Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Wittenburg

Wittenburg

(1, 2) W. liegt etwa 40 km südwestlich von Schwerin am Fluss Motel. Zunächst gab es eine slawische Burg. 1194 ist ein Kirchendorf bezeugt. 1226 wurde W. erstmals erwähnt. Ab 1201 war W. Lehen der Grafen zu Schwerin, die den Ort zur Stadt erhoben. 1230 ist W. als Civitas mit lübischem Recht nachgewiesen. Von 1282 bis 1358 fungierte W. als Residenz einer Seitenlinie der Schweriner Grafen 1358 fiel W. mit der Grafschaft Schwerin an Herzog Albrecht von Mecklenburg. Zwischen 1368 und 1370 war W. mehrfach an Lübeck verpfändet. Seit dem 15. Jahrhundert diente W. häufig als Wittum der mecklenburgischen Hzg.innen, insbesondere der Herzogin Sophie von Schleswig-Holstein-Gottorf (1569–1634 [?]) (allerdings in Lübz residierend), Gemahlin Herzog Johanns VII. (1558–1592, reg. ab 1585). Während des Dreißigjährigen Krieges wurde W. 1626 durch Dänen, 1637 durch Kaiserliche und 1638 durch Schweden eingenommen. In den Landesteilungen von 1621 und 1701 ging W. an das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin. 1734 erfolgte im Rahmen einer Reichsexekution die Besetzung W.s durch das Kurfürstentum Hannover, die 33 Jahre andauerte; erst 1766 wurde W. durch Herzog Friedrich den Frommen wieder ausgelöst.

Der Ausbau zur Stadt erfolgte ringförmig. Es existieren noch Reste der Stadtbefestigung, namentlich Mauerzüge und Turmruinen aus Backstein aus dem 14. Jahrhundert, die Wälle sind noch teilweise erkennbar. Die einstige Gf.enburg lag am Mühlenbach (Motel) im Nordwesten der Stadt auf einer künstlichen Anhöhe. Ein Seitenarm des Flusses wurde an der Mühle und dem südwestlich gelegenen Mühlentor unterhalb der Stadtmauer mit drei Wehrtürmen gen Süden geleitet. Im Südosten gab einen weiteren Wehrturm an der Stadtmauer, nahe dem Steintor. Der Markt hat einen dreieckigen Grundriss und lag ursprünglich an der Hauptstraße. Am sich verbreiternden Kirchplatz nördlich davon befindet sich die Pfarrkirche. Ihr gegenüber wurde das Rathaus errichtet.

1323 erhielt die Stadt ihre Privilegien. 1697 wurden die Privilegien der Stadt ein weiteres Mal durch Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg bestätigt. Der Landesherr griff in den Jahren 1690, 1696, 1730 und 1797 mehrmals in die Verfassung der Stadt ein und erließ Regeln, deren Einhaltung dem Stadtvogt oblag. 1296 werden urkundlich fünf Ratsherren erwähnt, 1358 elf. Zwei Ratsverwandte bildeten mit dem Bürgermeister den Magistrat. Seit 1327 gab es die Einrichtung des neuen und alten Rates. Das älteste Siegel der Stadt stammt von 1296 und zeigt die gemauerte Burg als Teil des Stadtnamens mit zwei Lindwürmern als Wappenzeichen der Grafen von Schwerin. Das Sekretsiegel der Stadt von 1217 stellt eine Abwandlung dessen dar.

Im 17. und 18. Jahrhundert übernahmen gelegentlich Ratsverwandte die Aufgaben des Bürgermeisters. Sie wurden von den zwei Stadtsprechern und dem seit 1590 existierenden Bürgerausschuss, bestehend aus sechs Mitgliedern, gewählt. Die Ausschussbürger bestimmten die Stadtsprecher. Weiterhin zählten dazu zwei Viertelsmänner und zwei Holzherren. Letzteres Amt übernahmen der worthabende Stadtsprecher und der jüngste Ratsherr. Außerdem gab es einen Holzvogt. 1797 wurden Stadtsprecher und Bürgerausschuss als »worthabende Bürgerschaft« bezeichnet. Diesen oblag die Wahl des Stadtkämmerers.

Um 1496 lebten 505 Einwohner in W., für die als Erwerbszweige Landwirtschaft, Handel und Braugewerbe angegeben werden. Der Dreißigjährige Krieg und die Stadtbrände bedeuteten Einschnitte in die Entwicklung. 1631 gab es 190 Bürgerhäuser, was auf etwa 900 Einwohner schließen lässt. Vor dem großen Brand von 1727 besaß W. 220 Haushalte (auch halbe Häuser und Buden), im Häuser-Register 1794 werden 212,5 Haushalte (ebenfalls mit halben Häusern und Buden) verzeichnet, hinzu kamen vor dem Steintor 141,5 Haushalte und im Mühlentorschen Gebiet nochmal 71 Haushalte (insgesamt 425 Haushalte). Außerdem gab es das zum hzl.en Amt gehörende Landreiterhaus, die Mühle und das Mühlenschreiberhaus. Kirche und Armenhaus fungierten als »Pia corpora«.

Nach der Übernahme von Amt und Stadt W. durch Herzogin Sophie 1592 trieb sie die Verarbeitung des örtlichen Raseneisenerzes durch die Anlegung von Schmelzhütten und Eisenhammerwerken voran. Bis ins 19. Jahrhundert dominierte jedoch das Handwerk das Wirtschaftsleben.

(3) Der Bau der Pfarrkirche St. Bartholomäus wurde ab 1240 in spätromanischen Formen aus Backstein begonnen, die Altarweihe fand zwischen 1257 und 1284 statt. Die weitere Errichtung des Gotteshauses zog sich bis in das 15. Jahrhundert hinein. Eine Stiftungstätigkeit der Fürsten bzw. Herzöge oder der städtischen Führungsschicht ist nicht belegt, zumindest nicht mit der spätmittelalterlichen Ausstattung in Zusammenhang zu bringen. Weitere geistliche Einrichtungen gab es nicht.

(4) Das Stadtbild wurde vor allem von der befestigten, im Norden der Stadt auf dem Amtsberg gelegenen Burg bestimmt, deren Wahrzeichencharakter auch das Stadtsiegel bestimmt. Es handelte sich um eine größere Anlage, zu ihr gehörten eine Vorburg, ein stadtauswärts gelegener Garten, zur Stadt hin ein zwischen 1260 und 1270 erbautes Torhaus (1576–1592 als Gefängnis genutzt), das sich erhalten hat. Östlich des Torhauses gab es im Amtsgarten zwei weitere Wehrtürme.

Über den Bau des älteren Rathauses ist nichts bekannt (das neue stammt von 1852). Zu weiten Teilen besteht das Stadtbild aus Wohnhäusern in Form schlichter ein- bzw. zweigeschossiger Fachwerkhäuser des 17. bis 19. Jahrhunderts, die nach den Bränden von 1657, 1679 und 1727 errichtet wurden.

Eine nicht ganz genaue Stadtansicht gibt die aquarellierte Federzeichnung des A.C. Hane von 1751 wieder, der die Stadt von Süden zeigt. Sie war von der Stadtmauer mit mehreren runden Türmen und baumbestandenen Wallanlagen umgeben. Im Westen (wohl aus zeichnerischen Gründen) lag die Burg mit ihren Nebengebäuden, deren Turm als Wahrzeichen landesherrlicher Gewalt die Stadt überragte. Das höchste und repräsentativste Gebäude der Stadt stellte die Kirche dar. Im Osten wurde die Stadt vom mehrgeschossigen Steintor abgeschlossen.

(5) W. lag abseits bedeutender Handelswege, jedoch in der Nähe (etwa eine Tagesreise entfernt) von Schwerin, was den Ausbau der Burg zur Residenz begünstigt haben mag. W. war als landwirtschaftlich geprägte Stadt von eher untergeordneter territorialer bzw. wirtschaftlicher Bedeutung. 1447 wurde die städtische Feldmark durch den Kauf der Güter Wolde und Putzlin erweitert.

(6) Als Residenzstadt fungierte W. in späten 13. und in der ersten Häfte des 14. Jahrhunderts für eine Nebenlinie der Grafen von Schwerin. Wie sich das Verhältnis zur Stadt ausgestaltete, ist unklar. Die in der Neuzeit wechselnde politisch-administrative Zugehörigkeit der im Herzogtum Mecklenburg gelegenen Stadt W. und ihre Funktion als Nebenresidenz ließ keine ausgeprägte, kontinuierliche Verflechtung zwischen Hof und Stadt entstehen. Hervorzuheben ist die Förderung W.s durch Hzg.inwitwe Sophia, zu deren Wittum W. gehörte, durch die Eisenproduktion und -verarbeitung ab 1592. Personelle Abhängigkeiten zwischen der Verwaltung der Stadt und des Hofes sind so gut wie nicht nachweisbar.

(7) Achivalische Überlieferungen zu Wittenburg befinden sich im Landeshauptarchiv Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin in folgenden Beständen: 1. 4.–2 Urkunden Städte, Laufzeit 1345–1779. – 1. 5.–5 Kirchenurkunden, Specialia, Laufzeit 1226–1900. – 1. 8.–1 Abschriften von Stadturkunden, Laufzeit 1190–1827. – 2. 12.–1/26 Hofstaatsachen, Laufzeit 1447–1917, IX Fürstliche Schlösser und Häuser. – 2. 12.–473 Städtewesen, Laufzeit 1520–1884. – 2.22–10/33 Dominialamt Wittenburg-Walsmühlen-Zarrenthin. – Desweiteren befinden sich im Stadtarchiv Wittenburg Bürgerbücher aus der Zeit von 1767–1819. Der »Prospect der Stadt Wittenburg«, A. C. Hane fecit 1751 Dürshorn wird im Staatlichen Museum Schwerin im Kupferstichkabinett aufbewahrt.

Klöver, Hans Heinrich: Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg und dazu gehöriger Länder…, Tl. 2, Hamburg 1738. – Mecklenburgisches Urkundenbuch, Bd. 18 (1897).

(8)Dehio, Kunstdenkmäler: Mecklenburg-Vorpommern (2000). – Landeskundlich-Historisches Lexikon Mecklenburg-Vorpommern, hg. von der Geschichtswerkstatt Rostock e.V., Rostock 2007. – Festausgabe zum 750jährigen Bestehen der Stadt Wittenburg. Beiträge zur Chronik, hg. vom Rat der Stadt Wittenburg, Wittenburg 1976. – Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler, Bd. 3 (21900). – Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 12: Mecklenburg-Vorpommern (1996).

Stefanie Leibetseder