Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Meissen

Meissen

(1) Burg und Stadt M. liegen am westlichen Ufer der mittleren Elbe auf halber Strecke zwischen Dresden und Riesa. Namengebend wurde der Meisabach, der nördlich des Burgbergs vorbeifließt und in die Elbe mündet. Nach Thietmar von Merseburg soll König Heinrich I. bei einem Feldzug gegen die Slawen auf dem Berg, der »Misni« genannt wurde, eine Burg errichtet haben. Dieses lässt sich nach dem Kontext in das Jahr 929 stellen, ist zudem durch dendrochronologische Datierungen von Ausgrabungsbefunden gesichert. Der M.er Burgberg befand sich im 10. und frühen 11. Jahrhundert in der Gewalt des Reiches. 968 wurde im Zuge der Gründung des Ebm.s Magdeburg in M. ein Suffraganbistum eingerichtet. In diesem Zusammenhang wird erstmals ein Markgraf erwähnt, während die Mark M. erst 1046 ausdrücklich genannt wird. 1068 ist erstmals ein kgl.er Burggraf in M. belegt. Damit war die herrschaftliche Konstellation ausgebildet, die für die nächsten Jahrhunderte prägend wurde, da auf dem Burgberg gleich drei Hoheits- bzw. Amtsträger saßen, der Markgraf, der Burggraf und der Bf.

Mit der Mark M. wurden 1089 die Wettiner belehnt, die im Laufe des Spätmittelalters als Markgrafen eine beherrschende Stellung in diesem Raum einnehmen sollten. M. war zudem Mittelpunkt einer ausgedehnten Diözese, die seit dem 12. Jahrhundert neben dem Großteil der Mark M. (im Westen bis zur Mulde) und der Oberlausitz auch die Niederlausitz umfasste. Der machtpolitische Einfluss der Bischöfe in M. blieb außerhalb des Burgberges gering, für sie spielten die andere Städte des Hochstifts, besonders Stolpen, Mügeln und Wurzen, eine wesentlich größere Rolle als Residenz; M. war zwar Bf.ssitz, fungierte aber nur eingeschränkt als bischöfliche Residenz. Das Amt des Burggrafen befand sich vom Ende des 12. Jahrhunderts in der Hand der Meinheringer bis zum Aussterben des Geschlechts 1426. Die Wettiner hatten seit dem frühen 14. Jahrhundert die Rechte der Meinheringer auf dem Burgberg eingeschränkt. Nach deren Aussterben verweigerten sie dem von Kaiser belehnten neuen Burggrafen Heinrich I. von Plauen jeden Anspruch auf die Burg. Damit war die Funktion M.s als Bggf.ensitz beendet.

1423 wurden die Markgrafen von M. Kurfürsten von Sachsen. In Folge der Leipziger Teilung von 1485 gehörte M. zum (albertinischen) Herzogtum Sachsen, bis die Albertiner durch den Schmalkaldischen Krieg 1547 die Kurwürde erhielten. 1806 wurde Kursachsen zum Königreich erhoben. In M. haben sich die Wettiner zunächst mit den Burggrafen und dem Bischof arrangieren müssen, doch wichen diese im Laufe des 14. Jahrhunderts auf andere Orte aus bzw. wurden von den Wettinern verdrängt, so dass sich die Wettiner in M. auch als Stadtherren durchsetzen konnten.

Bereits in der Regierungszeit Kurfürst Ernsts (reg. 1464–1486) und Herzog Albrechts (reg. 1464–1500) spielte M. als Residenz keine Rolle mehr, und selbst nach der Fertigstellung der Albrechtsburg hat sich Herzog Georg (reg. 1500–1539) nur gelegentlich dort aufgehalten; auch seine Mutter Sidonie († 1510) hat dort nur zeitweilig gelebt. Als Ort einer großen Hofhaltung hat M. seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts völlig an Bedeutung verloren. Stattdessen fungierte Dresden als bevorzugte Residenz der Albertiner. Die Albrechtsburg in M. blieb Mittelpunkt eines Amtes, das gemessen an seinen Einkünften nicht zu den größten Ämtern gehörte.

Stadtgeschichtlich bedeutsam ist die Errichtung der Porzellanmanufaktur durch August den Starken 1710, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Albrechtsburg produzierte.

(2) Die Stadt M. entwickelte sich auf der Südseite des Burgberges im Gebiet bis zur Triebisch, die bei M. in die Elbe mündet. Mehrere hochmittelalterliche Siedlungskerne sind zu unterscheiden: 1. Das obere Suburbium auf der Hochfläche im Südwesten vor dem Burgtor verfügte 984 über eine »ecclesia extra urbem«. 1205 wurde an dieser Pfarrkirche von Bischof Dietrich II. das Augustiner-Chorherrenstift St. Afra gegründet; das Suburbium blieb geistlicher Immunitätsbezirk (sog. Afranische Freiheit). Die eigentliche Stadtentwicklung nahm 2. von dem unteren Suburbium seinen Ausgang. 1015 ist dieses als Sitz der »Vethenici«, der sorbischen Dienstmannen des Markgrafen, belegt. 979/83 wird ein Hafen an der Elbe bezeugt, zudem konnte hier die Elbe durch Furt und Fähre gequert werden, was die frühe wirtschaftliche Bedeutung M.s unterstreicht. Die Erwähnung M.s als »civitas« 1150 ist wohl 3. auf die Jahrmarktsiedlung zu beziehen, die im Anschluss an das erwähnte Suburbium entstand, und die noch im Spätmittelalter der Grund- und Gerichtsherrschaft der Burggrafen unterstand (der Jahrmarkt heute Theaterplatz). Südwestlich daran anschließend entstand 4. eine von den Markgrafen geförderte Siedlung, zu der bereits 1205 ein Markt gehörte (der heutige Markt). Dort liegt auch die Pfarrkirche Unser Lieben Frau (Frauenkirche), die als Filialkirche der Altpfarrei St. Afra unterstand und dem dortigen Augustiner-Chorherrenstift inkorporiert war. Die markgräfliche Rechtsstadt, die burggräflich Jahrmarktsiedlung und die Afranische Freiheit waren wohl schon Ende des 13. Jahrhunderts ummauert (Ersterwähnung einer Stadtmauer 1256, sechs Stadttore sind später belegt) und durch die Befestigung mit dem Burgberg verbunden. Südlich der Triebisch außerhalb der Stadt entwickelte sich um die Pfarrkirche St. Nikolai eine weitere Siedlung (Neumarkt, 1250 erwähnt), die hypothetisch als Kaufmannssiedlung gedeutet wird.

Mit der Entwicklung der mkgflen. Stadt hing der Bau der 1291 erstmals erwähnten (aber sicherlich älteren) Elbbrücke (in Fortsetzung der vom Markt kommenden Elbstraße) zusammen. Bürgermeister und Rat werden erstmals 1316 erwähnt. Das Rathaus am Markt wurde 1472 von Arnold von Westfalen errichtet, der auch maßgeblich die Albrechtsburg plante. Das wirtschaftliche Leben war vom Handwerk und der Tuchmacherei geprägt. Weinbau ist seit 1161 bezeugt, spielte aber keine große Rolle. Dass die Residenzfunktion M.s die Gewerbeentwicklung geprägt hätte, ist bislang nicht erkennbar. Als Jahrmärkte sind belegt: 1. der Donatusmarkt (1401 erstmals erwähnt, aber älter, ursprünglich am Donatustag, 7. August, ab 1589 eine Woche später), 2. der Markt von Lommatzsch (Kleinstadt nordwestlich Meißen), der am Sonnabend nach Lätare, später am Montag nach Judica gehalten wurde und der 1475 durch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht nach M. verlegt wurde, 3. der Trinitatismarkt (am Sonntag nach Trinitatis). Um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte M. etwa 3500 Einwohner. Erst die Verlegung der Kgl.en Porzellanmanufaktur von Dresden nach M. 1710, die bis 1863 in der Albrechtsburg untergebracht wurde, förderte die Stadt.

Auffällig ist, dass die urbane Entwicklung im Hochmittelalter von Markgraf und Burggraf bestimmt wurde, nicht aber vom Bischof, der keine Herrschaftsrechte in der Stadt besaß. Die wohl um 1200 begonnene bischöfliche Stadtgründung Cölln auf der linken Elbseite, 1250 erstmals als »colonia« belegt (1901 nach M. eingemeindet), misslang.

1710 wurde in M. die erste Porzellanmanufaktur Europas eingerichtet, zu deren Bewachung zwecks Bewahrung des Produktionsgeheimnisses eine (kleine) Garnison abgestellt wurde. Beides hatte Auswirkungen auf die innerstädtische Sozialstruktur. Nach zahlreichen Versuchen lief die Produktion erst 1737 richtig an.

(3) Von der reichen geistlichen Ausstattung ist an erster Stelle die Domkirche mit dem Patrozinium St. Johannes Ev. und Donatus zu nennen. Der heutige Bau wurde in der Nachfolge mehrerer Vorgängerbauten vom 13. bis 15. Jahrhundert errichtet, vollendet wurde er erst mit den Westtürmen Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Kirche war Sitz eines Domkapitels. Die Dignitäre und Kanoniker bewohnten eigene Domherrenhöfe, die z. T. auf der Südseite des Burgbergs, z. T. auch in der Afranischen Freiheit vor der Burg lagen, wo sich ebenfalls einige Adelsfreihöfe befanden. Der Dom hat für die Wettiner als geistliches Zentrum eine gewichtige Rolle gespielt. Sie haben ihn seit ca. 1400 deutlicher geprägt als die Bischöfe Markgraf Wilhelm I. (1346–1407) und seine Gemahlin Elisabeth haben mehrere Altäre mit Vikarien gestiftet. Vom Papst konnte der Markgraf die Genehmigung eines Heiligen Jahres in M. für 1394 erlangen und mit einem Teil der Einnahmen den Baufortschritt sichern. Im Domchor ließen sich Elisabeth († 1400) und Wilhelm I. († 1407) beisetzen und begründeten damit die Grablegetradition der Wettiner in M. Kurfürst Friedrich I. der Streitbare († 1428) ließ vor dem Westportal die sog. Fürstenkapelle als Grablege errichten, die 1445 von Kurfürst Friedrich II. dem Sanftmütigen und Herzog Wilhelm noch erweitert wurde. Kurfürst Friedrich der Streitbare wurde 1428 in einer Tumba inmitten dieser Kapelle beigesetzt. Auch Kurfürst Friedrich der Sanftmütige († 1464), seine Söhne Ernst und Albrecht, die Söhne Herzog Georgs sowie einige weitere Wettiner fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Herzog Georg ließ auf der Südseite der Fürstenkapelle 1521–1524 eine kleine Grabkapelle anbauen, in der seine Gemahlin Barbara von Polen († 1534) und Georg selbst († 1539) beigesetzt wurden. Damit endete die Funktion des Doms als wettinische Grablege. Die Zahl der dort für die Memoria zuständigen Geistlichen wuchs bis zur Reformation auf 41 an. Die Fürstenkapelle war überdies Sitz und Memorialort des Hieronymusordens, einer von Kurfürst Friedrich II. 1450 gestifteten Rittergesellschaft. Zuletzt hat noch Herzog Georg den Dom aufgewertet, indem er an der Römischen Kurie erreichen konnte, dass 1524 Bischof Benno von Meißen († 1105 oder 1106) heiliggesprochen wurde. Der Kult des Hl. Benno hat allerdings bis zur Einführung der Reformation 1539 keine große Resonanz gehabt. Hervorzuheben ist, dass der Dom auch Grablege der Meinheringer als Burggrafen von M. war, und nicht das von ihnen vor 1222 gegründete Kloster Staucha (1328 nach Döbeln verlegt).

Die Frauenkirche am Markt, zwischen 1370 und 1410/20 errichtet, war Filialkirche der Pfarrei St. Afra und wurde zur Hauptpfarrkirche der Stadt. Eine eigene Kirchgemeinde bildete der im 13. Jahrhundert entstandene Stadtteil Neumarkt mit der kleinen, eher an dörfliche Verhältnisse erinnernde Kirche St. Nikolai, die aber älter sein dürfte; sie unterstand dem Kloster Hl. Kreuz vor der Stadt. Ebenfalls dem Patronat des Hl. Kreuz-Klosters unterstand seit 1220 die südlich direkt vor M. gelegene St. Martinskirche, die aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts stammt. Die St. Urbanskirche, die 1170–1200 errichtet worden sein dürfte, ist durch einen Neubau 1691–1701 völlig überformt. Vor den Toren der Stadt gab es noch die 1468 erstmals erwähnte St. Wolfgangskirche, die dem Afra-Stift unterstand. 1471 wurde mit dem Bau der heutigen Kirche begonnen, woran sich Steinmetzen von der Baustelle der Albrechtsburg beteiligten.

Die Gründung des Benediktinerinnenklosters Hl. Kreuz wurde 1220 durch Markgraf Dietrich den Bedrängten beurkundet, doch bestand es zu diesem Zeitpunkt schon seit mindestens 1217 und wurde wohl 1220/21 aufs freie Feld im Norden vor der Stadt verlegt (Ruinen erhalten). Daneben wurde noch zwischen 1253 und 1258 ein Franziskanerkloster gegründet (heute Heinrichsplatz), mit dem Patrozinium St. Peter und Paul, das nach dem Stadtbrand 1457 neu errichtet wurde. Ob die Gründung von den Stadtherren, dem Bischof oder – was wahrscheinlicher ist – den M.er Bürgern betrieben wurde, ist nicht bekannt. Das Kloster wurde in Folge der Reformation 1539 aufgehoben (sich bis 1568 hinziehend) und vom Stadtrat in eine städtische Lateinschule umgewandelt.

Vor der bfl.en Burg stiftete Bischof Dietrich II. 1205 an einer bereits bestehenden Pfarrkirche das Augustiner-Chorherrenstift St. Afra, das im Zuge der Einführung der Reformation 1540 aufgehoben wurde, und in dem Herzog Moritz 1543 eine Landesschule als Gymnasium (Internat für begabte Schüler) einrichten ließ. St. Afra fungierte zumindest im 13. Jahrhundert als eine Art Nebenstift des Doms; für 1392 sind 18 Chorherren belegt, mehrfach erscheinen Chorherren im 13. und 14. Jahrhundert in der Umgebung der Bischöfe von Meißen.

1221 wird erstmals das Lorenzspital bzw. Lorenzhospital (mit Laurentiuskapelle) erwähnt, das über einen größeren Gebäudekomplex verfügte, zudem reich dotiert war. In der Reformation wurde es aufgelöst, Herzog Moritz von Sachsen schenkte es 1544 der Stadt zur Unterstützung des ebenfalls bestehenden Bürgerspitals.

Über die Förderung des geistlichen Lebens (außerhalb der Domkirche) und über die Existenz geistlicher Bruderschaften ist bislang nichts bekannt.

In M. wohnten seit dem 13. Jahrhundert Juden. 1286 wird der Jüdenberg als Friedhof erwähnt, 1320 wird eine jüdische Schule am Neumarkt erwähnt. 1349 übereignete Markgraf Friedrich II. den Jüdenberg als Viehweide, die Gemeinde dürfte vernichtet worden sein. 1377 kamen der jüdische Grundbesitz an die Stadt, die Judenschule zur Nikolaikirche.

(4) Sowohl die Markgrafen als auch die Burggrafen und die Bischöfe verfügten über Befestigungen auf dem Burgberg. Die Albrechtsburg behielt als nur sporadisch genutzte Residenz und Amtssitz ihre Bedeutung bis in die frühe Neuzeit hinein, die der Burggrafen ging im Laufe des Spätmittelalters in den Besitz der Markgrafen über.

Die bischöfliche Burg bzw. der bischöfliche Hof befand sich südöstlich der Kathedrale. Der Gebäudebestand ist nicht erhalten (erwähnt wird z. B. eine Maria-Magdalenen-Kapelle). Der Platz des heutigen Bf.sschlosses, der zur Stadt hin steil abfiel, war bis ins 15. Jahrhundert nicht bebaut. Bischof Johannes V. von Weißenbach (1476–1487) begann mit einem Neubau, der erst von Johannes VIII. von Maltitz (1537–1549) mit dem Torhaus vollendet wurde. An der südöstlichen Ecke der Anlage liegt ein mächtiger Rundturm, der die bfl.en Wohnräume enthielt. Nicht nur dieser Turm, sondern das gesamte Schloss wurde als Liebenstein bezeichnet. Bischof Johann von Weißenbach und seine Nachfolger bis zur Abdankung Johannes IX. von Haugwitz 1581 haben sich dort nur gelegentlich aufgehalten.

Die Befestigung der Burggrafen befand sich im Südwesten des Burgberges. Abgesehen von der Schlossbrücke sind kaum sichtbare Reste vorhanden. Es handelte sich um eine abgeschlossene Burganlage mit Palas (erwähnt 1298 und 1323), Kapelle (St. Ägidius) und einem hohen Rundturm (Weißer Turm, vor 1607 abgebrochen). Die Baubestandteile sind teils aus alten Ansichten, teils aus Schriftzeugnissen bekannt (wichtige Beschreibung im Forchheimer Schied 1435), die im Zuge der Auseinandersetzung mit den Wettinern entstanden sind, die die Rechte der Burggrafen seit dem frühen 14. Jahrhundert zunehmend einschränkten, was sich in den Besitzverhältnissen ausdrückte: Seit 1308 befand sich der Weiße Turm in der Hand der Wettiner. Die Funktion als burggräfliche Burg endete gänzlich, als die Wettiner dem vom Kaiser 1426 belehnten neuen Burggrafen aus der Familie der Vögte von Plauen den Zugang verweigerten.

Die markgräfliche Burg schließlich nahm den nordöstlichen Bereich des Burgberges ein. Über die Befestigung des Hochmittelalters haben auch die jüngsten Ausgrabungen keine Ergebnisse erbracht. Zwischen 1090 und 1200 wurde eine Burg westlich des zu dieser Zeit kürzeren Doms errichtet, die einen mächtigen Turm im Westen – gegenüber der Bggf.enburg – aufwies. Ob dies der Rote Turm war, an dem das markgräfliche Landgericht tagte, ist unsicher; Grabungsbefunde könnten dafür sprechen, dass der Rote Turm im 13. Jahrhundert nördlich der Domkirche lag. Zur Mkgf.enburg gehörte die St. Johannes-Kapelle (1292 erwähnt). Umfangreiche Baumaßnahmen unter Markgraf Wilhelm I. sind durch die M.er Amtsrechnungen 1389–1410 belegt. Über das Aussahen der älteren Burg sind kaum Aussagen möglich, da sie von der 1471 begonnenen Albrechtsburg überbaut wurden. Ob die Albrechtsburg von vornherein dafür geplant wurde, zwei Hofhaltungen aufzunehmen, nämlich die Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts, ist umstritten; ihren Namen trägt sie erst seit einer Anordnung Kurfürst Johann Georgs II. von 1676. Die Bauausführung oblag dem sächsischen Landbaumeister Arnold von Westfalen, nach dessen Tod 1482 seinem Schüler Konrad Pflüger (Fertigstellung allein der Westfassade des Nordflügels 1489, Innenräume erst nach 1521 Baumeister Jakob Heylmann von Schweinfurt). Hervorzuheben ist der Große Wendelstein, der Haupttreppenturm, der den Zugang zu den fsl.en Gemächern, aber auch direkt zum Dom vermittelt. In den Räumen der ungenutzten Albrechtsburg wurde 1710 die erste Porzellanmanufaktur Europas eingerichtet, größere Umbauten gab es nur in Ansätzen, vor allem im Wirtschaftstrakt (Anlage eines Tiefbrunnens, Neubau eines Brennhauses [1865 abgebrochen]).

In der Stadt gab es zudem Domherrenhöfe, von denen heute noch ein Gebäude des 15. Jahrhunderts in der Straße Freiheit (der einzigen auf dem Afraberg verlaufenden Straße) erhalten ist. An kommunalen Bauten ist das Rathaus zu nennen, das als repräsentativer Bau die Nordseite des Marktes einnimmt. Ursprünglich waren über dem Eingangsportal das städtische und das fürstliche Wappen angebracht (das 1865 angebrachte Stadtwappen nennt das Jahr 1479, doch ist der Bau wohl schon 1472 begonnen worden, 1481 war er nicht fertig). Ein älterer Bau dürfte in ihm aufgegangen sein. Im 1475 erwähnten Ratskeller wurden fremde Biere (aus Torgau, Wurzen und besonders aus Freiberg) verzapft.

Die älteste Stadtansicht wurde 1558 von Hiob Magdeburg, Lehrer an der M.er Fürstenschule, angefertigt; sie zeigt die Stadt von Osten und ist topographisch recht genau. Die Darstellung fand Aufnahme in Nachdrucken von Sebastian Münsters »Cosmographei«.

(5) M. war Mittelpunkt einer sehr ausgedehnten Diözese, die seit dem 12. Jahrhundert neben dem Großteil der Mark Meißen und der Oberlausitz auch die Niederlausitz umfasste. Da die M.er Elbbrücke die einzige trockene Elbquerung zwischen Dresden und Torgau war, erlebte M. in Kriegszeiten Truppendurchzüge und Zerstörungen, so z. B. im Dreißigjährigen Krieg 1632, Wiederaufbau bis 1664. Für die Ansiedlung der Porzellanmanufaktur war ausschlaggebend, dass M. an der Chaussee zwischen Dresden (Sitz des Hofs) und Leipzig (Messeort) lag, was den Absatz begünstigte.

(6) M. ist auf der einen Seite durch die Präsenz von gleich drei Herrschaftsträgern seit dem Hochmittelalter ein besonders interessanter Residenzort, doch zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Burggrafen und die Bischöfe sich schon im Laufe des späten Mittelalters aus M. zurückgezogen haben bzw. verdrängt wurden. Davon profitierten die Wettiner, die M. seit 1400 zu ihrem Memorialzentrum erhoben und die Residenz seit 1471 repräsentativ ausbauten, nach der Leipziger Teilung 1485 aber das Interesse daran verloren (detaillierte Itinerarauswertungen fehlen aber für die Zeit ab 1428). Als Residenz hat M. seitdem keine Rolle mehr gespielt. Erst seit dem 19. Jahrhundert erfuhr M. eine neuerliche Aufwertung und wurde zum hervorragenden Erinnerungsort der sächsischen Geschichte.

(7) Die Bestände des Stadtarchivs Meißen wurden für Fragen der Residenzgeschichte noch nicht ausgewertet. Stadtrechnungen sind für den Zeitraum 1460–1477 und lückenhaft ab 1530 erhalten.

Codex diplomaticus Saxoniae regiae II, Bde. 1–4 (1864–1873). – Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung, hg. von Robert Holtzmann, Berlin 1935 (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum germanicarum, Nova series, 9). – Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, Bd. 2: M–Z, hg. von Ernst Eichler und Hans Walther, bearb. von Ernst Eichler, Volkmar Hellfritzsch, Hans Walther und Erika Weber, Berlin 2001 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, 21), S. 25 f. – Die Grabmonumente im Dom zu Meißen, hg. von Matthias Donath, Leipzig 2004 (Quellen und Materialien zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 1). – Briefe der Herzogin Sidonia von Sachsen (1449 – 1510) an ihren Sohn Georg (1471 – 1539), bearb. von Sven Rabeler, Alexandra Kursawe und Claudia Ulbrich, Kiel 2009 (Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Sonderheft 11).

(8)Loose, Wilhelm: Die Topographie der Stadt Meißen, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen 3 (1891) S. 76–156, 4 (1897) S. 511–531, 5 (1899) S. 248–254. – Loose, Wilhelm: Der Meißner Domklerus zur Zeit der Reformation, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Stadt Meissen 4 (1897) S. 347–367. – Riehme, Erich: Markgraf, Burggraf und Hochstift Meißen. Ein Beitrag zur Geschichte der Entwicklung der sächsischen Landesherrschaft, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meissen 7 (1909) S. 161–255 und 429–483. – Gurlitt, Cornelius: Meißen (Stadt, Vorstädte, Afrafreiheit und Wasserburg), Dresden 1917 (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler in Sachsen, 39). – Gurlitt, Cornelius: Meißen (Burgberg), Dresden 1919 (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler in Sachsen, 40). – Pannach, Heinz: Das Amt Meissen vom Anfang des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Studien zur Sozialstruktur, Verfassung und Verwaltung, Berlin 1960 (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, 5). – Rittenbach, Willi, Seifert, Siegfried: Geschichte der Bischöfe von Meißen 968–1581, Leipzig 1965 (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte, 8). – Die Albrechtsburg zu Meißen, hg. von Hans-Joachim Mrusek, Leipzig 1972. – Dehio, Kunstdenkmäler: Sachsen I (1996), S. 553–613. – Kobuch, Manfred: Der Rote Turm zu Meißen – ein Machtsymbol wettinischer Landesherrschaft, in: Landesgeschichte als Herausforderung und Programm. Karlheinz Blaschke zum 70. Geburtstag, hg. von Uwe John u. a., Stuttgart 1997, S. 53–89. – Pannach, Heinz: Das Burggrafenschloss zu Meissen. Bauwerke des Burggrafenhofes einst und heute, Oschatz 2000. – Baudisch, Susanne, Butz, Reinhardt, Streich, Brigitte: Art. „Meissen“, in: Höfe und Residenzen I,2 (2003), S. 371–376. – Donath, Matthias: Das Bischofsschloß in Meißen, in: Monumenta Misnensia. Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg zu Meißen 6 (2003/2004) S. 62–113. – Fichte, Stefan: Der Hof der Bischöfe von Meißen vom 12. bis 14. Jahrhundert, in: Monumenta Misnensia. Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg zu Meißen 6 (2003/2004) S. 53–61. – Bünz, Enno: Die Reformation in Meissen. Zum Zusammenhang von Stadt- und Fürstenreformation im Herzogtum Sachsen, in: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Festschrift für Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, hg. von Joachim Bahlcke u. a., Leipzig 2006, S. 263–286. – Donath, Matthias: Die spätmittelalterlichen Residenzen der Bischöfe von Meißen, in: Monumenta Misnensia. Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg zu Meißen 8 (2007/8) S. 58–85. – Wittig, Martin: Die Bautätigkeit Markgraf Wilhelms I. von Meißen im 14. und 15. Jahrhundert auf dem Burgberg zu Meißen, in: Monumenta Misnensia. Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg zu Meißen 8 (2007/8) S. 196–202. – Naumann, Günter: Stadtlexikon Meißen, Beucha 2009. – Christl, Andreas: Der Weg Meißens zur Bürgerstadt. Das 12./13. Jahrhundert im Spiegel von schriftlichen und materiellen Quellen, in: Die Frühgeschichte Freibergs im überregionalem Vergleich. Städtische Frühgeschichte – Bergbau – früher Hausbau, hg. von Yves Hoffmann und Uwe Richter, Halle a. d. Saale 2013, S. 65–76. – Schirmer, Uwe: Art. „Meißen“, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, hg. von Albrecht Cordes u. a., Berlin 22015, Sp. 1430 f. – Wiegand, Peter: Die Hieronymusgesellschaft Kurfürst Friedrichs II. von Sachsen. Eine wettinische Hofstiftung von 1450 und ihr antihussitischer Kontext, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 87 (2016) S. 59–120.

Enno Bünz