Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Sonnewalde (Groźišćo)

Sonnewalde (Groźišćo)

(1, 2) Das 1354 erstmals als Stadt bezeichnete S. liegt nördlich der kleinen Elster in der Niederlausitz in direkter Nachbarschaft einer älteren slawischen Siedlung. Der wendische Ortsname Groźišćo bedeutete so viel wie Burgstätte/-siedlung. Unbekannter Herkunft sind die Herren von S., bei denen es sich wahrscheinlich um Ministeriale der Wettiner handelte, die die ab etwa 1200 S. genannte Burg übernommen hatten und sich im Lauf des 13. Jahrhunderts nach ihr benannten. Diese Herren von S. sind bis 1308 nachweisbar, ab ca. 1318 gehörte die Burg einer Nebenlinie der Herren von Ileburg (Eilenburg). Das Stadtrecht wurde zu einem unbekannten Datum (nach 1336, wohl in den 1340er Jahren) vom Markgrafen Ludwig von Brandenburg verliehen zum Dank für die Verdienste, die sich Otto V. d. Ä. von Ileburg-S. erworben hatte, der im Gefolge des Markgrafen höhere Positionen bekleidete, u. a. als Truchseß. Trotz Verpfändung S.s an den Markgrafen von Meißen 1350 blieb der Herrschaft der Ileburger bis 1477 bestehen, ihre Rechte wurden 1351 vom Pfandherrn bestätigt. Auch die späteren Inhaber der Niederlausitz änderten an deren Stellung nichts. Inwiefern S. im Hussitenkrieg 1429 zerstört wurde, ist nicht genau bekannt, das Umland wurde jedoch schwer in Mitleidenschaft gezogen. 1456 brannte das Schloss ab. 1477 wurde die Herrschaft mit Schloss und Stadt an die Herzöge von Sachsen verkauft. Diese veräußerten sie 1481 an ihren Hofmarschall Hans II. von Minkwitz, der bereits drei Jahre zuvor als Amtmann eingesetzt worden war. Anlässlich der Belehnung mit der Herrschaft 1486 wurde diese genauer beschrieben. Sie umfasste Schloss, Stadt, Vorstadt und 16 Dörfer (Ländchen S.). Die sich zur lutherischen Lehre bekennende Familie von Minkwitz verlor in Auseinandersetzung mit dem katholisch bleibenden Herzog Georg von Sachsen 1531/52 den Besitz von S., der 1536/37 an den Grafen von Solms verkauft wurde. Diese residierten jedoch zuerst nicht in S., sondern ließen sich durch Amtsträger vertreten, auch wenn 1616 durch Heinrich Wilhelm I. eine eigene Linie Solms-Sonnenwalde begründet wurde (im Unterschied zum Stadtnamen). 1578–1581 wurde das Schloss repräsentativ ausgebaut, 1616 erfolgten Umbauten. Erst 1647 wurde S. unter Graf Georg Friedrich und dessen Nachfolgern zur ständigen Residenz. Das Schloss erfuhr 1650 umfangreiche Reparaturen. In diesem Zustand verblieb es bis 1945 im Besitz der Grafen von Solms.

Die kleinstädtische Siedlung wurde mit einem schmal-länglichen Markt in der Mitte und drei parallelen Straßen angelegt. Die Kirche St. Marien lag am Marktplatz, das Rathaus in der Nähe der Burg. Wall und Graben umschlossen Burg und Stadt, das Luckauer und Kirchhainer Tor ermöglichten den Verkehr, an den Straßen nach Finsterwalde, Doberlug und nach Münchhausen gab es Landwehre. 1540 brannte das Rathaus ab. Der Stadtrat, bestehend aus einem Bürgermeister, zwei Ratsherren und sechs Schöppen, unterstand dem Stadtherrn. In die Kompetenz der Stadt fiel das Niedergericht, dessen Richter die Stadt bestellte. 1588 werden 91 Bürgerhäuser verzeichnet, dazu sieben in der Vorstadt, was auf höchstens ca. 600 Einwohner schließen lässt. In der Stadt gab es neben der Schule noch ein städtisches Brauhaus, in der Vorstadt ein Hospital, daneben ein Gasthaus und vier Windmühlen. Neben der Landwirtschaft und der Weiterverarbeitung der Agrarprodukte sind Schwarzfärber, Hutmacher, Kürschner und Goldschmiede Indikatoren für ein differenziertes Gewerbe, das auch höheren Ansprüchen genügte. Stadtbrände gab es 1565, 1598, 1606, 1610, 1642 und 1743; Stadt und Schloss hatten unter dem Dreißigjährigen Krieg stark zu leiden, zudem gab es 1637 eine Pestwelle.

(3) Die Pfarrkirche St. Marien, der heutige Bau stammt aus dem endenden 14. Jahrhundert , wurde in der 1346 angelegten (1496 bestätigten) Meißener Bistumsmatrikel mit vier Mark veranschlagt, Finsterwalde hingegen nur mit 3 Mark, was für einen gewissen Bevölkerungsumfang S.s spricht. Enge geistliche Beziehungen gab es zu dem zehn Kilometer entfernt gelegenen Kloster Dobrilugk. Eventuell gab es bereits im 15. Jahrhundert eine von den Herren von Ileburg geförderte oder gegründete Lateinschule, die auch von Schülern der ländlichen Umgebung besucht wurde. Aus S. stammende Studenten finden sich in den Matrikeln der Universitäten von Krakau und Leipzig. In der Reformation spielte S. eine besondere Rolle. Die Herren von Minkwitz bekannten sich bereits ab etwa 1520 zur lutherischen Lehre, Hans III. studierte selbst in Wittenberg. 1522 begann mit Hartmann Ibach der erste evangelische Pfarrer zu predigen. Im Briefwechsel mit Hans III. von Minkwitz entwickelte Luther 1525 für S. eine Kirchenordnung, Philipp Melanchthon inspizierte 1528 persönlich die Lateinschule (erneut 1551). Als Landesherr trat Herzog Georg von Sachsen als entschiedener Gegner der Reformation auf und versuchte, die Familie Minkwitz aus dem S.er Lehen zu entfernen, was nicht gelang, aber dazu führte, dass für kurze Zeit (1530–1532) eine katholische Linie der Familie die Herrschaft übernahm; aus S. flüchtete Johann Pfeffinger, der spätere erste Superintendent von Leipzig. Bis 1536/37 blieb die Herrschaft vakant, Bemühungen zur Katholisierung seitens des sächsischen Hzg.s verweigerte sich die Bevölkerung. 1537 wurde die gesamte Herrschaft an Graf Philipp zu Solms, einem kfl.-sächsischen Rat zu Coburg, verkauft. Dieser und seine Erben hielten sich nur zu kurzen Aufenthalten dort auf. Dennoch förderten sie die Stadt in wirtschaftlicher und verwaltungsmäßiger Hinsicht. Die Herrschaft hatte das Kirchenpatronat inne, unterhielt ein eigenes Konsistorium und bestellte die Superintendenten, Pfarrer und Schulmeister für das Land.

(6) Als Residenzstadt im engeren Sinne kann S. für die Zeit bis 1530 und ab 1648 bis 1800 gelten, von Bedeutung war sie für das S.er Ländchen. Hervorzuheben ist die wahrscheinlich von dem Stadtherrn gegründete Lateinschule. Mit mehreren hundert Einwohnern ist S. zu den kleineren, dennoch voll ausgebildeten Residenzstädten (Kirchenpatronat, Hospital, Gasthaus, Produktion höherwertiger Produkte) zu rechnen.

(7) Als Quellen im Stadtarchiv Sonnewalde ist u. a. auf die Schulchronik über die Jahre 1574–1700 zu verweisen, u. a. eine Schulordnung von 1555 enthaltend, Hospitalakten liegen vor für die Jahre 1538–1542 und 1631–1770, ein Hüfnerbuch ab 1567, Getreiderechnungen ab 1550 sowie herrschaftliche Fruchtrechnungen ab 1569. Für die Jahre 1561–1600 liegt ein herrschaftliches Hausbuch vor, das Verpachtungen und Landleihe verzeichnet. Kirchenbücher mit teilweise annalen-artigen Abschnitten liegen vor ab 1597, dazu gibt es Fragmente der Jahre 1556–1564, die Patenschaften zwischen dem Grafen von Solms, deren Amtsträger, Hofgesinde und Stadtfamilien nachweisen. Auch die Bestände im Hauptstaatsarchiv in Dresden und in Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, Herrschaftsarchive Sonnewalde sind von Bedeutung.

Diplomatarium Ileburgense. Urkunden-Sammlung zur Geschichte und Genealogie der Grafen zu Eulenburg, hg. von Georg Adalbert von Mülverstedt, Magdeburg 1877. – Wittenberger Ordiniertenbuch, hg. von Georg Buchwald, 2 Bde., Leipzig 1894–1895. – Evangelisches Pfarrerbuch für die Mark Brandenburg seit der Reformation, 2 Bde., hg. von Otto Fischer, Berlin 1941. – Quellen zur Geschichte der Niederlausitz, 2 Tle., bearb. von Rudolf Lehmann, Köln/Wien 1972, 1976 (Mitteldeutsche Forschungen, 68, 1–2). – Urkundenbuch des Klosters Dobrilugk und seiner Besitzungen. Im Auftrage des Kommunalständischen Verbandes der Niederlausitz, hg. von Rudolf Lehmann, Leipzig u. a. 1941 (Urkundenbuch zur Geschichte des Markgraftums Niederlausitz, 5). – Urkundeninventar zur Geschichte der Niederlausitz bis 1400, hg. von Rudolf Lehmann, Köln/Wien 1968 (Mitteldeutsche Forschungen, 54).

(8)Thürmer, Emil: Stadt und Schloß Sonnewalde in alter Zeit, Finsterwalde 1925 (ND Lübben 2000). – Schieckel, Harald: Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen im 12. und 13. Jahrhundert. Untersuchungen über Stand und Stammort der Zeugen markgräflicher Urkunden, Köln/Wien 1956 (Mitteldeutsche Forschungen, 7). – Schlesinger, Walter: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Göttingen 1961. – Lehmann, Rudolf: Geschichte der Niederlausitz, Berlin 1963 (Veröffentlichungen der Berliner Historischen Kommission beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, 5). – Kötzschke, Rudolf, Kretzschmar, Hellmut: Sächsische Geschichte. Werden und Wandlungen eines deutschen Stammes und seiner Heimat im Rahmen der deutschen Geschichte, Frankfurt a. M. 21965. – Lehmann, Rudolf: Herrschaften der Niederlausitz. Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte, Köln/Wien 1966 (Mitteldeutsche Forschungen, 40). – Ders.: Untersuchungen zur Geschichte der kirchlichen Organisation und Verwaltung der Lausitz im Mittelalter, Berlin 1967 (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 13). – Wiege, Günter H.: Chronik der Familie v. Minckwitz, Linie Breitenhain – Sonnewalde – Drehna, Frankfurt 2001.

Hartmut Kieburg (†)