Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Storkow

Storkow

(1) S. entstand im Zuge des Landesausbaus im 12./13. Jahrhundert Inmitten eines slawischen Siedlungsgebietes lag S. an einer Furt durch sumpfiges Gelände unmittelbar neben dem Dolgensee. Der Name bedeutet »Siedlung, bei der Pfähle in die Erde geschlagen wurden«. Die Burg wurde als Grenzfeste zwischen askanischem und wettinischem Einflussgebiet angelegt. 1209 wurden Burg und Stadt S. erstmals urkundlich erwähnt.

Das wettinische Ministerialengeschlecht von Strele war mit der gleichnamigen Herrschaft Beeskow-S. belehnt. Das Geschlecht starb im Jahr 1384 aus und die Herrschaft ging in den Besitz der Familie von Biberstein über. Diese wiederrum verkaufte sie im Jahr 1518 an den Lebuser Bischof Dietrich von Bülow (1490–1523), womit S. Zentralort zweier Territorien, der Herrschaft Beeskow-S. und des benachbarten Bm.s Lebus, wurde. Bischof Dietrich baute S. zur Residenz aus; der eigentliche Bf.ssitz befand sich in Fürstenwalde. Nach dem Tod des letzten katholischen Bf.s Johann VIII. 1555 wurde der brandenburgische Thronfolger Joachim Friedrich zum Bischof gewählt (1555–1598). Im Zuge der Säkularisierung überließ man 1556 dem neumärkischen Markgraf Johann (reg. 1535–1571) die Herrschaft, womit die Stadt S. ihre zentralörtliche Funktion verlor, S. wurde zunächst Nebenresidenz, dann Landstadt, später Domäne.

Als nördlichster Teil des Mkgfm.s Niederlausitz unterstand die Herrschaft Beeskow-S. der böhmischen Oberlehnsherrschaft. Die Hohenzollern erreichten erst 1575 die Belehnung durch die Habsburger. Damit wurde sie in den Besitz der Hohenzollern überführt, wo sie trotz langwieriger Konflikte mit den Wettinern und den Habsburgern bis zum Ende des Alten Reichs verblieb. Eine lehnrechtliche Lösung von der Krone Böhmens erfolgte erst mit dem Breslauer Frieden im Jahr 1742.

Wegen der Nähe zur Residenz Berlin-Cölln nutzte die markgräfliche Familie Johanns das Schloss als Wohnsitz, während die Landesverwaltung der Neumark in Küstrin verblieb. Das S.er Schloss wurde noch nach dem Rückgang der Küstriner Nebenlinie an das Kfsm. Brandenburg 1571 gewisse Zeit von der kfsl.en Familie genutzt. Der nördliche Teil der Herrschaft Beeskow-S. wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Bildung der neuen Muster-Herrschaft Königs Wusterhausen herangezogen.

(2) Eine Stadtrechtsverleihung ist nicht überliefert, jedoch wurde S. stets als urbs et civitas bezeichnet. Der Ursprung der Stadt liegt einerseits im Burgbezirk und andererseits in einer angerdorfähnlichen Siedlung mit Kirche, die als Altstadt bezeichnet wird. Zwischen Altstadt und der Burg entstand die Neustadt. Sie wurde mit quadratischem Grundriss planmäßig mit Markt und Rathaus angelegt. Alt- und Neustadt scheinen rechtlich eine Einheit gebildet zu haben. Lediglich ein Bach und die an ihm errichtete herrschaftliche Mühle trennten beide Städte. Topographisch gliederte sich die Stadt ferner in einen vermutlich slawisch besiedelten Kietz und die beiden Vorstädte Damm und Sandberg. Eine Ummauerung besaß die Stadt nicht, gesichert war sie durch Gräben. Zwei Burglehen befanden sich an den beiden Stadttoren, dem Sandberger und dem Fürstenwalder Tor. Die Burglehen befanden sich meist im Besitz einheimischer Adelsfamilien wie den Maltiz oder Spiegel. Ein Wassergraben trennte auch Stadt und Burg, die Verbindung gewährleistete eine Brücke. Mit der Einführung der Akzise – eine Verbrauchssteuer zur Heeresfinanzierung, die an den Stadtgrenzen beim Warenverkehr erhoben wurde – wurden die Vorstädte Sandberg und Damm im 18. Jahrhundert der Stadt einverleibt, mit Palisaden umgeben und das Berliner, das Fürstenwalder und das Beeskower Tor neu angelegt, die alten Stadttore vermutlich abgerissen.

Während der bfl.en Zeit musste die Stadt dem Domkapitel zu Fürstenwalde Abgaben und dem Schloss zu S. Fuhrdienste leisten. Der Kietz war zu höheren Dienstleistungen verpflichtet. Mit der Übertragung der Herrschaft an Markgraf Johann wurde die neumärkische Policeyordnung eingeführt, die die Städte weitgehend ihrer Selbständigkeit beraubte. Zwei Bürgermeister waren im jährlichen Wechsel zu wählen und vom Markgrafen zu bestätigen. Wahlrechte der Bürgerschaft sind nicht eindeutig fassbar. Die Stadt protestierte in den 1620er und 1630er Jahren mehrfach gegen die Gewaltherrschaft des den Landesherrn vertretenen Amtshauptmanns. Bis in die 1640er Jahre war die Stadt politischer Akteur. Sie verhandelte über Kriegssteuern, verfasste Gravamina und entsandte Deputierte an den kfl.en Hof. Die Bürgermeister reisten zum Huldigungstag des Großen Kurfürsten in Frankfurt a. d. Oder an.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt weitgehend zerstört, die Oberschicht wanderte ab, städtische Funktionsstellen, selbst das Bürgermeisteramt, verwahrlosten. Mit der Einführung der Akzise in den 1680er Jahren kam staatliches, den Merkantilismus förderndes Verwaltungspersonal in die Stadt. Als Bürgermeister wurden Personen aus dem Umkreis der Steuerräte oktroyiert. 1706 wurde S. Immediatstadt und damit aus der Jurisdiktion des Herrschaft Beeskow-S. gelöst. Mit der Einführung der Generalverpachtung der Domänen im Königreich Preußen seit 1717 zerfiel zudem die Herrschaft Beeskow-S. in drei Domänenämter. Durch die Rangerhöhung der Stadt einerseits und der Generalverpachtung des Amtes S. andererseits gab es nunmehr zwei Ortsobrigkeiten, eine Stadt- und eine Amtsobrigkeit, die sich gegenseitig die Kompetenzen streitig machten.

Die wirtschaftliche Prosperität S.s ließ nach, nachdem im 13. Jahrhundert im nahen Umfeld Beeskow und Fürstenwalde an der Spree gegründet worden waren, S. blieb hinter diesen Städten stets zurück. Der Dreißigjährige Krieg führte zu einer Bevölkerungsminderung um 75 %, von diesem Einschnitt sollte sich S. nicht mehr erholen (Kämmereirechnung 1672 nennt 53 genutzte Bürgerstellen, was auf etwa 240 Bewohner schließen lässt), lediglich einige Tuchmacher blieben als Gewerbe erhalten, eine Kaufmannschaft fehlte völlig. Im 17./18. Jahrhundert hatte S. Bedeutung als Ort der Textilproduktion; auf den Domänen des Umlands wurde wegen der schlechten Böden umfangreiche Schafwirtschaft getrieben. Die Einführung der Akzise und die Erhebung zur Immediatstadt unterband diese Verflechtung, Verarmung setzte ein.

(3) Zu den kirchlichen Einrichtungen zählten die Stadtpfarrkirche St. Marien, die Schule und eine Burgkapelle. Die Reformation setzte sich spät durch. Bischof Dietrich hatte sich als Berater und Verbündeter des katholischen Kurfürsten Joachim I. gegen Luther gestellt, auch sein Nachfolger Bischof Georg von Blumenthal (1524–1550) verfolgte diese Linie, weswegen er von der lutherischen Bürgerschaft bekämpft wurde; im Zuge der Minckwitzfehde und der Kohlhasfehde waren Kirche und geistliche Einrichtungen Ziel von Angriffen. Über die Rezeption Luthers in der Bürgerschaft lassen sich keine Aussagen treffen, vermutlich wurde in der Stadtpfarrkirche bereits lutherisch gelehrt, als an der Burgkapelle noch der katholische Ritus galt. Die fünf Nebenaltäre der Stadtpfarrkirche und deren Pfründen wurden abgeschafft; die Burgkappelle zu einem unbekannten Zeitpunkt abgerissen. Mit der Übergabe der Herrschaft Beeskow-S. an Markgraf Johann von Brandenburg-Küstrin 1556 trat S. ganz zum Luthertum über. In die Kirche wurden mehreren Hoflogen eingebaut, in denen im 18. Jahrhundert die Amtsobrigkeit Platz nahm, ferner gab es ein Rats- und ein Richtergestühl. St. Marien war somit seit dem 16. Jahrhundert Pfarr-, Rats- und Hofkirche zugleich. Gegen die Einsetzung des reformierten Pfälzers Ludwig Loefen zum Bürgermeister 1697 protestierte die lutherische Bürgerschaft mehrmals auf dem Gewaltwege.

(4) Unter Bischof Dietrich wurde die Burg zu einem Renaissanceschloss umgebaut, das als Herrschafts-, Repräsentations- und Verwaltungsmittelpunkt diente. Bis zur Erhebung zur Immediatstadt 1706 blieben diese machtpolitischen Verhältnisse bestehen; im 17. Jahrhundert fand daher die zeremonielle Amtseinführung und Vereidigung des Bürgermeisters und des Stadtrichters im Schloss statt, nicht in der Stadt. Orte gemeindlicher Repräsentation sind neben der Stadtkirche nicht bekannt. Die ältere Bebauung ging durch den großen Stadtbrand 1712 so gut wie vollständig verloren, anschließend wurde sie nach Vorstellungen neuer landesherrlicher Bauordnungen und der Sparsamkeitsmaxime König Friedrich Wilhelms I. wiedererrichtet.

(5) S. besaß im 16. Jahrhundert zwar vier Jahrmärkte, doch waren sie allein für den Nahbereich von Bedeutung. Einige der Märkte verloren im 18. Jahrhundert an Bedeutung, da die Domänenwirtschaft ihre Produkte an der Stadt vorbei direkt nach Berlin und anderswohin verhandelte. Im Zuge der Residenzbildung kaufte Bischof Dietrich im Umland einzelne Bauerngüter und ganze Dörfer auf. Die hohe Sanddüne am Ufer des Dolgensees ließ er mit Rebstöcken bepflanzen. Zwischen Stadt und Schloss entstanden ein Vorwerk als Wirtschaftshof, Gesindehäuser, Gärten sowie ein Fischteich. Die städtische Feldmark war ausgesprochen klein, Möglichkeiten zur Ausdehnung gab es so gut wie gar nicht.

Die Stadt nahm an keinen Städtebünden teil, zudem war sie nicht landtagsfähig. Während der Reformation orientierte sie sich an anderen niederlausitzischen Städten. Da abgesehen vom Tuchmachergewerk die Gewerke in S. klein waren, waren Handwerker in Zünften anderer Städte wie Frankfurt a. d. Oder, Fürstenwalde, Beeskow, Cottbus oder Berlin organisiert. Mit der Einführung der kurmärkischen Kreisverfassung im 17. Jahrhundert und der Erhebung zur Immediatstadt im 18. Jahrhundert sollte S. formal Sitz und Stimme im Kreistag erhalten, doch verhinderte der Adel die Wahrnehmung dieses Rechts.

(6) Residenzstadt wurde S. ab 1518 unter dem humanistisch gesinnten Lebuser Bischof Dietrich von Bülow, der auch kirchenpolitisch bedeutsam war; er vollzog 1514 die Weihe Albrechts von Brandenburg zum Erzbischof von Mainz und unterhielt enge Beziehungen zum brandenburgisch Kurfürst Joachim I. Unter Markgraf Johann von Brandenburg-Küstrin war S. Nebenresidenz. Wirtschaftlich und politisch verlor der Ort durch den Dreißigjährigen Krieg immens, auch wenn S. Anfang des 18. Jahrhunderts formal zur Immediatstadt erhoben wurde, besaß der Ort keine Anziehungskraft für neue Gewerbe. Mit der bfl.en Hof- und Landesverwaltung lag die Blüte der Stadt im 16. Jahrhundert

(7) Der Schlossbrand im Jahr 1978 vernichtete das Stadtarchiv fast vollständig. Gerettet werden konnten nur einige Reste und das Amtsarchiv. Beide Bestände werden unter den Reposituren 7 und 8 im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) verwahrt. Darin befinden sich Kämmereirechnungen, Bestallungsurkunden und Grundstückskataster. Ferner befinden sich im BLHA die Überlieferungen der für die Stadt zuständigen brandenburgisch-preußischen Behörden wie des Steuerrates (Rep. 19) und der Kriegs- und Domänenkammer (Rep. 2). Diese Bestände sind vor allem für die Wirtschaftsgeschichte der Stadt relevant. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) befinden sich unter der Repositur 43 des Geheimen Rates die dynastischen und juristischen Händel der Stadt und der Herrschaft Beeskow-Storkow. Hier sind Belehnungsurkunden, Gravamina und die Einsetzung und Konfirmation von Bürgermeistern zu finden. Verfilmte Kirchenbücher des Kirchsprengels Storkow werden im Evangelischen Zentralarchiv (EZA) aufbewahrt.

(8)Petersen, Carl: Die Geschichte des Kreises Beeskow-Storkow, Beeskow 1922. – Lehmann, Rudolf: Die Herrschaften der Niederlausitz. Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte, Köln/Graz 1966 (Mitteldeutsche Forschungen, 40). – Enders, Lieselott: Werden und Vergehen kleiner Städte während des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Funktions- und Existenzbedingungen in der Mark Brandenburg, in: Siedlungsforschung 11 (1993) S. 111–122. – Meier, Brigitte: Städtische Verwaltungsorgane in den brandenburgischen Klein- und Mittelstädten des 18. Jahrhunderts, in: Verwaltung und Politik in Städten Mitteleuropas. Beiträge zu Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit in altständischer Zeit, Köln/Weimar/Wien 1994 (Städteforschung, A 34), S. 177–182. – Zahn, Kurt: Die Strele, die ersten Herren von Storkow und Beeskow um 1200 bis um 1400, Storkow 2002 (Beiträge zur Geschichte von Stadt und Amt Storkow [Mark], 2). – Göse, Frank: Zwischen beanspruchter Selbstverwaltung und landesherrlicher Reglementierung. Die brandenburgischen Städte um 1700, in: Im Schatten der Krone. Die Mark Brandenburg um 1700, hg. von Frank Göse, Potsdam 2002 (Brandenburgische Historische Studien, 11), S. 99–141. – Scholz, Michael: Zwischen Böhmen, Brandenburg und Sachsen. Die Herrschaft Beeskow-Storkow bis zu ihrer Eingliederung in die Mark Brandenburg im 16. Jahrhundert, in: Brandenburg und seine Landschaften. Zentrum und Region im Spätmittelalter bis 1800, hg. von Lorenz F. Beck und Frank Göse, Berlin 2009 (Schriften der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg, N.F. 11), S. 45–68. – Becker, Denny: Von der bischöflichen Residenz zum königlichen Amt. Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Schlosses zu Storkow und zu seinem Inventarium von 1724 – Edition, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 61 (2010) S. 83–106.

Denny Becker