Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Leipzig

Leipzig

(1) L. (wohl von slawisch lipa – Linde, Lindenort, nach neuerer Deutung möglicherweise bereits indogermanisch »sumpfiger Ort« bedeutend) wird erstmals in der Chronik Thietmars von Merseburg zum Jahre 1015 als urbs erwähnt. L. lag verkehrsgünstig an der Kreuzung der von Süden nach Norden verlaufenden Via Imperii und der von West nach Ost ziehenden Via Regia, sowie inmitten der L.er Tieflandsbucht am Zusammenfluss von Weißer Elster, Parthe und Pleiße.

L. befand sich wohl noch bis in das 11. Jahrhundert hinein aufgrund seiner ursprünglichen Funktion als Burgward im Besitz des Reiches. Unter Kaiser Heinrich III. wurde L. zum Herrschaftsgebiet Markgraf Wilhelms von Meißen (1050–1062) gerechnet, doch zugleich beanspruchten auch die Bischöfe von Merseburg bis ins späte Mittelalter die Oberlehnsherrschaft, wenn auch ohne Erfolg. Die Wettiner, vermutlich vom König mit dem Burgward belehnt, setzten sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts als Stadtherren durch. In Folge eines letztlich nicht erfolgreichen Aufstands L.er Bürger gegen Markgraf Dietrich den Bedrängten (1198–1221) 1215/16 bestätigte dieser die Rechte der L.er Bürger, die ihnen bereits zwischen 1156 und 1170 von seinem Vater Otto dem Reichen (1156–1190) mündlich gewährt worden waren (sog. »Leipziger Stadtbrief«). Mit der L.er Teilung 1485 fiel die Stadt der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen (ab 1547 Kurfürstentum, ab 1806 Königreich Sachsen) zu und wurde Mittelpunkt des 1547 eingerichteten L.er Kreises. L. erweist sich bereits im 13. Jahrhundert als wichtiger, immer wieder aufgesuchter Zentralort in der wettinischen Reiseherrschaft. Im 14. Jahrhundert kristallisierten sich Dresden für die Mark Meißen und Gotha in der Landgrafschaft Thüringen als wichtigste Aufenthaltsorte der Wettiner heraus, während im dazwischenliegenden Osterland L. mehr oder weniger gleichrangig mit Altenburg und Weißenfels im Itinerar der Markgrafen erscheint. Im 15. Jahrhundert trat L. als Residenzort deutlich hinter Meißen (später Dresden) und Torgau zurück, auch wenn die 1456 durch Kurfürst Friedrich II. (1428–1464) beschlossene Finanzreform nominell einen Zyklus von jeweils 17 Wochen Aufenthalt des Hofes in Meißen, Torgau und L. vorsah. Seit 1487 war L. Sitz der Finanzverwaltung und ab 1483 des Oberhofgerichts, die als erste Teile der landesherrlichen Verwaltung fest angesiedelt wurden. Der überregionale Markt und die 1409 gegründete Universität waren für die Wahl L.s maßgeblich. Der Landesherr wurde bei Abwesenheit dauerhaft durch einen Amtmann bzw. Vogt und Schösser vertreten.

Kirchlich gehörte L. bis zur Reformation zum Bistum Merseburg; der Merseburger Bischof war zugleich Kanzler der Universität.

(2) Präurbane Funktion besaß L. als Burgward wohl bereits seit dem 10. Jahrhundert, da mit dieser Funktion eine Marktaktivität verbunden gewesen sein dürfte. Die Markgrafen von Meißen förderten L. intensiv. Zwischen 1156 und 1170 erhielt L. Stadtrecht nach Hallenser und Magdeburger Art sowie Zollfreiheit. Zugleich wurde das Weichbild der Stadt geregelt, im Umkreis von einer Meile (ca. 7,5 km) um die Stadt wurden neue Märkte verboten. Eine planmäßige Anlage der Stadt ist nicht zu erkennen. Das erst im 14. Jahrhundert belegte Toponym »Neumarkt« westlich der Nikolaikirche zeigt eventuell den Bereich der Neustadtgründung durch Markgraf Otto an. Schätzungen gehen von etwa 3000 Einwohnern um 1300 und etwa 5000 um 1400 aus. Mit den Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts einsetzenden Steuerregistern lassen sich relativ sichere Angaben für die Jahre 1481 (6575 Einwohner), 1506 (7120) und 1529 (8273) ermitteln. Im Zuge des Aufstiegs zum zentralen Handels- und Finanzplatz Sachsens verdreifachte sich die Einwohnerzahl bis ins 18. Jahrhundert auf etwa 30.000.

Seit dem 13. Jahrhundert entwickelte sich der Stadtrat. Die Wahl eines neuen Rates musste vom Landesherrn bestätigt werden, direkte Eingriffe des Fürsten waren aber selten. Die Kurfürsten versuchten besonders im 18. Jahrhundert durch die Nichtbestätigung eines neuen Rates zu verhindern, dass einzelne Familien über Generationen hinweg den Rat dominierten.

Die verkehrsgünstige Lage wie die landesherrlichen Zollvergünstigungen oder Stapelrechte beförderten die Entwicklung zur Handelsstadt. Die Nähe zum Erzgebirge und zum Mansfelder Land machte die Stadt zum Zentrum des Metallhandels, zugleich war sie, besonders in der frühen Neuzeit, Knotenpunkt im Handel mit Osteuropa. Die zunächst zweimal, seit 1458 dreimal im Jahr stattfindenden Jahrmärkte bzw. Messen (zu Neujahr, nach Ostern und zu Michaelis) wurden immer wieder von den Wettinern zur Abwicklung von Finanzgeschäften aufgesucht, was sich 1487 mit der endgültigen Festlegung der zentralen Kasse in L. niederschlug. Zugleich befriedigten die L.er Messen die Konsumbedürfnisse des Hofes, auch wenn ein direkter Zusammenhang zwischen Messe und Hof aufgrund der Quellenlage unklar bleibt. Um 1500 gaben die Albertiner durchschnittlich jährlich 3375 Gulden auf diesen Märkten aus, Herzog Georg ließ sich 1496 seine Hochzeit in L. 24.651 Gulden kosten.

Ausdruck der Prosperität L.s waren die vergleichsweise hohen Steuern, die an den Landesherren abzuführen waren (1488 mit 4000 Gulden Jahrgeld mehr als Freiberg [2500 Gulden]). Auch als Kreditgeber war L., wo sich durchgängig eine landesherrliche Münze befand, für die Landesherren von Bedeutung. So lieh sich Herzog Georg 1516 vom L.er Rat 25.829 Gulden, vom gleichfalls bedeutenden Freiberg 7200 Gulden. Mitte des 16. Jahrhunderts empfingen die Ratsherren Zinsen für eine Kreditsumme von insgesamt 147.520 Gulden, 1571 gar von 379.521 Gulden, wobei ein Großteil dieser Summen wiederum von anderen Geldgebern geliehen war. Da L. bedeutender Finanzmarkt war, verfügte die Stadt über Kontakte zur Beschaffung der Geldmittel für die Landesherren und fungierte deshalb als finanzielles Zentrum im sächsischen Territorialstaat.

(3) Die beiden Leipziger Pfarrkirchen St. Thomas (seit 1212/13 Augustiner-Chorherrenstift) und St. Nikolai (dem Thomasstift inkorporiert) dürften stadtherrliche Eigenkirchen gewesen sein, beide entstanden eventuell um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Bereits 1017 gab es für das suburbium des Burgwards eine Kirche, wohl die spätere markgräfliche Eigenkirche St. Peter. In den 1230er Jahren siedelten sich Dominikaner (1231) und Franziskaner (Ersterwähnung 1253, doch älter) an, für die Teile der nach dem Bürgeraufstand 1215/16 errichtete Befestigungen Platz machen mussten. Südlich der Stadtmauer lag das Benediktinerinnenkloster St. Georg (vor 1230), nördlich die zum Erfurter Schottenkloster gehörende Pfarrkirche St. Jakob (1484 vom Stadtrat erworben, 1543 aufgelöst). Hinzu kamen zahlreiche Kapellen sowie zwei Hospitäler vor den Mauern.

Hzg. Heinrich der Fromme wählte 1539 L. zum Ort der landesweiten Einführung der Reformation. Auf dem zu diesem Anlass zu Pfingsten (25. Mai) anberaumten Hoftag waren neben seinen Söhnen Moritz und August auch Kurfürst Johann Friedrich sowie die Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchton, Justus Jonas, Caspar Cruciger und Friedrich Myconius zugegen. Gebäude und Grundstücke der säkularisierten Klöster wurden später an die Stadt verkauft, die ihnen gehörenden Dörfer in der Umgebung L.s wurden durch die Stadt erworben, die so eine Ausweitung ihrer Gerichtsbarkeit betrieb. St. Thomas und St. Nikolai blieben Hauptpfarrkirchen der Stadt, nunmehr mit dem Stadtrat als Kirchenpatron. Auch die Thomasschule ging in städtische Trägerschaft über. Die ehemalige Dominikanerkirche St. Pauli wurde zur Universitätskirche, die Kirche der Franziskaner, 1543 geräumt, wurde ab 1552 als Lagerraum genutzt. Erst 1699 ließ der Rat der Stadt auf Betreiben der Bürgerschaft das Kirchengebäude (zunächst als Neue Kirche, ab 1876 Matthäikirche) sanieren.

1550 wurde unter Kurfürst Moritz ein landesherrliches Konsistorium eingerichtet, welches die mit dem Merseburger Diözesanbf. verbundenen Kompetenzen übernahm und für den L.er Kreis, den Thüringer Kreis, das ehemalige Bistum Naumburg und zeitweise für das Bistum Merseburg zuständig war. Mit der Verlegung des Meißner Konsistoriums im Jahre 1602 nach Dresden als Oberkonsistorium wurde dieses zur vorgesetzten Behörde auch des L.er Konsistoriums (aufgelöst 1835).

Die L.er Kirchen dienten den Wettinern nicht als Grablegen. Als Ausnahme ist der 1307 in der Dominikanerkirche getötete Markgraf Dietrich zu nennen, der aufgrund seiner Todesumstände auch dort bestattet wurde. Eine weitere Ausnahme ist die Gemahlin Kurfürst Ernsts II. († 1486 in Colditz, beigesetzt in Meißen), die 1484 in L. verstorbene Wittelsbacherin Elisabeth, die in der Dominikanerkirche begraben wurde (Grabplatte seit 1968 in der Thomaskirche).

1409 wurde nach dem Auszug der deutschen Magister aus Prag die Universität L. eingerichtet. Sie war zwar keine allein landesherrliche Gründung, wurde aber von den Landesherren sehr gefördert, u. a. schufen sie mit dem Großen und dem Kleinen Fürstenkolleg 20 Magisterstellen, wobei sie sich bei der Besetzung der Kollegiaturen zurückhielten (bis 1496 bisher nur vier Fälle bekannt). Erst unter Herzog Georg dem Bärtigen setzte eine intensive Personalpolitik ein (u. a. durch Anstellung des Petrus Mosellanus). Umfassende Reformeingriffe der Landesherren in die Universitätsverfassung, so unter Kurfürst Friedrich II. 1445/46 oder Herzog Georg 1502, konnten oft nur geringe Erfolge erzielen. Die Universität agierte zudem seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als kursächsischer Landstand.

Enge Verbindungen zwischen Universität und Landesherrn ergaben sich über die seit Wintersemester 1411/12 bestehende Juristenfakultät, deren Mitglieder oft als fürstliche Räte tätig waren. Dies gilt für Dr. Johannes Tilich (1413 commissarius Markgraf Friedrichs IV., 1417 dessen Rat auf dem Konstanzer Konzil), Dr. Jakob Rodewitz (eventuell 1423 Berater Markgraf Friedrichs bei der Erlangung der Kurwürde), Dr. Ludwig Fachs (zugleich Ordinarius, Bürgermeister und albertinischer Rat). Insbesondere die wettinischen Kanzler waren seit Gründung der Universität fast durchgängig Absolventen der Juristenfakultät; viele hatten zuvor Aufgaben für den L.er Stadtrat (Stadtschreiber und/oder Syndikus) übernommen und waren Ordinarius ihrer Fakultät gewesen (z. B. Dr. Johannes Kochel, albertinischer Kanzler 1513–1525; Dr. Simon Pistoris; Dr. Ulrich Mordeisen). Auch anderes akademisches Personal fand Verwendung in der landesherrlichen Verwaltung, etwa Mediziner als Leibärzte (z. B. Dr. Caspar Lindemann oder Dr. Heinrich Stromer von Auerbach). Des Weiteren wurden die Rechtsgelehrten zur landesherrlichen Rechtsprechung herangezogen, wenn sich der fürstliche Hof in L. aufhielt, zudem behandelten sie gelegentlich laufende Verfahren, erteilten Rechtsauskünfte oder fertigten Gutachten an; zu nennen ist der Ordinarius und spätere Naumburger Bischof Dietrich von Bocksdorf († 1466) oder der von 1479 bis 1508 als Ordinarius tätige Johannes von Breitenbach. Ihre Mitwirkung blieb auch nach der Einrichtung des Oberhofgerichts 1483 (zu ihm siehe unter [5]) erhalten, da sie hier als gelehrte Beisitzer fungierten, der Ordinarius als erster in der Gruppe der Gelehrten.

(4) Die nach der Niederschlagung des Bürgeraufstands 1215/16 errichtete Burganlage, die nicht wie die anderen Befestigungen einem der beiden Bettelordensklöster weichen musste, ist höchstwahrscheinlich mit dem späteren landesherrlichen Schloss (der sog. »Pleißenburg«) gleichzusetzen. Die Burg befand sich nicht exakt an Stelle des heutigen Neuen Rathauses, sondern etwas nördlich davon, wie die Toponyme Burgplatz und Schlossgasse belegen. Erst 1374 wurde die Burg- bzw. Schlosskapelle durch Markgraf Wilhelm I. gestiftet; 1519 predigte hier Martin Luther anlässlich der L.er Disputation. Die zum Schloss ausgebaute Befestigung, über dessen Ausstattung ein Inventar von 1543 informiert, erscheint erstmals in der zweitältesten Stadtansicht L.s als ein umfangreicher, in die Stadtbefestigung eingebundener Gebäudekomplex, der wohl auf der Westseite von einem Wassergraben geschützt wurde. Vermutlich schloss sich ein Wildgehege (der sog. »Tiergarten«) an. Bereits 1546 hatte Herzog Moritz dieses Schloss an die Stadt verkauft und einen Neubau auf den südlich davon gelegenen Schlosswiesen beginnen lassen; das alte Schloss wurde nach schweren Zerstörungen im Schmalkaldischen Krieg 1547 abgetragen. Das neue Schloss, wohl 1569 beendet und hinfort als »Pleißenburg« bezeichnet, wurde durch eine Festung mit dreieckigem Grundmuster und durch einen breiten Wassergraben von der Stadt getrennt (nach Verkauf an die Stadt 1897 abgerissen, an seiner Stelle das Neue Rathaus mit der Fassadeninschrift »nova arx« errichtet).

Nach den im Schmalkaldischen Krieg erlittenen Schäden wurden repräsentative Gebäude der Stadt neu bzw. umgebaut, so das 1556/57 errichtete Rathaus am Markt unter Einbeziehung des Vorgängerbaus, die Alte Waage sowie die Befestigungsanlage der Moritzbastei beim Grimmaischen Tor. 1680 wurden die Alte Börse, 1701 das Georgenhospital als Zucht- und Waisenhaus errichtet. Auf Wunsch Kurfürst August des Starken wurde 1717/18 vor dem Ranstädter Tor ein Reithaus und 1722/23 das Peterstor neu erbaut. Prächtige Bürgerhäuser bestimmten das Stadtbild. Nach der preußischen Besetzung L.s im Siebenjährigen Krieg wurden die Befestigungsanlagen geschleift, an ihrer Stelle Promenaden angelegt.

L. war in der frühen Neuzeit Ort der ersten Erbhuldigung neuer Kurfürsten Sie erfolgte durch Stadtrat, Universität und Adel auf dem Schloss (seit 1657 erfolgte eine separate Huldigung auf der Pleißenburg, später in der Börse), während die Bürgerschaft diesen Akt auf dem Marktplatz vollzog. Seit 1609 wurde das Jubiläum der Universitätsgründung 1409 begangen, wozu der Kurfürst und sein Gefolge anwesend waren. Zudem suchten die Wettiner in der frühen Neuzeit L. zu den Messeterminen (Ostern, Michaelis, Neujahr) auf, was im späten 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem ausgedehnten höfischen Zeremoniell begleitet wurde. Bereits Kurfürst Johann Georg III. (reg. 1680–1691) nutzte nicht mehr die Pleißenburg, sondern Bürgerhäuser als Quartier; Kurfürst Friedrich August I. (reg. seit 1694), als August II. seit 1697 König von Polen († 1733), wohnte im Apelschen Haus am Markt (deshalb später Königshaus genannt), sein Sohn August III. († 1763) bevorzugte Schloss Hubertusburg in Wermsdorf, von wo L. zu Messezeiten nur temporär aufgesucht wurde. August der Starke plante im Rosental nordöstlich der Stadt ein Schloss zu errichten (Schlosspark in Grundzügen noch sichtbar), doch wurde das Projekt nicht verwirklicht. Für Hochzeiten des Hauses Wettin wurde L. gelegentlich aufgesucht, was sicher mit der Funktion als Messestadt zusammenhing. Allerdings heirateten die Wettiner mehrheitlich nicht in L. Kurfürst Friedrich II. vermählte sich hier 1431 mit Margaretha von Österreich, der spätere Kurfürst Ernst 1460 mit Elisabeth von Bayern, Herzog Georg, dessen Trauung in der Thomaskirche und Hochzeitsfeier im Gewandhaus stattfanden, 1496 mit Barbara von Polen. 1561 vermählte sich Wilhelm von Oranien mit der sächsischen Prinzessin Anna, Tochter Herzog Moritz’, in L.

(5) L. war aufgrund seiner zentralen Lage in den wettinischen Ländern und auch wegen der Messen und der Universität als Versammlungsort der Stände prädestiniert. Hier fanden von 1438 bis 1706 die Landtage (wohl auf dem landesherrlichen Schloss) statt. L. besaß den Vorsitz innerhalb der Städtekurie und stellte zugleich beim Aufgebot das weitaus größte Kontingent unter den sächsischen Städten. In der frühen Neuzeit trafen sich hier außerdem die Vertreter des Obersächsischen Kreises. L. wurde zudem vielfach für diplomatische Verhandlungen genutzt, dynastie-politische Entscheidungen wurden oft in L. getroffen (u. a. 1451 Versöhnung zwischen Friedrich und sein Bruder Wilhelm nach dem sächsischen Bruderkrieg). Nicht von ungefähr wurde 1485 in L. die bedeutende Landesteilung zwischen Albertinern und Ernestinern beschlossen. In der Frühreformation war das Schloss zu L. Ort der 1519 von der L.er Universität organisierten Disputation zwischen Luther und Eck. Ferner wurde L. 1539 als Ort der offiziellen Einführung der Reformation gewählt.

Die Universität mit ihrem weiten Einzugsgebiet und ihren hohen Immatrikulationszahlen sowie die Messen sorgten für die dauerhafte Anwesenheit von Auswärtigen und Gästen. Damit war L. ein Zentrum der Fernkommunikation und des Nachrichtenaustauschs, nicht zuletzt auch des Verlagswesens. Schon früh hatte sich der Buchdruck angesiedelt, Angehörige dieses Gewerbes zählten zu den Universitätsverwandten und genossen deswegen rechtliche Freiheiten. Mitte des 16. Jahrhunderts war L. eine der führenden Städte der europäischen Buchproduktion. 1569 wurde die kursächsische Bücherkommission gegründet, die eine recht liberale Zensur ausübte. Im ausgehenden 17. Jahrhundert begann L. Frankfurt am Main, das als katholische Messestadt der kaiserlichen Buchzensur unterlag, als Zentrum des Buchhandels in Deutschland einzuholen, im 18. Jahrhundert zu überholen; 1764 räumten die L.er Händler ihre Lager in Frankfurt.

Zu den zentralen Einrichtungen ist das 1483 durch Kurfürst Ernst (1464–1486) und Herzog Albrecht (1464–1500) geschaffene Oberhofgericht zu zählen (1835 aufgelöst), die erste überpersonale Zentralbehörde der wettinischen Länder überhaupt. Besetzt wurde es paritätisch von Angehörigen des Niederadels, der Ritterschaft und von L.er Rechtsdoktoren. Es tagte viermal im Jahr, anfangs auf dem Schloss, seit der Zeit Melchiors von Osse als Oberhofrichter (1547–1556) im Rathaus. Appellationsinstanz war die Landesregierung in Dresden. Nach kurzer Unterbrechung seiner Tätigkeit aufgrund der L.er Teilung 1485 war das Oberhofgericht seit 1488 zunächst nur für das albertinische Herzogtum, seit 1493 auch wieder für das ernestinische Kurfürstentum zuständig. Mit dem Verlust der Kurwürde 1547 verloren die Ernestiner auch das Besetzungsrecht am L.er Oberhofgericht, woraufhin sie ihren Untertanen die Anrufung dieses Gerichts verboten und 1566 mit dem ernestinischen Hofgericht in Jena einen Ausgleich schufen.

Eine weitere zentrale Einrichtung des Rechtslebens war der L.er Schöffenstuhl. 1432 hatten Kurfürst Friedrich II. und Herzog Sigismund allen Ständen und Untertanen auferlegt, sich in Rechtsfragen nicht mehr an den Magdeburger, sondern an den L.er Schöffenstuhl sowie die L.er Juristenfakultät zu wenden. Die Wurzeln des städtischen Schöffenstuhls liegen wohl in der 1263 verfügten Befreiung von der Gerichtsbarkeit des mkgfl.en Vogtes. Der Schöffenstuhl wies enge personelle Verflechtungen mit der Juristenfakultät und der Stadtobrigkeit auf. Erst 1574 wurde er den Kurfürsten als landesherrliches Spruchkollegium unterstellt. Auch die Fakultät der L.er Juristen wurde erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts allmählich unter die landesherrlichen Behörden eingereiht.

Als Rechtsprechungsorgane kamen 1550 das Konsistorium und 1682 das Handelsgericht hinzu. Die Einrichtungen waren personell eng miteinander verknüpft. So waren im 17. Jahrhundert sieben Mitglieder der Juristenfakultät zugleich Advokaten am Oberhofgericht, 18 Beisitzer ebendort, sieben gehörten dem L.er Konsistorium an, weitere acht waren Konsistorialadvokaten; zugleich finden sich darunter aber auch drei Ratsherren, vier Stadtrichter, sechs Bürgermeister und acht Beisitzer im Schöffenstuhl. Als herausragendes Beispiel ist Benedikt Carpzov (1595–1666) zu nennen, der seit 1620 für gut 40 Jahre Beisitzer am L.er Schöffenstuhl, seit 1636 am Oberhofgericht, Professor an der juristischen Fakultät sowie später Rat am Appellationsgericht in Dresden war.

(6) L. wurde früh durch die Wettiner als Markgrafen von Meißen und Kurfürsten von Sachsen durch Stadtrechtsvergabe und weiteren Vergünstigungen gefördert, wobei ohne Zweifel finanzielle Interessen im Mittelpunkt standen. Aufgrund ihrer zentralen Lage im europäischen Verkehrssystem entwickelte sich die Stadt relativ rasch zum ökonomischen Zentrum, mit der Gründung der Universität im Jahre 1409 auch zum intellektuellen Zentrum der wettinischen Lande. Die Funktion der Stadt als sächsischem Zentralort beruht weniger auf der (im 16. Jahrhundert zurückgehenden) Anwesenheit des Fürsten, als vielmehr auf den fsl.en Institutionen (Oberhofgericht, Juristenfakultät, Schöffenstuhl, Konsistorium, Handelsgericht und Finanzverwaltung). Überdies nutzten die Landesherren die Möglichkeiten, die der Finanzplatz L. zur Besteuerung und Kreditbesorgung boten. Nicht von ungefähr beklagten die L.er oft, dass man die prachtvollen Bauten in Dresden finanzieren würde. Zugleich schöpften die Fürsten das Potential an akademisch gebildeten Personen aus.

Gerade die Prägung L.s durch Kaufmannschaft und Gelehrtenwesen erlaubte der Stadt im Absolutismus eine gewisse Autonomie gegenüber den Landesherren. Diese sorgte für einen kulturellen Reichtum, der nicht durch die Bedürfnisse eines Fürsten zustande kam, sondern genuin bürgerlichen Ursprungs war (Gewandhausorchester, Theater, Oper, prachtvolle Gartenanlagen vor der Stadt). Im Gegenteil beeinflusste L.er Expertise in Wirtschaft und Bildung die 1763 unter Kurfürst Friedrich Christian durchgeführte Staatsreform Kursachsens. L. hatte zwar spätestens seit dem 16. Jahrhundert die Funktion als häufig aufgesuchte Residenz der sächsischen Herrscher eingebüßt, war aber ohne Zweifel die wichtigste Stadt innerhalb der wettinischen Herrschaftsgebiete.

(7) Ungedrucktes Quellenmaterial liegt in großem Umfang im Stadtarchiv Leipzig vor (Übersicht der Bestände des Stadtarchivs Leipzig, hg. vom Stadtarchiv Leipzig [Leipziger Kalender. Sonderband 2002/1], Leipzig 2002). Besonders hervorzuheben sind die seit dem Spätmittelalter fast durchgängig erhaltenen Stadtbücher und Jahreshauptrechnungen. Akten und Quellen zur Geschichte der Universität lagern im Universitätsarchiv Leipzig. Weitere Überlieferung, besonders das Amt Leipzig betreffend, findet sich im Staatsarchiv Leipzig. Urkunden und Akten, die das Verhältnis von Stadt und Landesherrn, aber auch die Reformationsgeschichte der Leipziger Kirchen und Klöster betreffen, finden sich im Sächsischen Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden. – Der Stadt Leipzig Ordnungen, Wie auch Privilegia und Statuta, Leipzig 1701.

Zarncke, Friedrich: Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, Leipzig 1857 (Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der königlich-sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 3, 2). – Codex diplomaticus Saxoniae regiae II, Bde. 8–10 (1868–1894). – Codex diplomaticus Saxoniae regiae II, Bd. 11 (1879). – Quellen zur Geschichte Leipzigs, 2 Bde., hg. von Gustav Wustmann, Leipzig 1889, 1895 (Veröffentlichungen aus dem Archiv und der Bibliothek der Stadt, 1–2). – Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Bd. 1 (1517–1524) und Bd. 2 (1525–1527), hg. von Felician Gess, Leipzig 1904, 1917 (Schriften der Sächsischen Kommission für Geschichte, 10 und 22); Bd. 3 (1528–1534) und Bd. 4 (1535–1539), hg. von Heiko Jaddatz und Christian Winter, Köln/Weimar/Wien 2010, 2012. – Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. von Guido Kisch, Leipzig 1919 (Quellen zur Geschichte der Rezeption, 1). – Steinführer, Henning: Die Leipziger Ratsbücher 1466–1500. Forschungen und Edition, 2 Halbbde., Leipzig 2003 (Quellen und Materialien zur Geschichte der Stadt Leipzig, 1). – Das Leipziger Schöffenbuch 1420–1478 (1491). Edition, bearb. von Jens Kunze, Leipzig 2012 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig, 4).

(8) Leipzig, Stadt der Rechtsprechung. Prozesse, Personen, Gebäude, hg. vom Sächs. Staatsministerium der Justiz, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Dresden 1994 (Sächsische Justizgeschichte, 3). – Leipzig um 1800. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, hg. von Thomas Topfstedt und Hartmut Zwahr, Beucha 1998. – Leipzigs Messen 1497–1997. Gestaltwandel – Umbrüche – Neubeginn, 2 Bde., hg. von Hartmut Zwahr, Thomas Topfstedt und Günter Bentele, Köln/Weimar/Wien 1999 (Geschichte und Politik in Sachsen, 9,1–2). – 1000 Jahre Leipzig. Forschungsstand zur Stadtgeschichte im Vorfeld des Jubiläums der Ersterwähnung von 1015, hg. von Markus Cottin u. a., Beucha 2009 (Leipziger Hefte, 17). – Bünz, Enno, Rudersdorf, Manfred, Döring, Detlef: Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 1: Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit. 1409–1830/31, Leipzig 2009. – Bünz, Enno: Die Universität zwischen Residenzstadt und Hof im späten Mittelalter. Wechselwirkung und Distanz, Integration und Konkurrenz, in: Städtisches Bürgertum und Hofgesellschaft. Kulturen integrativer und konkurrierender Beziehungen in Residenz- und Hauptstädten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, hg. von Jan Hirschbiegel, Werner Paravincini und Jörg Wettlaufer, Ostfildern 2012 (Residenzenforschung, 25), S. 229–254. – Döring, Detlef: Leipzig, in: Handbuch der kulturellen Zentren, Bd. 2 (2012), S. 1253–1297. – Leipzigs Wirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Akteure, Handlungsspielräume, Wirkungen (1400–2011), hg. von Susanne Schötz, Leipzig 2012 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig, 3). – Wejwoda, Marek: Die Leipziger Juristenfakultät im 15. Jahrhundert. Vergleichende Studien zu Institution und Personal, fachlichem Profil und gesellschaftlicher Wirksamkeit, Stuttgart 2012 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, 31). – Das religiöse Leipzig. Stadt und Glauben vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. von Enno Bünz und Armin Kohnle, Leipzig 2013 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig, 6). – Leipzigs Bedeutung für die Geschichte Sachsens, hg. von Detlef Döring, Leipzig 2014 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig, 7). – Hofmann-Polster, Katharina: Der Hof in der Messestadt. Zur Inszenierungspraxis des Dresdner Hofes auf den Leipziger Messen (1694–1756), Stuttgart 2014 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 126). – Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reformation, hg. von Enno Bünz unter Mitwirkung von Uwe John, Leipzig 2015. – Leipzig. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme, hg. von Vera Denzler, Andreas Dix und Haik Thomas Porada, Köln/Weimar/Wien 2015 (Landschaften in Deutschland, 78). – 1015. Leipzig von Anfang an. Begleitband zur Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig 20. Mai – 25. Oktober 2015, hg. von Volker Rodekamp und Regina Smolnik, Leipzig 2015. – Bünz, Enno: Kursachsen und Leipzig in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Bachs Welt. Sein Leben, sein Schaffen, seine Zeit, hg. von Siegbert Rampe, Laaber 2015 (Das Bach-Handbuch, 7), S. 460–489. – Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 2: Von der Reformation bis zum Wiener Kongress, hg. von Detlef Döring unter Mitwirkung von Uwe John, Leipzig 2016. – Wejwoda, Marek: Art. „Leipzig“, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, hg. von Albrecht Cordes u. a., Berlin 22016, Sp. 829–836.

Enno Bünz, Alexander Sembdner