Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Bützow

Bützow

(1) B., auf einer in den B.er See hineinreichenden Halbinsel gelegen, kannte eine ältere slawische Besiedlung und war zudem Hauptort der slawischen terra Butissowe (1171). B. liegt auf halber Strecke zwischen Schwerin und Rostock ungefähr an der Mündung der Nebel in die Warnow; beide Flüsse dienten dem Warenverkehr und verliehen B. eine im Regionalhandel zentrale Stellung, zumal B. über Landwege mit Wismar und Güstrow verbunden war. Wohl um 1180 gelangte B. in das Eigentum des Bf.s von Schwerin. Die deutschrechtliche Stadt, deren Frühgeschichte dunkel ist, entstand südöstlich der slawischen Burg. 1229 wurde ein zweiter Pfarrer bestellt, so dass anzunehmen ist, dass B. bereits seit längerem (größerer) Kirchort war. 1236 wurde das (nach einer Überlieferung des 16. Jahrhunderts) Schweriner Stadtrecht verliehen. Entscheidend für die Geschichte B.s als Residenzstadt war die Niederlassung des Bf.s von Schwerin im Jahr 1239. 1248 richtete Bischof Wilhelm (1248–1249) an der älteren Pfarrkirche einen Kollegiatstift ein, so dass B. neben dem eigentlichen Bf.ssitz Schwerin zum zweiten geistlichen Zentrum des Bm.s wurde.

Der Ausbau zur befestigten Stadt (1252 Anlage der Burg im Westen der Stadt) war nicht unangefochten, alsbald zerstörte Pribislaw als Herr von Parchim (einer Mecklenburger Nebenlinie) die seinem Gebiet direkt benachbarte Burg und Stadt(-Befestigung) und nahm kurzfristig den Bischof gefangen; u. a. deswegen wurde Pribislaw 1255 von eigenen Vasallen gefangen und dem Bischof übergeben. Das Verhältnis blieb prekär, der neue Bischof Hermann (reg. 1263–1291) musste nach Amtsantritt dem Parchimer Herrn versprechen, keine Befestigungen im Lande zu errichten. 1320 verpfändete der verschuldete Bischof Hermann von Malzahn (reg. 1315–1322) die B.er Burg und die in Warin an die Adelsfamilie Bülow. Nach langwierigen Auseinandersetzungen konnte man sich 1363 in einem Vergleich auf eine gemeinsame Nutzung einigen, die Auslösung erreichte 1366 der mit den Gläubigern verwandte Bischof Friedrich von Bülow (reg. 1366–1375).

Im Verlauf des 15. Jahrhunderts geriet das Bistum immer weiter in die Abhängigkeit der Herzöge von Mecklenburg. Bis 1648 fungierte B. als Sitz der Bischöfe bzw. ab 1533 der Administratoren des in der Reformation säkularisierten Bm.s Schwerin. Eine Unterbrechung stellte die Zeit des 1550 als Administrator eingesetzten Herzog Ulrichs von Mecklenburg-Güstrow († 1603) dar, der nur bis 1555/56 in B. residierte, ab dann von Güstrow aus regierte; B. diente allenfalls als Nebenresidenz. Als Administrator folgte ihm Ulrich von Dänemark (bzw. Herzog Ulrich II. von Mecklenburg-Schwerin) nach (reg. 1603–1624), ein Sohn des dänischen Kg.s, der die Eigenständigkeit der Stiftslande und damit der Regierung und der Behörden in B. stärkte, die Funktion als Güstrower Nebenresidenz ging verloren. Nach der schwedischen Besetzung 1627–1631 ließ sich 1633 Herzog Adolf Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin von den Schweden als Administrator einsetzen, der im B.er Schloss seine Söhne erziehen ließ. Nach einer direkten Verwaltung durch Dänemark 1642–1648 wurde das Stiftsland im Westfälischen Frieden 1648 in ein weltliches Fürstentum umgewandelt und an das Herzogtum Mecklenburg gegeben. Fortan war B. Sitz eines Amtmanns (bis 1926), ab 1670 auch Standort einer kleinen Garnison. 1713–1749 war B. Witwensitz der Sophie Charlotte von Hessen-Kassel, der Ehefrau Herzog Friedrich Wilhelms I. († 1713). 1760 verlegte der pietistische Herzog Friedrich der Fromme wegen theologischer Auseinandersetzungen den landesherrlichen Anteil an der Universität Rostock nach B., wo er zugleich ein Pädagogium errichtete; das Pädagogium schloss bereits 1780, die Universität wurde 1789 zurück nach Rostock verlegt.

(2) Die ellipsenförmig angelegte Siedlung mit dem quadratischen Markt erstreckt sich von Südwesten nach Nordosten. Die im Zentrum gerade verlaufenden Straßen bilden rechteckige Baublöcke. Nach Nordosten zum Rostocker Tor bündeln sich zwei Straßen und bilden den erst im 18. Jahrhundert so benannten Pferdemarkt. Eine Befestigung wird erstmals 1286 erwähnt, sie wurde mit drei Toren versehen (Rühner, Wolker und Rostocker Tor, letzteres erst 1623 erwähnt, aber sicherlich älter); um 1778 wurde die Umwallung zur Promenade. Vom späten 16. bis ins endende 18. Jahrhundert war B. Festung, die u. a. im Dreißigjährigen Krieg umkämpft war. Noch im 16. Jahrhundert gab es mit der Flurbezeichnung Kietz vor dem Rühner Tor einen Hinweis auf slawische Besiedlung. 1577 zählte B. 350 Häuser und Buden, was in etwa über 1500 Einwohnern entsprechen mochte. Im Dreißigjährigen Krieg dürfte die Zahl gesunken sein, 1789 gab es ca. 1800 Einwohner in 284 Häusern.

Das Schweriner Stadtrecht sah einen Rat und einen Bürgermeister vor, doch begegnen Ratsherrn erst 1263 (1321 werden acht genannt), Bürgermeister erst 1368. 1414 gab es zwei Bürgermeister und sieben Ratsherren, woran sich bis ins 17. Jahrhundert nichts änderte. 1775 wurde der Rat auf die Hälfte verkleinert. Das Gerichtswesen bestand aus dem von Stadtvogt und zwei Ratsherren gebildeten Untergericht, dem Stapel genannten Gericht der Bürger (gemeint wohl Bürgervertreter) und dem Ratsgericht, das bis 1686 Oberinstanz für die beiden anderen Gerichte war. 1441 wird belegt, dass ein Drittel der Geldstrafen der Stadt zukamen. Um 1600 wurde eine Haussteuer eingeführt. Ab 1602 wurde mit einer ganzen Reihe von Abschieden und Ordnungen das Stadtleben geregelt. Als weitere Amtsträger gab es Viertelsherren bzw. -meister (1508 erstmals erwähnt), im Verlauf der frühen Neuzeit kamen weitere Ämter, u. a. zur Steuererhebung, hinzu. Bereits im Spätmittelalter dürfte es eine Schützengilde gegeben haben, 1537 wird ein Gesellenschießen erwähnt. Das Stadtwappen nimmt das um die Mitte des 14. Jahrhunderts belegten Wappenbild des Bm.s Schwerin (quer geteilt von Rot und Gold mit zwei ins Andreaskreuz gelegten Bischofsstäben) auf.

Neben der Landwirtschaft beherrschte die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte das Erwerbsleben, vor allem Brauereien sind zu nennen. 1585 wurde eine Papiermühle gegründet. Daneben spielte der Getreidehandel nach Rostock eine größere Rolle.

Wohl zur Hebung der im 17. Jahrhundert erlittenen Zerstörungen wurden um 1700 Hugenotten angesiedelt, die als neue Gewerbe die Tuchherstellung und den Tabakanbau einführten. Hzg.witwe Sophie Charlotte gewährte den Hugenotten ihren besonderen Schutz. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wanderten sie wegen schlechten Absatzes ihrer Waren ab.

(3) Verbunden mit der Niederlassung des Bf.s entstand eine geistliche Ausstattung der Stadt. An erster Stelle ist die Aufwertung der seit 1229 mit zwei Pfarrern besetzten Pfarrkirche zur Stiftskirche 1248 zu nennen. Mit den Stt. Maria, Johannes und (der 1235 heiliggesprochenen) Elisabeth hatte die Kirche drei Patrozinien. Ausgebaut wurde die Kirche zunächst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, das Langhaus im frühen 14. Jahrhundert, sodann wurde unter Bischof Friedrich von Bülow (reg. 1366–1377) der Chor erweitert. Der Turm folgte zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Eine Beteiligung von Bürgern an der Ausstattung ist nicht bekannt. Bischof Konrad Loste († 1503) stiftete 1503 den prächtigen Marien-Altar; auf der Predella ist links sein Wappen dargestellt, rechts das seines Nachfolgers Johannes Thun (1504–1506), während dessen Herrschaft der Altar wohl fertiggestellt wurde. Die Kanzel wurde 1617 von dem Bm.sadministrator Ulrich von Dänemark gestiftet; 1624–1642 hatte er seine Grablege in der Kirche, ehe er aus dynastischen Gründen (zu Lebzeiten Erbe zu Norwegen) in den Dom zu Roskilde verlegt wurde. Am Stift befand sich eine Schule (1378 erstmal erwähnt). 1760–1789 diente die Kirche als Festsaal der Universität. Als Grablege dient die Stiftskirche für die Bischöfe Hermann von Maltzahn († 1322), Melchior von Braunschweig-Grubenhagen († 1381), Heinrich III. von Wangelin († 1429), Werner Wollmers († 1473), Nikolaus II. von Pentz († 1482).

Ein Kloster (Benediktinerinnen) gründeten die Bischöfe nicht in B., sondern schon 1232 vor der Stadtwerdung B.s in dem etwa vier Kilometer entfernten Dorf Rühn. 1575 wurde es in ein evangelisches Damenstift umgewandelt und ihm eine Mädchenschule angegliedert, 1756 wurde das Stift geschlossen. An weiteren geistlichen Einrichtungen sind die 1269 erstmals erwähnte Marienkapelle, das 1286 erwähnte St. Georgs-Hospital, dessen Kapelle in der Reformation aufgelöst wurde, die 1619 abgebrochene Gertraudenkapelle und ein Hl.-Geist-Hospital zu nennen. Von geistlichen Bruderschaften verlautet nichts.

1532–1550 erfolgte schrittweise der Übergang zur Reformation. Der letzte Bischof von Schwerin war Herzog Magnus von Mecklenburg (1516 als Siebenjähriger eingesetzt). Er verbot 1531 die neue Lehre. 1535 agierte dennoch ein lutherischer Prediger in B., der aber nicht in der Hauptkirche auftreten durfte. 1540 wurde der katholische Gottesdienst untersagt, doch hielten sich die altgläubigen Geistlichen bis 1550.

Unter Hzg.witwe Sophie Charlotte, die dem reformierten Glauben anhing, kam es zur Bildung einer Reformierten Gemeinde, die 1765–1771 ihre eigene Kirche, einen klassizistischen Bau, erhielt. 1778 wurde sie mit der (sich verkleinernden) Hugenotten-Gemeinde vereinigt, die Kirche wurde zuständig für alle Reformierten im Lande Mecklenburg-Schwerin. 1738 kamen über den Hof der Hzg.witwe Juden nach B.

(4) Die im Westen der Stadt gelegene Burg wurde 1252 zu bauen begonnen. Ein Ausbau erfolgte unter Bischof Nikolaus Böddeker (reg. 1444–1457), der 1447/48 einen Turm mit Uhr errichten ließ (Ende des 18. Jahrhunderts abgerissen); an der Burg war stellenweise Böddekers Wappen angebracht. Umgebaut zum Schloss wurde die Burg 1556–1566 unter dem Administrator Ulrich von Mecklenburg, das Hauptgebäude ist erhalten. Im 18. Jahrhundert diente es als Witwensitz der Herzogin Sophie Charlotte, ab 1760 als Universität. Im dem im 15. Jahrhundert als Marstall erbauten und heute noch erhaltenen Krummen Haus wurde 1772 die Universitätsbibliothek, die Fridericiana, als öffentliche Bibliothek untergebracht; 1790 kamen die Bestände an die Rostocker Universitätsbibliothek.

Weite Teile der Altstadt haben sich erhalten, dürften jedoch jünger als die Brände von 1679 und 1716 sein. Pläne zur Umgestaltung des Straßenverlaufs nach letzterem blieben unausgeführt. Von kommunalen Bauten verlautet nichts, doch gab es 1535 eine Ratsschule, 1593 mit einer deutschen und einer lateinischen Klasse, daneben 1599 eine Mädchenschule; Gebäude sind jedoch nicht zuzuweisen.

B. ist neben Güstrow auf der eigentlich Rostock wiedergebenden, 18 m langen Vicke-Schorler-Rolle dargestellt, einer zwischen 1578 und 1586 angefertigten Federzeichnung des Rostocker Krämers und Chronisten Vicke Schorler (um 1560–1625). Als weitere Darstellung ist ein Kupferstich in der Topographie von Matthäus Merian zu nennen (1653).

(5) B. war seit 1236 Hauptort des bfl.en Stiftslandes, in B. hielten die Stände ihre Landtage ab. Mit der Errichtung der Kollegiatkirche 1248 kamen vermehrt Geistliche nach B., die neben den in Schwerin verbliebenen Herren des Domkapitels kirchenrechtliche Aufgaben wahrzunehmen hatten, auch im Gebiet der Herren bzw. ab 1348 Herzöge von Mecklenburg und derer Nebenlinien (Herren von Rostock, Herren von Werle, Herren von Parchim): Der Dekan des B.er Stifts wurde 1270 Archidiakon für die Kirchen der mecklenburgischen Vogtei Schwaan und des Landes Sternberg, der Propst des B.er Stifts war zugleich Schweriner Domherr und seit 1310 Archidiakon für Rostock. Obwohl 1648 das Stiftsland dem Herzogtum Mecklenburg angeschlossen wurde, bestanden die stiftischen Landstände weiterhin fort; sie wurden erst 1851 in die Landstände Mecklenburgs aufgenommen.

B. erwarb 1266 einen Ort namens Wozenitz, 1284 und 1299 vom Landesherrn Teile der Feldmark, sodann das Dorf Vahlen und 1302 das Dorf Zernin.

(6) Eine tiefgreifende Geschichte B.s als Stadt ist ein Desiderat. Über die Verflechtung von Hof und Stadt wie auch über die Präsenz der Geistlichkeit können deshalb keine näheren Aussagen gemacht werden. An Konflikten mit der Herrschaft ist der Parteiwechsel der Stadt 1678, als B. keine Residenzstadt war, gegen den regierenden Herzog Christoph Louis zugunsten dessen Bruders zu nennen, woraufhin es zu einer Absetzung des Rats kam, einige Ratsherren wurden hingerichtet. Bezeichnend ist, dass der 1760 als Professor für Logik an die Universität B. versetzte, in Rostock geborene und dort sowie in Jena studierende und seit 1746 an der Universität Rostock tätige Philosoph Angelius Johann Daniel Aepinus (1718–1784) äußerte, dass »es keine elendere Stadt gibt« als B.

(7) An städtischen Quellen sind zu nennen eine Bürgermatrikel seit 1559, ein Pfandbuch seit 1602, daneben das Kirchenbuch der evangelischen Kirche seit 1670, der Hugenotten-Gemeinde seit 1701; aufbewahrt werden sie im Stadtarchiv Bützow. Die Überlieferung des Bistums Schwerin findet sich im Landeshauptarchiv Schwerin.

(8)Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler, Bd. 4 (1901). – Traeger, Josef: Das Stiftsland der Schweriner Bischöfe um Bützow und Warin, Leipzig 1984. – Jähnig, Bernhart: Art. „Bützow“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 12: Mecklenburg-Vorpommern (1996), S. 10–12. – Stuth, Steffen: Bützow und das Stiftsland. Gedanken zu ihrer Entwicklung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: 750 Jahre Stiftskirche St. Maria, St. Johannes und St. Elisabeth Bützow. Vortragsveranstaltung am 12. September 1998, Tagungsbericht, hg. vom Kulturamt des Landkreises Güstrow, Güstrow 1998, S. 169–180. – Stuth, Höfe und Residenzen (2001). – Asche, Matthias: Die Mecklenburgische Hochschule Bützow 1760–1789 – nur ein Kuriosum der deutschen Universitätsgeschichte? Versuch einer historischen Neubewertung, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 9 (2006) S. 133–147.

Harm von Seggern, Steffen Stuth