Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Doberlug (Dobrilugk)

Doberlug (Dobrilugk)

(1) D. (heutige Schreibweise seit 1937, seit 1950 D.-Kirchhain) liegt im Süden Brandenburgs in der westlichen Niederlausitz. Der Name, sorbischen Ursprungs, bedeutet entweder »Gutes Wiesenland« oder geht auf den früheren Name der Kleinen Elster (Dober) zurück, die das Stadtgebiet von Nordost nach Südwest durchquert.

D. muss bereits im Hochmittelalter eine gewisse Bedeutung besessen haben. Etwa zweieinhalb Kilometer nördlich verlief ein Zweig der Niederen Straße von Halle/Leipzig über Torgau, Spremberg oder Luckau weiter nach Osten. Der Ort war 1005 Treffpunkt des nach Polen marschierenden Heeres Kaiser Heinrichs II. Walther von der Vogelweide erwähnt das Kloster Toberluh als unwirtlichen Ort. Mit der Stiftung des Zisterzienserklosters Dobrilugk (der Namenswechsel 1937 bezog das Kloster nicht mit ein) 1165 schuf sich Markgraf Dietrich von Eilenburg (vor 1142–1185) einen Stützpunkt, der zugleich als Grablege geplant war (beigesetzt wurde jedoch nur die 1209 verstorbene Gattin Konrads II., Elisabeth). Bis Mitte des 13. Jahrhunderts stellten die Meißner Markgrafen mehrmals in D. Urkunden aus. Danach ebbte das Interesse ab. Das an der Niederen Straße gelegene Klosterdorf Kirchhain wurde vom Kloster 1234 zum Markt erhoben (1235 von Markgraf Heinrich III. von Meißen bestätigt), welches sich zur Stadt entwickelte (1367 opidum, 1497 stat). Eine Siedlung im Bereich des Klosters gab es zu dieser Zeit nicht.

D. machte die Besitzerwechsel der Niederlausitz mit (1303 Verkauf an die Brandenburger Markgrafen, 1367/1368 an das Königreich Böhmen). 1541 ließ Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (1503–1554) das Kloster besetzen und zur Herrschaft D. umwandeln. Anschließend wurde die Herrschaft D. mehrmals verpfändet, wieder ausgelöst, verkauft, gelangte schließlich 1624 durch Kauf in die Hände Kurfürst Johann Georgs I. von Sachsen (1585–1656). Unter ihm wurde die Herrschaft D. in ein landesherrliches Amt umgewandelt. Dessen dritter Sohn Christian I. (1615–1691) erhielt im Rahmen der Erbteilung 1656/57 das Herzogtum Sachsen-Merseburg mit der Niederlausitz und Schloss und Amt D. Unter ihm wurde D. 1664 zur Stadt erhoben und zur Nebenresidenz ausgebaut; als in der eigentlichen Hauptstadt Merseburg 1684 die Pest ausbrach, wurden Hof und Regierung nach D. verlegt. 1712 wurde D. gelegentlicher Witwensitz der Herzogin Erdmuthe Dorothea (1661–1720), Ehefrau Herzog Christian II., und 1715 der Prinzessin Eleonore Wilhelmine (1696–1726, ab 1716 Herzogin von Sachsen-Weimar). Nach dem Ableben Herzog Heinrichs (1661–1738), des jüngsten Sohn Christians I., fiel D. zurück an die sächsische Kurlinie und diente hinfort für gelegentliche Aufenthalte des Hofs. 1815 kam D. mit der Niederlausitz an Preußen. Kirchlich gehörte D. zum Bistum Meißen.

(2) Die Stadtgründung D.s, seit 1661 geplant und 1664 vollzogen, erfolgte im Zusammenhang mit dem Ausbau des Schlosses zur Nebenresidenz. Durch Bauprivilegien, die Bereitstellung von Baumaterialien und eine zwölfjährige Steuerfreiheit wurden Bürger, insbesondere Handwerker zur Versorgung des Hofes, angelockt. Nach den zwölf Freijahren musste jeder Einwohner zwei Taler an die Herrschaft und einen Taler an den Pfarrer entrichten. Eine Ausstattung mit Einnahmen oder umfassenden Verwaltungsrechten war jedoch ebenso wenig vorgesehen wie ein Rathaus, Bürgermeister oder Stadtrat. Die Verwaltung erfolgte vollständig durch das Amt. Bereits nach 15 Jahren waren 70 Familien zugezogen, 1685 sollen schon mehr als 150 Häuser bestanden haben. 1697 gab es bereits 126 Handwerker in den Bereichen Nahrungsmittelverarbeitung, Tuchherstellung und Hausbau. 1740 gab es 152 Bürger und 1799 waren es mit Militär 1144 Einwohner. Aus unbekannten Gründen wurde der Stadt das Braurecht zunächst vorenthalten (eventuell sollte es vom herrschaftlichen Vorwerk, dem Kleinhof, bezogen werden), erst 1680 erhielt D. zwar eine Brauordnung, aber kein Brauprivileg. Die Erteilung eines Apothekenprivilegs 1689 diente sowohl der Stadt wie der Residenz.

Hinweise auf einen Schulmeister gibt es kurz nach Stadtgründung. 1686 ließ Herzog Christian I. einen Rektor für den Lateinunterricht der Knaben anstellen und ein Jahr später das Schulhaus erweitern. Aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen finanzierte die landesherrliche Verwaltung einen dritten Lehrer. 1783 wurde in der Schlosstorwärterwohnung eine Mädchenschule eingerichtet. 1719 wurde die privilegierte Schützengilde gegründet. Das älteste städtische Siegel stammt von 1749. Es zeigt einen Dornenkranz mit darüberstehenden Wolken und durchbrechenden Sonnenstrahlen.

(3) Dem Kloster D. gelang es, die Eigenständigkeit zu wahren. 1373 bestätigte Kaiser Karl IV. den mittlerweile umfassenden Besitz, wozu ein Stadthof mit Kapelle in Luckau gehörte. Im Gefolge der Reformation ließ Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen 1541 das Kloster besetzen und auflösen. Die Klosterkirche ist einer der frühesten gewölbten Backsteingroßbauten im Süden des heutigen Landes Brandenburg. Herzog Christian I. ließ sie 1673–1676 zur Schloss- und Pfarrkirche mit Fürstenloge umbauen (Weihe 1675). In ihr befinden sich mehrere Epitaphien der adeligen Schlosshauptleute und anderer Amtsträger. Auch die Kirche von Kirchhain wurde von den Adligen als Grablege genutzt.

(4) Die weltliche Nutzung des Klosters begann 1551, als der sächsische Berghauptmann Heinrich von Gersdorff († 1557) die gesamte Anlage vom Kurfürst als Pfand für einen Kredit erhielt. Er ließ Teile des Klosters zu einem repräsentativen Wohngebäude umgestalten. Nach dem Erbfall 1656 an Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg begann 1661 der umfassende Ausbau (bis 1676) des Schlosses unter Leitung des Kirchhainer Maurermeisters Christian Klengel. Architektonisch blieb Christian I. der Tradition verpflichtet, so dass das Schloss als einer der letzten Renaissancebauten Deutschlands gilt.

D. selbst erhielt als barocke, rechteckige bis hufeisenförmige Planstadt unmittelbar östlich des Schlosses eine marktartig erweiterte, 60 Meter breite und 600 Meter lange Hauptstraße (ehemals Werder- oder Vordergasse) und eine nördlich parallel verlaufende Hintergasse (jetzt Grimmerstraße), zwischen denen die kürzere Mittelgasse liegt. Die rechtwinklig dazu angeordnete Querverbindung führt direkt auf den Rautenstock, der als repräsentatives Gäste- und Kavalierhaus geplant und um 1680 vollendet wurde. Zu beiden Seiten der Hauptstraße sowie den deutlich schmaleren Parallelstraßen entstanden meist zweigeschossige Bürgerhäuser. Mauer und Wassergraben sicherten die Stadtgrenze, Stadt und Schloss bildeten eine Einheit. Drei Tore (spätestens ab 1694) ermöglichten den Zugang: im Westen der Werdergasse das Soldatentor, im Nordosten das Koblickstor sowie im Osten der Hintergasse das Hirtentor zum Vorwerk Kleinhof. Im Nachhinein entstand südlich der Hauptstraße am Stadtgraben in ähnlicher Ausrichtung die Brauhausgasse. Ein Feuer verwüstete 1671 38 Häuser.

(5) Privilegiert wurde D. bei der Stadtgründung mit einem Wochenmarkt sowie zwei Jahr- und Viehmärkten, die aber unbedeutend blieben. Als Durchgangsstation war D. ab 1653 eingebunden in die Reitpost von Berlin nach Dresden, nach Ende der Residenzzeit gab es ab 1765 einen Postmeister, dessen Stelle 1845 nach Kirchhain verlegt wurde.

(6) D. war eine fürstliche Gründung 1664 mit dem Ziel der direkten Versorgung des herrschaftlichen Hofes, ohne auf das etwas entfernte Kirchhain zurückgreifen zu müssen. Als Nebenresidenz und Witwensitz fungierte D. 1664–1738. Die Stadt konnte sich nie zu einer bedeutenderen Stellung aufschwingen. D. wurde von Handwerk und Landwirtschaft geprägt. Nach dem Aussterben der Linie blieb D. lokaler Verwaltungssitz. Wirtschaftlich bedeutender war die benachbarte Stadt Kirchhain, die durch das Kloster Dobrilugk in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als lokales Marktzentrum gegründet und gefördert wurde. Beachtenswert ist D. mit seinem Ortskern als mustergültigem Beispiel barocker Stadtplanung, das den Charakter einer ländlichen Residenz- und Kleinstadt bis heute bewahrt.

(7) Archivalien befinden sich im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA), im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt an den Standorten Magdeburg und Wernigerode, im Hauptstaatsarchiv Dresden (HStAD) und im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin (GStA PK).

Zimmermann, Balthasar: Amts Dobrilug Ausmeßung (1630), HStAD, Rißschrank I, Fach 22, Nr. 17, Blatt a–h. Abdruck Blatt a bei Lehmann, Rudolf: Urkundenbuch des Klosters Dobrilugk und seiner Besitzungen, Leipzig/Dresden 1941 (Urkundenbuch zur Geschichte des Markgraftums Niederlausitz, V). – Plan von Schloß und Stadt Dobrilugk, in: Pläne von Schlössern und Städten der Niederlausitz und einiger Nachbargebiete (Niederlausitzer Städteatlas), Lübben 1714/1715 (BLHA, AKS, Nr. 1463, Bl.22). Neuabdruck in: Die Nieder- und Oberlausitz im Bild historischer Karten, hg. von Heinz-Dieter Heimann und Klaus Neitmann, Berlin 2014 (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte, 15), S. 16 f.

(8)Lehman, Rudolf: Die ältere Geschichte des Cisterzienserklosters Dobrilugk in der Lausitz, in: Niederlausitzer Mitteilungen 13 (1916) S. 181–326. – Zahn, Gotthold: Chronik von Kirchhain und Dobrilugk, Grafschaft und Stadt Sonnewalde, Kirchhain 1926. – Aurig, Rainer: Art. „Doberlug-Kirchhain“, in: Städtebuch Brandenburg und Berlin (2000), S. 100–106. – Schrage, Gertraud Eva, Agthe Markus: Dobrilugk, in: Brandenburgisches Klosterbuch, Bd. 1 (2007), S. 425–442. – Leibetseder, Stefanie: Schloss Doberlug. Nebenresidenz der Wettiner, Dresden 2013. – Fink, Stefanie: Die Klosterkirche zu Doberlug, Görlitz/Zittau 2014. – Die Nieder- und Oberlausitz – Konturen einer Integrationslandschaft, Bd. 2: Frühe Neuzeit, hg. von Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann und Uwe Tresp, Berlin 2014 (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte, 12) (hierin die Beiträge von Czech, Vinzenz: Die Niederlausitz im 17. und 18. Jahrhundert. Herrschaftspraxis und dynastische Zeichensetzung der Merseburger Herzöge, S. 205–223; Seng, Eva-Maria: Barocke Plan- und Idealstädte. Dobrilugk als barocke Planstadt, S. 224–241; Hanslok, Andreas: Dobrilugk und Kirchhain in der frühen Neuzeit. Ackerbürger- oder Handwerkerstädte? Versuch einer typologischen Einordnung, S. 242–252). – Schumann, Dirk: Doberlug-Kirchhain, Berlin 2015 (Schlösser und Gärten der Mark, 137).

Rainer Aurig