Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Wolfenbüttel

Wolfenbüttel

(1) W. liegt im nördlichen Harzvorland im überschwemmungsgefährdeten Tal der im Oberharz entspringenden Oker, die hier gequert werden konnte. Die Siedlung erstreckt sich aus der Flußaue hinaus bis in die leicht wellige, von niedrigen Höhenzügen geprägte Umgebung hinauf. Innerhalb der Stadt beträgt der Höhenunterschied etwa 50 m, das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Areal befindet sich auf etwa 75 m über NN. Bestimmend für die Entwicklung W.s war die Lage an einem vom Niederrhein über Hildesheim und weiter über Schöningen nach Magdeburg führenden Handelsweg sowie die unmittelbare Nähe zu Braunschweig.

W. ist der südlichste aller 222 belegten Orte mit dem Namensgrundwort »–büttel« (so viel wie ›Gebautes, Siedlung‹ bedeutend), deren Entstehungszeit bis in das 7./8. Jahrhundert zurückreichen; der Ortsname wird als Siedlung des Wulfher gedeutet. Die Anfänge der späteren Stadt W. sind unbekannt, die aktuelle Forschung geht von einer Gründung im 10. Jahrhundert aus. Der Ortsname ging vermutlich auf die Wasserburg und deren Herren über, die wohl zum Schutz der Okerquerung angelegt worden war, die im Laufe des Hochmittelalters die bis dahin bedeutendere Okerfurt bei Ohrum ablöste. Der erste sichere Nachweis W.s stammt aus einer im 14. Jahrhundert kopierten Urkunde des Jahres 1118, desweiteren aus einer in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts gefälschten Urkunde für das Jahr 1130, die die Existenz eines Ministerialensitzes wohl im westlichen Bereich der Okerniederung belegen. 1192 wurde die Burg im Ministerialenaufstand gegen die welfischen Herzöge zerstört. Dennoch befand sich die Burg bis zu ihrer erneuten Zerstörung und endgültigen Inbesitznahme durch Herzog Albrecht I. von Braunschweig 1255 in der Hand der Ministerialenfamilie von W., die sich seit dem 13. Jahrhundert nach der vom Reichstruchseß Gunzelin errichteten Asseburg benannte.

Im 14. Jahrhundert erscheint W., zu dieser Zeit Sitz eines Vogtes, verstärkt als Aufenthaltsort der welfischen Herzöge Es entwickelte sich zum dauerhaften Sitz des mittleren Hauses Braunschweig und damit zum Verwaltungsmittelpunkt des Fsm.s Braunschweig-W. Die konfessionspolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem katholischen Herzog Heinrich II. d. J. (reg. 1514–1568) und der 1528 zum Protestantismus übergetretenen Stadt Braunschweig forcierte den Ausbau W.s als Residenzort. Unter den Hzg.en Julius (1568–1589) und Heinrich Julius (1589–1613) erlebte W. ein Wachstum, das durch den Dreißigjährigen Krieges ein Ende fand. Nach dem Aussterben der W.er Linie der Welfen 1634 und mit dem Goslarer Akkord von 1642 ging W. in den Besitz Hzg.s August d. J. von Braunschweig-Danneberg (1635–1666) über, unter dessen Regierung W. wiederaufgebaut wurde (u. a. Bibliothek, nachmalige Herzog August Bibliothek). Unter den Hzg.en Rudolf August (1666–1704) und Anton Ulrich (1685–1714) wurde das Stadtbild nachhaltig geprägt (Bibliotheksrotunde, Trinitatiskirche). Mit der Eroberung der Stadt Braunschweig 1671 und dem Bau des dortigen Residenzschlosses 1717–1735 sowie der Ansiedlung zentraler Landesbehörden in Braunschweig verlor W. schleichend seine zentrale Funktion, was durch den Wegzug des Hofs 1753 besiegelt wurde. Einzig Bibliothek, Archiv und Konsistorium verblieben in W.

(2) Ausgangspunkt der späteren Stadtwerdung war die der Burg östlich vorgelagerte Dammsiedlung bei der Longinuskapelle. Weder diese noch die südöstlich gelegene Siedlung um die Marienkapelle konnten von der zunehmenden Bedeutung der Burg als hzl.em Aufenthaltsort profitieren. Im Bereich der Longinuskapelle (siehe unter [3]) sind im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts eine Badestube, eine Zollstelle und eine Wassermühle nachgewiesen. Um 1500 wurde die Dammsiedlung mit der Burg zur Dammfeste vereinigt, wo sich Wirtschaftsgebäude, Häuser von Hofamtsträgern, Kanzlei, Münze und Hofdruckerei befanden. Früheste Ansätze kommunaler Organisationen sind unter Herzog Heinrich d. J. zu fassen: Spätestens 1538 bemühten sich die Schneider um ein Gildeprivileg, und 1540 erließ Heinrich d. J. eine Ordnung, die die Bestellung zweier Bürgermeister vorsah. Der Stadtherr ließ sich ansonsten vom Großvogt vertreten, vor ihm war der Bürgereid zu leisten.

Im Schmalkaldischen Krieg 1542–1547 hatte W. schwer zu leiden. Die im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts ergriffenen Maßnahmen fanden in gezielter Konkurrenz zur Stadt Braunschweig statt. 1570 verlieh Herzog Julius der Siedlung Zu unserer Lieben Frauen (nach der Marienkapelle) Marktrecht, Stadtwappen und – zu Ehren seines Vaters – den Namen Heinrich-Stadt. Das Wappen, ein springendes Pferd vor einer Säule, entsprach der Helmzier des hzl.en Wappens. Für die Heinrichstadt wurde ein Bauprogramm verfügt, wonach die Straßenzüge auf die Bastionen der Dammfeste hin ausgerichtet sein sollten. Gleichzeitig wurden die Wasserwege der Oker nach niederländischem Vorbild zu einem Grachtensystem ausgebaut und ein neuer Stadtteil, die Neue Heinrichstadt, angelegt.

Das Areal der heutigen Zimmerhöfe, das noch unter Herzog Julius (1568–1589) vor allem dem Baugewerbe diente, wurde durch Herzog Heinrich Julius dem Heinrichstädter Rat entzogen, zur sogenannten Freiheit erhoben und zum Zentrum von Handel und Gewerbe. An ihrem südlichen Rand entstand um 1602 aus der 14 Jahre zuvor fertig gestellten Neuen Mühle ein Handels- und Hochzeitshaus mit Festsälen und einer Schänke, die sogenannte Kommisse. Die Heinrichstadt hingegen diente vor allem den Wohnzwecken der Hofamtsträger. Erst unter Julius wurden die Ansätze zur städtischen Selbstverwaltung ausgebaut.

Unter Herzog Heinrich Julius (1589–1613) wurde die Heinrichstadt mit dem Ziel, Regierungssitz und Mittelpunkt der Landesverwaltung zu werden, weiter ausgebaut. Um 1590 wurde ein sumpfiges Areal trockengelegt und der heutige Stadtmarkt geschaffen. Seitdem fanden an dieser Stelle gemäß der Marktordnung von 1585 zwei Wochenmärkte statt. Eines der hier errichteten repräsentativen Wohnhäuser wurde 1602 vom Heinrichstädter Rat erworben und zum Rathaus umgebaut. Auf der Westseite des Stadtmarktes entstand 1608/09 rechtwinklig zum Rathaus das Waagehaus, in dessen Obergeschoss ein Fest- und Tanzsaal angelegt wurde. Um 1624/25 wurde schließlich durch die Erweiterung des Rathauses nach Osten Waagehaus und Rathaus miteinander verbunden. Die Heinrichstadt wurde um 1580 mit der »Neuen Heinrichstadt« und um 1590 mit der »Freiheit« zu einer einheitlichen Festungsanlage ausgebaut.

Die Bevölkerungszahl stieg von etwa 200 Familien zu Mitte des 16. Jahrhunderts auf über ca. 1800 Personen, von denen 1585 etwa 600 als Hofleute nachzuweisen sind; 1626 lebten in der Heinrichstadt rund 1200 Bürger. Ab 1597 nahm nicht mehr der Großvogt, sondern ein Stadtvogt bzw. ein Schultheiß die Kontrolle über die Heinrichstadt wahr. Der Stadtschultheiß (bis 1807 das führende Verfassungsorgan), der in der Regel Rechtswissenschaften studiert hatte, wurde aus dem Kreis der hzl.en Räte und Sekretäre rekrutiert. Er hatte die hohe Gerichtsbarkeit inne, während die niedere Gerichtsbarkeit bereits 1567 auf den Rat der Heinrichstadt übertragen worden war. Der Heinrichstädtische Rat bestand aus zehn Ratsherren und zwei Bürgermeistern, die auf Vorschlag der Bürgerschaft vom Herzog verordnet wurden. Die Bürgermeister hatten ihr Amt auf Lebenszeit inne und waren von den öffentlichen Lasten und Abgaben befreit.

Anfang des 17. Jahrhunderts bestand W. aus der Dammfeste mit Schloss und Hofhaltung und den östlich vorgelagerten Bereichen Freiheit, Heinrichstadt, Neue Heinrichstadt als Wirtschaft-, Wohn- und Sakralbereich sowie der außerhalb der Festung geplanten Anlage einer Handelsgroßstadt, die die Stadt Braunschweig übertreffen sollte. Die von Herzog Julius betriebene Stadtgründung, die den Namen Gotteslager oder Juliusfriedenstadt tragen sollte, blieb allerdings unvollendet. Von den vorgesehenen 36.000 Feuerstellen wurden unter Herzog Julius lediglich 31 Häuser errichtet, in denen sich Händler, Handwerker und die Arbeiter der hzl.en Vorwerke ansiedelten. Auch wenn die Schuster und Gerber 1586 vom Herzog noch eine Gildeordnung verliehen bekamen, so wurde offensichtlich bereits in diesen Jahren das Projekt nicht mehr nachhaltig verfolgt.

Im Dreißigjährigen Krieg hatte W., das 1626 Rückzugsort des späteren König Christians IV. von Dänemark wurde, unter der Belagerung und Besetzung durch kaiserliche Truppen 1627–1643 zu leiden, rund 420 Häuser wurden zerstört. Im Zuge des Wiederaufbaus ließ Herzog August zwischen 1653 und 1658 auf dem Areal des hzl.en Lust- und Pflanzengartens westlich der Dammfestung eine Handwerkervorstadt, die Auguststadt, zur Ansiedlung von Neubürgern anlegen, in der 1663 59 Bürger wohnten, die einem Bürgermeister unterstellt waren.

Die grundlegenden Rechtsordnungen für die Heinrichstadt wurden 1602 durch Herzog Heinrich Julius publiziert. Unter den Nachfolgern wurden diese ergänzt und zusammen mit anderen hzl.en Ordnungen, so beispielsweise 1731, erneut publiziert. Bis 1747 bezogen sich diese Privilegien allein auf die Heinrichstadt; Schlossbezirk, Dammsiedlung, Auguststadt sowie das Gotteslager unterstanden weiterhin dem Residenzamt. Erst 1747 wurden durch Herzog Carl I. (1735–1780) alle Siedlungsteile vereint, dem Stadtmagistrat die Kriminaljustiz übertragen und damit auch die bisherige Konkurrenz zwischen Rat und Amtmann beseitigt. Allerdings konnte die neu gewonnene Selbstverwaltung der nunmehr offiziell W. genannten Stadt den Verlust der Residenz nicht ausgleichen. Binnen weniger Jahre sank die Zahl der Einwohner von etwa 14.000 (1748) auf unter 6000 Personen (1776).

(3) Die Oker bildete die Grenze zwischen den Diözesen Hildesheim und Halberstadt. Sowohl die außerhalb der Burg befindliche, aber für deren Bewohner zuständige Longinuskapelle, wie auch die Marienkapelle, die heutige Hauptkirche, waren der zum Bistum Halberstadt gehörigen Kirche des Ortes Lechede unterstellt. Die Pfarrrechte wurden nach dem Wüstfallen Lechedes um 1460 von der Longinuskapelle wahrgenommen. An der Marienkapelle ist seit 1395 ein von Herzog Friedrich (1373–1400) gestifteter Kaland zur Verehrung der Maria und zur Memoria des Stifters bezeugt, dem neben Mitglieder der hzl.en Familie, der W.er Großvogt ebenso angehörten wie hofnahe Handwerker und Händler. Der Kaland, dessen Zweck wohl in der Bindung des Klerus an den Hof bestand, existierte bis zur Reformation um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Wegen der kaisertreuen und lutherfeindlichen Haltung Herzog Heinrichs d. J. fand die Reformation erstmals während der Besetzung durch den Schmalkaldischen Bund zwischen 1542 und 1547 Eingang in W., doch mit der Rückkehr Heinrichs d. J. hielt wieder die katholische Konfession Einzug. An der Südseite der Marienkapelle wurde die Begräbnisstätte der 1553 in der Schlacht von Sievershausen gefallenen Söhne des Hzg.s., Karl Victor und Philipp Magnus, angebaut. 1561 erhob Heinrich d. J. die Marienkapelle zur Pfarrkirche der nunmehr umbenannten Siedlung »Zu unserer Lieben Frau«.

Erst nach dem Tod Heinrichs d. J. und der Nachfolge seines Sohns Julius’ 1568 zog das Luthertum endgültig ein. Nach 1608 wurde die Pfarrkirche »Zu unserer Lieben Frau« durch den Neubau der Hauptkirche »Beatae Mariae Virginis« ersetzt, die als hzl.e Grablege diente. Zur Beisetzung Herzog Heinrich Julius’ 1613 war allein der Chor fertiggestellt, bis 1767 wurden 29 Mitglieder des Hzg.shauses hier beigesetzt, zudem auch der Hofkapellmeister Michael Praetorius (1571–1621).

Als Ersatz für die im Zuge des Ausbaus der Stadtbefestigung 1655 abgerissene, für die Siedlung Gotteslager zuständige Dreifaltigkeits-Kirche wurde in dem 1570–1575 erbauten Kaisertor der Stadtbefestigung ein Andachtsraum eingerichtet. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde an dieser Stelle die Trinitatiskirche erbaut, die 1705 abbrannte und zwischen 1716 und 1722 durch einen Neubau ersetzt wurde. Das Material der 1655 abgebrochenen Dreifaltigkeitskirche wurde für den Bau der St. Johanniskirche in der neu gegründeten Auguststadt westlich der Dammfeste verwendet.

(4) Ab 1283 ließ Herzog Heinrich Mirabilis (1279–1322) an Stelle der zerstörten älteren Burg eine Wasserburg errichten (Grundriss, Teile des Grabens sowie der untere Teil des Schlossturms sind erhalten). Sie dominierte die östlich gelegene Dammsiedlung. Im Laufe des Spätmittelalters wurde die Burg deutlich erweitert, die wie die Siedlung 1542–1547 im Schmalkaldischen Krieg zerstört wurde (von Lucas Cranach in einem zeitgenössischen Ölgemälde dargestellt). Der Wiederaufbau begann nach 1553 (parallel mit der Grabkapelle an der Marienkirche), der ältere Wohnturm wurde zur Schlosskapelle (vollendet 1558). Unter Herzog Julius (1586–1589) erfolgte ein erneuter Umbau des Schlosses im Stil der Hochrenaissance (vollendet erst 1614 mit Fertigstellung des Hausmannsturms), zur Siedlung hin wurden neue Zugangsportale geschaffen. Einher ging damit der planmäßige Ausbau W.s zur Festung und Residenzstadt. Zwischen 1574 und 1589 wurde nach Plänen des Jülicher Baumeisters Johann Pasqualini die Dammfeste durch fünf Bastionen gesichert.

Bis zum Dreißigjährigen Krieg entstanden weitere repräsentative Bauten, so u. a. die Neue Kanzlei, ab 1608 die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in ihrer das Stadtbild beherrschenden Erscheinung und 1619 das heute durch die Herzog August Bibliothek genutzte Zeughaus. Aufgrund der Bevölkerungszunahme erstreckte sich die rege Bautätigkeit ebenfalls auf die weitgehend in Fachwerk ausgeführten Wohnbauten, die noch heute das Bild der Innenstadt prägen. Die soziale Schichtung der Bevölkerung fand dabei Ausdruck in zwei Bautypen, zum einen in dem sogenannten »Hofbeamtenhaus«, große, repräsentative, meist unterkellerte Häuser mit zwei oder drei Geschossen, die vor allem im Bereich Stadtmarkt, Kanzleistraße und Reichsstraße-Kornmarkt, also um Rathaus, Neuer Kanzlei und Hauptkirche, anzutreffen sind, und zum anderen in kleinere, einfach gehaltene Bürgerhäuser, die im Erdgeschoss einen Diele, eine (oft unterkellerte) Stube und ein Küche sowie im Obergeschoss Wohn- und Speicherräume besaßen. Im Dreißigjährigen Krieg hatte W. stark zu leiden (Darstellung der Belagerung von 1627 im Theatrum Europaeum von Matthäus Merian d. Ä., 1. Teil, 3. Aufl., 1662, Tafel 30 auf S. 987).

Unter Herzog August d. J. von Braunschweig-Dannenberg (1635–1666) erfolgte der Wiederaufbau W.s, dem er mit der Einrichtung der nachmaligen Herzog August Bibliothek ein dauerhaftes Denkmal setzte. Unter den Hzg.en Rudolf August (1666–1704) und Anton Ulrich (1685–1714), vor allem durch die Bestallungen der Landbaumeister Johann Balthasar Lauterbach und Hermann Korb, erfolgten die Errichtung bzw. Vollendung des östlich vor W. gelegenen Schlosses Salzdahlum mit dem Kloster Zur Ehre Gottes, die Umbauten am W.er Residenzschloss, der Bau der zwischen 1706 und 1710 errichteten Bibliotheksrotunde sowie der Wiederaufbau der 1705 durch Brand zerstörten Trinitatiskirche in den Jahren 1716–1722.

(5) Der sich seit dem 14. Jahrhundert entwickelnde Gerichts- und Verwaltungsbezirk, die Großvogtei W., hatte als sogenanntes Residenzamt die Aufgabe, die Verwaltung vor Ort sicherzustellen sowie die zur Versorgung des Hofes und zum Unterhalt der Residenz notwendigen Einnahmen zu erwirtschaften beziehungsweise die Ansprüche des Hzg.s gegenüber seinen Untertanen sicherzustellen. So umfasste 1568 W. als größtes Amt des Hzm.s 68 Dörfer und war Sitz einer von zwei Oberamtmannschaften. Auch wenn die Heinrichstadt Mitglied der Städtekurie innerhalb der Landschaft gewesen war, so fanden von den zwischen 1570 und 1801 nachgewiesenen 60 Landtagen einzig fünf in W. statt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert blieb W. der ständischen Vertretung fern.

(6) W. verdankt seine Entwicklung von einer Burgsiedlung zur Stadt allein der Anwesenheit der Herzöge, die im 16. und 17. Jahrhundert den Ort in Konkurrenz zu dem sich der Landesherrschaft entziehenden Braunschweig zur Großstadt ausbauen wollten. Durch die Unterwerfung Braunschweigs 1671 und den Wegzug des Hofs 1753 hätte W., 1748 immerhin 14.000 Einwohner zählend, in die Bedeutungslosigkeit fallen können, wenn nicht einige Institutionen (Bibliothek, Archiv und Konsistorium) in der Stadt verblieben wären und sie nicht als Siedlung mittlerweile ein eigenes Gewicht gehabt hätte. Erst 1871 überschritt W. wieder die 10.000 Einwohnermarke. Da weiterführende Untersuchungen zur W.er Bürgerschaft in der frühen Neuzeit fehlen, lassen sich keine Aussagen zu den Beziehungen zwischen Stadt und Hof machen; sie dürften eng gewesen sein.

(7) Grundlegend ist die Überlieferung im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel. Weitere Archivalien zu Teilaspekten befinden sich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, im Landeskirchlichen Archiv Wolfenbüttel und im Hauptstaatsarchiv Hannover. Zur Erschließung der relevanten Bestände im Niedersächsischen Landesarchiv das »Archivinformationssystem Niedersachen« zu nennen (im Internet unter https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/start.action [zuletzt besucht 07.02.2017]). Aufgrund der engen Bindung der Stadt zum Herzogshaus findet sich ein Großteil der Überlieferung in den Beständen der Landesverwaltung, z. B. im Bestand 2 Alt (Kanzlei, Geheimer Rat; ab 16. Jahrhundert) und 4 Alt 6 (Ältere Bauregistratur; vor allem 18. Jahrhundert). Der zeitliche Schwerpunkt des Bestandes 34 N (Stadt Wolfenbüttel) liegt allerdings im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Insbesondere ist auf das dreibändige Bürgerbuch (1646–1784; VII D Hs Nr. 90) sowie auf die Kirchenbücher, die vor allem im Bestand 1 Kb überliefert sind, hinzuweisen. Herzogliche Verordnungen finden sich im Bestand 40 Slg des Landesarchiv in Wolfenbüttel sowie in der Herzog August Bibliothek (erschlossen durch Walter Petersen: Verzeichnis der Einblattdrucke und Handschriften aus dem Rechtsleben des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg […], Wiesbaden 1984). Ein Überblick über die Bestände der Herzog August Bibliothek lässt sich über http://www.hab.de/ [zuletzt eingesehen 07.02.2017] erhalten.

Eine wichtige Quelle ist das Werk des Wolfenbütteler Juristen und Oberamtmanns Christoph Woltereck: Chronicon Der Stadt und Vestung Wolffenbüttel, in sich haltend des seel. Herrn Ober-Amtmanns […] Begräbniß-Buch Der Kirchen B.M.V. zu Wolffenbüttel, Helmstedt 1747 (im Internet unter http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00024200), das neben stadtgeschichtlichen Nachrichten nahezu alle seit dem 16. Jahrhundert an der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis bestatteten Personen samt Lebensläufen und Grabinschriften erfasst.

(8) Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Wolfenbüttel, bearb. von Paul Jonas Meier, Wolfenbüttel 1904 (Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig 3, 1. Abt.). – Meier, Paul Jonas: Wolfenbüttel, in: Niedersächsischer Städteatlas, 1. Abteilung: Die Braunschweigischen Städte, Braunschweig 21926, S. 49–50, Tafel XVI. – Thöne, Friedrich: Art. „Wolfenbüttel“, in: Niedersächsisches Städtebuch, hg. von Erich Keyser, Stuttgart 1952 (Deutsches Städtebuch. Handbuch Städtischer Geschichte, 3, Nordwest-Deutschland, 1, Niedersachsen und Bremen), S. 387–394. – Thöne, Friedrich: Wolfenbüttel. Geist und Glanz einer alten Residenz, München 1963. – Busch, Siegfried: Hannover, Wolfenbüttel und Celle, Stadtgründungen und Stadterweiterungen in den drei welfischen Residenzen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Hildesheim 1969 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, 75). – Beuermann, Arnold: Die Grundrißentwicklung der Innenstadt von Wolfenbüttel, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Wolfenbüttel, hg. von Joseph König, Wolfenbüttel 1970, S. 61–71. – Wiswe, Mechthild: Die Wolfenbütteler Straßen- und Flurnamen, in: Braunschweigisches Jahrbuch 51 (1970) S. 160–197. – Ohnesorge, Klaus-Walther: Wolfenbüttel. Geographie einer ehemaligen Residenzstadt, Braunschweig 1974 (Braunschweiger Geographische Studien, 5). – Mohrmann, Wolf-Dieter: Wolfenbüttel. Ein stadtgeschichtlicher Abriß, in: Braunschweigisches Jahrbuch 59 (1978) S. 47–69. – Krüger, Kersten, Jung, Evi: Staatsbildung als Modernisierung. Braunschweig-Wolfenbüttel im 16. Jahrhundert. Landtag – Zentralverwaltung – Residenzstadt, in: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte 64 (1983) S. 41–68. – Zur Stadtgeschichte Wolfenbüttels, hg. von Hans-Georg Reuter, Wolfenbüttel 1988. – Biskup, Krzystof: Planungen zum Ausbau Wolfenbüttels als einer Idealstadt der Renaissance, in: Staatsklugheit und Frömmigkeit: Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg – ein norddeutscher Landesherr des 16. Jahrhunderts, Weinheim 1989 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, 61), S. 35–39. – Matthes, Diether: Karte der Residenzstadt und Festung Wolfenbüttel mit Umgebung 1741, Wolfenbüttel 1994. – Rathaus Wolfenbüttel, hg. von Baudezernat der Stadt Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1995. – Auf dem Weg zur herzoglichen Residenz. Wolfenbüttel im Mittelalter, hg. von Ulrich Schwarz, Braunschweig 2003 (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesgeschichte, 40). – Alphei, Cord: Art. „Wolfenbüttel“, in: Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, Bd. 1, hg. von Brage bei der Wieden, Hannover 2004, S. 187–194 und S. 405–417. – Grote, Hans-Henning, Mempel, Hans Christian: Residenz und Renaissance. Wolfenbüttel zwischen 1514 und 1613, hg. von Museum im Schloss Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 2005. – Grote, Hans-Henning: Schloss Wolfenbüttel. Residenz der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, Braunschweig 2005. – Uppenkamp, Barbara: Das Pentagon von Wolfenbüttel. Der Ausbau der welfischen Residenz 1568–1626 zwischen Ideal und Wirklichkeit, Hannover 2005 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 29). – Schwarz, Ulrich: Wolfenbüttel. Die neue Residenz, in: Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 1: Mittelalter, hg. von Claudia Märtl u. a., Hildesheim 2008, S. 475–508. – Grote, Hans-Henning: Damm – Dammfeste – Schlossplatz. Ein Wolfenbütteler Stadtviertel vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. von Museum im Schloss Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 2013. – Wagner-Fimpel, Silke: Wolfenbüttel. Die Stadtentwicklung und ihre rechtlichen Grundlagen, in: Amt und Verantwortung. Träger kommunaler Selbstverwaltung im Wirkungskreis der Braunschweigischen Landschaft, hg. von Brage bei der Wieden und Henning Steinführer, Braunschweig 2015, S. 445–474.

Christian Lippelt