Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

Zurück zur Liste

Penig

Penig

(1) P. liegt am rechten Ufer der Zwickauer Mulde nordwestlich von Chemnitz. Die Stadt wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts von den Burggrafen von Altenburg gegründet, die an der Zwickauer Mulde einen intensiven Herrschaftsausbau betrieben. Mit dem Erwerb der Herrschaften Zinnberg, Drachenfels und Rochsburg schufen sie südöstlich von Altenburg eine Einheit, zu deren Mittelpunkt das am Flussübergang der Handelsstraße von Leipzig bzw. Altenburg nach Chemnitz und weiter ins Erzgebirge und nach Böhmen gelegene P. aufstieg; seit 1354 gab es eine Zollstelle, seit 1380 eine Brücke.

Nach dem Aussterben der Altenburger Burggrafen in männlicher Linie um 1327/28, gelangte die Herrschaft Rochsburg mit P. an die Burggrafen von Leisnig. Unter diesem edelfreien, reichsunmittelbaren Geschlecht entwickelte sich die Stadt sowohl zum bevorzugten Residenzort als auch zum wirtschaftlichen und herrschaftlichen Zentrum ihres Herrschaftsgebiets. 1436 wurde eine Teilung vorgenommen, bei der Rochsburg verkauft wurde, P. hingegen in Händen der Familie blieb. 1538 erlosch das Geschlecht der Burggrafen von Leisnig, die Herrschaft P. wurde als erledigtes Lehen von Herzog Georg von Sachsen eingezogen. Herzog Moritz von Sachsen vertauschte P. und das nahe gelegene Kloster Zschillen (Wechselburg) 1543 an die Herren von Schönburg, die fortan die Grundherrschaft ausübten. P. gehörte zu den Schönburgischen Lehnsherrschaften, die wettinischer Lehnshoheit entstanden. Die Schönburger hatten in P. keine landesherrlichen Befugnisse, aber sie versuchten, als Landesherren wahrgenommen zu werden.

Aufgrund mehrerer Herrschaftsteilungen diente P. wiederholt als Residenz, so für Wolf II. von Schönburg (1532–1581) und Wolf Heinrich I. von Schönburg (1605–1657). 1683 übernahm Wolf Heinrich II. von Schönburg (1648–1704) bei einer Erbteilung die Herrschaft P. und den P.er Anteil der Herrschaft Forderglauchau, wodurch die eigenständige Linie Schönburg-P. entstand. Bereits in zweiter Generation erlosch diese Linie mit dem Tod Graf August Siegfrieds von Schönburg (1678–1763). Land und Stadt P. gelangten an Carl Heinrich II. von Schönburg (1729–1800) aus dem Zweig Wechselburg und an dessen P. erbenden zweiten Sohn Wilhelm Albert Heinrich von Schönburg (1762–1815). Mit seinem Tod verlor P. seine Funktion als Residenz. Die Schlösser wurden 1889 verkauft, der ländliche Grundbesitz hingegen blieb bis 1945 im Besitz der Grafen von Schönburg-Glauchau.

(2) Das um 1150 als Dorf gegründete Altp., gelegen auf dem linken Ufer der Mulde, ist die älteste Siedlung im späteren Stadtgebiet (1833 eingemeindet). Die Burggrafen von Altenburg legten um die Mitte des 13. Jahrhunderts auf dem gegenüberliegenden Ufer eine Stadt (erst 1313 als Oppidum bezeichnet) an, wobei das Dorf Altenprünn in die Stadtflur einbezogen wurde. Der Stadtname ist indirekt erstmals 1264 als Herkunftsbezeichnung belegt. Das Stadtwappen P.s, eine rote heraldische Rose auf silbernem Grund, entspricht dem Wappen der Burggrafen von Altenburg und wurde unter den späteren Stadtherren nicht geändert.

P. ist an zwei Seiten von der Mulde umgeben. Auf einer am rechten Ufer liegenden Felsnase, dem Kirchberg, erhebt sich die Stadtkirche Unser Lieben Frauen auf dem Berge. Die Altstadt nimmt das abfallende Gelände zwischen dieser Erhebung und der Mulde ein. Sie besteht aus unregelmäßig geformten Quartieren um drei verschieden gestaltete Plätze. Der trichterförmig erweiterte Roßmarkt (Lutherplatz) mündet in den trapezförmigen, vom Rathaus beherrschten Markt. Es folgt, im rechten Winkel an den Marktplatz anschließend, der Schlossplatz. Er leitet zum Schlossareal über, das sich unmittelbar im Muldenknie befindet und aus dem Alten Schloss und dem Neuen Schloss besteht. Eine hölzerne Brücke führte ab 1380 (1537 durch Steinbau ersetzt) zu der am linken Muldenufer gelegenen Vorstadt Altp. Von der zu einem unbekannten Zeitpunkt errichteten, 1450–1500 neu aufgeführten Stadtmauer blieb am Kirchberg ein Mauerzug mit Turm erhalten. Es gab vier Tore: das zur Muldenbrücke gerichtete Brückentor, das Drachenfelder oder Mühlentor, das Obere oder Chemnitzer Tor sowie das unbedeutende Badertor.

P. dürfte etwa 500 bis 1000 Einwohner gehabt haben; 1552 sind 166 besessene Bürger als Haushaltsvorstände sowie 203 Inwohner bezeugt, was auf knapp 1000 Einwohner schließen lässt. Einen stärkeren Bevölkerungsanstieg gab es vor 1800 nicht.

1455 bestätigte Burggraf Georg II. von Leisnig (1436–1474/76) das Stadtrecht. Damit erhielt die Stadtgemeinde das Recht auf Selbstverwaltung. Es wurde ein Bürgermeister eingesetzt, dem fünf Ratsherren zur Seite standen. 1471 erwarb der Rat die Gerichtsbarkeit, wodurch die Einwohner der bggfl.en Rechtsprechung entzogen wurden.

Die Burggrafen von Leisnig beförderten die wirtschaftliche Entwicklung durch Privilegierung der Innungen, als erstes 1353 der Schuhmacherinnung, die Tuchmacher (1490), die Bäcker (1512) und die Leineweber (1527). Auch gab es ein bedeutendes Töpferhandwerk. In der frühen Neuzeit kamen die Tischler und Glaser (1561), Fleischer (1643) und Schneider (vor 1655) hinzu. Im 18. Jahrhundert entfaltete sich das Textilgewerbe, die Strumpfwirker bildeten 1750 eine Innung. Zudem war das Braugewerbe von wirtschaftlicher Bedeutung, auch für das Umland. 1443 entstand ein Wochenmarkt (donnerstags), auch für die ländliche Umgebung. Obwohl P. an einer bedeutenden Handelsstraße lag, wurde erst 1518 erstmals ein Jahrmarkt abgehalten, der sogenannte Fastenjahrmarkt. Der Roßplatz (heute Lutherplatz) diente als Pferdemarkt, die Obergasse als Topfmarkt, der Schlossplatz wurde ab 1579 als Holzmarkt genutzt.

(3) Die älteste Stadtkirche war die Kirche St. Aegidien in Altp. Ihr war als Filialkirche die Stadtkirche Unser Lieben Frauen auf dem Berge zugeordnet. 1313 übertrug Burggraf Albrecht IV. von Altenburg das Patronat an das Benediktinerkloster Chemnitz. Zugleich wurden die Pfarrrechte mit der Stadtkirche verbunden, während St. Aegidien zur Filialkirche absank. Die Parochie P. wurde als Propstei geführt und mit Geistlichen des Benediktinerordens besetzt. Ab 1459 wurden Weltgeistliche als Pfarrer eingesetzt. Um 1380 ließ Burggraf Albrecht I. von Leisnig eine Kapelle anbauen, die von ihm und seinen Nachfahren als Begräbniskapelle genutzt wurde. Neben der Altp.er Kirche (Pfarrkirche für Altp. und Dittmannsdorf), lässt sich die Barbarakapelle in Altp. nachweisen, sie wurde 1526 abgetragen. Klöster oder Ordensniederlassungen lassen sich in P. nicht nachweisen.

Nachdem P. 1538 an die albertinische Linie des sächsischen Herrscherhauses gelangt war, führte Herzog Heinrich der Fromme (1473–1541) 1539 die Reformation ein. Mit der Aufhebung des Chemnitzer Benediktinerkloster erlosch das Patronat über die P.er Stadtkirche.

Wolf II. von Schönburg gründete in P. 1556 eine Superintendentur, die infolge der konfessionellen Streitigkeiten mit Kurfürst August von Sachsen bereits 1566/68 aufgelöst wurde. 1588 richtete man sie erneut ein. Das Alte Schloss verfügte über eine Kapelle, die seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr genutzt wurde.

(4) Die Stadtanlage wird von der Stadtkirche Unser Lieben Frauen auf dem Berge dominiert, die auf der höchsten Erhebung über der Stadt steht und deren Kirchenschiff und Turm die Stadtanlage weit überragt. Der massive Turm wurde zwischen 1476 und 1495 errichtet. 1499 wurde das romanische Langhaus abgetragen und mit dem Bau einer spätgotischen Hallenkirche begonnen, was von den Burggrafen von Leisnig gefördert wurde, da sie hier ihre Begräbniskapelle eingerichtet hatten. Infolge Aussterbens der Burggrafen und der Reformation wurde der Bau nicht vollendet. Die Ägidienkirche in Altp. behielt hingegen weitgehend ihre ursprüngliche Gestalt aus dem 12. Jahrhundert , lediglich die Apsis wurde um 1400 erneuert.

Schlossplatz und Markt bilden einen winkelförmigen Platzraum. Als dominierendes Bauwerk erhebt sich an der Südseite das Rathaus. Es wurde 1545/46 im Renaissancestil erbaut, kurz nach dem Übergang an die Schönburger. Die prächtige Portalanlage wird von einem Wappen der Burggrafen von Leisnig bekrönt, was auf die von diesem Geschlecht verliehenen Stadtrechte hinweist.

Das zweite große Bauwerk im Stadtzentrum ist das Neue Schloss, das sich mit seiner Hauptfront dem Schlossplatz zuwendet und somit die Herrschaft der Grafen von Schönburg über P. sichtbar macht. Wolf II. von Schönburg hatte es 1554/55 bewusst in den Stadtraum setzen lassen. Dahinter, an der Beugung des Muldenknies, erhebt sich das Alte Schloss (1355 »castrum«), welches wohl die Burg der Burggrafen von Leisnig gewesen war. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde es unter Wolf Heinrich I. von Schönburg (1605–1657), dem Begründer der Linie Schönburg-Forderglauchau, im Renaissancestil ausgebaut. Es diente als Nebenresidenz dieser Linie und als Residenz der von 1683 bis 1763 bestehenden Linie Schönburg-P. 1790 wurde das Neue Schloss unter Wilhelm Albert Heinrich von Schönburg-Forderglauchau (1762–1815) im klassizistischen Stil umgebaut.

Die Wohnhäuser im Stadtkern stammen überwiegend aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts oder sind noch jünger. Ältere Bausubstanz findet sich im ehemalige Bürgerhaus Markt 7 mit einem Wappenfries von 1536.

Die älteste Stadtansicht wurde 1617 von Jacob Hoefnagel gedruckt. Nach dieser Vorlage fertigte Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650) eine Stadtansicht an, 1650 veröffentlicht.

(5) P. war der Mittelpunkt der Herrschaft P. mit ihren 16 Dörfern, in wirtschaftlicher Hinsicht auch für die Dörfer der oft mit P. in einer Hand vereinten Herrschaft Rochsburg. Bedeutung für das Umland hatte P. als Ort des Gerichts sowie als Hebestelle für die Zinsen, Fronen und Dienste der Untertanen der Herrschaft P. Das Schloss in P. war mit dem Lehnhof der Burggrafen von Leisnig und dem herrschaftlichen Gericht verbunden. Auf dem P.er Markt wurden auf Veranlassung Burggraf Hugos von Lesinig vier Bauern als Rädelsführer der sich am Bauernkrieg beteiligenden Aufständischen hingerichtet.

(6) P. besaß eine Zentralfunktion für die Herrschaft P. Die reichsunmittelbaren Burggrafen von Leisnig bauten P. zu einer Residenzstadt aus, indem sie das Alte Schloss als Wohnsitz wählten, P. zur Stadt erhoben, Stadtgemeinde und Innungen durch Privilegien förderten. Die Stadtkirche Unser lieben Frauen auf dem Berg war zugleich Begräbniskirche der Burggrafen und wurde um 1500 unter maßgeblicher Förderung der Burggrafen zur einer mächtigen spätgotischen Hallenkirche ausgebaut. P. war eine vergleichsweise kleine Stadt von mäßigem wirtschaftlichem Potential, das Herrschaftsgebiet der P.er Linie der Leisniger Burggrafen umfasste nur wenige Dörfer, was die Gestaltungsmöglichkeiten einengte. So konnte in P. nie ein Kloster etabliert werden.

Mit dem Übergang P.s an die Herren und Grafen von Schönburg kamen der Stadt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erneut Residenzfunktionen zu. Wolf II. von Schönburg richtete eine Superintendentur ein, die bis ins 19. Jahrhundert bestand. Allerdings stand P. in der zweiten oder dritten Reihe hinter den anderen Städten des Schönburgischen Herrschaftsgebiets wie Glauchau oder Waldenburg zurück, woran die Funktion P.s als Nebenresidenz für die jüngere Hauptlinie Schönburg-Glauchau und 1683–1763 als Hauptresidenz der Linie Schönburg-P. sowie als Wohnsitz Wilhelm Albert Heinrichs (1762–1815) aus der Forderglauchauer Linie nichts ändern konnte. Mit seinem Tod verlor P. seine Qualität als Residenzstadt, während der Industrialisierung wandelte sich P. zu einer durch Papier- und Textilindustrie geprägten Industriestadt.

(7) Archivalien zur älteren Stadtgeschichte befinden sich im Stadtarchiv und im Pfarrarchiv Penig. Die älteste Stadtchronik ist das in mehreren Handschriften überlieferte »Chronicon Penicense« von Sebastian Meyer (1549). Im Druck erschienen sind die Erinnerungen eines Peniger Handwerkers: Ökonomie und Lebensalltag in der sächsischen Stadt Penig 1748 bis 1810. Die Lebenserinnerungen des Sattlermeisters Johann Ephraim August Jacobi, hg. von Stefanie Fritzsche, Dresden 2013 (Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, 29).

(8)Krieg, Gustav Ernst: Geschichte der Stadt Penig und deren Umgegend, Penig 1838. – Beil, Arthur: Aus vergangenen Tagen. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Herrschaft Penig in der Zeit von 1400–1800, Taura 1908. – Beil, Arthur: Burggraf Hugo von Leisnig, der Letzte eines edlen Stamnes, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Volkskunde 34 (1913) S. 32–60. – Beil, Arthur: Die Herrschaft Penig, in: Geschichtsblätter. Beilage zum Peniger Tageblatt 1 (1928) S. 1–35. – Fritschen, Walter von: Penig. Eine städtebauliche Untersuchung, in: Sächsische Heimatblätter 11 (1965) S. 402–416. – Schlesinger, Walter: Art. „Penig“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 8: Sachsen (1965), S. 274. – Thieme, André: Die Burggrafschaft Altenburg. Studien zu Amt und Herrschaft im Übergang von hohen zum späten Mittelalter, Leipzig 2001 (Schriften zur Sächsischen Landesgeschichte, 2), S. 557–570. – Oehmig, Klaus, Neumann, Margret, Tomoscheit, Annett: Penig von A bis Z. Ein Stadtlexikon, Penig 2002. – Thieme, André: Im Spannungsfeld von Adels- und Landesherrschaft. Burg und Herrschaft Rochsburg im Mittelalter, in: Schloß und Herrschaft Rochsburg, hg. von Matthias Donath, Beucha 2006, S. 11–26. – Donath, Matthias: Schlösser und Herrenhäuser links und rechts der Mulde, Meißen 2012, S. 50–52.

Matthias Donath