Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Salzderhelden

Salzderhelden

(1) Anfang des 14. Jahrhunderts wird zuerst die Saline in Salehelden (1305) und sodann (1306) die Lage derselben in der Nähe bei der Burg erwähnt (Sale iuxta castrum Helden). Dann heißt es für die Burg überwiegend castrum Salis, auch Salina, oder castrum, hus oder slot Solt, bevor sich für Burg wie für Flecken der Name zum Salcze zur Helden (auch in Varianten) durchsetzt. Er bedeutet Salz[quelle] am Berghang (vgl. Halde). Auf einem Hang des Heldenberges lag die Burg, die Saline hingegen wie der bei ihr entstandene Ort im Überschwemmungsgebiet der Leine, die hier von einem Zweig der Northeim-Einbecker-Straße überquert wurde. Seit dem 15. Jahrhundert gab es eine Brücke (1482), seit dem 17. Jahrhundert einen Straßendamm.

Ob die Grafen von Dassel im 13. Jahrhundert die Burg errichtet hatten, ist wegen fehlender Zeugnisse nicht zu klären, allerdings hätte sie in deren Gerichtsbezirk gelegen. 1320 befand sich die Burg S. im Besitz der Herzöge von Braunschweig aus der seit 1291 bestehenden Linie Grubenhagen. Wann sie in deren Besitz überging, ist unbekannt. Nachdem sie vorübergehend im Pfandbesitz des Bf.s von Hildesheim (1329–1335) und später (1428, 1431) in dem unbekannter Gläubiger war, wurde S. neben Osterode und Herzberg sowie später Grubenhagen und Katlenburg eine der Residenzen im Fürstentum Grubenhagen. Zwischen 1320 und 1567 sind neun von 21 Hzg.en als regierende Fürsten oder als Vormundschafts- und Mitregenten auf der Burg nachzuweisen. Mehreren Hzg.en ist die Burg in Haus- und Teilungsverträgen als Wohnsitz zugewiesen worden, so Erich (1402), Heinrich IV. (1481) und Philipp II. (1558, 1571), überdies zusammen mit dem Amt S. 1405 der Herzogin Elisabeth, 1517 einer weiteren Herzogin namens Elizabeth und 1569/71 der Herzogin Dorothea zur Leibzucht verschrieben worden. Zudem starben in S. Heinrich I. († 1322), Albrecht († 1383) und Heinrich IV. († 1526). Heinrich III. und Heinrich IV. ließen auf der Burg Münzen prägen. Bezeichnend ist, dass die Herzöge Albrecht, Friedrich und Erich nach der Burg benannt wurden oder sich ihren Namen zulegten, wie es auch die Hzg.innen Agnes († 1410) und Elisabeth († 1542) taten. Mehrmals war S. Witwensitz, im Einzelnen für die Hzg.innen Agnes (1383–1410), Margarethe (1464–1491), Elisabeth (1526–1542) und Margarethe (1567–1569). Mit dem Tod Margarethes 1569 wurde die Burg S. als Residenz aufgegeben.

Nach dem Aussterben der Grubenhagener Linie des Alten Hauses Braunschweig 1596 behauptete zunächst Herzog Heinrich Julius (mit den Fsm.ern Wolfenbüttel und Calenberg-Göttingen) das Fürstentum Grubenhagen, bevor es sein Sohn Friedrich Ulrich 1617 gemäß Beschluss des Reichskammergerichts von 1609 an Herzog Christian im Fürstentum Lüneburg als Erbberechtigten übergab. S. blieb wie das ganze Fürstentum Grubenhagen bis 1665 bei der Lüneburger Linie, bis Grubenhagen an Herzog Johann Friedrich mit den Fsm.ern Calenberg und Göttingen kam (dessen Residenzstadt seit 1636 Hannover war). Dessen Nachfolger Ernst August erhielt 1692 die Kurwürde (hinfort Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg; »Kurhannover« wurde die gängige Bezeichnung für den aus den Fsm.ern Calenberg, Göttingen, Grubenhagen und – seit 1705 – Lüneburg bestehenden Länderkomplex).

Nach dem Übergang S.s an die Herzöge des Mittleren Hauses Lüneburg wurde die Burg, die Mittelpunkt eines Gerichts- und Amtsbezirks war, verpfändet. 1521 wurde der Amtssitz vor die Burg verlegt. 1722 wurde der Burgturm für unbekannte Zeit als Gefängnis genutzt, diente zuletzt höheren Amtsträgern als Wohnstätte; äußerst selten besuchten die Landesherrn S. (1675, 1748). Ab 1686 blieb die Burg unbewohnt und verfiel.

Kirchlich gehörte S. vor der Reformation zum Erzstift Mainz und hier zur Sedes Stöckheim im Archidiakonat Nörten. 1538 wurde zwar im Fürstentum Grubenhagen die Reformation eingeführt, in S. hingegen erst 1542 nach dem Tod der altgläubigen, auf der Burg S. lebenden Herzogin Elisabeth. Mit der neuen, auf den Ämtern basierenden kirchlichen Verwaltungsstruktur gehörte das Amt S. zur Inspektion Einbeck der grubenhagenschen Generalsuperintendentur in Clausthal.

(2) Ausschlaggebend für die Ansiedlung war die pfännerschaftlich organisierte Saline mit 15 Siedehäusern, von denen eines direkt dem Herzog (in der Nachfolge der Grafen von Dassel) und ein weiteres zu einem vom Herzog verlehnten Gut, dem Sattelhof, gehörte. Unweit der Saline entstand durch Zuwanderung aus einem aufgegebenen Ort die 1451 erstmals als Flecken bezeichnete Siedlung. Die Siedlung wurde von drei Wasserläufen (Leine, Feuergraben und Zolleine) begrenzt, von denen die – nicht mehr vorhandene – Zolleine den befestigten Flecken von dem nordöstlich liegenden Bereich des Amts mit einem ummauerten Vorwerk und der Mühle sowie der am Berghang gelegenen Burg trennte. Westlich des Amtsbereichs entstand ein Vorort. An der Spitze des Fleckens stand ein Rat (Rathaus 1498 erwähnt), der jährlich mit Zustimmung des Amtmannes vom alten Rat gewählt wurde. Der Rat bestand aus sechs Mitgliedern und dem Bürgermeister. Die Rechnungsprüfung oblag der hzl.en Kanzlei in Osterode. 1590 verpflichtete sich der Stadtherr, das Marktrecht wie auch die Selbstverwaltung zu schützen, ältere Privilegien sollen nach einem Bericht des Jahres 1588 bei dem Brand 1523 verloren gegangen sein. 1549 wurden 66 Hausbesitzer gezählt, 1569 waren es 80, was auf unter 400 Einwohner schließen lässt, für 1689 sind nur 188 Einwohner belegt, dazu 44 in der Vorstadt. Die Salzherstellung prägte das Wirtschaftsleben. Von den 78 Hausbesitzern 1664 waren 33 Pfänner, 17 Salzkärrner, sechs Salzträger, hinzu kamen fünf Schmiede und je drei Branntweinbrenner und Bäcker. Die Einwohnerzahl stieg im 18. Jahrhundert auf 1135 (um 1800) an.

(3) Die Pfarrkirche St. Pankratius des abgegangenen Ortes Bonekenhusen galt nach Aufgabe des Ortes als Pfarrkirche von Salzderhelden; dort ist 1442 ein Pfarrer und 1444 der Bau der Kirche bezeugt. Die Burgkapelle war St. Johannis geweiht wie auch die 1487 von Herzogin Margarethe an der Straße nach Einbeck gestiftete Wegekapelle (seit Ende des 16. Jahrhunderts Friedhofskapelle). Patrone der Pfarrkirche St. Maria waren die Inhaber des Sattelhofs (von Berckefeld, von Minnigerode).

(4)Herzogin Elisabeth ließ um 1500 die Burg zu einer Vierflügelanlage umbauen. Unter Herzog Philipp II. wurde 1590 das Schloss mit dem auf dem Merianstich zu erkennenden Fachwerk umgestaltet. Zwischen Burg und Flecken wurden 1600 ein erstes und 1734 ein neues Amtshaus (heute »Burgschänke«) gebaut, letzteres auch mit Steinen der inzwischen verfallenen Burg. Anders als die Burg wurde das 1623 durch Brand zerstörte und 1624 wieder aufgebaute Vorwerk instandgehalten und 1773 durch König Georg III. erneuert; 1655 wurde der Amtskrug errichtet. Im 1523 und 1634 weitgehend abgebrannten Flecken befanden sich im Besitz des Rates das Rathaus, die Ratsbude des Ratsdieners, das Witwenhaus und das Hirtenhaus sowie zwei Krüge (davon einer im Rathaus). Von 1764 bis 1769 wurde die evangelisch-lutherische Kirche St. Jakobi gebaut.

Die älteste Ansicht der Burg S. stammt aus der Dasselisch- und Einbeckischen Chronik von Johannes Letzner (1596). Grundrisse der Burg liegen aus dem Jahr 1734 vor. Merians Topographie (1653) gibt eine Schau auf Burg, Amtshaus, Vorwerk und den Flecken mit Rathaus und Kirche nebst Befestigungsanlagen wieder, ein kleinformatiger Kupferstich (1681) zeigt den Amtsort. Ein Plan des Fleckens datiert von 1764.

(5) S. war eine Gewerbesiedlung mit nur geringer landwirtschaftlicher Tätigkeit, fungierte daneben aber als Lebensmittel- und Holzmarkt. Ein Zöllner wird 1422 erwähnt, das Zollhaus 1554. Das in S. erzeugte Salz wurde im näheren Umland verkauft; 1586 wurde zur Produktivitätssteigerung eine Wasserkunst errichtet, 1662 ein Salzvorratshaus und 1693 ein später erweitertes Gradierwerk. 1772 gab es zwei Windmühlen und nach 1774 Leinenlegge und Wollfabrik.

(6) Saline und Flecken S. bildeten eine Einheit, die sich in der für lange Zeit selben Siegelführung zeigt. Trotz Privilegierung blieb der Flecken stets dem Amt unterstellt. Die Stadtherren regelten selbst kleinere Angelegenheiten. Heinrich IV. erlaubte bspw. 1482 einem Bürger den Verkauf von Renten aus seinen Hauseinkünften. 1498 veräußerte er selbst eine Mark aus einem Pfahlzins, einem Bauzins für Zuzügler. Herzogin Margarethe förderte 1569 die Schule, indem sie einen Malter Roggen stiftete. Herzog Philipp II. ließ 1577 und 1578 Material für Baumaßnahmen des Fleckens (Mühle, Brauhaus, Schafstall) liefern und ergriff 1590 und 1594 Maßnahmen gegen die Leinehochwasser. 1593 beschwerte sich der Rat beim Herzog über einen minderwertiges Fleisch verkaufenden Schlachter. Im Rathaus des Fleckens, dessen Glocke 1641 geraubt worden war, hing, belegt nur für das Jahr 1664, die Glocke der Burgkapelle.

Nach Aufgabe der Burg als hzl.em Wohnsitz blieb die Saline, aus der dem Landesherrn Einnahmen aus dem Salzkotengeld, Salzzoll und Salzgeld zuflossen, von Interesse für die Herzöge und späteren Kurfürsten Da sich nur eines der Siedehäuser im landesherrlichen Eigentum befand und die Gewerke eine Ausweitung der hzl.en Rechte schon im 16. Jahrhundert nicht gestatteten, ließ der Landesherr 1686 in Sülbeck eine Konkurrenzsaline errichten. 1755 übernahm die Landesherrschaft die verschuldete S.er Saline und errichtete einen neuen Betrieb, den sie von den Gewerken pachtete. Ein Dankfest für den Salzbrunnen fand in jedem Jahr am Montag nach Fronleichnam statt; außerdem gab es drei Schützenhöfe (Himmelfahrt, Pfingsten, Johannistag) mit Freischüssen des Amtmanns. Die Residenzfunktion der Burg S. erklärt sich aus der Nähe zu Einbeck als bedeutendster der – nach dem Verlust von Duderstadt – beiden Städte des Fsm.s.

(7) Außer vereinzelt im Stadtarchiv Einbeck und im Niedersächsischen Landearchiv – Standort Wolfenbüttel sind die Archivalien vor allem im Niedersächsischen Landearchiv – Standort Hannover in verschiedenen Beständen zu finden, so die Urkunden in: Cal Or. 4, Cal Or. 25, Cal Or. 100 Einbeck Augustiner, Cal Or. 100 Einbeck St. Marien, Cal Or. 100 Stadt Einbeck. Akten finden sich in: Cal Br. 3, Cal Br. 9, Cal Br. 14, Cal Br. 15, Cal Br. 20, Cal Br 34 oder Hann. 68 B, Hann. 74 Einbeck (hier z. B. das Erbregister 1664), Hann. 93; Karten in: Kartensammlung Nr. 22c Salzderhelden 3 pm (Ortslage 1764), Nr. 22c Salzderhelden 19 pm, 20 pg und 23 pg (Salzderhelden und Umgebung von 1770); Ansicht in: BigS Nr. 9366 (1681).

Urkundenbuch Herzöge von Braunschweig, Bde. 1, 6, 7, 9, 10 (1859, 1867, 1871, 1877, 1880). – Urkundenbuch Grubenhagen, in: Max, Georg: Geschichte des Fürstentums Grubenhagen, Bd. 2, Hannover 1863. – Urkundenbuch der Stadt Goslar und der in und bei Goslar belegenen geistlichen Stiftungen, Bde. 3–5, bearb. von Georg Bode, Halle 1900, 1905, Berlin 1922 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 31, 32, 45). – Urkundenauszüge zur Geschichte der Stadt Einbeck bis zum Jahre 1500, bearb. von Wilhelm Feise, Einbeck 1959. – Kopfsteuerbeschreibung Calenberg-Göttingen und Grubenhagen (1969), S. 193–208. – Urkundenbuch des Stifts Fredelsloh, bearb. von Manfred Hamann, Hildesheim 1983 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 37; Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter, 6).

(8)Max, Georg: Geschichte des Fürstentums Grubenhagen, Hannover 1862, bes. S. 28–32. – Mithoff, Hector Wilhelm Heinrich: Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen, Bd. 2: Fürstentümer Göttingen und Grubenhagen nebst den hannoverschen Teilen des Harzes und der Grafschaft Hohnstein, Hannover 1873. – Eckart, Rudolf: Geschichte des Fleckens und der Burg Salzderhelden, Leipzig 1896 (Geschichte Südhannoverscher Burgen und Klöster, 6). – Feise, Wilhelm: Salzderhelden. Eine Übersicht über die Geschichte des Fleckens und der Burg, Einbeck 1926. – Historisch-Landeskundliche Exkursionskarte/Blatt Moringen, bearb. und hg. von Erhard Kühlhorn, Hildesheim 1976 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung, 2,4). – Aufgebauer, Peter: Die Burg Salzderhelden, in: Einbecker Jahrbuch 38 (1987) S. 19–41. – Steenweg, Helge: Das Leben auf den Amtsitzen und früheren Residenzen Salzderhelden und Rotenkirchen im 16. und 17. Jahrhundert, in: Einbecker Jahrbuch 40 (1989) S. 1–30. – Aufgebauer, Peter: Herzog Heinrich der Wunderliche, die Stadt Einbeck und die Residenzen des Fürstentums Grubenhagen, in: Einbecker Jahrbuch 42 (1992) S. 95–118. – Regionalkarte zur Geschichte und Landeskunde/Blätter Einbeck und Seesen, hg. von Gerhard Streich und Arnd Reitemeier, bearb. von Gerhard Streich, Stephan Kelichhaus, Barbara Korte und Gudrun Pischke, Hannover 2011.

Gudrun Pischke