Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Gröningen

Gröningen

(1) G. liegt in der südlichen Magdeburger Börde, 13 km nordöstlich von Halberstadt an der Halberstadt mit Magdeburg verbindenden Straße, die hier die Bode quert. Der Ort ist durch die Bode vom eng verbundenen Kloster G. getrennt. Der Name leitet sich wahrscheinlich von »grön« (»grün«) her, während »ingen« für »Ansiedlung« steht. Mit großer Wahrscheinlichkeit gab es bereits im frühen Mittelalter eine Burg auf dem Gebiet der späteren Siedlung G., gesichert ist ihre Existenz spätestens ab dem Beginn des 12. Jahrhunderts. Aus den einzelnen Höfen, die nördlich und östlich um die Burg lagen, entwickelten sich mehrere Siedlungsplätze, die alle den Namen G. trugen (später [Mittel]G., Westerg., Süderg. oder Sudendorf, Nordg.), was die Identifikation der in den hoch- und spätmittelalterlichen Quellen nur als G. bezeichneten Orte erheblich erschwert. 934 wird das erste Mal ein G. erwähnt. 936 wurde das Benediktinerkloster G. gegründet, eine Filiale des Stifts Corvey, das mit Gütern links und rechts der Bode versehen wurde, u. a. mit einem oder mehreren Ort(en) G.; Westerg. wurde in der Folge Klosterg., ca. 700 m westlich der anderen G. gelegen. 1253 (andere Quellen sprechen von 1247) erhielten die Halberstädter Bischöfe die Gerichtsbarkeit über Ort und Kloster G. Der zunächst noch im Besitz Corveys verbliebene Grundbesitz gelangte danach zu einem unbekannten Zeitpunkt (wohl in den späten 1360er Jahren) ebenfalls in das Eigentum des Hochstifts Halberstadt. 1371 löste Bischof Albrecht III. (reg. 1366–1390) das verpfändete G. wieder aus, fasste mehrere der Höfe zusammen und verlieh dem neuen Gemeinwesen (wohl dem später sogenannten Mittelg.) 1373 Weichbildrecht; bereits 1369 hatte er in G. eine Urkunde ausgestellt, er residierte als erster Halberstädter Bischof nachweislich im G.er Schloss. Dauerhafter Sitz wurde G. für den ersten protestantischen Halberstädter Bischof Heinrich Julius von Braunschweig (1566–1613), der 1578 hierher zog und das Schloss zur herrschaftlichen Residenz machte und eine luxuriöse Hofhaltung an den Tag legte. Faktisch hielten sich die Halberstädter Bischöfe seit 1607 nicht mehr in dem zumeist als Flecken bezeichneten G. auf. Bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs blieb G., das schwer zerstört wurde, jedoch formal Residenzstadt, als das 1648 säkularisierte Bistum als Fürstentum im Kurfürstentum Brandenburg und späteren Preußen aufging. Bis ins 19. Jahrhundert blieb G. der Sitz eines Domänenamtes.

(2) Das Weichbild G. verfügte über einen regelmäßigen Grundriss in Leiterform (heute zwischen Bodestraße und Grabenstraße), was auf eine gezielte Anlage des Orts im Rahmen des Landesausbaus des 12./13. Jahrhunderts hinweist. Im 16. Jahrhundert erhielt G. eine Ratsverfassung, über deren Beschaffenheit nichts Näheres bekannt ist. Bischof Heinrich Julius erteilte 1590 dem Rat die Erlaubnis, Bier zu brauen. Seit 1642 fanden hier zwei Jahr- bzw. Viehmärkte statt. 1710 wurde eine Papiermühle errichtet. G. hatte Mitte des 18. Jahrhunderts ca. 1600 Einwohner. Wichtigster Wirtschaftszweig war die Landwirtschaft, die auf der umfangreichen Feldmark mit ihren guten Böden hohe Erträge abwarf. Die im Verlauf des Spätmittelalters zu einem unbekannten Zeitpunkt errichtete Mauer umfasste nur Mittelg. und sparte Südg. und Nordg. aus. Sie war bereits im 17. Jahrhundert schadhaft und verschwand bald völlig.

(3) Wahrscheinlich wurde bereits im Zusammenhang mit (einer) der hochmittelalterlichen Burg(en) eine Kirche bzw. eine Kapelle errichtet. In dem Weichbild Mittelg. lag die Pfarrkirche direkt neben der Burg, dem späteren Schloss. Ihr Martinspatrozinium verweist auf eine frühe Entstehung, die Fundamente des Turms legen die Zeit um 1200 nahe. Im Laufe des 14. Jahrhunderts verfiel die Kirche, weswegen sie zu Anfang des 15. Jahrhunderts erneuert wurde (Weihe 1418). Als weitere geistliche Einrichtung ist das von Bischof Heinrich Julius gestiftete Hospital zu nennen. In Südg. befindet sich die St. Cyriaci-Kirche, die wie die St. Martini-Kirche aus dem 12./13. Jahrhundert stammt. Unter Bischof Heinrich Julius wurde im Bistum Halberstadt die Reformation formell eingeführt, so auch 1591 in G.

(4) Baulicher Ausgangspunkt des späteren Schlosses dürfte eine bereits im Hochmittelalter angelegte Burg gewesen sein, deren herrschaftliche Zuordnung nicht mit letzter Sicherheit vorzunehmen ist. Höchstwahrscheinlich war es diese Burg, die 1140 mit ihren zugehörigen Ländereien zerstört wurde und bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts oder Anfang des 14. Jahrhunderts wüst lag, ehe sie als bischöflich Halberstädter Lehen an die Edelherren von Hadmersleben ausgetan wurde, die sie 1367 wieder den Bf.en überließen. Weiter ausgebaut wurde die Burg ab etwa 1370 unter Bischof Albrecht III. Sie prägte das Bild des Ortes. 1407 ließ Bischof Heinrich von Warberg (1407–1410) einen großen Teich anlegen (später wieder zugeschüttet). Bischof Gebhard von Hoym (1420–1437) baute 1473 den Bf.ssitz zu einer größeren Schlossanlage aus, und Albrecht V. von Brandenburg (1513–1545) fügte ihm 1535 den Ostflügel hinzu. Es war schließlich Bischof Heinrich Julius von Braunschweig (1566–1613), der 1578 nach G. zog und das Gebäude zu seiner Residenz machte (tiefgreifender Umbau zur Vierflügelanlage mit Neuanlage der Schlosskapelle 1586–1594). Ausdruck des zwischenhöfischen Konkurrenzstrebens war die Anschaffung einer der seinerzeit größten Orgeln des Reichs und des mit 144.000 l Fassungsvermögen größten Weinfasses 1594 (gebaut von Michael Werner aus Landau). Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloss wie der Flecken schwer zerstört, das Gebäude blieb unbewohnt und verfiel. 1768 wurde der Abbruch beschlossen. Die große Orgel ging 1769 an die St. Martini-Kirche in Halberstadt, das Riesenweinfass bekam 1780 der Halberstädter Domdechant Ernst Ludwig Spiegel zum Diesenberg (1711–1785), der es zusammen mit dem G.er Renaissanceportal in sein Jagdschloss in den Halberstädter Spiegelsbergen integrieren ließ, wo es heute noch zu sehen ist. 1817 war der Abbruch des G.er Schlosses vollzogen. Über kommunale Bauten ist, abgesehen von der Ummauerung, nichts bekannt.

(5, 6) Allgemeinere Bedeutung erhielt G. allein durch die Anwesenheit der Halberstädter Bischöfe Für G. bedeutsam war insbesondere die Hofhaltung Bischof Heinrich Julius’, da unter ihm der Hof zu einer kulturellen Blüte geführt wurde. Er war den Ideen der Frühaufklärung zugeneigt und förderte die Künste, die Wissenschaften und die Wirtschaft. U. a. ließ er den Großen Graben nördlich von G. schiffbar machen, so dass auf ihm Baumaterial heran transportiert werden konnte. Sein Wegzug nach Prag an den Hof Kaiser Rudolfs II. 1607 bedeutete einen Einschnitt für G. Nach Ende der Residenzzeit und der Umwandlung des Bm.s Halberstadt in ein weltliches Fürstentum war G. Sitz eines Domänenamts, zu dem bis 1807 fünf Mediatstädte und mehrere Rittergüter gehörten. Über eine Einbindung G.s in Städtebünde oder eine Zugehörigkeit zu Landständen ist nichts bekannt. Als Residenzstadt i. e. S. lässt sich G. kaum bezeichnen, da der Ort die Entwicklung zur vollausgebildeten Stadt nicht mitgemacht hat und auf der Stufe eines Fleckens stehen geblieben ist.

(7)Leuckfeld, Johann Georg: Antiqvitates Gröningenses. Historische Beschreibung der Vormahligen Bischöfflichen Residenz Groeningen im itzigem Fürsthenthume Halberstadt, Quedlinburg 1710. – Abel, Caspar: Stiffts- Stadt- und Land- Chronick des jetzigen Fürstenthums Halberstadt, Bernburg 1754.

(8)Ammann, Rudolf: Neue Chronik der Stadt Gröningen, Oschersleben (Bode) 1955. – Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 11: Provinz Sachsen-Anhalt (1987). – Wagnitz, Richard: Halberstadt und Wolfenbüttel. Ursachen und Auswirkungen der Verwaltung des Bistums Halberstadt durch Heinrich Julius, Wolfenbüttel 1991. – Dehio, Kunstdenkmäler: Sachsen-Anhalt I (2002). – Staufenbiel, Ralf: Von der Wallburg zum Renaissance- und Residenzschloss Gröningen. Versuch einer Rekonstruktion, o. O. 2009.

Nils Grübel