Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

Zurück zur Liste

Lübz

Lübz

(1, 2) L., gelegen an einer Furt an der die Müritz mit der Elbe verbindenden und die Mecklenburgische Seenplatte speisenden Elde, kannte eine ältere slawische Besiedlung; der Name leitet sich von der Bezeichnung »Ort des Lubec« ab. Die deutschrechtliche Siedlung entstand relativ spät im Gefolge der 1308 erstmals erwähnten Eldenburg, die von den Markgrafen von Brandenburg auf einer Insel in der Elde zum Schutz des Flussübergangs sowie als Grenzburg gegenüber Mecklenburg errichtet worden war. 1316 kam L. in den Besitz der Fürsten von Mecklenburg, 1352–1471 gehörte sie zur Linie Mecklenburg-Stargard. In L. ließen sich die Fürsten, eventuell auch bereits die Brandenburger Markgrafen durch Vögte vertreten. 1328 wurde die Vogtei L. an den Ritter Johann von Plessen verpfändet, und noch 1456 ist ein Angehöriger dieser Familie in L. als Pfandherr nachweisbar. 1456 (aus Anlass der Pfandauslösung?) wurde das Kirchdorf L. rechtlich besser gestellt, 1506 erstmals als Stadt bezeichnet. Seit 1509 war L. Sitz eines Amtmanns. Förderlich auf die Entwicklung des Orts wirkte sich aus, dass L. im 16./17. Jahrhundert dreimal zum Sitz von Witwen aus der Schweriner Linie der mecklenburgischen Herzöge wurde: 1547–1567 für Anna von Brandenburg, Ehefrau Albrechts VII., 1576–1591 für Anna Sophia von Preußen, Ehefrau Johann Albrechts I., und 1592–1634 für Sophie von Schleswig-Holstein, Ehefrau Johanns VII. Letztere blieb in L. auch während der von Kaiser Ferdinand II. 1628 vollzogenen Übereignung Mecklenburgs an Wallenstein und der sich anschließenden, bis 1638 dauernden Besetzung durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg wohnen; zu einer Plünderung kam es 1637. L. blieb weiterhin Amtssitz, der immer wieder an Adlige und 1733–1787 an Preußen verpfändet wurde. Wirtschaftlich war L. weitgehend von der Landwirtschaft und landwirtschaftsnahen Gewerken geprägt, dem Amtssitz war ein Bauhof (Landwirtschaftsbetrieb) angeschlossen. Es gab einen Jahrmarkt, der u. a. von Kaufleuten aus Lübeck besucht wurde (belegt im 18. Jahrhundert). Zunftprivilegien wurden erstmals den Schustern ausgestellt (1568, 1670 erneuert, 1751 mit 19 Schustern das größte Gewerk), dann erst wieder 1688 den Schneidern, 1690 den Leinewebern, es folgten Bäcker und Drechsler, letzteren mit denen zu Parchim, Grabow und Neustadt-Gleve, und weitere im 18. Jahrhundert

Die Stadt bildete sich direkt südlich der Burg. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde eine Brücke über die Elde errichtet (heute Mühlenbrücke), über die der aus dem Westen von Parchim kommende Verkehr in die Stadt geführt wurde, wo er sogleich auf den Markt traf. Der so gut wie quadratische Grundriss der Stadt spricht für eine planmäßige Anlage. Östlich der Stadt führt der Gerberbach vorbei, an dem der Ziegenmarkt liegt, von wo aus die Straße nach dem etwa 15 km entfernten Plauen führte. 1703, nach dem großen Stadtbrand von 1698, ergab eine Einwohnerzählung 304 Erwachsene (u. a. jeweils einen Chirurgen, Kunstpfeifer [Musikant] und Schulmeister). Im Jahr 1751 gab es 768 erwachsene Personen, davon drei Kaufleute, einen Apotheker, einen Chirurgen und einen Schulvorsteher, daneben mehrere landesherrliche Beamte).

(3) Die ältere, wohl im 14. Jahrhundert errichtete Kirche, die auf der von der Burg abgewandten Seite der Stadt angelegt wurde, brannte im 16. Jahrhundert ab. 1568 bis 1574 wurde ein noch spätgotisch gehaltener Neubau errichtet. Unter der ab 1547 in L. residierenden Hzg.witwe Anna konnte die Reformation anders als in anderen Teilen Mecklenburgs keinen Fuß fassen, da sie streng altgläubig verblieb und diese Haltung in ihren Wittumsgütern durchsetzte. Erst 1559 ermöglichte ihr Sohn Johann Albrecht I. den Übergang zum neuen Glauben, erster protestantischer Geistlicher war Nikodemus Bergius. Teile der Kirchenausstattung stammen aus dem Jahr 1605 bzw. dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts. Hzg.witwe Sophie ließ als erstes ein Grabdenkmal für ihre 1600 verstorbene Tochter Anna Sophie errichten, sodann bereits zu Lebzeiten 1630 ihr Grabdenkmal (durch Daniel Werner und Franz Julius Dötebier aus Leipzig, die auch für Adolf Friedrich I. in Doberan arbeiteten). 1631 wurde die als Kind verstorbene Tochter Adolf Friedrichs I., Hedwig, beigesetzt, 1634 folgte das Begräbnis Herzogin Sophies. Geschmückt war die Kirche mit dem mecklenburgischen und schleswig-holsteinischen Wappen, daneben gab es Epitaphe und Wappenschilder in den Fenstern mehrerer anderer Adelsfamilien.

Anlässlich der Herrschaftsübernahme durch Wallenstein 1628 legte Hzg.witwe Sophie ein Gelübde ab und versprach die Einrichtung eines Stifts, falls ihre Söhne die Herrschaft wieder übernehmen könnten. Als dieses 1633 tatsächlich geschah, gründete sie alsbald auf der dem Schloss gegenüber liegenden Seite der Elde das Sophien-Stift, in welches sie persönlich die ersten 20 Witwen aufnahm (acht adlige, acht bürgerliche, vier arme). Zum Stift gehörte eine Kirche (Patrozinium unbekannt). Es gab noch eine weitere Kirche, die 1609 erstmals erwähnte Johanniskirche, die unter Hzg.witwe Sophie 1630 ausgebaut wurde, jedoch nach ihrem Tod verfiel (1817 abgerissen).

Im 16. Jahrhundert hat es eine Schule gegeben, von 1574 bis 1601 wird mit Christian Petri ein Rektor (wohl eher Schulmeister) erwähnt, dem als solcher Heinrich Sasse aus Schwerin folgte (bis 1628). Seit 1771 war der Rektor Hilfsprediger an der Kirche.

(4) In direkter Nähe des Marktes lag die Burg, von dessen Aussehen allein der erhaltene backsteinerne Bergfried zeugt (heute Amtshaus). Weitreichende Eingriffe und schlossartige Umbauten gab es unter der ab 1592 in L. residierenden Hzg.witwe Sophie. 1759 (zeitgleich mit dem zur Mühle gehörenden Fachwerk-Wohnhaus) wurde der als Amtssitz fungierende ältere Bau abgerissen und auf dessen Fundamenten ein neues Gebäude im Stil des Barock gesetzt; im 19. Jahrhundert folgten weitere Um- und Anbauten, von den älteren Vorgängerbauten sind nur Reste erhalten. Von einem alten Rathaus verlautet nichts, ältere Bausubstanz dürfte bei den Bränden 1540, 1568, 1648, 1660 und 1698 verloren gegangen sein. Das z. T. erhaltene alte Stadtbild ist von Fachwerkhäusern geprägt, die größtenteils dem 18. Jahrhundert entstammen. Eine Erhebung des Jahres 1570 ergab ca. 150 Häuser.

(6) L. lässt sich als Kleinstadt verstehen, die sich im Spätmittelalter um einen Amtssitz herum bildete. Für längere Zeit hielten sich als Pfandherren Mitglieder der Familie Plessen in L. auf, die in Urkunden ausdrücklich L. als ihren Wohnort angaben. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert diente L. als Witwensitz dreier Hzg.innen. Förderlich war insbesondere die Zeit der Hzg.-witwe Sophie 1592–1634, die sich um einen Ausbau des Schlosses und der Kirche äußerte. Hervorzuheben ist ihre eigenständige Herrschaft 1628 bis 1634. Zusammen mit der Einwohnerschaft widersetzte sie sich der von Kaiser Ferdinand II. angeordneten Landesverweisung, der sich die in Schwerin und Güstrow regierenden Landesherren fügten.

(7) Kleinere Teile des unter Herzogwitwe Sophie errichteten Schlossbaus (u. a. Wappen mit Jahresangabe 1605) finden sich heute im Heimatmuseum Lübz. Ein Stadtarchiv hat Lübz nicht, Bestände finden sich im Landeshauptarchiv Schwerin (Kopien von städtischen Urkunden im Bestand 1.8–1, Kontributionsregister des Domanialamts 1651–1739 im Bestand 2.12–2/5, frühneuzeitliches Städtewesen im Bestand 2.12–4/3, gedrucktes Reglement für Stadt Lübz in Bestand Amtliche Drucksachen 2.13–1, XIV). Hier findet sich auch die Überlieferung zu Herzogin Sophie, z. B. ihre Korrespondenz (Bestand 2.11–2/1, zahlreiche Nummern).

(8)Krause, Karl Ernst Hermann: Art. „Sophie, Herzogin-Regentin von Mecklenburg-Schwerin“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 34 (1892), S. 674–676. – Lorenz, Adolf Friedrich: Weiteres über die Baugeschichte des Schlosses Lübz, in: Mecklenburgische Jahrbücher 103 (1939) S. 1–16. – Lübz. Beiträge zur Geschichte der Stadt, hg. vom Rat der Stadt Lübz, Lübz 1989 (populär). – Ruchhöft, Fred: Die Topographie der Stadt Lübz, in: Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 5 (1998) S. 228–236. – Gnekow, Bettina, Bauer, Ellen: Das Amtshaus Lübz, in: Denkmalschutz und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern 1998, S. 80–82. – Pietsch, Tobias: Johann Plessen zu Rosenthal und Johann Plessen zu Lübz, zwei mecklenburgische Kriegsunternehmer, in: Maueranker und Stier (2015), S. 201–204. – Plessen, Christian von: Die Rekonstruktion mittelalterlicher Verwandtschaftsverhältnisse am Beispiel der Plessen in Lübz und Barnekow, in: Maueranker und Stier (2015), S. 843–848.

Harm von Seggern, Steffen Stuth