Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Blankenburg (Harz)

Blankenburg (Harz)

(1) Burg und Stadt B. liegen im nördlichen Harzvorland, westlich von Quedlinburg, südlich von Halberstadt und östlich von Wernigerode. 1052 waren die Grafschaftsrechte in dem Raum, in dem B. liegt, vom König an den Bischof von Halberstadt verliehen worden. Ministeriale, die sich nach der B. benennen, erschienen 1123/25 und öfter als Zeugen bei Rechtsakten zwischen dem Herzog von Sachsen und dem Halberstädter Bischof König Lothar von Süpplingenburg hielt auf der B. mehrmals Gericht ab. Mit Poppo erscheint 1139 das erste Mal ein Graf von B.; dieser war ein Verwandter des Halberstädter Bf.s und in den 1140er/50er Jahren Lehnsmann der sächsischen Herzöge Die Nachkommen Poppos († 1162) teilten sich in eine B.er und eine Regensteiner Linie. Die Burgen B., Regenstein (ca. drei Kilometer nördlich B.s) und die erst 1263 erworbene Heimburg (etwa fünf Kilometer nordwestlich B.s) waren bis zum 15. Jahrhundert die namenführenden Hauptsitze der B.-Regensteiner Linien. Bei der Benennung der Grafschaft wurde seit Anfang des 13. Jahrhunderts durchweg Regenstein oder Reinstein an den Anfang gestellt, da dieses als bfl.es Lehen vor dem weltlichen B. rangierte, zumal Regenstein wirtschaftlich ertragreicher war. Dynastisch folgten die Heimburger 1343 in Regenstein und noch vor 1349 in B. nach, behielten die Zweiteilung aber bei; die Heimburg galt nun bis Ende des 15. Jahrhunderts als Stammsitz und Herrschaftsmittelpunkt der Familie. 1487 wurden beide Linien in der Hand Graf Ulrichs VIII. vereinigt, der wie seine Nachfolger (er starb bereits 1489) B. bevorzugte; Burg Regenstein wurde dem Verfall preisgegeben. Um 1500 war B. unter Graf Ulrich [IX.] (1441–1524, reg. ab 1489) eindeutig Residenz geworden und blieb es bis zum Ende der Dynastie.

Mit dem Aussterben der Grafen 1599 fiel die Grafschaft an den Bischof von Halberstadt, zu dieser Zeit Hz. Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, der die Grafschaft zugleich für die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel und das Hochstift inkorporierte. In der Folge wurden unter dessen Enkeln die welfischen Lande 1635 neu verteilt; Regenstein-B. erlebte kurz nacheinander mehrere Besitzerwechsel, bis die Grafschaft 1651 allein an die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel fiel. Von 1690 bis 1731 regierte Herzog Ludwig Rudolf, der jüngere Bruder des in Wolfenbüttel residierenden Fürsten August Wilhelm, die Grafschaft von B. aus als einer Art Apanagefürstentum. In dieser Zeit wurde die Grafschaft 1707 von Kaiser Joseph I. zu einem Reichsfürstentum erhoben. Ludwig Rudolf folgte 1731 seinem Bruder in Braunschweig-Wolfenbüttel nach; B. verlor seine Selbständigkeit, blieb aber Fürstensitz bis 1945. 1796 zogen kurzfristig hochadlige Emigranten aus Frankreich ein.

(2) Die Ausbildung einer Stadt erfolgte nur bei der B., nicht jedoch bei den Burgen Regenstein und Heimburg. Um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert wurde die B., die im Zuge des Krieges gegen Heinrich den Löwen 1181 zerstört worden war, wieder errichtet und erweitert. Wohl gleichzeitig entstand unterhalb der Burg die, wie an den im Leitersystem, mit der Hauptstraße in der Mitte befindlichen Straßen zu erkennen ist, planmäßig angelegte Stadt mit der 1203 bezeugten Bartholomäuskirche. Eine Stadtmauer mit vier Toren wird erstmals 1305 erwähnt. Die Hauptstraße (heute Tränkestraße) steigt zum Markt hin an und führt weiter als Schulstraße um Rathaus und Pfarrkirche herum und weiter unter dem Straßennamen Schlossberg den Burgberg hinauf. Das Rathaus und die Pfarrkirche St. Bartholomäus stehen hangaufwärts am Übergang der städtischen Befestigung zur Ummauerung der Burg.

Obwohl B. bereits vor 1349 als Civitas bezeichnet wurde, ist ein Rat erst 1389 nachweisbar. Das aus dem 14. Jahrhundert überlieferte Siegel der Stadt zeigt u. a. das Wappen der Grafen von Regenstein-B., welches aus der Mitte des 13. Jahrhunderts bekannt ist. 1531 war B. mit 206 Haushalten, was auf weniger als 1000 Einwohner schließen lässt, die größte Stadt der Grafschaft In ungünstiger Verkehrslage war B. wirtschaftlich in erster Linie wohl agrarisch geprägt. Bier bezog der Hof nach Ausweis von Rechnungen des B.er Vogtes aus Wernigerode und Halberstadt, nicht aus B. (dennoch konnte Bier gebraut worden sein, es wurde nur nicht gegen Bezahlung an die gräfliche Tafel geliefert). Einen Aufschwung erlebte die städtische Wirtschaft vermutlich durch die Baumaßnahmen zur Umgestaltung des Schlosses 1705–1718 unter Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel.

(3) Bei der Burgkapelle war vor 1199 ein Zisterzienserinnenkloster errichtet worden, das erst 1305 im Rahmen einer umfangreichen Neuordnung einen eigenen Kaplan erhielt (vorher vom Burgkaplan mitbetreut). Städtische Pfarrkirche war die urkundlich erstmals 1203 bezeugte St. Bartholomäuskirche, deren Bau wohl zusammen mit der Burg bereits in den 1180/90er Jahren begonnen worden sein dürfte. Da bei dieser Kirche ein 1250 genanntes Kanonikerstift bestand, übernahm die St. Katharina-Kirche die Funktion der Pfarrkirche. Im Zuge der Reformation wurde St. Bartholomäus 1532 wieder zur Stadtpfarrkirche umgewandelt. Für die 1580er Jahre ist belegt, dass der Stadtpfarrer zugleich Superintendent über die Kirchen der Regensteiner Herrschaft war. In der Kirche gab es eine Kapelle, die ausdrücklich als »der Herren Kapelle« bezeichnet wurde, in der 1594 Graf Botho und im Jahr darauf seine Ehefrau beigesetzt wurden. Über die Reformation hinweg diente die Bartholomäuskirche der Memoria der Grafen, wie mehrere Grabsteine und Epitaphien, das älteste des 1410 verstorbenen Graf Ulrich VII., das jüngste des 1597 verstorbenen Grafen Martin, zeigen. Als bemerkenswert gelten die Grabmale der 1539 verstorbenen Anna, Witwe Graf Ulrichs IX., dessen obere Hälfte in Linienrelief den Oberkörper einer Frau zeigt, und das des Grafen Ernst († 1581) in Form einer ganzfigurigen Plastik.

1308 wurde das am Kloster Michaelstein (fünf Kilometer von B. entfernt) gestiftete Hospital, das von den Grafen besonders gefördert wurde, nach B. verlegt und im Norden der Stadt erbaut, eventuell der Katharinenkirche angeschlossen.

(4) Der früheste Nachweis für die Erbauung des Rathauses stammt von 1433. Repräsentativ ausgebaut wurde es 1546, indem ein fünfseitiger Treppenturm der Hauptfront angefügt wurde. Bezeichnend ist, dass Graf Ernst I. 1565 in der »Großen Stube« des Rathauses seine Regierungskanzlei einrichtete und zusagte, das Gebäude um ein Geschoss zu erhöhen (fertiggestellt erst 1583/84 auf Kosten der Stadt). 1577 wurden Fenster und Portale zur Marktseite hin im Stil der Renaissance ausgeschmückt.

In den Jahren 1581 bis 1586 wurden an der St. Bartholomäuskirche größere Restaurierungsarbeiten durchgeführt, die nach Ausweis der aus dem Jahr 1582 überlieferten Baurechnungen vom Halbbruder des regierenden Grafen durch Lieferung von Bauholz unterstützt wurden. Mehrere landesherrliche Amtsträger wie auch der Pfarrer/Superintendent beteiligten sich am Vorhaben und ließen z. T. ihre Wappen anbringen.

Bis 1307 gab es einen bis an das Cattenstedter Tor heranreichenden Adelshof, der im Besitz der Großmutter Graf Heinrichs von B. war. Die Familie von Lunderstedt besaß ebenfalls einen Adelshof. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts vertrat der B.er Amtmann Hans von Lunderstedt den Grafen mehrmals auf Tagen des Niedersächsischen Reichskreises, 1535–1541 vertrat er Graf Ulrich X. als Regent, als dieser vor den exorbitant hohen Schulden aus der Herrschaft gewichen war.

(5) Beziehungen zum Umland und zu anderen Städten sind spärlich überliefert. 1389 stand B. zusammen mit Wernigerode auf Seiten der Grafen von B. und denen von Wernigerode den im Nordharzbund zusammengeschlossenen Städten Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben entgegen. Die Städte des Nordharzbundes hatten mit dem Bischof von Halberstadt einen Frieden mit den Grafen geschlossen, der eine mehrjährige Fehde beendete; die Städte B. und Wernigerode fungierten als Garanten zugunsten ihrer Grafen Hintergrund war, dass die beiden Grafen unter anderem zur Belebung der Wirtschaft ihrer Städte den Fernverkehr von Aschersleben, Quedlinburg und Halberstadt weg auf die Harzrandstraße über B. und Wernigerode umleiten und zugleich die Münzhoheit des Halberstädter Bf.s unterhöhlen wollten.

Als Münzstätte wird B. 1334 erwähnt, über die Dauer des Betriebs ist nichts bekannt. Mitte des 16. Jahrhunderts nahm der Graf die in B. bis dahin vermutlich ruhende Münzprägung wieder auf. 1555 schloss er sich mit den Hzg.en von Braunschweig-Lüneburg, dem Domkapitel zu Halberstadt sowie den Städten Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Einbeck, Hameln und Northeim zur Währungsunion der Braunschweiger Münzgenossenschaft zusammen. Die B.er Münzen erhielten wegen ihrer Unterwertigkeit einen zunehmend schlechten Ruf. Als 1570/71 der Niedersächsische Kreis die Münzstätten neu festlegte, befand sich B. nicht mehr darunter. 1596 unternahm Graf Martin einen erneuten Versuch zur Münzprägung, der wenige Jahre später durch seinen Tod beendet wurde.

Ausgaberechnungen des Hofes aus der Mitte des 15. Jahrhunderts belegen, dass Graf Bernhard V. Wein aus dem Elsass und Bier aus Einbeck importieren ließ, Halberstädter, Wernigeroder und Thaler Bier lediglich für das Gesinde zuließ; B.er Bier wird nicht erwähnt, stattdessen erscheinen Fuhrkosten für Bier in einzelnen Vogteirechnungen. Seine Gemahlin erwarb kostbare, gefärbte Stoffe in Magdeburg, was darauf hindeutet, dass sie in B. nicht zu bekommen waren.

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren die Grafen hoch verschuldet, nicht zuletzt wegen zahlreicher Umbaumaßnahmen an Burg bzw. Schloss und des Beschreitens untauglicher Wege zur Geldbeschaffung bis hin zu alchimistischen Versuchen der Goldherstellung. 1535–1541 zog sich Graf Ulrich aus den Regierungsgeschäften zurück. In dieser Zeit übernahm der Stadtrat, beginnend 1540, im Laufe von zehn Jahren Bürgschaften in Höhe von über 30.000 Gulden, ca. 12 % der gfl.en Schulden abdeckend.

(6) In der Grafschaft Regenstein-B. war B. der einzige Burgort, der eine Entwicklung zur Residenzstadt erlebte, Regenstein und Heimburg behielten dörflichen Charakter. Bezeichnend ist, dass Stadtmauer und Burgmauer ineinander übergingen, die städtische Topographie durch die Hauptstraße (Tränkestraße) auf den Zugang zur Burg ausgerichtet war. Als Residenzstadt im engen Sinne kann man B. für die Zeit 1487–1599 verstehen. Bezeichnend für die Nähe ist, dass städtisches Rathaus und landesherrliche Regierung (sicher seit 1565) in einem Gebäude untergebracht waren.

Die verkehrsgeographisch relativ abseitige Lage wirkte sich auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nachteilig aus, B. hatte als Markt keine überregionale Bedeutung; als solche fungierten die Hansestädte Halberstadt und mehr noch das an der Elbe gelegene Magdeburg.

(7) Regensteiner »Hausarchiv«: Niedersächsisches Staatsarchiv in Wolfenbüttel, 60 Urkunden, 1 Blg (Akten), VII A Handschriften 27–45 a. – Chronicon Quedlinburgense, hg. von Caspar Abel, in: Sammlung etlicher noch nicht gedruckten Chronicken, als der nieder-sächsischen, halberstädtischen, quedlinburgischen, ascherslebischen und ermslebischen, Braunschweig 1732, S. 479–524. – Codex diplomaticus Anhaltinus (1867–1883). – Urkundenbuch der Stadt Halberstadt, 2 Bde., bearb. von Gustav Schmidt, Halle a. d. Saale 1878/79 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 7). – Urkundenbuch der Stadt Quedlinburg, 2 Bde., bearb. von Karl Janicke, Halle a. d. Saale 1873/1882 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 1–2). – Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, hg. von Gustav Schmidt, 4 Bde., Leipzig 1883–1889 (Publicationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven, 17/21/27/40). – Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis, bearb. von George Adalbert von Mülverstedt, 3 Tle., Magdeburg 1876–1899. – Fenske, Lutz, Schwarz, Ulrich: Das Lehnsverzeichnis Graf Heinrichs I. von Regenstein 1212/1227. Gräfliche Herrschaft, Lehen und niederer Adel am Nordostharz, Göttingen 1990 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 94).

(8)Steinhoff, Rudolf: Das Bartholomäus-Kloster und die Bartholomäus-Kirche in Blankenburg, in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 18 (1885) S. 161–179. – Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Blankenburg, bearb. von Karl Steinacker, Wolfenbüttel 1922. – Winnig, G. C.: Ratsmeister, Bürgermeister und Ratskämmerer der Stadt Blankenburg am Harz (1378–1938). Nach urkundlichen Nachrichten und Benutzung der städtischen Akten zusammengestellt, in: Ekkehard. Vereinsmitteilungen 14 (1938) S. 337 ff. – Allewelt, Werner: Die Grafschaft Blankenburg zur Zeit Herzog Augusts, in: Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579–1666, Wolfenbüttel 1979. – Petke, Wolfgang: Art. „Blankenburg, Gft.“, in: LexMa II (1983) Sp. 262. – Schwineköper, Berent: Blankenburg am Harz, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 11: Provinz Sachsen-Anhalt (1987). – Behrens, Heinz A.: Der Regenstein. Besiedlung und Geschichte der Grafen bis 1500, Wernigerode 1989. – Blankenburg in Mittelalter und Früher Neuzeit (1993). – Fenske, Lutz: Zur Geschichte der Grafen von Regenstein vom 12. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Blankenburg in Mittelalter und Früher Neuzeit (1993), S. 7–34. – Behrens, Heinz A.: Die Burgen der Blankenburg-Regensteiner Grafen, in: Blankenburg in Mittelalter und Früher Neuzeit (1993), S. 35–63. – Wegner, Hartmut: Der Blankenburger Hof im 18. Jahrhundert, in: Blankenburg in Mittelalter und Früher Neuzeit (1993), S. 75–92. – Voigt, Gerlinde: Blankenburg. Residenz/Lustgarten/Kleines Schloss, Blankenburg 1996. – Soffner, Monika: Blankenburg. Pfarrkirche St. Bartholomäus, Passau 1993 (Peda-Kunstführer, 84). – Behrens, Heinz A., Wegner, Hartmut: Das Ende einer Dynastie. Zum 400. Todestag des Grafen Johann Ernst von Regenstein, Jena/Quedlinburg 1999. – Behrens, Heinz A.: Graf Albrecht II. von Regenstein (Heimburg), in: Zwischen Herrschaftsanspruch und Schuldendienst. Beiträge zur Geschichte der Grafschaft Regenstein, hg. von Heinz A. Behrens, Jena/Quedlinburg 2004, S. 9–38. – Schwarz, Ulrich: Die Vögte der Grafen von Regenstein und ihre Abrechnungen im 15. Jahrhundert, in: Zwischen Herrschaftsanspruch und Schuldendienst (2004), S. 39–55. – Aufgebauer, Peter: Das Schuldenwesen der Grafen von Regenstein und der Hoffaktor Michel von Derenburg (gest. 1549), in: Zwischen Herrschaftsanspruch und Schuldendienst (2004), S. 57–72. – Römer, Christoph: Die Grafen von Regenstein-Blankenburg als Stand des Reiches und des Niedersächsischen Reichskreises, in: Zwischen Herrschaftsanspruch und Schuldendienst (2004), S. 73–90. – Feicke, Bernd: Mette von Thale (ca. 1415–ca. 1450), in: Quedlinburger Annalen 10 (2007) S. 126. – Böcker, Heidelore: Art. „Blankenburg-Regenstein“, in: Höfe und Residenzen IV,1 (2012), S. 198–219.

Heidelore Böcker