stadtkirche aufgestellt worden war. Für zehn Jahre (1673–1683) nutzte die Universität die Stadtkirche, da die Kollegienkirche einer umfassenden Reparatur bedurfte. Für diese Zeit kann die Stadtkirche als besonderer Kommunikationsraum verstanden werden, da städtische Gemeinde, Hof und Universität zu Gottesdiensten regelmäßig aufeinandertrafen.

Am Markt hatte der Stadtrat mit einem Rathausbau bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Burg ein Zeichen städtischer Macht entgegengesetzt. Der großzügige, funktionelle Bau ohne besondere architektonische Details (Walmdach-Doppelhaus vom Typ spätmittelalterlicher Giebelhäuser) gehört zu den ältesten, heute noch erhaltenen deutschen Rathausbauten. Im Obergeschoß befanden sich die städtischen Verwaltungs- und Gerichtsräume, das Erdgeschoss diente wirtschaftlichen Zwecken (z. B. Fleisch- und Brotbänke).

Symbolisch war die Landesherrschaft an weiteren Orten der Stadt präsent: Im Rathaus befanden sich sächsische Wappen unter der spätgotischen Kunstuhr mit dem sogenannten Schnapphans, und auch am Turm der Kollegienkirche repräsentierte seit 1557 ein großformatiges Wappen die Ernestiner.

(5) Im Herzogtum Sachsen-Weimar (1572–1672) spielte J. innerhalb der territorialen Ordnung als Residenz eines nachgeborenen Hzg.s eine untergeordnete Rolle, wenngleich die Stadt aufgrund der Universität sowie des dort ansässigen, 1566 gegründeten Hofgerichts der Ernestiner und des Schöppenstuhls überregional bedeutsam war. Innerhalb des nur 515 Quadratkilometer großen, überaus zerstreut liegenden Hzm.s Sachsen-J. (1672–1690) nahm J. sodann eine Sonderstellung ein, da hier ein vollständiger Regierungsapparat mit Kammer und Konsistorium eingerichtet wurde. Auf ein Geheimes Ratskollegium wurde verzichtet. Eine Kontrollfunktion besaß allein der Landtag aus Ritterschaft, Städten sowie von der Universität gestellten Prälaten; unter Bernhard trat er nur einmal im Februar 1674 in J. zusammen. Der Corpus der sogenannten »J.ischen Landesportion« erwies sich jedoch als langlebig, blieb während der vormundschaftlichen Regierung und auch nach den dynastischen Erbgängen des 18. Jahrhunderts bestehen, um erst im vereinigten Landtag des seit 1809 landständisch verfassten Hzm.s Sachsen-Weimar-Eisenach aufzugehen.

J.s Zentralität wird ferner ersichtlich aus dem Umstand, dass zahlreiche hoch- wie niederrangige Gäste in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Stadt und Hof besucht zu haben scheinen, was die verwitwete Herzogin Maria Charlotte veranlasste, von den Vormündern ihrer Kinder mehr Geld einzufordern. Dieses bleibt zu untersuchen.

(6) J. wird in erster Linie als Universitätsstadt wahrgenommen, doch war die mit etwa 4000 Einwohnern mittelgroße Stadt auch als Gewerbestandort bedeutend. Maßgeblich gefördert wurde J. von den die Stadtherrschaft innehabenden Wettinern, doch fungierte J. meist als Nebenresidenz, so während des 15. Jahrhunderts und mehrmals im Laufe der frühen Neuzeit. Residenzstadt im engen Sinn war J. nur für 38/28 Jahre von 1662/72–1690 für einen zunächst nachgeborenen, später eigenständig regierenden Herzog Diese Zeit wird von der Forschung bisher auf Basis weniger älterer Studien wenig positiv bewertet, die Jahre seien »keine Glanzpunkte der Stadtgeschichte, sondern ein trauriges Zeugnis der Kleinstaaterei zur Zeit des Absolutismus« gewesen (Traeger 1988, S. 42). Diese Einschätzung bleibt weiteren Forschungen vorbehalten. Eine neuere quellenfundierte Stadtgeschichte, wie sie bisher für das 18. Jahrhundert vorliegt (Deinhardt 2007), steht noch aus. Bisherigen Erkenntnissen zufolge scheint das Verhältnis zwischen Stadt und Herrschaft ambivalent und zeitweise enorm konfliktgeladen gewesen zu sein: Herzog Bernhard verschaffte J. zwar einerseits eine Sonderstellung als Sitz politischer Zentralbehörden, bot mit seinem Hof neue wirtschaftliche und kulturelle Anreize, modernisierte die Stadtschule und stieß einen Bauboom an, doch andererseits griff er massiv in die (rechtlichen) Belange der Stadt ein und beanspruchte zentrale kommunale Orte wie die Stadtkirche für seine fürstliche Repräsentation. Dazu kamen wohl auch finanzielle Beschwerungen. Ob und welche sozialen Beziehungen sich zwischen Stadt, Hof und Universität nach J.s Aufstieg zur Residenzstadt entwickelt oder verfestigt haben, ist weitgehend unerforscht; vereinzelte Personalunionen sprechen für eine personelle Verflechtung der sozialen Gruppen bzw. Institutionen. Herzog Bernhard und Erbprinz Johann Wilhelm waren bspw. beide (Ehren-)Rektoren der Universität. Das Urteil, die herrschaftliche Pracht- und Machtentfaltung habe J. im Vergleich zu anderen Residenzstädten ins Abseits manövriert, gilt es angesichts neuerer Erkenntnisse zum (sozial-)politischen Sinn und Zweck symbolischer Kommunikation kritisch zu prüfen.

(7) Archivalien finden sich verstreut im Weimarer Hauptstaatsarchiv (z. B. ThHStAW A 9177a, Jenaer Hofordnung um 1670), Jenaer Stadtarchiv und Jenaer Universitätsarchiv (z. B. digitalisierte Jenaer Kirchenbücher). Die Werke von Adrian Beier (1600–1678) verdienen besondere Erwähnung, da seine quellengestützten Beschreibungen »alle nachfolgenden Stadtchronisten und Stadthistoriker« bis ins 20. Jahrhundert prägten (Bauer [2012], S. 195). Daneben bieten vielfältige frühneuzeitliche Drucke Einblicke in die Residenzzeit, so zum Beispiel die Stadtordnung von 1540 oder die Kleiderordnung von 1673 (Des Durch. Fürsten und Herrn, Herrn Bernhard […] Mandat und Ordnung wegen Abstellung etlicher im Bürgerlichen Standes, bey Fürstl. Residenz-Stadt Jena verbotener Trachten und übermachtiger Kleider-Hoffart, 12. Maii 1673. 4. Jena 1673). – Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen Anstalten, Bde. 1–3, hg. von Johann Ernst August Martin und Ernst Devrient, Jena 1888–1936. – Michelsen, A.L.J.: Johann Friedrichs des Grossmüthigen Stadtordnung für Jena. Zur Feier d. Enthüllung d. ehernen Standbildes d. Kurfürsten auf d. Markte zu Jena am 15. Aug. 1858).

Materielle Quellen, wie Wappen und Gebäude, sind im Jenaer Stadtbild erhalten geblieben. Zwar ist das Schloss um 1900 abgerissen und durch das heutige Universitätshauptgebäude ersetzt worden, Stadt- und Schlossansichten sind aber überliefert. Die älteste Radierung stammt aus dem Jahre 1571 von Johann Mellinger; Nicolas Häublein zeigt in seiner Radierung J. als Residenzstadt im Jahre 1674. Ein Katalog entsprechender Bestände der Städtischen Museen Jena ist bei Dirk Endler zu finden (Endler [1999], S. 127–141).

Beier, Adrian: Geographus Jenensis: Abbildung Der Jehnischen Gegend/ Grund und Bodens […], Jena 1665. – Schmeizel, Martin: Martin Schmeitzels, Philo. Prof. Publ. und der Academischen Bibliothec Inspectoris, Abriß zu einem Collegio Pvblico über die Historie Der Stadt und Universität Jena, Jena 1727. – Mylius, Johann Christoph: Das in dem Jahr 1733 Blühende Jena. Darinnen von dem Ursprung der Stadt, Stifftung der Universität, und was sonsten zu dieser gehörig, besonders das Leben der Gelehrten erzehlet wird, Jena [1733–1743]. – Schmidt, Friedrich Christian: Historisch-mineralogische Beschreibung der Gegend um Jena. Nebst einigen Hypothesen, durch was vor Veraenderungen unsers Erdbodens diese Gegend ihre gegenwaertige Gestalt bekommen haben möchte, Gotha 1779. – Wiedeburg, Johann Ernst Basilius: Beschreibung der Stadt Jena nach ihrer Topographisch-Politisch und Akademischen Verfassung nebst vier Kupfer-Tafeln den Grund- und Auf-Riß nebst einer Karte über den näheren Distrikt, und einige denkwürdige Inschriften und Siegel darstellend. Zweeter Theil von der Politischen Verfassung der Stadt Jena, Jena 1785.

Faselius, Johann Adolph Leopold: Neueste Beschreibung der Herzoglich Sächsischen Residenz- und Universitätsstadt Jena, oder historische, topographische, politische und akademische Nachrichten und Merkwürdigkeiten derselben, Jena 1805. – Spangenberg, Johann Christian: Handbuch der in Jena seit beinahe fünfhundert Jahren dahingeschiedenen Gelehrten, Künstler, Studenten und andern bemerkenswerthen Personen, theils aus den Kirchenbüchern, theils aus andern Hülfsquellen gezogen und nach dem Jahre 1819 geordnet, [Jena] 1819. – Hellfeld, Johann August Christian von: Geschichte der erloschenen Herzoglichen Jenaischen Linie Herzog Bernhards II. zu Sachsen Jena und dessen Sohn Johann Wilhelm, sammt einer kurzen Biographie der einzigen Prinzessin Herzog Bernhards, Charlotte Maria. Ein Beitrag zur Sächsischen Geschichte, Jena 1828. – Historisch-topographisches Taschenbuch von Jena und seiner Umgebung besonders in naturwissenschaftlicher und medicinischer Beziehung, hg. von Jonathan Carl Zenker, Jena 1836. – Schreiber, Carl, Färber, Alexander: Jena von seinem Ursprunge bis zur neuesten Zeit. Nach Adrian Beier, Wiedeburg, Spangenberg, Faselius, Zenker u. a., Jena 1850. – Jenaische Stadt- und Universitäts-Chronik von Martin Schmeizel, hg, von Ernst Devrient, Jena 1908. – Chronologus Jenensis seu Annales Germano-Thuringo-Jenenses. Jehnische Chronika […], hg. von Herbert Koch, Jena 1914. – Mag. Adrian Beiers Jenaische Annalen (1553–1599), hg. von Herbert Koch, Jena 1928. – Architectus Jenensis des Mag. Adrian Beier, hg. von Herbert Koch, Jena 1936. – Magister Adrian Beiers Jehnsche Chronika. Chronologus Jenensis 1600–1672, hg. von Ilse Traeger, Jena 1989.

(8)Devrient, Ernst: Das Herzogtum Sachsen-Jena, in: Jenaer Jahrbuch 1 (1902) S. 17–21. Koch, Herbert: Aus einer kleinen Residenz der Barockzeit, in: Das Thüringer Fähnlein. Monatshefte für die mitteldeutsche Heimat 6 (1937) S. 606–614. – Müller, Johannes: Aus dem kommunalen Leben Jenas im Mittelalter, in: Beiträge zur Jenaer Stadtgeschichte (1938) S. 1–10. – Eckold, Paul: Das Herzogtum Jena (1672–1690), Jena 1940. – Grumbt, Dorette: Das Jenaer Rathaus. Gestalt und Geschichte, Jena 1973. – Traeger, Ilse: Jena von 1500 bis 1770, Jena 1988. – Huschke, Wolfgang: Art. „Jena“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 9: Thüringen (21989), S. 215–225. – Koch, Herbert: Geschichte der Stadt Jena. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1996. Mit einem Nachwort von Jürgen John und einer Bibliographie von Reinhard Jonscher, Jena u. a. 1996. – Litt, Stefan: Juden in Thüringen in der Frühen Neuzeit (1520–1650), Köln u. a. 2003. – Weigel, Petra: Art. „Jena“, in Höfe und Residenzen I,2 (2003), S. 284–285. – Werner, Matthias: Die Anfänge der Stadt Jena und die Stadtkirche St. Michael, in: Inmitten der Stadt. St. Michael in Jena. Vergangenheit und Gegenwart einer Stadtkirche, hg. von Matthias Werner und Volker Leppin, Petersberg 2004, S. 9–60. – Deinhardt, Katja: Stapelstadt des Wissens. Jena als Universitätsstadt zwischen 1770 und 1830, Köln/Weimar/Wien 2007. – Bauer, Joachim, Müller, Gerhard, Pester, Thomas: Art. „Jena“, in: Handbuch der kulturellen Zentren, Bd. 2 (2012), S. 981–1035. – Stutz, Rüdiger: Zur Einleitung. Vier Schlaglichter auf 1000 Jahr Jenaer Siedlungs- und Stadtgeschichte, in: Der Traum von Technopolis. Aufsätze zur Jenaer Stadt- und Unternehmensgeschichte, 1870er bis 1970er Jahre, hg. von Rüdiger Stutz, Wettin-Löbejün 2012, S. 11–26.

Stefanie Freyer