Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Weida

Weida

(1, 2) W. wird urkundlich erstmals 1122 erwähnt. Der Name leitet sich ab vom gleichnamigen Fluss, sprachlich von der Baumart Weide herrührend; das älteste Stadtsiegel von 1333 zeigt einen Weidenbaum zwischen zwei Stadttortürmen. Die ersten Ortsherren von W. sind die im 12. Jahrhundert bezeugten Ministerialen de Wida / Vida. W. hatte den Vorteil einer leicht zu verteidigenden Höhenlage, so dass hier eine Burg angelegt wurde, die zum Mittelpunkt des Vogtlandes werden sollte, eines unter Kaiser Barbarossa begründeten und von Vögten (daher der Name) verwalteten Reichsterritoriums. Im frühen 13. Jahrhundert entwickelte sich dieses zu einer selbständigen Herrschaft, deren Herren sích als Vögte von W. bezeichneten. Alle Vögte trugen den Vornamen Heinrich, eine bis heute bestehende Tradition bei den (erst später sogenannten) Reußen.

Um die stark mäandrierende Weida entstanden zwei Siedlungskerne, zum einen das um 1130 (oder 1145–1155) mit einer Erweiterung bis 1180 sog. Wiedenviertel um die Widenkirche, die spätere Altstadt, und zum anderen das auf der anderen Seite der Weida um die 1160–1190 erbaute und als Residenz dienende (später sogenannte) Osterburg gelegene Suburbium mit der Peterskirche und dem Markt, die spätere Neustadt. Eine Furt verband beide Stadtteile. Die Altstadt wurde im weiteren Verlauf des 12./13. Jahrhunderts um einen Teil erweitert, in dem der (Altstadt-)Markt angelegt wurde, der in seiner rechteckigen Form (in Bezug auf die Siedlungsgröße) sehr weitläufig gehalten war, anfangs den Charakter eines Angers hatte und für Viehmärkte genutzt wurde.

Der Altstadt vorgelagert war die Wiedenvorstadt, auch diese bereits 1180 fertig gestellt. Zusätzlich entstand im Laufe des Spätmittelalters die Katschtorvorstadt mit der Katschmühle (1485 erstmals erwähnt) und einem Scheunenviertel (Wohnhäuser gab es nicht) (die Vorsilbe Kat[z]sch- abgeleitet von sorbisch kača, kačka bzw. kacka, Ente, im Laufe des 19. Jahrhunderts entfiel beim Eindeutschen das »z«). Das Suburbium unterhalb der Burg, die spätere Neustadt, dürfte 1160–1200 vorzugsweise von Handwerkern besiedelt worden sein. Der Neustädter Markt hat eine untypische Gestalt: Er wird gebildet von der Weggabelung, die zwischen der Geraer Straße und der Burgstraße entstand. Vier Stadttore (Wiedentor, Katschtor, Geraisches Tor und Burgtor) schützten die Gesamtstadt. Eine späte Erweiterung der Neustadt ist die Geraische Vorstadt an der nach Gera führenden Straße. Diese Vorstadt liegt hinter (von W. aus gesehen) dem Bergrücken mit der Burg und noch jenseits der in die Weida mündenden Auma. Hier befanden sich die Mühlen (Rothenmühle, Matthäusmühle), aber auch der im 16. Jahrhundert angelegte Friedhof.

W. wurde unter den Ministerialen Heinrich I. und Heinrich II. († 1209) zur Hauptstadt des Vogtlandes, wo die Herren bzw. ab dem frühen 13. Jahrhundert Vögte ihren Herrschaftssitz hatten. Die Familie teilte sich in den 1220er/30er Jahren in mehrere Linien auf, u. a. in die Linie W., die bis 1427 bestand. In W. unterhielten sie 1309–1377 eine von Kaiser Ludwig dem Bayern privilegierte Münzstätte, ihr Gepräge zeigte u. a. die Weidenzweige. 1354 gerieten die Vögte von W. unter die Lehnshoheit der wettinischen Markgrafen Friedrich und Balthasar von Meißen, diesen wurde W. 1371 verpfändet. Unter den Pfandherren wurde 1377 das erste bekannte Stadtrecht verliehen. Sukzessive musste im Zeitraum 1406–1427 die nunmehr wieder Herren von W. benannte Familie die Rechte an der Stadt an die Markgrafen von Meißen veräußern, Kurfürst Friedrich I. von Sachsen kaufte 1427 das letzte Drittel. Die Herren von W. verloren den Wohnsitz in W. und zogen sich nach Wildenfels zurück. Kurzfristig (1436/37) nutzte Herzog Sigismund von Sachsen W. als Residenz, ehe er in den geistlichen Stand eintrat. W. blieb fortan sächsische Amtsstadt und machte als solche die dynastischen Teilungen mit (1485 an die ernestinische Linie unter Kurfürst Friedrich dem Weisen, 1566 an die albertinische Linie der Herzöge von Sachsen, 1656 an die neugebildete Nebenlinie Sachsen-Zeitz). Unter Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz (reg. 1656–1681) wurden das nun Osterburg genannte Schloss als Nebenresidenz ausgebaut. Sein Sohn Moritz Wilhelm (reg. 1681–1718) weilte häufig in W., wegen seines Wechsels zum katholischen Glauben zog er sich 1717 ganz von Zeitz nach W. zurück (konvertierte aber alsbald zum Pietismus), wo er nach seinem überraschen Tod in der Stadtkirche beigesetzt wurde. Die Sekundogenitur Sachsen-Zeitz fiel 1725 an Kursachsen zurück, Moritz Wilhelms überlebende Frau Amalie geb. von Brandenburg (1670–1739) musste ihren Witwensitz nach Schleusingen verlegen. W. verblieb erneut Amtsstadt.

In W. entstanden zwei Stadtteile (Alt- und Neustadt, als Begriffe 1267 erscheinend), die wohl zunächst getrennte rechtliche Zuständigkeiten besaßen, im Laufe der Zeit jedoch zusammenwuchsen. Beiden übergeordnet war ein stadtherrlicher Amtmann (ebenfalls 1267 erstmals erwähnt). 1377 wurde ein gemeinsames Stadtrecht verliehen, die für Verstöße zu zahlenden Strafen teilten sich Stadt und Stadtherr. 1531 gab es 229 steuerzahlende Bürger, was auf etwas über 1000 Einwohner schließen lässt, 1771 etwa 1500 Einwohner. Wirtschaftlich waren Handwerk und Landwirtschaft, insbesondere in der Wiedenvorstadt, prägend. Überregionale Fernhandelswege (Alte Plauensche Straße, Alte Regensburger Straße) führten an W. vorbei, als Markt hatte W. allein örtliche Bedeutung.

(3) Die Kirche der Altstadt (Unser lieben Frauen), höchstwahrscheinlich aus einer älteren, archäologisch auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zu datierenden Kapelle hervorgegangen, wird 1230 das erste Mal urkundlich genannt. Um 1350 wurde sie durch einen Anbau ergänzt. Der Kirche sind vier Altäre zuzuordnen: St. Levini (Stadtrat als Patron), St. Crucis und Apostolorum (mit dem sächsische Kurfürsten als Patron) und St. Anna (die Erben eines Jobst von Lohma als Patron). Bekannt ist, dass die Altaristen mit den Bargeldeinnahmen ihrer Pfründe den Einwohnern Kredite gewährten, woraus im 16. Jahrhundert die Einrichtung des Gotteskastens entstand, der bis ins 19. Jahrhundert bestand. Der bauliche Zustand der Kirche war so schlecht, dass spätestens 1526 der Gottesdienst in die Kirche des Franziskanerklosters verlegt wurde. Trotz einiger Anläufe kam es zu keiner Renovierung, so dass bis heute eine (mittlerweile gesicherte und wieder als Kirche sowie als Gedenkstätte genutzte) Ruine vorhanden ist, von deren einst zwei Türmen nur einer erhalten ist, der als Glocken- und Uhrturm dient. Erst zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges setzte sich die Benennung »Wi(e)denkirche« durch.

Die Kirche der Neustadt war dem Apostel Petrus geweiht, nähere Überlieferungen zur Gründung fehlen. Höchstwahrscheinlich dürfte sie zeitgleich mit der Burg 1160–1190 errichtet worden sein. Sie war Eigenkirche der Vögte von W., sie stifteten (mit Zustimmung der anderen Linien in Gera und Plauen) 1267 den Katharinenaltar. 1296 wurde die Peterskirche dem Dominikanerinnenkloster inkorporiert (endgültig abgeschlossen 1348), die Kirche verlor den weltgeistlichen Status. Patron war seit der Reformation der Rat. Das Langschiff diente als Lagerraum für den Neustädter Markt. Der begüterte Kaufmann Johann Tulpe stiftete 1320 den Katharinenaltar. Das 1350 nach einem Brand wiedererbaute Kirchenschiff befand sich in den 1520er Jahren ebenfalls in einem schlechten Zustand, dass auch hier 1526 Gottesdienste unterbunden wurde, sie sollten wie die der Altstadt in der Franziskanerklosterkirche stattfinden. Auch von dieser Kirche blieben die Türme stehen.

Neben den beiden Pfarrkirchen gab es Kapellen am Katschtor und am Geraischen Stadttor, die in der Reformation aufgehoben wurden. Eine weitere Kapelle gab es auf der Burg, 1363 zum ersten Mal erwähnt. Weiter existierte ein dem Jakobus geweihtes Aussätzigenspital, als Pilgerherberge das Annen-Spital, dem ein Seelhaus als Armenhaus angegliedert war; ihre Gründungsdaten sind nicht bekannt.

Das wohl schon um 1260 bestehende, aber erst 1283 belegte Dominikanerinnenkloster war der Maria Magdalena geweiht. Als gelehrter Erbauungsschriftsteller ist Marcus von W. zu nennen, der nach 1510 im Kloster wirkte, u. a. für die Finanzen zuständig; seine Werke wurden ab 1502 gedruckt. Dem Kloster angeschlossen war eine Mädchenschule, die 1528/29 von Philip Melanchthon in eine städtische »Mägdleinschule« umgewandelt wurde. Als bekannte Lehrmeisterin fungierte eine vormalige Dominikanerin namens Anna Kolert. Im 17. Jahrhundert wurde sie zu einer Lateinschule verändert, die der Aufsicht des Superintendenten unterstand. Aufgelöst wurde das Kloster 1542, Teile des Güterbesitzes fielen an die Stadt, der Kirchenbau als Getreidespeicher an das landesherrliche Amt.

1267 wird das Franziskanerkloster erwähnt, dessen am Ufer der Weida gelegene Kirche erst 1350. 1526 wurde die Klosterkirche als Gottesdienstraum der beiden Stadtgemeinden genutzt. Im Zuge der obrigkeitlichen Reformation wurden die Gebäude abgerissen.

An geistlichen Bruderschaften sind zwei zu nennen, die Fronleichnams- und die Sebastian- und Fabians-Bruderschaft. Die genaue Zuordnung (zur Stadt oder einer der Kirchen) des 1348 und 1355 erwähnten Schulmeisters ist unklar. Bezeichnend ist, dass der Rektor zugleich Schreiber der Vögte war. In der Reformationszeit ist die städtische Trägerschaft der Schule gesichert.

1523 erschienen die ersten lutherischen Prediger in W. Im sog. Bauernkrieg spielte W. eine Rolle, 1525 hielt der sächsische Herzog ein Strafgericht über Aufständische ab. 1527 erfolgte die erste Visitation durch Philipp Melanchthon. Ab 1533 wurde die Franziskanerklosterkirche als Sitz der Superintendentur; Widenkirche und Peterskirche wurden dem Zerfall preisgegeben.

Als Hauskloster und Begräbnisstätte der Vögte von W. fungierte das etwa drei Kilometer außerhalb W.s gelegene, 1193 gegründete und reich dotierte Prämonstratenserkloster Mildenfurth, dessen Skriptorium buchgeschichtlich bedeutsam ist. 1543 wurde es aufgelöst, die Güter an Privatleute verkauft, 1616 vom Landesherrn zurückgekauft und als Domäne (sog. Kammergut) genutzt.

(4) W. ist geprägt von der oberhalb der Neustadt gelegenen Burg, die sich hoch auf einem steilen Bergrücken zwischen den Flüssen Weida und Auma befindet. Aus der ersten Bauphase des 12. Jahrhunderts hat sich der Bergfried erhalten. Unter Leitung des Landbaumeisters Nicolas Grohmann wurde ihm im 16. Jahrhundert das Neue Schloss im Renaissancestil angebaut. Das heutige Bild wird durch den Neubau der Jahre 1667–1671 bestimmt. Unter Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz dürfte ein Kapellenersatz (wegen seines zweimaligen Konfessionswechsels) hinzugeführt worden sein. Nach seinem Tod 1718 entfernte man alle Erinnerungsstücke an ihn.

An kommunalen Bauten ist das bescheidene Neustädter Rathaus inmitten der Gabelung des Neustädter Markts zu nennen. 1587–1589 errichtete die Stadt einen Neubau im Renaissancestil, welches durch Brände, vor allem im Dreißigjährigen Krieg, arg gelitten hat. In der Altstadt gab es zwei Freihäuser, Stadthöfe der Vögte bzw. der Herzöge von Sachsen, einen am Kirchberg und einen am Alten Markt (heute Platz der Freiheit). In der Neustadt gab es ebenfalls zwei Freihäuser, das Kummersche und das von Zehmensche Haus.

(6) W. kannte ein bedeutendes Wachstum im 12. und 13. Jahrhundert Als Burgort bzw. Residenzstadt kann W. für das 14. bis frühe 15. Jahrhundert gelten, als die Herren bzw. Vögte von W. hier ihren Hauptmittelpunkt besaßen. Im späten 17. Jahrhundert wurde W. Nebenresidenz im Herzogtum Sachsen-Zeitz. Nur kurze Episoden war die Residenzfunktion unter Herzog Sigismund 1436/36 unter unter Herzog Moritz Wilhelm 1717/18. Daher kann die Stadt nach dem Abzug der Vögte bzw. Herren von W. 1427 als Amtsstadt bezeichnet werden. Die sozialen und kulturellen Verbindungen zwischen Hof und Stadt sind noch nicht hinreichend erforscht. Die Funktion des Rektors der Lateinschule als Schreiber der Vögte im 14. Jahrhundert ist Indiz dafür, dass enge Beziehungen zwischen Stadt- und Hofgesellschaft bestanden haben mochten.

(7) Das Stadtarchiv Weida ist im Dreißigjährigen Krieg und 1687 zu wesentlichen Teilen verbrannt, zusammenhängend ist der Bestand erst ab 1780 erhalten. Die Weida betreffenden Akten des Thüringischen Hauptstaatsarchivs, vor allem die der frühen Neuzeit, sind im Zweiten Weltkrieg in größerem Maße vernichtet worden. Über Weidas Zugehörigkeit zum Kurfürstentum bzw. zum Königreich Sachsen finden sich Materialien im Hauptstaatsarchiv Dresden, einzelnes auch im Staatsarchiv Greiz.

Berichtigungen und Zusätze zu »B. Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und Plauen, sowie ihrer Hausklöster Mildenfurth, Cronschwitz, Weida und z. H. Kreuz bei Saalburg«, Bd. 1: 1122–1356, bearb. von Otto Dobenecker, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altert(h)umskunde 12 (1884) S. 565–582. – Urkundenbuch der Vögte (1885–1892). – Nachträge zu den Berichtigungen, bearb. von Otto Dobenecker, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altert(h)umskunde 13 (1886/87) S. 137–140, 343–351. – Flach, Willy: Die Urkunden der Vögte von Weida, Gera und Plauen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Eine diplomatisch-historische Untersuchung, Greiz 1930 [Phil. Diss. Jena 1930]. – Stadtentwicklung Weida vor 1267, Planentwurf Kurt Häßner unter Verwendung eines Entwurfs von Prof. Dr. Billig, Manuskript im Privatbesitz Häßner.

(8)Hänsel, Robert: Weida zur Zeit der Vögte, Weida 1929 (Geschichte der Stadt Weida in Einzeldarstellungen, 1,4). – Herrmann, Rudolf: Weidaer Kirchen-Geschichte 1150–1550, Weida 1934 (Geschichte der Stadt Weida in Einzeldarstellungen, 1,5). – Seyfarth, Max: Weida unter den Wettinern bis 1815, Weida 1939 (Geschichte der Stadt Weida in Einzeldarstellungen, 2,1). – Billig, Gerhard: Pleißenland – Vogtland. Das Reich und die Vögte. Untersuchungen zu Herrschaftsorganisation und Landesverfassung während des Mittelalters unter dem Aspekt der Periodisierung, Plauen 2002. – Hässner, Kurt, Hässner, Gudrun: So war es einst. Tl. 1: Eine Entdeckungsreise von den Weidaer Aumamühlen über Liebsdorf und versunkenen Dörfern bis zum Gewerbegebiet, Tl. 2: Aus ferner Vergangenheit bis in das 20. Jahrhundert, hg. vom Kulturförderverein Weida e.V., Weida 2007–2008. – Neumeister, Peter: Vögte von Weida, Adelsfamilie, in: Historisches Lexikon Bayerns, München 2010 (im Internet unter www.historisches-lexikon-bayerns.de). – Michel, Stefan: Ein religiöses Zentrum des Vogtlandes im Wandel. Institutionelle, sozial- und frömmigkeitsgeschichtliche Aspekte der Vorreformation in Weida, in: Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten 1470–1525/30, hg. von Joachim Emig, Volker Leppin und Uwe Schirmer, Köln/Weimar/Wien 2013 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kl. Reihe, 35; Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 1), S. 233–250. – Gehrlein, Thomas: Das Haus Reuss, Werl 2015.

Kurt Häßner