Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Rostock

Rostock

(1) R. ist in erster Linie als eine der größeren Handels- und Hansestädte des südlichen Ostseeraums bekannt, jedoch fungierte die Stadt im 13. und frühen 14. Jahrhundert sowie für kurze Zeit im frühen 18. Jahrhundert auch als Burgort bzw. Residenzstadt.

R. entstand an der Ausweitung des Flusses Warnow zur ca. 600 Meter breiten Unterwarnow, einem lagunenartigen Ästuar, das zwölf Kilometer weiter nördlich in die Ostsee mündet. Wegen seiner geschützten Lage auf deutlich aufragenden Hügeln und des nahen Ostseezugangs lud der Ort zur Siedlungsbildung ein. Bereits in slawischer Zeit besaß R. als Burgort zentrale Bedeutung für den Stamm der Obodriten; die Burg lag auf der rechten Warnowseite. Im Zuge des nach einer Zerstörung 1160 einsetzenden deutschrechtlichen Landesausbaus entstand links der Warnow auf einem steilen Hügel eine Siedlung um die spätere Petrikirche. R. behielt zentrale Funktion in dem seit 1167 vom Herzog von Sachsen lehnsabhängigen Obodriten-Fsm. Mecklenburg. Im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert erlebte R. ein rasches Wachstum, das zur Ausbildung einer aus drei Teilen bestehenden Stadt führte. Als solche wurde R., wo die mecklenburgischen Fürsten seit etwa 1226 sich häufig aufhielten und Urkunden ausstellten, Hauptort der in der sog. Ersten Mecklenburgischen Hauptlandesteilung 1234 entstandenen Herrschaft R., die bis 1314 bestand. 1300 begab sich Fürst Nikolaus I. zum Schutz vor dem expansiven Markgrafen von Brandenburg in die Lehnsabhängigkeit des dänischen Kg.s Erich Menved, was dieser zum Anlass nahm, eine Oberherrschaft über das R.er Fürstentum auszuüben. 1302 erkannte die Stadt R. unter Umgehung des eigentlichen Stadtherrn die dänische Oberherrschaft an, vor Ort ließ sich der König durch Fürst Heinrich II. von der Mecklenburger Linie der Obodriten als Stadtvogt vertreten. Dieser verfolgte als Vogt eigene Interessen, eroberte 1312 im eigenen Namen die Stadt und machte sich zum Stadtherrn (gegen innerstädtischen Widerstand 1314 vom dänischen König bestätigt). Nach einem weiteren Feldzug konnte Heinrich II. 1323 die Herrschaft R. endgültig als erbliches Lehen des dänischen Kg.s in die Hand nehmen. Die Lehnsbindung zu Dänemark erlosch im Lauf der Zeit, insbesondere, da Heinrichs II. († 1329) Sohn Albrecht (reg. unter Vormundschaft 1329–1334, allein 1334–1379) 1348 vom deutschen König zum Herzog erhoben wurde, Mecklenburg als Herzogtum damit eindeutig zum Heiligen Römischen Reich gehörte. Formal blieb R. mecklenburgische Landstadt, vermochte sich aber in Fortsetzung der Politik des 13. Jahrhunderts eine weitreichende Autonomie zu schaffen.

1419 wurde in R. eine Universität gegründet (die siebte im Alten Reich und die erste im Ostseeraum), wobei Stadt, Landesherr und der Bischof von Schwerin zusammenwirkten, an deren Förderung sich aber immer wieder machtpolitische Fragen entzündeten. In der R.er Domfehde 1487–1491 versuchte Herzog Magnus II. (reg. 1477–1503) die Stadt seiner Herrschaft unterzuordnen. Die sich an der Behandlung des neu gegründeten fsl.en Kollegiatstifts in der Pfarrkirche St. Jacobi (vereinfachend als Dom bezeichnet) entzündende Auseinandersetzung endete 1491 mit der erbvertraglich festgelegten Unterordnung der Stadt, zugleich wurden die Privilegien und damit die Sonderstellung R.s innerhalb des Landes bestätigt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde nach Konflikten mit den Hzg.en Johann Albrecht I. (reg. in Güstrow 1547–1556, in Schwerin 1556–1576) und Ulrich (1555/56–1603) die Erbuntertänigkeit endgültig festgeschrieben. 1573 bestätigte zudem ein weiterer Erbvertrag R.s Sonderstatus in Mecklenburg.

1702 verlegte Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (reg. 1692–1713) seinen Hof nach R., wo er bis zur dänischen Besetzung im Nordischen Krieg 1711 verblieb. 1786–1791 war R. gelegentlich Witwensitz der Herzogin Louise Friederike (1722–1791), der überlebenden Ehefrau Herzog Friedrichs des Frommen († 1785).

(2) Die Stadt R. wuchs aus drei Siedlungsteilen zusammen: Der erste entstand um die Petrikirche mit dem Alten Markt. Diesem wurde 1218 von Fürst Heinrich Borwin I. das Lübische Stadtrecht verliehen. Westlich von ihr entstand ab etwa den 1230er Jahren die Mittelstadt mit dem Neuen Markt und der Marienkirche; im Norden der Mittelstadt lag die neue, 1220 errichtete fürstliche Burg, die um 1260 verschwand. Hinzu kam ab 1252 die Neustadt, die sich um die Jakobikirche (1942 zerstört, 1957–1960 abgerissen) und den Hopfenmarkt (heute Universitätsplatz) bildete. Östlich der Warnow und außerhalb der Stadt verblieb der slawische Burgberg mit der Clemenskirche. Erst 1262 wurde von Fürst Borwin III. der Zusammenschluss der drei Städte bestätigt. Ein weiterer Siedlungsteil bildete sich um die ab 1257 gebaute Nikolaikirche (1312 geweiht); dieser war jedoch nicht im Rat vertreten und wurde eventuell mehrheitlich von Slawen bewohnt. Nach dem Stadtbrand 1264 wurde ein Jahr später die Organisation der Stadt neu geregelt und festgelegt, dass Rat und Gericht künftig in der Mitte der Stadt tagen sollten. 1266 und 1286 verzichteten die Herren von R. auf die Unterhaltung ihrer Burgwälle am Bramower Tor und am Petritor, zugleich begann die Stadt mit der Errichtung ihrer Befestigungswerke (teilweise erhalten), die im ausgebauten Zustand über 20 Tore aufwiesen.

Einher ging die rechtliche Ausgestaltung der Stadt. Verleihung des lübischen Stadtrechts 1218 an die (spätere) Altstadt; für die anderen Städte lübischen Rechts im Gebiet der Herren von R. sowie für einige andere wurde die Stadt R. Mittelhof, wo in Zweifelsfällen das Recht gewiesen wurde. Der Rechtszug nach Lübeck blieb ins 18. Jahrhundert bestehen. Im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts trat immer stärker der Rat in den Vordergrund, der den stadtherrlichen Vogt und auch die Gemeinde zunehmend verdrängte. 1286/87 wurden bei innerstädtischen Auseinandersetzungen die ersten Ratsherren, eigentlich auf Lebenszeit Mitglied des Rats, durch neue Amtsträger ersetzt. Seit 1289 sind Bürgermeister belegt (im 14./15. Jahrhundert zwei bis vier), Kämmereiherren begegnen hingegen etwas früher (im 14./15. Jahrhundert zwei bis drei).

R. erlebte seit etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts eine deutliche wirtschaftliche Blüte, die einher ging mit einer Ausweitung des städtischen Machtbereichs: 1264 und 1278 übertrugen die Fürsten erstmals der Stadt den Hafen zu Warnemünde und die vormals fürstliche Burg Hundsburg bei Schmarl am Unterlauf der Warnow, die den Verkehr zwischen R. und der Ostsee hätte behindern können. Das 1257 erstmals bezeugte Siegel zeigte den Stierkopf, das Siegelbild des Nikolaus von Werle († 1277), der als Vormund die Regentschaft für seinen Bruder im R.er Herrschaftsteil übernommen hatte, und nicht den Greif, den die Herren von R. führten. Dieses wird als Indiz für die Lösung aus der Stadtherrschaft der Herren von R. gedeutet. Von Aufständen der Bürgerschaft gegen den Rat begleitet waren die Jahre 1298 bis 1314, als die Stadtherrschaft zwischen dem eigentlichen Herrn von R., Fürst Nikolaus, dem dänischen König und dessen Vogt Fürst Heinrich II. von Mecklenburg umstritten war und der Rat zwischen diesen Fürsten optieren musste; in der Stadt bildeten sich unterschiedliche Unterstützergruppen, von denen eine 1311 den Wechsel des Stadtwappens durchsetzte, das nun den Greif zeigte, der dem Wappen von Nikolaus Herrn von R. entliehen war. Der Verlust Warnemündes 1312 führte in R. zu einem Aufstand gegen den Rat, den einige Ratsherren mit dem Leben bezahlten. Das langsame Auflösen einiger Unterstützergruppen führte dazu, dass 1314 Heinrich II. von Mecklenburg seine Stadtherrschaft durchsetzen konnte, seine innerstädtischen Gegner die Flucht antraten; im selben Jahr verstarb auch Nikolaus, eigentlicher Herr von R. Heinrich II. und mehr noch dessen Sohn Albrecht II. (1318–1379) förderten die Stadt R. in besonderem Maße, um von deren Wirtschafts- und Militärkraft profitieren zu können, gewährten im Gegenzug aber eine weite Autonomie, schwächten so die fürstliche Herrschaft über die Stadt (erneuter Besitz Warnemündes 1325, Verleihung der vollen Gerichtsbarkeit 1358 durch Albrecht II.). Von den 1320er Jahren bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert konnte R. eine weitgehend selbständige Rolle in Mecklenburg spielen. Als weitere Ratsämter bildeten sich die Gerichtsherren heraus, die mit Beisitzern aus der Bürgerschaft das Niedergericht besetzten, die Schoßherren für die Einziehung der Steuern, die Gewett- (auch Wette- oder Wedde-)herren für die Markt- und Gewerbeaufsicht und die Wein- und Münzherren mit entsprechenden Aufgaben. Der nach Dienstjahren jüngste Ratsherr musste als R.er Vogt in Falsterbo auf Schonen amtieren, was die Rolle des Schiffsverkehrs nach Südschweden (zu dieser Zeit zu Dänemark gehörend) verdeutlicht. Als weiteres Verfassungsorgan traten in der Reformationszeit, genauer durch R.s Beteiligung an der sog. Grafenfehde 1534/35, die Bürgerausschüsse hinzu, nach der Bekräftigung der landesherrlichen Oberhoheit kam 1583/84 das Hundertmänner-Gremium hinzu

Grundlage des Reichtums R.s war in erster Linie der Zwischenhandel im westlichen Ostseeraum sowie der im 16. Jahrhundert gut dokumentierte Export des in R. hergestellten Biers; weiter führende Fernhandelsverbindungen traten demgegenüber zurück. Hinzu kamen die Gewerke, die im Zusammenhang mit der Seefahrt standen wie Schiffbau und Böttcherei (Fassherstellung) u. a. R. dürfte in wirtschaftlichen Blütephasen etwa 14.000 Einwohner gehabt haben, die üblichen Gewerke der Kleidungsherstellung, des Nahrungsmittelbereitung und des Hausbaus waren voll ausgebildet. Die zweite Hälfte des 17. und das 18. Jahrhundert bedeuteten eine Phase der wirtschaftlichen Stagnation, da die pommerschen Städte Stralsund und Greifswald sowie das mecklenburgische Wismar nach 1648 unter schwedischer Regierung standen und engere Kontakte nach Skandinavien hatte. Dieses brachte R. ins Hintertreffen. Der große Stadtbrand von 1677, bei dem 30 % der Häuser und fast alle Brauhäuser zerstört wurden, tat ein Übriges; der Wiederaufbau zog sich bis etwa 1750 hin.

Innerhalb des Landes Mecklenburg hatte R. seit den 1320er Jahren eine relativ selbständige Stellung inne, die durch mehrere Erbverträge mit den Hzg.en eingeschränkt wurde (1491, 1573 und 1586), die beiden letzteren hatten Auswirkungen auf die innere Verfassung R.s, da in deren Gefolge neue Gerichts- (1574 und 1586) bzw. Polizeiordnungen (1576) erlassen wurden. Einen Einschnitt stellte die Zeit des frühen 18. Jahrhunderts dar. 1715 verlor R. die Militär- und Steuerhoheit sowie das Jagdrecht in der R.er Heide an den Landesherrn (zu dieser Zeit Herzog Karl Leopold [reg. 1713–Absetzung durch die Reichsexekution 1717/19, endgültige Absetzung 1728]), nachdem dieser den Rat kurzerhand wegen Widerstands gegen seine vom Absolutismus getragenen Herrschaftsansprüche hatte verhaften lassen. Sein 1728 als ksl.er Beauftragter nachfolgender Bruder Christian Ludwig (reg. selbständig 1747–1756) führte die harte Politik gegen R. fort, sich dabei auf die gegen den Rat opponierende innerstädtische Gruppe der »Gewerke« bzw. der »Tausende« (vornehmlich Handwerker) stützend. 1748 schloss er eine Konvention mit dem Rat ab, die das Vorhaben seines Vorgängers von 1715 umsetzte. 1757 wurde ein neues Stadtrecht verabschiedet, das das auch in R. geltende Revidierte Lübecker Stadtrecht von 1586 ablöste, und das weitreichende Bestimmungen zu Verfassung und Verwaltung festlegte. Nach etwa zwanzigjährigen Auseinandersetzungen zwischen Rat und Gewerken um die Verteilung der Steuerlast zur Behebung der Folgen des Siebenjährigen Kriegs wurde seitens des Landesherrn die Verfassung neu geregelt (v.a. das Kollegium der Hundertmänner und die Vertretung der neu eingeteilten Viertel betreffend), bis unter Herzog Friedrich Franz I. (reg. 1785–1837) 1788 ein neuer Erbvertrag geschlossen wurde. U. a. verzichtete der Rat nun auch förmlich auf die Forderung nach Rückkehr des Hofs nach R., ein Ansinnen, dass der Rat seit 1748 nicht mehr ernsthaft verfolgt hatte. Ein Erfolg des Erbvertrags war die Rückkunft der Universität 1789.

(3) Ausdruck der wirtschaftlichen Blüte war die reiche geistliche Ausstattung der Stadt. So verfügte R. über vier Pfarrkirchen (St. Marien, St. Petri, St. Jakobi und St. Nikolai), die alle im 13. Jahrhundert errichtet wurden. Älteste Kirche allerdings war St. Clemens, die sich bis ins späte 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. An St. Jacobi wurde 1491 ein fsl.es Kollegiatstift gegründet, weswegen diese Kirche als Dom bezeichnet wurde.

Spätestens 1243 wurde das St. Katharinenkloster der Franziskaner in der nördlichen Altstadt gegründet, 1256 folgten die Dominikaner mit dem St. Johanniskloster am südlichen Ausgang der Mittelstadt, wo der letzte Herr von R., Nikolaus († 1314), beigesetzt wurde. 1270 wurde das Zisterzienserinnenkloster Zum Heiligen Kreuz in der Neustadt gegründet, wo 1283 die dänische Königin Margaretha Sambiria verstarb. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstanden die ersten Beginenhäuser. Im 14. und 15. Jahrhundert folgten noch die Kartäuser (außerhalb R.s in Marienehe) und die Michaelisbrüder (in der Neustadt am Schwaanschen Tor). Vor 1260 entstanden das St. Georgs-Hospital als Leprosenhaus vor dem Steintor und das Hl.-Geist-Hospital, das bald nach Gründung an die Grenze zwischen Mittel- und Neustadt verlegt wurde.

Wegen der starken, durch die Universität bedingten Präsenz altgläubig verbleibender Geistlicher hielt die Reformation erst 1531 Einzug, als der Rat die neue Lehre in den vier Hauptpfarrkirchen verbindlich machte; lutherisch gesonnene Kräfte mochte es vorher gegeben haben, doch war die Bürgerschaft zu schwach organisiert, als dass sie gegen den Rat die evangelische Lehre hätte durchsetzen können. Zu innerstädtischen Unruhen führte die Verbindung der konfessionellen Frage mit machtpolitischen Verhältnissen in der Hanse, die in der sog. Grafenfehde 1534/35, eigentlich ein Streit um die dänische Thronfolge, kulminierte. Nicht einmal der Sternberger Landtag 1549 mit der landesweiten obrigkeitlichen Reformation vermochte die Situation zu befrieden, die konfessionellen Auseinandersetzungen zogen sich bis weit in die 1560er Jahre hin (Neuordnung der Universität 1563, Einrichtung eines Kompatronats des Stadtrats über die Universität).

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts lassen sich vereinzelt Juden nachweisen.

Als geistliche Einrichtung ist die Universität zu verstehen, die zunächst nur aus der artistischen, der juristischen und der medizinischen Fakultät bestand; die theologische folgte erst 1433. 1437 bis 1443 musste die Universität nach Greifswald ausweichen, da R. sich wegen 1427 einsetzender Bürgerunruhen vom Papst mit dem Bann belegt worden war. Mit Unterstützung des Landesherrn ging die Universität 1487 kurzzeitig nach Wismar und Lübeck, 1760–1789 nach Bützow.

(4) 1311 musste der zu dieser Zeit von der Stadt abgewehrte König Erich Menved von Dänemark ein Turnier (eines der größten in Norddeutschland während des gesamten Spätmittelalters) vor der Stadt zwischen Gehlsdorf und Bartelsdorf abhalten. Seit Anfang oder seit Mitte des 14. Jahrhunderts bewohnten die Herren von R. bzw. Herzöge von Mecklenburg bei ihren Aufenthalten Bürgerhäuser in der Nähe des Neuen Marktes oder das Rathaus. Im 17. Jahrhundert übernahm der fürstliche Hof am Hopfenmarkt in der Neustadt diese Funktion.

Eine jede der drei Teilstädte hatte anfangs ein eigenes Rathaus. Nach 1563 wurde das Neustädter Rathaus, gelegen auf dem Hopfenmarkt, dem Neustädter Marktplatz, zum Auditorium Maximum der Universität. Ebenfalls am Hopfenmarkt befanden sich das Große und das Kleine Kolleg als Universitätsgebäude. Nach einem Brand wurde das Große Kolleg 1566/67 wieder erbaut (hinfort Weißes Kolleg genannt). Im frühen 18. Jahrhundert ließ Herzog Friedrich Wilhelm dieses zusammen mit mehreren Bürgerhäusern zum Neuen Palais ausbauen, welches als Regierungsgebäude vorgesehen war. Danach nutzten die Herzöge das 1714 fertiggestellte Palais, das 1750 um einen Saalbau erweitert wurde, bis zur Aufhebung der Monarchie 1918 für gelegentliche Aufenthalte, u. a. war es 1786–1791 Wohnhaus für Hzg.witwe Friederike Louise von Württemberg. In R. besaßen mehrere mecklenburgische Adelsfamilien Grund- und Hausbesitz.

Eine wichtige Darstellung des frühneuzeitlichen R.s bietet die Bildrolle des Krämers Vicke Schorle († 1625) von 1578–1586, die einige Jahrzehnte später durch die wesentlich exaktere Vogelschaudarstellung des Wenzel Hollar († 1677) ergänzt wird.

(5) Zu R. gehörte 1264–1312 und dann wieder seit 1325 der Hafenort Warnemünde sowie seit 1252 ein östlich der Stadt gelegener Stadtwald von außerordentlich großen Ausmaßen (»R.er Heide«). Daneben hatten der Rat, die Kämmerei, einzelne Bürger, das Kloster Zum Hl. Kreuz und Spitäler zahlreiche Liegenschaften, u. a. ganze Dörfer, im Umkreis von etwa 20 km in ihrem Besitz. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beteiligte sich der Rat und einzelne reiche Bürgersfamilien an der Bildung von Gütern. Doch gelang es R. nicht, die rechte Seite der Unterwarnow zwischen Dierkow und R.er Heide, den Toitenwinkel, in den Besitz zu bekommen, da hier seit Ende des 13. Jahrhunderts das Adelsgeschlecht Moltke Besitzungen hatte, die unmittelbar bis an das Petritor und das Bramower Tor heranreichten, und welches wegen seiner engen Beziehungen zu den Herren von R. bzw. zu den späteren Hzg.en von Mecklenburg geschützt war; für Personen, die vom R.er Rat verfolgt wurden, bestand hier die sehr einfache Möglichkeit, der Ratsgerichtsbarkeit zu entkommen. 1283 wurde in R. ein gegen den Markgrafen von Brandenburg gerichteter Landfrieden geschlossen, der zahlreiche Fürsten und Städte des südwestlichen Ostseeraums umfasste. Im Rahmen der Auseinandersetzungen um die R.er Stadtherrschaft 1298–1314 kamen 1312 Stadt-R.er Truppen bis in die Nähe Doberans, wo sie schwere Zerstörungen anrichteten (Doberaner Schadensverzeichnis).

Bereits seit Mitte des 13. Jahrhunderts spielte R. eine wichtige Rolle in der sich herausbildenden Hanse. Mit Gewinnung der weitgehenden Autonomie in den 1320er Jahren bis zum letzten Hansetag 1669 war R. fest in die Hanse integriert, zudem Mitglied in der Gruppe der Wendischen Hansestädte (mit Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Wismar, Stralsund und gelegentlich Greifswald), die den Kernraum der Hanse ausmachte und ab 1378 (mit kürzeren Unterbrechungen) einen eigenen Münzverein unterhielt. Aus Rücksicht auf die Herzöge von Mecklenburg musste sich R. wie auch Wismar gelegentlich aus hansischen Aktivitäten zurückziehen, so bei der Unterwerfung des dänischen Kg.s im Frieden von Stralsund 1370. Die Stadt und einzelne Bürgerfamilien konnten dank ihrer Handelsgewinne erheblichen Grundbesitz im Umland erwerben. Seit seinen Anfängen um 1390 zog der R.er Pfingstmarkt viele Händler an und entwickelte sich zu einer Messe von überregionaler Bedeutung bis ins 17. Jahrhundert Eine führende Rolle spielte R. unter den mecklenburgischen Landständen: 1523 wurde in R. die Landständische Union geschlossen, die gegenüber den Landesherren auf Achtung bzw. Ausbau der Privilegien achtete. Nach der Zweiten Mecklenburgischen Hauptlandesteilung 1621 (Schaffung der Herzogtümer Schwerin und Güstrow) wahrten die Landstände die Einheit Mecklenburgs, R. bildete zusammen mit Wismar, Parchim, Neubrandenburg und Güstrow die städtischen Mitglieder im Engeren Ausschuss der Landstände, zu dem daneben 16 ritterschaftliche Vertreter gehörten.

(6) Die Geschichte R.s als Burgort bzw. Residenzstadt macht sich an zwei Punkten fest: 1. Bezeichnend sind die Entstehung von herrschaftlichen Unterstützergruppen seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert sowie der Wechsel der städtischen Zeichen, der in Abhängigkeit von dem jeweils machtpolitisch führenden Stadtherrn erfolgte. 2. Argumentationsgeschichtlich ist bedeutsam, dass R. während der Reichsexekution gegen den Landesherrn und der ksl.en Auftragsregierung 1717/19–1748 die Forderung nach Rückkehr des Hofs in die Stadt verfolgte, was mit dem Regierungsantritt Herzog Christian Ludwigs nicht mehr weiter betrieben wurde. Die Vernetzung von Hof- und Stadtgesellschaft ist noch nicht systematisch untersucht worden.

(7) Das Stadtarchiv Rostock kennt eine reichhaltige Überlieferung. Neben den ca. 3400 Urkunden und ca. 4800 Testamenten ist die Serie der 1254 beginnenden und sich im 14. Jahrhundert in mehrere Reihen für je verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens eigene Stadtbücher (eingeordnet in den Bestand Bürgermeister und Rat) zu nennen: Niedergericht ab 1301, Obergericht ab 1435, Kämmerei und Hospitäler ab 1342, Gewett ab 1381, Kirchenpatronat ab 1386, Superintendentur ab 1523, Armenpflege ab 1521, daneben als eigene Bestände Handwerksämter ab 1345, Kaufleutegesellschaften ab 1478; zu den Beständen siehe Die Bestände des Archivs der Hansestadt Rostock. Eine kommentierte Übersicht, hg. von Karsten Schröder. Rostock 2010 (Kleine Schriftenreihe des Archivs der Hansestadt Rostock, 17). Wichtig für die Ereignisse um 1300 ist die Chronik des Ernst von Kirchberg († ca. 1379), Mecklenburgische Reimchronik des Ernst von Kirchberg, hg. von Christa Cordshagen und Roderich Schmidt, 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 1996–1997 (Historische Kommission für Mecklenburg). Aber auch spätere erzählende Quellen sind heranzuziehen, so die Chronik von Peter Lindeberg (1562–1596) (als erste gedruckte Chronik R.s erschienen nach 1596). Neben der Bildrolle verfasste der Krämer Vicke Schorler auch eine Chronik (Die wahrhaftige »Abcontrafactur« der See- und Hansestadt Rostock des Krämers Vicke Schorler, hg. von Horst Witt, Rostock 1989. – Schorler, Vicke: Rostocker Chronik 1584–1652, hg. von Ingrid Ehlers, Lübeck 2000 [Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg, Reihe C, 13]). – Thierfelder, Hildegard: Das älteste Rostocker Stadtbuch (etwa 1254–1275), Göttingen 1967. – Das Rostocker Stadtbuch 1270–1288, nebst Stadtbuch-Fragmenten (bis 1313), hg. von Tilmann Schmidt, Rostock 2007 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg, Reihe C, 7). – Mecklenburgisches Urkundenbuch (1863–1977).

Wettken, Johann Georg: Geschichte der Stadt und der Herrschaft Rostock, Rostock 1754.

(8)Möhlmann, Gerd: Die Geschlechter der Hansestadt Rostock im 13.–18. Jahrhundert, Neustadt a. d. Aisch 1975 (Genealogie und Landesgeschichte, 25). – Stuth, Höfe und Residenzen (2001). – Rostocks Stadtgeschichte. Von den Anfängen bis in die Gegenwart, hg. von Karsten Schröder, Rostock 2013 (besonders die Beiträge von Ernst Münch).

Harm von Seggern, Steffen Stuth