Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Dahme

Dahme

(1) Die Stadt D. ist Sitz des gleichnamigen Amtes im Landkreis Teltow-Fläming im südlichen Brandenburg. Durch die Stadt fließt der südöstlich von ihr entspringende Fluss Dahme, der nach etwa 95 km in Berlin-Köpenick in die Spree mündet.

D. wird 1186 und 1234 als Mittelpunkt eines Burgwardbezirkes erwähnt. Erzbischof Wichmann von Magdeburg hatte diesen um 1185 erworben und damit seine Herrschaft Jüterbog erweitert. Ab 1231 ist ein Ministerialengeschlecht der Herren von D. fassbar. Nach dem Aussterben in der männlichen Linie 1405 zog der Erzbischof Burg und Stadt ein und verpfändete beide wiederholt. 1464 kaufte der Erzbischof dem böhmischen König Georg von Podiebrad dessen Ansprüche auf die Herrschaft D. ab, nachdem dieser 1457 die Burg eingenommen hatte.

Im Prager Frieden von 1635 kam das Amt D. als Teil der Niederlausitz in den Besitz des sächsischen Kurfürsten Johann Georg (1611–1656). Seinem zweiten Sohn, Herzog August, wurde das Erzstift Magdeburg auf Lebenszeit zugesprochen. Dazu kamen weitere, vom Erzstift getrennte Ämter, u. a. D. Testamentarisch fiel D. 1656 dem Herrschaftsgebiet Herzog August von Sachsen-Weißenfels (1614–1680) zu, diente jedoch zunächst als Witwensitz.

Erst als Herzog Friedrich (1673–1715) als nachgeborener Prinz 1707 das Amt D. erhielt, begann der Ausbau der Burg zu einer repräsentativen Residenz. 1711 heiratete er die wohlhabende Witwe Emilie Agnes Gf.in von Promnitz (1667–1729), die im gleichen Jahr der Weißenfelser Hauptlinie das Amt D. abkaufte. 1719 übernahm Johann Adolph II. (1685–1747), der jüngste Bruder des regierenden Hzg.s, das Schloss und ließ es großzügig ausstatten und erweitern; 1736 wurde er Regent des Hzm.s Sachsen-Weißenfels und verließ D. Nach dem Ableben des Hzg.s 1747 fiel das gesamte Herzogtum mit D. zurück an die sächsische Kurlinie, seine Frau lebte bis zu ihrem Tod 1758 noch im Schloss D. Im Wiener Kongress 1815 kam D. an Preußen.

Kirchlich gehörte der Burgbezirk um D. von 1186 bis 1234 zum Bistum Brandenburg, danach als Sedes D. zum Bistum Meißen. Von 1552 bis 1967 war es Sitz einer eigenen Superintendentur.

(2) Eine Burg sicherte den Übergang eines Zweiges der von Magdeburg bzw. Halle nach Schlesien/Polen führenden Salzstraße über die Dahme, die Existenz von Vor- und Frühformen einer städtischen Siedlung wäre vorstellbar. Für eine mögliche Niederlassung von Kaufleuten bzw. Siedlern aus Flandern und dem Mittelelbegebiet spricht das Nikolai-Patrozinium einer zweiten Kirche neben der Pfarrkirche St. Marien. Unter den Herren von D. entwickelte sich aus vorstädtischen Siedlungsstrukturen die 1265 erstmals als civitas mit Markt- und Zollrechten erwähnte Stadt (1368 castrum et civitas). Bereits 1231 werden Vogt und Schultheiß erwähnt. 1265 befreiten die Herren von D. ihre Untertanen vom Zoll. Für eine weitere zielgerichtete Förderung spricht die 1309 benutzte Formel für Ratsherren, Schöffen und ganze Gemeine sowie die Erlaubnis zur Führung eines Siegels (eine Mauer mit Tor zeigend, auf der sich in der Mitte ein Turm erhebt [seit dem 17. Jahrhundert mit einer Frau], an dem eine Leiter lehnt, flankiert von zwei kleineren Türmen). Eine förmliche Stadtrechtsverleihung ist nicht überliefert. 1405 bestätigte der Magdeburger Erzbischof alle Freiheiten der Stadt wie Stadtrecht, Stadtmark, Erbgericht, Brückenzoll und Verbot der Einfuhr fremden Biers. Zur Verwaltung des Amts D. setzte der Erzbischof Amtmänner (auf drei Jahre) ein, die der Ehrbaren Mannschaft (so der Quellenausdruck) entstammten. Die Gerichtsbarkeit lag beim Amt, das den Stadtrichter bestellte. Der Rat hatte die niedere Gerichtsbarkeit und die Polizeigewalt. Gelegentliche Konflikte (1454, 1688) zwischen Rat und Bürgerschaft, den Zwölfmännern, wegen Ämterhäufung und unklarer Rechnungsführung oder zwischen Stadt und Amtsverwaltung (1542, 1660, 1664) wegen unrechter Belastungen wurden wohl auf dem Rechtsweg oder mit Disziplinarstrafen (Arrest) geregelt. Möglicherweise auf Drängen des Rates wegen Unstimmigkeiten mit dem Amt wurde D. 1665 schriftsässig, ein landesherrlicher Stadtrichter bestellt und die Kompetenzen des Rates erweitert.

In sozialer und gewerblicher Hinsicht war D. landwirtschaftlich und handwerklich geprägt. Schloss und Ehrbare Mannschaft bildeten einen abgesonderten Bereich. Ehrbare Mannen unterstanden dem Amt, hatten Sonderrechte und galten nicht als Bürger. Die Einteilung der Einwohner in Städter oder ganze Stellen mit Braurecht sowie in halbe Städter, Büdner und Hausgenossen zeigt die soziale und rechtliche Differenzierung; 1609 gab es 223 Bürger, 1626 252 Einwohner (147 Vollbürgerstellen, 39 halbe Bürgerstellen, 46 Büdnerstellen und 20 Hausgenossen), 1663 722 Einwohner, 1717 1533 Einwohner, 1801 2553 Einwohner. 1563 hatte D. 112 Häuser, 1646 68, 1664 160, dazu 72 wüste Häuser, 1735 361 Häuser, davon in der Schlossgasse und der Ehrbaren Mannschaft 19 Häuser (inkl. Pfarrhäuser und Schule). Seit dem 14. Jahrhundert sind Handwerkerzünfte bezeugt, als erstes wurden die Tuchmacher privilegiert (1382). Die Aufnahme von Wenden in den Rat und den Schuh- und Tuchmacherinnungen wurde 1452 verboten, zu den Innungen wurden sie sowie die um D. wohnenden Deutschen 1467 wieder zugelassen. 1704 gab es 71 Handwerker, darunter 25 Tuchmacher, hingegen nur zwei Krämer/Kaufleute, um 1800 gab es 138 Tuchmacher und 40 Schuster. Die steigenden Bevölkerungs- wie Handwerkerzahlen unterstreichen den mit der Residenz verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich verhalten auch nach Wegzug des Hofs fortsetzte.

Eine durch die Herren von D. gestiftete Schule ist zu vermuten. 1562 sind Schulmeister und Kantor belegt und 1599 bat der Rat das Magdeburger Domkapitel unter Berufung auf die Stiftung, die Besoldung des Schulmeisters durch ein Getreidedeputat zu verbessern. 1682 erfolgte die Erneuerung der Schützengilde.

(3) Die Pfarrkirche St. Marien wird 1231 indirekt, 1318 direkt erwähnt. Sie befand sich an der nördlichen Stadtmauer und wurde nach dem Brand von 1666 ab 1671 neu errichtet. Sie zeugt in ihrer Ausgestaltung vom wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die Nikolaikirche (um 1240) brannte 1563 ab, der Neubau wurde als Rathaus genutzt.

Die Gründung und Ausstattung des Karmeliterklosters 1304 dürfte auf Hans von D. zurückgehen. Weitere Schenkungen sind anzunehmen. 1506 stiftete ein Lebuser Bürger eine Ewige Messe am Katharinenaltar der Klosterkirche. 1512 ließ das Kloster eine der Hl. Anna geweihte Kapelle an die Stadtkirche St. Marien anbauen. Möglicherweise besaß es die Patronatsrechte über die Stadtpfarrei. Das Hospital St. Erasmus war inkorporiert.

Die Einführung der Reformation versuchte die Obrigkeit, vor allem Burghauptmann Caspar von Lindenau, zu verhindern. Die Einwohner D.s besuchten heimlich die Predigten Georg Buchholzers in umliegenden Dörfern; der 1503 in D. geborene Buchholzer war in Wittenberg Schüler von Luther und Melanchthon gewesen. 1539 berief ihn Kurfürst Joachim II. als Probst der Nikolaikirche nach Berlin, wo er an der brandenburgischen Kirchenordnung mitarbeitete. 1536 erfolgte die erste Visitation der Marienkirche in D., ab 1542 gab es einen lutherischen Pfarrer. Bis 1575 wurden die Predigten in Deutsch und Wendisch abgehalten. Nach dem großen Stadtbrand schenkte Erzbischof Sigismund die Klosterruine der Stadt mit der Auflage, in den Gebäuden ein Hospital einzurichten. Die Hospitalkirche wurde erst 1732–1734 errichtet, weitere Hospitalbauten entstanden bis 1746, parallel zur Kirche das Waisenhaus.

(4) Die Burg im Nordosten der Stadt war bis zum Bau des Schlosses durch Mauern und Graben, die Stadt durch Ringmauer, Graben und Wall gesichert. Anfang des 15. Jahrhunderts erhielt die Stadt zwei Befestigungsgräben. 1429 sollen die Hussiten D. geplündert haben, danach wurde der nördliche Teil der Stadt, westlich der Burg, nicht wieder aufgebaut. Südwestlich der Burg befand sich die Ehrbare Mannschaft, die spätere Amtsfreiheit, mit vier Freigütern und zwei Freihäusern. Diese lagen innerhalb der Stadt, wurden aber erst 1894 eingemeindet.

Die Stadt hat einen unregelmäßigen Grundriss von ca. 560 × 800 Metern. Nördlich zur gebogenen Hauptstraße mit dem großen langgestreckten Markt zwischen dem ehemaligen Jüterboger und dem Luckauer Tor (mit jeweiligen Vorstädten) verläuft ebenfalls länglich die Töpferstraße, die in den kleinen Töpfermarkt mündet. Anfang des 18. Jahrhunderts förderte der Landesherr die Gründung der Neustadt südlich des ehemaligen Klosters sowie den Bau des Hospitals. Nach dem Brand von 1563 entstand auf den Resten der Nikolaikirche und des benachbarten Rathauses ein neues (1892 abgerissen). Ein um 1760 errichteter stattlicher Fachwerkbau eines Bürgermeisters (Töpferstraße 16, heute Stadtmuseum) zeugt vom Wohlstand zumindest einzelner Familien. Der historische Stadtkern ist noch weitgehend von der Stadtmauer umgeben, die vier Tore wurden im 19. Jahrhundert abgerissen.

An Stelle der Burg wurde 1711–1714 das barocke Residenzschloss mit Garten angelegt, die einen besonderen Repräsentationsanspruch zum Ausdruck bringen, der über den einfachen Sitz eines nachgeborenen Prinzen hinausgeht.

Einschneidende Ereignisse waren die Pest 1626 und 1638/39 und zahlreiche Eroberungen und verheerende Stadtbrände (z. B. 1441, 1563, 1666).

Höhepunkte zeremonieller Kommunikation zwischen Stadt und Hof waren Einzüge der Herrschaft und Fest- bzw. Trauerumzüge vom Schloss zur Stadtkirche. Persönliche Kontakte zwischen Herrschaft und Bürgertum konnte es bei Huldigungen mit anschließenden Festen wie das Vogelschießen geben. Begleitende Essen fanden gelegentlich auf den Freihöfen statt. Herausragende Ereignisse dürften die Besuche des sächsischen Kronprinzen und des Prinzen von Lichtenstein sowie des Kg.s Friedrich Wilhelm I. in Preußen 1728 oder von König August II. von Polen 1729 gewesen sein. Zudem wurden Jubiläen (z. B. Reformation) festlich begangen.

(5) Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit waren Landwirtschaft, Handwerk und Handel (u. a. mit Eisen) ausgeprägt. Seit 1537 gab es zwei Jahrmärkte, die sich später auf vier Jahr- und fünf Viehmärkte erweiterten. Seit 1708 ist ein Wochenmarkt bezeugt. Obwohl an zwei Handelswegen gelegen, sind überregionale Handelsbeziehungen oder eine größere Anzahl von Kauf- und Fuhrleuten nicht belegt. Kontakte bestanden in die Nachbarstädte Jüterbog und Luckau. Ab 1653 war D. in das System der Reitpost zwischen Dresden und Berlin eingebunden. Von 1765 bis 1789 waren zwei Kompanien Infanterie stationiert.

(6) Trotz zielgerichteter Förderung unter den Herren von D. im 13. und 14. Jahrhundert und als Residenz unter den Hzg.en von Sachsen-Weißenfels von der zweiten Hälfte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts blieb D. als Ansiedlung überschaubar, doch profitierte die Stadt sichtlich von der Anwesenheit des Hofs im frühen 18. Jahrhundert Mehrfache Zerstörungen durch Eroberungen und Brände sowie Verpfändungen im 15. bis 17. Jahrhundert ließen keine kontinuierliche Stadtentwicklung zu. Die Lage an zwei Handelsstraßen ermöglichte im 18. Jahrhundert eine relativ zügige wirtschaftliche und bauliche Erneuerung. Trotz vieler städtischer Elemente wie Rat, Verfassung, Markt, Zoll, Geleit, Stadtmauer, Feldmark, Forstbesitz erlangte die Stadt keine über das Amtsgebiet hinausgehende Bedeutung.

(7) Aufgrund der vielen Brände besitzen schriftliche wie bauliche Quellen Seltenheitswert. Archivalien, vorwiegend ab dem 17. Jahrhundert, befinden sich im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA), im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt an den Standorten Magdeburg und Wernigerode, im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden (HStA) und in der Sächsischen Landesbibliothek (Kartensammlung). Realienkundliche Quellen zu Schloss, Stadt und zur Volkskunde des Niederen Flämings bietet das Heimatmuseum. Merkwürdigkeiten der Churfürstlich Sächsischen Querfurthischen Stadt Dahme, 3 Teile, hg. von Johann Michael Rinne, Dahme 1805 (mit Vorsicht). – Plan des Schlosses und der Stadt Dahme, in: Pläne von Schlössern und Städten der Niederlausitz und einiger Nachbargebiete (Niederlausitzer Städteatlas), Lübben 1714/1715 (BLHA, AKS, Nr. 1463, Bl.13).

(8)Reinhold, Werner: Chronik der Stadt Dahme und der Umgegend, 2 Bde., Dahme 1845/1846 (mit Vorsicht). – Erhard, Heinrich August: Diplomatische Geschichte der Stadt und Herrschaft Dahme, in: Überlieferungen zur vaterländischen Geschichte alter und neuer Zeiten, Bd. 1 Heft 3, Magdeburg 1828, S. 85–139. – Saring, Hans: Die ältere Geschichte der Stadt Dahme, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 13 (1962), S. 85–95. – Salge, Christiane: Das Barockschloss in Dahme – ein Frühwerk des sächsischen Architekten Johann Christoph Schütze (1687–1765)?, in: Formen der Visualisierung von Herrschaft. Studien zu Adel, Fürst und Schlossbau vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, hg. von Peter-Michael Hahn und Hellmut Lorenz, Potsdam 1998 (Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preußens und des Alten Reiches), S. 87–116. – Engel, Evamaria: Art. „Dahme“, in: Städtebuch Brandenburg und Berlin (2000), S. 95–100. – Butz, Reinhardt, Cante, Markus: Dahme. Karmeliter, in: Brandenburgisches Klosterbuch, Bd. 1 (2007), S. 379–383.

Rainer Aurig