Werke, Nachlass, Briefwechsel

Der in Oldenburg geborene Philosoph, Psychiater und politische Schriftsteller Karl Jaspers (1883-1969) hat gemessen an seiner breiten internationalen Rezeption in der deutschen Nachkriegsphilosophie erstaunlich wenig Resonanz gefunden. Zwar war in dieser Zeit das Interesse an Jaspers' politischen und zeitkritischen Schriften öffentlich wirksam, doch das philosophische Forschungsinteresse war weltweit auf einige wenige Wissenschaftler beschränkt. Erst seit den frühen 1980er Jahren hat sich diese Situation durch mehrere internationale Konferenzen und den seit dem Jahr 2000 zweijährlich stattfindenden internationalen Karl Jaspers-Symposien im Schloss Klingenthal im Elsass erkennbar gewandelt und eine neue europäische Forschergeneration hat ihr Interesse für Jaspers entdeckt.

Die Spannweite des Denkens von Karl Jaspers, wie sie sich aus den Druckschriften, dem überaus umfangreichen Nachlassmaterial und den zahlreichen Briefwechseln ergibt, reicht von der Psychiatrie über die Metaphysik und die Geschichtsphilosophie bis hin zur Existenzphilosophie und zu politischen Fragen. Um diesen bemerkenswerten Zusammenhang offen legen und angemessen würdigen zu können, wurde auf Anregung und unter Mitarbeit der Karl Jaspers-Stiftung Basel ein Antrag für eine kommentierte Gesamtedition der Werke sowie des Nachlasses und der Briefwechsel in Auswahl erarbeitet, der im November 2011 mit einer Laufzeit von 18 Jahren von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) des Bundes und der Länder als Bestandteil des Programms der deutschen Akademien der Wissenschaften bewilligt wurde.

Seit April 2012 betreut die Heidelberger Akademie der Wissenschaften das Projekt an den Standorten Heidelberg und Oldenburg, seit Januar 2015 in Kooperation mit der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Während Heidelberg und Basel die beiden Wirkungsstätten von Jaspers' medizinischem und philosophischem Schaffen waren, konnte sich Jaspers’ Geburtsstadt Oldenburg durch die umfangreichen Feierlichkeiten anlässlich seines 125igsten Geburtstags einen Namen machen, wo im Rahmen des „Jaspers Jahres 2008“ etwa 100 Jaspers-Forscher/-innen aus aller Welt für Vorträge und Workshops zu Gast waren. Dieses Engagement mündete ein Jahr später in den Erwerb von Jaspers’ Privatbibliothek aus dem Besitz seines letzten persönlichen Assistenten Hans Saner sowie die eigens der Aufstellung der Bibliothek gewidmete Einrichtung eines Oldenburger Karl Jaspers-Hauses. Auch die mit dem Mitherausgeber der Gesamtausgabe (Prof. Dr. Reinhard Schulz) und einem Editor (Dr. Oliver Immel) besetzte Arbeitsstelle der Göttinger Akademie der Wissenschaften befindet sich im Oldenburger Jaspers-Haus. Beide sind auch Angehörige des Instituts für Philosophie an der Universität Oldenburg.

Mit der Privatbibliothek von Karl Jaspers verfügt das Jaspers-Haus über eine reichhaltige Recherchequelle für die Klärung werkgeschichtlicher Forschungsfragen. Da Jaspers, wie Hans Saner berichtete, „mit dem Bleistift gelesen“ hat, können über die Sichtung und Systematisierung der angestrichenen Textstellen und unter zusätzlicher Berücksichtigung des im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrten Nachlasses und des Briefwechsels neue Erkenntnisse über Leben und Werk von Karl Jaspers und dessen Denkweg vom Psychopathologen über den Philosophen zum politischen Schriftsteller gewonnen werden. Als erstes Teilprojekt wurde in Oldenburg der Band „Schriften zur Universitätsidee“ erstellt und kommentiert, der die drei Fassungen der „Idee der Universität“ aus den Jahren 1923, 1946 und 1961 sowie dreizehn Vorträge, Aufsätze und Interviews umfasst. Der Band wurde Anfang des Jahres 2016 beim Schwabe-Verlag in Basel publiziert. Im Herbst 2014 wurde mit der Bearbeitung des 1919 erschienenen Frühwerks „Psychologie der Weltanschauungen“ begonnen, das werkgeschichtlich den Übergang von der verstehenden Psychologie zur Existenzphilosophie markiert.

Die auf 35 Bände angelegte kommentierte Gesamtausgabe verfolgt das Ziel, eine verbindliche, nach einheitlichen Kriterien aufgebaute Edition des Werkes von Karl Jaspers zu erarbeiten, die alle relevanten Texte in ihrem Kontext erschließt, einleitend erklärt, ausführlich kommentiert und dadurch als systematisch vernetztes Ganzes verfügbar macht. Diese Gesamtausgabe (KJG) wird die von Jaspers selbst veröffentlichten Schriften sowie eine prägnante, thematisch breit angelegte Auswahl der noch nicht oder nur teilweise edierten Nachlasstexte und der Korrespondenz enthalten.

Kontakt

Prof. Dr. Reinhard Schulz und
Dr. Oliver Immel
Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Forschungsstelle Jaspers-Edition,
Standort Oldenburg
Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg
Fakultät IV - Institut für Philosophie
26111 Oldenburg

Prof. Dr. Reinhard Schulz
Tel: 0441 - 7984402
reinhard.schulz@uni-oldenburg.de

Dr. Oliver Immel
Tel.: 0441- 36142391
oliver.immel@mail.uni-goettingen.de