Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Ludwigslust

Ludwigslust

(1, 4, 5) L. entstand anstelle des bereits im 13. Jahrhunderts existierenden Gutes und Dorfes Klenow, das 1616 vom Landesherrn gekauft und in eine Domäne umgewandelt wurde. Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (reg. kommissarisch als vom Reichshofrat eingesetzter Herzog 1728, selbständig 1747–1756) begann zu Zeiten der in Mecklenburg herrschenden Reichsexekution (1719–1728) ab 1725, mehrere Jagdschlösser zu errichten, neben Klenow auch in Kummer und Multzau. Eigentlicher Sitz des zu dieser Zeit apanagierten Hzg.s war das in der Nähe L.s gelegene Grabow, das 1725 abbrannte, weswegen Christian Ludwig in das Neue Schloss von Neustadt-Glewe verzog, wo er bis 1735 residierte. In Klenow konnten die Arbeiten erst 1731 wieder aufgenommen werden, nachdem Christian Ludwig sich mit seinem Bruder Karl Leopold über die Nutzung der weiten Jagdgebiete südwestlich Schwerins, in denen Klenow mit seinem Tierpark lag (ca. 38 km südlich Schwerins), geeinigt hatte. Errichtet wurde zunächst ein schmuckloses, eingeschossiges Jagdschloss in Fachwerkbauweise mit größeren Gärten; das Dorf Klenow mit Kirche (heute Schlossstraße) blieb zunächst bestehen. Entwürfe aus den Jahren um 1750 und aus 1753 deuten auf bald einsetzende Umbauwünsche, von denen die Erhöhung um ein Stockwerk und eine Umgestaltung des Gartens, nun mit Wasserreservoir und Pumpenhaus, umgesetzt wurden. 1754 verfügte Herzog Christian Ludwig die Umbenennung in Ludwigs-Lust (eventuell nach Vorbild des württembergischen Ludwigsburgs, wohin es seit 1746 eine dynastische Verbindung gab). Ein Jahr später verlor der Herzog im Landgrundgesetzlichen Erbvergleich weitgehend seine Herrschaftsrechte an die Landstände, was Folgen für den Ausbaus L.s hatte.

Unter dem Nachfolger des 1756 verstorbenen Christian Ludwig, Herzog Friedrich dem Frommen (1757–1763 wegen des Siebenjährigen Kriegs zeitweise im Exil in Lübeck), erfolgte 1764 die Verlegung des Hofs nach L. und in Verbindung damit der bereits aus dem Exil heraus in Angriff genommene Ausbaus des Jagdschlosses zum Residenzschloss unter der Maßgabe relativer Sparsamkeit. Das Dorf Klenow mit seiner Kirche wurde um etwa 500 Meter weiter nach Nordosten verlegt, der Gutshof abgerissen. 1756–1760 wurde ein Kanal angelegt, der die Gärten mit dem Wasser aus der Lewitz speiste, einer von dem Fluss Elde vernässten Niederungslandschaft nordöstlich L.s. In der dominierenden Nord-Süd-Ausrichtung des Schlosses, in der Gartengestaltung sowie den vierreihigen Lindenalleen mit ihren Geh- und Sichtachsen war hierdurch eine größere Anlage entstanden. Neben das Jagdschloss, das bis 1777 bestand (heutiger Schlossplatz), wurde nach Plänen des Hzg.s selbst und seines Hofbaudirektors Johann Joachim Busch 1768–1776 der imposante Neubau (mit Fassade aus teurem Pirnaer Sandstein, Innenausbau teilweise aus günstigem, aber künstlerisch aufgewerteten Pappmaché, sog. L.er Carton) gesetzt, der, wenn auch abgelegen, einen Regierungsanspruch des Hzg.s als Landesherr gegenüber den tatsächlich regierenden Landständen vertrat. Eine sachlich falsche Inschrift auf der Hofseite, bekrönt mit dem Staatswappen unter Herzogshut, gibt als Bauzeit die Jahre 1772–1776 an. Um den Schlossplatz herum bis zur Kirche entstanden Häuser für die Hofangehörigen. Herzog Friedrich der Fromme ließ eine nur ihm als Herrn vorbehaltene schnurgerade Straße von L. nach Schwerin anlegen, eine zügiges Reisen erlaubende Direktverbindung. Friedrichs Haltung als überzeugter Pietist bestimmte das Hofleben, seine Ehefrau Luise Friederike von Württemberg weilte in den Sommermonaten in Hamburg. Die Ehe blieb kinderlos, weswegen nach dem Tod Friedrichs des Frommen 1785 sein Neffe Friedrich Franz I. (reg. 1785–1837) nachfolgte, der der Libertinage zugetan war. Er hielt sich in den ersten Jahren in L. auf. 1793 begründete er auf Anraten seines Leibarztes das Seebad Heiligendamm, welches er 1794 als erster Gast eröffnete und in der Folge als Sommersitz bevorzugte. L. wurde hierdurch Wintersitz. Am Hof fand sich 1795 die Klubgesellschaft Sozietät zusammen, die 1834 das Theater gründete. Das im 18. Jahrhundert begonnene Bauprogramm wurde unter Herzog Friedrich Franz fortgeführt (1809 Mausoleum, 1814/15 Spritzenhaus in der Schlossfreiheit, 1821/22 Kleiner Marstall). Als Hofstandort wurde L. (neben Heiligendamm und Schwerin) bis 1837 genutzt.

(2) Ausdrücklich war unter Herzog Friedrich dem Frommen die Herausbildung eines Gemeinwesens auf der Domäne nicht gewollt, die Grundstücke blieben bis ins frühe 19. Jahrhundert in hzl.em Besitz. Jede Niederlassung eines Haushalts musste vom Herzog genehmigt werden, Friedrich der Fromme gestattete dieses nur Mitgliedern des Hofstaats, die ab etwa 1770 verstärkt zuzogen. Die im Zuge des Residenzausbaus angesiedelten Wirtschaftsbetriebe wie beispielsweise die ab 1780 bestehende Pappmaché-Manufaktur waren Teile des Hofs und als solche wirtschaftlich und rechtlich nicht selbständig. Dennoch führten sie ihre Produkte an andere (auch höfische) Abnehmer aus. 1793 bekam L. von Herzog Friedrich Franz I. die Marktgerichtsbarkeit verliehen, was den Ort wirtschaftlich fördern sollte ebenso wie die 1797 eingerichtete Möbel- und Bronzemanufaktur (1811 eingestellt) und die 1801 durchgeführte Lösung aus dem Amtsgerichtsbezirk Grabow. Erst 1810 zog der erste nicht Hof-gebundene Haushaltsvorstand zu. Bis dahin änderte sich an der rechtlichen Stellung der Einwohnerschaft nichts, eine kommunale Selbständigkeit war nicht gegeben. Wirtschaftlicher Ergänzungsort war die an der Elde gelegene Kleinstadt Grabow (sieben Kilometer südöstlich L.s), von wo aus Waren des täglichen Bedarfs bezogen wurden. Die 1817 aufgelöste Pappmaché-Manufaktur wurde nun als Rathaus umgenutzt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erlebte L. ein Wachstum vor allem als Garnisonsstandort ab 1810 und durch die überregionale Verkehrsanbindung (1826 Chaussee Hamburg-Berlin, 1846 Berlin-Boizenburger [später Hamburger] Bahn). Das nordöstlich gelegene Dorf wurde 1848 eingemeindet, das Stadtrecht 1876 verliehen.

(3) Zwischen 1765 und 1770, zeitlich vor dem Schloss, wurde gegenüber des zu dieser Zeit noch stehenden Jagdschlosses die Hofkirche errichtet, die Herzog Friedrich zu seiner Grablege bestimmte. Beigesetzt wurde hier auch seine 1791 verstorbene Frau. Ein eindrucksvoller Portikus mit dorischen Säulen ist dem Kirchenschiff vorgesetzt, der die geringen Ausmaße des Baus verschleiert. Die Kirche steht etwa einen Kilometer von dem neuen Schlossgebäude entfernt und bildet einen zweiten Pol in der baulichen Gesamtanlage des Ensembles.

(6) L. kann als Hofstaats-Sitz verstanden werden, als erweiterte Eremitage Herzog Friedrichs, die der Herzog vom zugehörigen Dorf Klenow abschottete; Kollegien, Behörden und weitere Regierungsorgane befanden sich in Schwerin. Erst Herzog Friedrich Franz, unter dessen ersten Jahren L. Herrschaftssitz und Aufenthaltsort des Hofstaats blieb, öffnete L. in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Eine Gemeindebildung setzte in L. erst im 19. Jahrhundert ein.

(7) Die städtische Überlieferung setzte in nennenswerten Umfang erst im 19. Jahrhundert ein, sie befindet sich im Stadtarchiv Ludwigslust (zu überreichen über die Stadtverwaltung). Die landesherrlichen Kammeralakten, die zu vielen Fragen Auskunft geben könnten, wurden zu einem Großteil durch einen Brand 1865 zerstört. Entwurfsskizzen des ersten Architekten Johann Friedrich Künnekes 1731/32 befinden sich im Staatlichen Museum Schwerin und im Mecklenburgischen Planschatz der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin. Archivalische Überlieferung findet sich in Schwerin, Landeshauptarchiv, 2.12–1/19 Hofstaatssachen, Nr. 882; 2.12–1/25, Nr. 216/24 Zeichnungen Hzg. Friedrichs; 2.12–1/26 Hofstaatssachen, Nr. 421 (Inventar Klenow); 2.12–1/26 Fürstliche Schlösser und Häuser; 2.12–1/26 Hofstaatssachen, Kasten 3; 2.12–1/26 Hofstaatssachen, Etat- und Rechnungswesen, Nr. 32 (Schatullrechnungen Hzg. Friedrichs des Frommen); 2.12–4/3 Städtewesen, Spec. Ludwigslust, Nr. 11, 12 und 148 (herzogliche Korrespondenzen mit Nachtwächtern und anderem niederen Personal); 2.26–1 Kabinett I, Straßen, Wege, Alleen Nr. 1336; 2.26–1 Kabinett I, Nr. 160; 2.26–1 Kabinett I, 5240/44 (Baugeschichte von Klenow); 2.26–1 Kabinett I, 5250/44; 2.26–1 Kabinett I, 5250/185 (Lieferung von Pirnaer Sandstein 1768); 2.26–1 Kabinett I, 5250/191; 2.26–1 Kabinett I, 5290/44; 2.26–1, Nr. 1632; 2.26–2 Hofmarschallamt; 2.26–2, Nr. 1750; 2.26–2, Nr. 1765, 999 und 1011. Einschlägige Bestände zu den Grabower Handwerkern sind im Stadtarchiv Grabow nicht nachgewiesen.

(8)Lisch, Georg Christian Friedrich: Die alte Kirche von Klenow, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 36 (1871) S. 200–202. – bei der Wieden, Helge: Ludwigslust als Residenz der Herzöge von Mecklenburg, in: Herrensitz und herzogliche Residenz in Lauenburg und in Mecklenburg, hg. von Kurt Jürgensen, Mölln 1995 (Lauenburgische Akademie für Wissenschaften und Kultur, Kolloquium, VI), S. 92–107. – Asche, Matthias: Einsamkeit und Gelehrsamkeit. Die höfische Gesellschaft in Ludwigslust, in: Mecklenburgische Jahrbücher 130 (2015) S. 201–228. – Puntigam, Sigrid: Ludwigslust – ein Schlossensemble zwischen Behauptung und Rückzug, in: Schloss Ludwigslust, hg. vom Staatlichen Museum Schwerin, Ludwigslust, Güstrow und den Staatlichen Schlössern und Gärten Mecklenburg-Vorpommern, Berlin 2016, S. 55–98.

Harm von Seggern