Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Wesenberg

Wesenberg

(1) W. liegt am Oberlauf der Havel in der Mecklenburgischen Seenplatte, ungefähr 15 km südwestlich von Neustrelitz. Im 13. Jahrhundert erstreckte sich das Territorium der Herren von Werle bis in dieses Gebiet. Die Stadt bildete den Mittelpunkt einer kleinen Vogtei in Grenzlage zu Brandenburg, bis die Markgrafen den Ort 1276 eroberten. Infolge einer Heiratsverbindung gelangte die Vogtei W. 1300 an Mecklenburg. Der mecklenburgische Landesherr behauptete den Besitz W.s gegen alle Rückforderungsansprüche seitens der Brandenburger Markgrafen und Herren von Werle. Die Sicherung dieses Grenzbereichs oblag seit 1326 insbesondere dem Adelsgeschlecht Plote (mnd. Plote), das hierzu mit Stadt, Burg und Vogtei W. belehnt wurde. Fortan residierten die Plotes bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1461 auf der Burg in W., vermutlich mit einer Unterbrechung von den 1350er bis zu den 1380er Jahren, als die Plotes in Diensten anderer Herren standen. Militärisch erhielt der Ort zentrale Bedeutung dadurch, dass die Familie Plote die Erblandmarschälle der Stargarder Ritterschaft stellte und W. zum Treffpunkt des adligen Aufgebots in zahlreichen Fehden machte. Alle ihre Lehen fielen 1461 an den Herzog von Mecklenburg-Stargard heim. Die Stargarder Linie des mecklenburgischen Hzg.shauses blieb nur für ein Jahrzehnt im Besitz W.s und erlosch mit Ulrich II. (1466–1471) dann ebenfalls. Die überlebende Frau Ulrichs, Katharina von Werle, nahm 1475 ihren Wohnsitz auf der W.er Burg und verstarb vor dem Jahr 1480. In den Landesteilungen 1480 und 1520 fiel W. jeweils dem Herzogtum Mecklenburg-Schwerin zu. In weiteren Teilungen der Jahre 1555 und 1621 gelangte W. an Mecklenburg-Güstrow. 1701 wurde die Stadt Bestandteil des Hzm.s Mecklenburg-Strelitz.

(2) Aus dem Jahr 1257 stammt die früheste urkundliche Erwähnung W.s. Ob damals neben der landesherrlichen Burg bereits die Stadt existierte, ist nicht bekannt. Spätestens in den 1260er Jahren erfolgte die Stadtgründung mit Schweriner Stadtrecht durch die Herren von Werle. Mit der Zugehörigkeit zur Herrschaft Stargard ab 1300 kamen zusätzlich Elemente des Magdeburger Stadtrechts hinzu.

Die im 13. Jahrhundert mit Mauern und Wällen festgelegten Stadtgrenzen wurden bis zum Ende der frühen Neuzeit nicht überschritten. Aus der rechtwinkligen Anlage der Straßenzüge wird der Charakter einer geplanten Bebauung deutlich. Im 18. Jahrhundert verfügte W. über ungefähr 750 Einwohner. Die Gerichtsbarkeit übte der Stadtrat selbständig aus gegen Zahlung einer jährlichen Gebühr und Abführung eines Teils der Gerichtsbußen an den Stadtherrn. Ausgenommen von der städtischen Gerichtsbarkeit war der stadtherrliche Burgbezirk.

(3) Pfarrkirche war die gotische Marienkirche, das Patronat hatte die Landesherrschaft inne. Obwohl in Zusammenhang mit der Burg errichtet, war die Kirche nicht für repräsentative Zwecke im Sinne einer Residenzbildung konzipiert.

Im 14. Jahrhundert stifteten W.er Ratsfamilien einige Vikarien und Altäre in der Stadtkirche. Hingegen gab es keine Stiftungen seitens der Adelsfamilie Plote. Von der einstigen Kirchenausstattung ist nichts erhalten, allein das Mauerwerk überstand die Stadtbrände des 18. Jahrhunderts. Vor dem Wendischen Stadttor im Westen lag das Hospital St. Jürgen. Im Spätmittelalter stand der Familie Plote das Kirchenpatronat über dessen Kapelle zu, weshalb anzunehmen ist, dass sich auch die Stiftungstätigkeit dieses Adelsgeschlechts auf diese Kirche konzentrierte. Die Kapelle fiel zu Beginn des 18. Jahrhunderts einem Stadtbrand zum Opfer.

Die Reformation fasste in den 1530er Jahren in W. wie im übrigen Herzogtum Mecklenburg Fuß. Seit dem Sternberger Landtag des Jahres 1549 war allein die lutherische Konfession im Land zugelassen.

(4) Östlich des Stadtzentrums und der Stadtkirche liegt der Marktplatz mitsamt dem Rathaus. Keines der dortigen Gebäude stammt aus der Zeit W.s als Residenzstadt. Die heutige Bebauung wurde nach den großen Stadtbränden des 17. und 18. Jahrhunderts errichtet.

Den östlichen Stadtzugang sicherte das Mühlentor ab, das durch eine rechteckige Burganlage des Stadtherrn mit Palas, Hofstube, Silberkammer, Backhaus und Burgtor auf einer künstlichen Anhöhe verstärkt wurde; ein Turmstumpf sowie ein paar Außenmauern sind erhalten. Der größte Teil wurde im 18.Jahrhundert abgebrochen. Zwischen Stadt und Burg befand sich der Bauhof zur Grundversorgung der Burgbewohner mit Lebensmitteln, zudem der Marstall.

(5) Wegen seiner Lage abseits wichtiger Straßen kam W. keine größere Bedeutung für den überörtlichen Handel zu. Das Handwerk war auf die Bedürfnisse vor Ort ausgerichtet. W. war hauptsächlich durch die Landwirtschaft geprägt, ihr kam die Erweiterung der städtischen Feldmark 1302 zugute. Im Spätmittelalter wurde vorrangig extensive Viehwirtschaft betrieben. Die in Südmecklenburg verbreiteten Sandböden eigneten sich ohnehin wenig zum Getreideanbau, weshalb die Stadt kaum von der Agrarkonjunktur des 16. oder der der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts profitierte. Die Familie Plote förderte W. nicht über die Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln hinaus, weitergehende wirtschaftliche Interessen legte sie nicht an den Tag. Für sie lag die Bedeutung W.s in der Grenzlage zum Brandenburgischen. In W. versammelte sich die Stargarder Ritterschaft für Fehdezüge in das nördliche Brandenburg bzw. für die Abwehr gegnerischer Plünderungszüge, da die Plotes Erblandmarschälle Stargards waren. Dieses führte jedoch nur zu kurzfristigen Aufenthalten des Adels in W. Ihre Hofhaltung dürfte das Wirtschaftsleben W.s nicht stimuliert haben.

Die Vogtei W. war so klein, dass ihre Erträge nicht zur Ausstattung der Hofhaltung ausreichten, so dass sowohl die Plotes als auch Katharina von Werle als Witwe Herzog Ulrichs von Mecklenburg-Stargard 1475–1480 auf zahlreiche Einkünfte aus anderen Vogteien angewiesen waren. Der Wert des Amts W. lag Ende des 16. Jahrhunderts bei ungefähr 25.000 Gulden. Ende des 18. Jahrhunderts wurde es aufgelöst.

(6) Infolge der Belehnung der Adelsfamilie Plote mit Stadt, Burg und Vogtei W. im Jahr 1326 etablierte sich dort eine kleine Hofhaltung, die bis zum Aussterben des Adelsgeschlechts im Jahr 1461 währte. Über die Verflechtung von Stadt und Hof ist wenig bekannt, mit Grundnahrungsmitteln versorgte sich die Familie aus ihrem Bauhof, weitere wirtschaftliche Stimulierungen sind nicht belegt. Die Stadt profitierte in erster Linie durch den militärischen Schutz. Die Gerichtsbarkeit der Stadt wurde vom Rat ausgeübt. Bezeichnend ist, dass die Plotes dem vor der Stadt gelegenen Hospital deutlich näherstanden als der Stadtkirche.

Nach Aussterben der Plotes war W. wenige Jahre Witwensitz, doch fiel dieser Zeitraum zu kurz aus, als dass sich daraus ein nachhaltiger Einfluss auf die Stadtentwicklung hätte ergeben können. In der frühen Neuzeit erwiesen sich die Einnahmen aus dem Amt Wesenberg als zu gering für die Finanzierung einer fsl.en Hofhaltung. Die Residenzfunktion ging infolgedessen an die benachbarten Ämter Strelitz und Mirow über.

(7) Im Mecklenburgischen Urkundenbuch (1863–1977) sind die Schriftquellen des 13. und 14. Jahrhunderts veröffentlicht. Auskunft zur Überlieferung des 15. Jahrhunderts gewährt die im Schweriner Landeshauptarchiv (LHAS) aufbewahrte Regestenkartei mecklenburgischer Urkunden. Für die frühe Neuzeit ist aus dem LHAS vor allem der Bestand des Domanialamts W. zu Rate zu ziehen. Die Überlieferung vor Ort fiel mehreren Stadtbränden zum Opfer.

(8)Lisch, Friedrich: Ueber die norddeutschen Familien von Platen und die Familie von Bevernest, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 23 (1858) S. 41–56. – Zander, Daniel: Stoff zur Landeskunde von Mecklenburg-Strelitz, Bd. 2, Neustrelitz 1889, S. 120–128. – Krüger, Georg: Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Bd. 1, Neubrandenburg 1921, S. 238–256. – Hoffmann, Karl: Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 94 (1930) S. 1–200, hier S. 139 f.

Tobias Pietsch