Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Schwerin

Schwerin

(1) Die Stadt S. entstand auf einem kleinen Landrücken inmitten mehrerer kleinerer Seen auf einem Höhenzug am westlichen Ufer des größeren S.er Sees. Ausgangspunkt dürfte eine spätestens im 9. Jahrhundert entstandene slawische Siedlung gewesen sein. Die dazugehörende Burg lag auf einer Insel im S.er See, über eine Brücke mit dem Festland verbunden. S. war unter den Slawen (Obodriten) Fs.ensitz, die Burg 1018 erstmals erwähnt. 1160 formte Herzog Heinrich der Löwe aus vormaligen slawischen Ländereien die ihm unterstehende Grafschaft S., zugleich wurde in S. ein Bf.ssitz errichtet (1239 nach Bützow verlegt, doch blieb S. Sitz des Domkapitels). Eine Einbindung in den überregionalen Handel über den S.er See, die Elde, den Stör und die Elbe ist denkbar, größere handelsgeschichtliche Bedeutung hatte S. indes nicht. 1214 wurde die Grafschaft dem Reich des dänischen Kg.s Waldemar II. einverleibt, was nach heftigen Auseinandersetzungen mit der Schlacht von Bornhöved 1227 endete. Anschließend konnten die Schweriner Grafen sich ihren Besitz wieder aneignen. Im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts kam es zu mehreren dynastischen Teilungen, u. a. entstand 1279 eine eigene S.er Linie. Seit 1343 besaßen die Fürsten von Mecklenburg vertraglich Erbrechte an der Grafschaft S., die 1358 zum Verkauf der Grafschaft und damit der Stadt S. durch den letzten Schweriner Grafen Otto II. an die nunmehrigen (1348 erhobenen) Herzöge von Mecklenburg führten. S. behielt seine zentrale Funktion im Herrschaftsgebiet (bevorzugter Ort der Urkundenausstellung) und wurde zu einem von mehreren Vogtei- bzw. Amtssitzen, der immer wieder, ab 1376 gehäuft von den Hzg.en aufgesucht wurde. Nach dem Tod Herzog Magnus’ II. 1503 wurde von den Erben S. neben Güstrow und Stargard zu dem Hoflager bestimmt, in welchem die hohen Kirchenfeste begangen und wo der wertvollste Teil des Inventars, u. a. das Silbergeschirr, zu verbleiben hatte, und welches als Wintersitz dienen sollte. Ab 1534 war S. neben Güstrow Residenz einer eigenen Hofhaltung (1576–1585 und 1592–1608 unterbrochen bei Vormundschaftsregierungen). 1621 wurde die Landesteilung förmlich vollzogen. 1627 wurde der regierende Herzog Adolf Friedrich vom ksl.en Heerführer Wallenstein abgesetzt, die Stadt besetzt; Wallenstein regierte das Herzogtum von Güstrow aus. Mit schwedischer Hilfe gelang 1631 die Rückeroberung, die sich als Gewaltherrschaft der schwedischen Armee herausstellte, insbesondere nach einem versuchten Seitenwechsel des Hzg.s 1635, der sich und seine Residenzstadt auf dem Verhandlungsweg zu schützen vermochte im Gegensatz zum Land, das weitgehend verheert wurde; S. fungierte bis 1638 als Markt für die Besatzungstruppen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es zu längeren Vakanzen (1660–1673, 1673–1692; die Herrschaft der aus Frankreich stammenden katholischen Herzogin Isabelle Angélique 1673 blieb ein Intermezzo). Dauerhaft verblieben jedoch die oberen Landesbehörden wie Geheimer Rat, Kammer, Renterei und Justizkanzlei in S. Der ab 1692 entstehende heftige dynastische Streit zwischen Herzog Friedrich Wilhelm I. von Mecklenburg-S. und Adolf Friedrich von Mecklenburg-Güstrow endete 1701 mit dem Hamburger Vergleich, der die Schaffung zweier neuer Herzogtümer vorsah, Mecklenburg-S. und Mecklenburg-Strelitz. S. blieb Hauptstadt, Residenzstadt jedoch nur phasenweise, da die Landstände wegen rigoroser Steuerforderungen eine Reichsexekution gegen den ab 1713 regierenden Herzog Karl Leopold initiierten. Während der Besetzung durch kurhannoversche und preußische Truppen 1719–1727 befand sich der Hof in Dömitz. 1728 wurde Karl Leopolds jüngerer Bruder Christian Ludwig als Regent (meist in Grabow und Neustadt-Gleve residierend) eingesetzt, was den Widerstand des älteren Bruders auslöste. Christian Ludwigs reguläre Herrschaft setzte mit Tod Karl Leopolds 1747 ein, als Residenzstadt fungierte Schwerin nur noch bis etwa 1756 (blieb aber Regierungssitz und Hauptstadt). Der Nachfolger Herzog Friedrich der Fromme (reg. 1756–1785) zog sich im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) ins Exil nach Lübeck, nach dessen Ende nach Ludwigslust zurück, nachdem sein Vater Christian Ludwig im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich 1755 von den Landständen weitgehend entmachtet worden war. Auch Friedrichs Nachfolger, Herzog Friedrich Franz I., hielt sich nur gelegentlich in S. auf, bevorzugte daneben Ludwigslust und mehr noch das von ihm 1793 begründete Ostseebad Heiligendamm bei (Bad) Doberan als Sommersitz.

(2) Eine förmliche Gründung bzw. Stadtrechtsverleihung, eventuell durch Herzog Heinrich den Löwen, ist nicht belegt. Unter ihm setzte jedoch der deutschrechtliche Ausbau, eventuell auch bereits eine Befestigung der älteren slawischen Siedlung ein. Das undatierte Stadtrecht wurde Kern einer kleinen Stadtrechtsfamilie (Güstrow, Malchow, Malchin, Röbel, Penzlin, Teterow, Wesenberg, Krakow, Waren, Schwaan und Bützow), allerdings wurden nicht alle vorgesehenen Normen umgesetzt, insbesondere blieb die Entstehung einer im Recht vorgesehenen Kaufmannschaft aus. An der Spitze der Stadt stand zunächst ein auf Lebenszeit ernannter Vogt als Vertreter des Stadtherrn. Ein Bürgermeister ist um die Mitte des 14. Jahrhunderts fassbar. Im 13. Jahrhundert zählte der (1255 erstmals genannte) Rat zwölf Mitglieder (die Zahl ging im 14. Jahrhundert zurück), die sich zum Teil aus Personen des gfl.en Gefolges rekrutierten (z. B. dem Küchenmeister). Im 17. Jahrhundert ergänzte sich der Rat durch Kooptation ohne Einreden des (ab 1660 allerdings so gut wie ständig abwesenden) Stadtherrn. Im 18. Jahrhundert bestand die Stadtregierung neben den beiden sich abwechselnden Bürgermeistern aus vier Senatoren für die Finanz- und Bauverwaltung und das Stadtgericht. Der Rat, zu dieser Zeit Magistrat genannt, bestand aus Juristen und Kaufleuten, Handwerker hatten keinen Zugang. Die Bedeutung des Vogts als Stadtrichter nahm im 17. Jahrhundert deutlich ab, im Gegenzug institutionalisierte sich der Rat. Einen studierten Syndicus gab es seit 1636, der Herzog sorgte 1761 für eine deutlich bessere Bezahlung. 1701 wurde das Amt des Stadtvogts mit dem des Schelfvogts vereinigt. Mitsprachemöglichkeiten der Gemeinde gegenüber dem Rat gab es kaum, seit 1511 achteten sog. Billetbürger auf die gerechte Verteilung der Lasten bei Einquartierungen. Mehrmals gab es im 16. Jahrhundert heftige Konflikte zwischen Rat und Bürgerschaft. 1646 wurde ein Zehnmänner-Ausschuss eingesetzt (1666 auf 24 erhöht), der den Rat kontrollieren sollte, allerdings nicht die Rechnungsbücher einsehen durfte. 1699 kam es zu einer Neufassung des Stadtreglements, bei dem u. a. der Bürgerausschuss auf 16 Mitglieder verkleinert wurde. 1727 folgte ein weiteres Reglement vom Landesherrn, um der ausufernden Unterschlagung und Misswirtschaft Einhalt zu gebieten (Einführung von Kassenprüfungen durch Bürger, Besoldung der Bürgermeister und Ratsherren). Im Gefolge der Französischen Revolution kam es 1796–1798 zu Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bürgerschaft, die, Herzog Friedrich Franz I. lehnte Neuerungen ab, keine Veränderungen erbrachten.

Baulich erstreckte sich die Stadt zwischen der auf einer kleinen Insel gelegenen Burg im Süden und dem mit der Bm.sgründung in Angriff genommenen Dom, der etwa 500 Meter weiter nördlich lag. Um den Dom herum bildete sich die Domimmunität. Von der Stadt aus gesehen hinter dem Dom lag der Pfaffenteich, nordöstlich und ebenfalls hinter dem Dom die Schelfe oder Schelfvorstadt, eine Halbinsel zwischen Pfaffenteich und S.er See, die seit 1284 dem Bischof unterstand und mit dem nach Westen führenden Spieltordamm (bis 1298 Standort der gfl.en Mühle) mit dem Festland verbunden war; am Ufer zum Pfaffenteich lagen die Kurien der Domherren auf einem Grund, den der Graf 1238 an die Kirche abgetreten hatte. An der Stelle, an der die Burg- bzw. Schlossbrücke auf das Festland stieß, gab es eine Burgfreiheit (heute Alter Garten), die mit einem Graben von der Stadt abgetrennt war; von der Burgfreiheit führte die Burgstraße direkt zum Mühlentor, an dem die Landwege nach Wismar, Lübeck und Wittenburg begannen. Der Markt wurde im Norden an der Grenze zur Domimmunität angelegt. Teile der Altstadt haben noch heute einen regelmäßigen, schachbrettartigen Grundriss, der auf eine planmäßige Anlage im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert schließen lässt. Im Laufe des 13. Jahrhunderts gab es eine erste Erweiterung des Areals nach Osten hin in die Niederung des S.er Sees (Großes Moor), bis in die frühe Neuzeit hinein wurde es z. T. landwirtschaftlich genutzt. Überformt wurde der Grundriss durch barocke Idealstadtplanungen, die nach dem Stadtbrand 1651 nur zum Teil umgesetzt wurden. Das Siedlungsareal war derart ausreichend, dass es keine Vor- bzw. Neustädte brauchte; als Ergänzungsraum diente zudem die Schelfe (1705 mit Stadtrecht begabt), deren Bewohner z. T. vom Fischfang lebten, und die im 15. Jahrhundert wohl noch von Slawen (Wenden) bewohnt wurde. Geschützt wurde die Stadt durch Palisaden (ab ca. 1340 Mauern) an den Seeufern und durch drei Tore, Mühlentor im Westen, Schmiedetor beim Dom, auch nach Westen, und Schelftor nach Nordosten zur Schelfe hin.

Um 1500 dürfte S. etwa 2000 Einwohner gehabt haben, nach Zuzug des Hofs dann um 1550 etwa, eher unter 3000 Einwohner. 1570 gab es ca. 300 Häuser in der Altstadt, dazu 130 auf der Schelfe. Vermögendere Einwohner und einzelne Hofangehörige errichteten am Markt, in der Königstraße und in der Burgstraße steinerne Häuser. 1764 gab es ca. 3200 Einwohner in der Altstadt. 1705 wurde die Schelfe mit Stadtrecht begabt, jedoch nicht mit der Altstadt vereinigt, sondern verblieb unter einem eigenem hzl.em Schelfvogt und Stadtrichter; zu dieser Zeit dürfte sie etwa 500 Einwohner gehabt haben, doch wuchs sie stark auf ca. 4100 (1819) an. Indiz für die Niederlassung von Adligen in der Stadt ist die Ritterstraße in der Nähe der Burg, im 15. Jahrhundert ist der Adelshof des Ritters Otto Beygenvlyet auf dem Tappenhagen (am Rande des Großes Moores, der Neustadt) belegt.

1171 wird ein Schiffszoll in S. erwähnt, was sich als Indiz für das Vorhandensein von Kaufleuten verstehen lässt, obwohl S. abseits der großen Fernhandelswege lag; 1211 erhielten S.er Kaufleute die Zollfreiheit im gesamten Herzogtum Sachsen sowie das Recht zur Nutzung eines Hafens in der Wismarer Bucht. Auch der großzügig bemessene Marktplatz deutet auf einen Handel, zumindest auf dessen Förderung hin; Kaufleute erscheinen 1282 als Ratsherren, Höker und Krämer bildeten eigene, wenn auch kleine Ämter (Zünfte) mit nur fünf Mitgliedern um 1500. 1372 erhielten die Wollweber ein Statut, das Leibeigene und Wenden ausschloss. Ein Großteil des Erwerbslebens dürfte von der Landwirtschaft bestimmt worden sein. 1424 wurde das Stadtbuch zur Eintragung von Grundstücksverkäufen und Hypotheken angelegt, der Rat bediente sich hierfür einiger Vikare der Domkirche. Domherren und Vikare investierten ihre mehr oder minder reichen Pfründgelder auf dem städtischen Kreditmarkt, kurz vor der Reformation erhielten sie von ca. 100 Häusern Zinsen und Tilgungen.

Der Verbleib des hzl.en Hoflagers ab 1505, ab 1534 des Hofs in S. führte zu einer Zunahme der Luxushandwerke: 1510 ließ sich der erste Goldschmied nieder, 1573 gab es fünf. 1513 wird ein Kürschner erwähnt. Die Hutmacher bildeten 1592 ein eigenes Amt. Der Kramhandel mit Seiden und Gewürzen nahm deutlich zu. Gefördert wurde der Import von Luxusgütern durch den Ausbau der Elde 1568-1575 unter Herzog Johann Albrecht I., Schiffsbesitz eines S.er Kaufmanns ist belegt. Ab Mitte des 17. Jahrhundert kam dieser Aufschwung zu erliegen, die Zünfte (Ämter) verfolgten eine sichtlich restriktivere Haltung gegenüber Fremden. S. profitierte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von der Anwesenheit der Behörden, 1683 ließ sich der erste Drucker nieder, der ausschließlich Verordnungen und Gesetze vervielfältigte.

(3) Hauptkirche war der Dom, 1171 war der erste Holzbau fertiggestellt, 1249 ein romanischer Steinbau, der alsbald im gotischen Stil umgebaut wurde (1327 Weihe des Chors), vollendet 1416. Angeschlossen war ein zunächst aus zehn, durch Stiftungen bis 1400 auf 34 vermehrten Domherrenstellen bestehendes Kapitel, die ihre Kurien am Dom und auf der Schelfe errichteten; 1500 wohnten tatsächlich nur sechs in S. Die meisten ließen sich durch Vikare vertreten, um 1500 wurden 36 gezählt. 1396 stiftete der Rat eine Vikarie, deren Besetzung er sich vorbehielt. Ein einziger Domherr kam aus S. (Johann Berchteheile, Sohn eines Ratmanns), ansonsten kamen sie aus dem Mecklenburger Adel bzw. aus Wismar oder Lübeck. Neben fünf S.er Bischöfen, davon vieren aus der Adelsfamilie von Bülow, wohl Bauherren des Doms, sind – als erstes Mitglied der Hzg.sfamilie – die zweite Frau Herzog Heinrichs V., Helena von der Pfalz († 1524, mit Epitaph), Christoph von Mecklenburg als Administrator des Bm.s Ratzeburg († 1592), mit einem von seiner Frau in Auftrag gegebenen Epitaph, im Dom beigesetzt worden. Die Schelfstadt erhielt 1708 ihre eigene Kirche St. Nikolai.

Ein Kloster gründeten die Franziskaner, gefördert durch die Grafen zwischen 1232 und 1235, das am Übergang der Burgfreiheit zur Stadt angelegt wurde; Gf.enwitwe Audacia wurde hier beigesetzt. 1282 wurde das Hl.-Geist-Hospital, im Westen der Stadt an der Mauer gelegen, erstmals erwähnt. Außerhalb der Stadt vor dem Mühlentor befand sich das St. Georgs-Hospital, ein Leprosenhaus. Beide Hospitäler wurden im 15. Jahrhundert von Beginen bewohnt, wann und warum es zur Umnutzung kam, ist nicht überliefert.

Kleriker, Laien, auch Frauen, hatten sich im 15. Jahrhundert in der Marien-Bruderschaft vereinigt, daneben gab es eine St. Johannes-Bruderschaft und eine Bruderschaft der heiligen Hilfe. Die Geistlichkeit des Doms hatte sich in einem Kaland zusammengeschlossen, der auch Laien aufnahm.

1526 nahm Herzog Heinrich V. einen lutherischen Prediger an, der in der Kapelle des St. Georgs-Spitals vor dem Tor tätig wurde, nach deren Einsturz wurde 1533 eine provisorische Kapelle in der Salzstraße eingerichtet. Einen offenen Konflikt scheute der Herzog mit dem Domkapitel, um die Stellung seines Sohnes Magnus als bfl.en Administrator nicht zu gefährden, Heinrichs mitregierender Bruder Albrecht verblieb altgläubig. Die Durchsetzung der Reformation zog sich bis in die 1540er Jahre hin, 1543 wurde das bischöfliche Stift in ein weltliches Fürstentum umgewandelt. Herzog Johann Albrecht I. ließ gleich nach seiner Regierungsübernahme 1552 den Dom in eine evangelische Kirche umrüsten (mit Zerstörung der Hl. Blut-Reliquie) und zwei lutherische Domprediger einsetzen. Das Franziskanerkloster erlebte einen sich bis 1552 hinziehenden Niedergang, Almosen und Rentenzahlungen blieben aus, einzelne Brüder verließen das Kloster, bis ebenfalls Johann Albrecht I. das Kloster auflöste und die Mönche der Stadt verwies. Die Gebäude wurden teilweise abgerissen, Teile wurden für die Fürstenschule genutzt, später als Marstall. Das als Beginenhaus genutzte St. Georgs-Hospital hatte noch bis 1612 Bestand, ehe die letzte Bewohnerin verstarb. Das verweltlichte Domkapitel blieb bestehen, einziger Zweck der sechs (davon zwei in S. wohnend) Domherren war die Wahl des Bf.s und die Verwaltung des Besitzes, die Bauunterhaltung vernachlässigten sie. 1592 wurde im Dom Herzog Christoph beigesetzt. Mit der Übernahme des Bm.s S. durch die Mecklenburger Herzöge wurde das Domkapitel aufgehoben. Die am Domkapitel bestehende Schule wurde aufgelöst, als 1532 Herzog Heinrich V. eine lutherische Stadtschule begründete. 1553 rief Johann Albrecht I. nach Meißner Vorbild eine aus den Erträgen des Domkapitels finanzierte Fürstenschule ins Leben, die sich schnell eines guten Rufs erfreute und Schüler bis aus Antwerpen, Polen und Litauen nach S. holte; der Herzog wohnte den Prüfungen persönlich bei. Mit seinem Tod 1576 verlor die Schule ihren wichtigsten Förderer, nach 1605, mit dem Tod des wichtigen gelehrten Rektors Bernhard Hederich, schwand ihre Bedeutung. 1565 wurde von Herzog Ulrich eine weitere Schule (wieder) am Domkapitel eingerichtet, doch bei weitem nicht so umfangreich dotiert.

Der Wechsel Herzog Christoph Louis’ zum Katholizismus 1664 führte nicht zur Bildung einer altgläubigen Gemeinde in der Stadt, sondern blieb auf den Hof und die Schlosskirche beschränkt. Erst 1685 ließen sich Katholiken in der Stadt nieder, so der bekannte Gelehrte Niels Stensen. Eine Kirchengemeinde mit eigener Kirche gab es 1791.

(4)Herzog Magnus II. (reg. 1477–1503) ließ die ältere Burg um ein Neues Haus erweitern, unter Herzog Johann Albrecht (reg. allein in Schwerin 1556–1576) wurde ab 1552 die Burg zum repräsentativen Schloss ausgebaut. 1557 wurde die Taufe des Hzg.ssohnes als großes Hoffest begangen, ca. 500 Besucher wurden in der Stadt einquartiert. Der weitere Ausbau des Schlosses erfolgte unter Herzog Adolf Friedrich I. (reg. selbständig 1608–1658). Durch den Schlossbau des 19. Jahrhunderts sind ältere Zustände verschwunden, wie überhaupt die Rückkehr des Hofs nach S. 1837 weitreichende Umgestaltungen auslöste. Die Burgfreiheit wurde nacheinander als Küchengarten, als Lustgarten, als Reitbahn und Paradeplatz genutzt. Gesäumt wird er von repräsentativen Bauten, von denen das Alte Palais aus dem späten 18. Jahrhundert hervorzuheben ist, das zeitweise als Wohnsitz des Hzg.s diente.

Ein Rathaus wurde zuerst 1338 erwähnt, 1531 brannte es wie 1558 komplett ab (inkl. des Archivs); 1567 konnte der Neubau bezogen werden, der 1575 einen Turm erhielt. 1651 war das Rathaus wie 150 weitere Häuser erneut Opfer eines Stadtbrandes. Der Plan, anschließend eine Idealstadt zu errichten, wurde dem Herzog ausgeredet, lediglich Schusterstraße und Faule Grube wurden begradigt, der Markt vergrößert, was bei den betroffenen Bürgern auf Widerstand stieß; 37 wurden enteignet, vor allem am Markt wurden repräsentative Häuser errichtet. Landesherrliche Bauhilfen gab es nicht. Die Hälfte der Gelder einer reichsweiten Spendenaktion verwendete Rat für die Errichtung eines neuen Rathauses, was bei Herzog und Bürgerschaft Proteste auslöste. 1690 sorgte nach einem weiteren Brand die Regierung (nicht der Hof) jedoch für umfangreichere Unterstützungen zum Wiederaufbau. An der zum Schelfmarkt führenden Straße wurde 1755 ein Adelspalais errichtet, das 1781/82 erweitert wurde.

An Darstellungen sind zwei Ansichten von Westen zu nennen, zum einen von Daniel Frese (1605), zum anderen von Matthäus Merian (1653). Daneben gibt es noch ein Bild eines anonymen Malers aus der Zeit um 1735.

(5) S. trat nie der Hanse bei und dürfte im Handel vorzugsweise eine regionale Bedeutung gehabt haben. Bedeutsam war die städtische Feldmark, zu jedem Haushalt in der Stadt gehörten drei Morgen Land. 1282 erhielt S. vom Grafen als Dank für die Unterstützung gegen den Bischof drei Dörfer (Zippendorf, Göhren und Osdorf) geschenkt, die eine weitläufige Feldmark bildeten. In der frühen Neuzeit wurde diese eingeschränkt, da die Herzöge systematisch Ländereien erwarben und u. a. den Stadtbewohnern die Weiderechte am Faulen See streitig machten.

(6) Als Burgort bzw. Residenzstadt kann S. unter den Grafen von S. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts gelten, sodann wieder von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts . Danach fungierte S. nur noch gelegentlich als Residenzstadt, sehr wohl hingegen als Hauptstadt, in der die Behörden der Landesregierung ihren Sitz hatten. S. hatte durch den Dreißigjährigen Krieg zwar durch Einquartierungen, Plünderungen und Erpressungen erheblich gelitten, doch blieb die Stadt als solche bestehen, so dass sie nach Abzug der Besatzungstruppen 1638 attraktiv für die Bewohner des völlig verwüsteten Umlandes wurde und gegen Ende des Kriegs größer als zu Anfang war. Herzog Adolf Friedrich hatte sich bei den verschiedenen kriegführenden Mächten immer wieder um den Schutz seiner Person, seines Hofes und seiner Residenzstadt nachgesucht, wodurch S. vor einer (anderwärts vorkommenden) Zerstörung bewahrt blieb.

S. diente als Versorgungsort des Domkapitels und des gfl.en, später des hzl.en Hofs, der im 16. Jahrhundert mit ca. 300 Mitgliedern der größte Haushalt in S. gewesen war. Im 16. Jahrhundert gab es enge personelle Verflechtungen zwischen Stadtregierung und fsl.em Rat: als hzl.er Rentmeister und Kaufmann wurde Claus Truttmann 1519 Ratmann, später Bürgermeister, sein Neffe Balthasar Rothermund war Rentschreiber und ab 1544 Bürgermeister; dessen Tochter heiratete Andreas Mylius, Philologen, Chronisten und persönlichen Berater Herzog Johann Albrechts I. Die Verwobenheit wurde im 17. Jahrhundert weniger, schwand jedoch nicht ganz, wie einige Beispiele zeigen: Das Ratsmitglied Johann Francke 1691/92 und 1694–1696 war Registrator in der Justizkanzlei, der 1669–1702 amtierende Bürgermeister Simon Stemwede war in seiner Jugend am Hof tätig gewesen, und Bernhard Calvander (Ratsherr 1655–1677) war zeitweise zugleich Küchenschreiber. Bereits 1586 mussten in der Stadt wohnende Adlige einen anderen Bürgereid schwören (den der privilegierten Gäste), womit sie aus der Bürgergemeinschaft zwar noch nicht ausgeschlossen, aber einen eigenen Status erhielten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts entzogen sich weitere Berufs- und Standesgruppen den zunehmenden städtischen Belastungen, 1691 gab es 41 eximierte Freihöfe. Die vom Hof aus der Fremde herangezogenen hzl.en Räte erhielten Immobilien in S. zu vergünstigten Konditionen.

(7) Einschlägig sind die älteren Bestände des Stadtarchivs Schwerin, die, bis auf einzelne Ausnahmen, erst zu Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzen (Signaturengruppe M). Als einschlägige Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin (LHA) sind zu nennen der Bestand 2.12 – 4/3 Städtewesen, spec. Schwerin Nr. 174, 343, 345, 349, 350, 2221–2242 [Vol.], 2243–2257 [Vol.], 2258–2261, 2272, 2274, 2285, 2286, 2359–2362 [Vol.], 2363–2367 [Vol.], 2368–2374 [Vol.] sowie der Bestand 2.22 – 1 Renterei (höfische Rechnungsbücher 1633–1699, enthaltend u. a. die Bezahlung einzelner Ratsherren sowie der von Ratsherren betriebenen Apotheken, Wirtshäuser u. a.), Nr. 78–86, 89–99, 101–127.

Die ältere Urkundenüberlieferung ist abgedruckt im Mecklenburgischen Urkundenbuch (1863–1977). Als literarische Quelle ist das lateinische Stadtlob des Rostocker Gelehrten David Chytraeus (1530–1600) zu nennen, das von 1598 von Bernhard Hederich (1533–1605) ins Deutsche übersetzt wurde, in: Schwerinische Chronica, von M. Bernhardo Hederico, Rectore der Schulen zu Schwerin, trewlich zusammen gezogen, Rostock 1598.

(8)Lisch, Georg Christian Friedrich: Andreas Mylius und der Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 18 (1853) S. 1–152. – Jesse, Wilhelm: Geschichte der Stadt Schwerin, Bd. 1: Mittelalter bis 18. Jahrhundert, Schwerin 1913. – Sander-Berke, Antje: Stadt und Hof im Schwerin des 16. Jahrhunderts, in: Stadt und Hof, Schwerin als Residenzstadt im 16. Jahrhundert [Ausstellungskatalog], Schwerin 1995 (Historisches Museum Schwerin, Schriften, 3), S. 9–30. – Stuth, Höfe und Residenzen (2001). – Sander, Antje, Kasten, Bernd, Stracke, Daniel: Deutscher historischer Städteatlas, Bd. 2: Schwerin, Münster 2007. – Kasten, Bernd, Jens-Uwe Rost: Schwerin. Geschichte der Stadt, Schwerin 2005. – Ellermann, Julia: Von erzürnten Vätern und aufbegehrenden Kindern. Das argumentative Konzept liebender Väterlichkeit in den Konflikten zwischen Rat und Bürgerschaft im Schwerin des 17. Jahrhunderts, in: Politische Kultur im frühneuzeitlichen Europa. Festschrift für Olaf Mörke zum 65. Geburtstag, hg. von Julia Ellermann, Dennis Hormuth und Volker Seresse, Kiel 2017, S. 369–384.

Harm von Seggern