Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Blankenhain

Blankenhain

(1) Das südlich von Weimar an der Schwarza befindliche B. lag an der von Nürnberg über Bamberg nach Leipzig führenden Handelsstraße. Von seiner ersten schriftlich überlieferten Nennung 1252 an bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts ist B. als Beiname einer Adelsfamilie bezeugt, die einer Linie der Herren von Mellingen entstammte. B. gehörte zum Lehensbesitz des Mainzer Ebf.s und diente den Herren von B. bis 1415 als Herrschaftssitz. Nach deren Aussterben erwarb Graf Heinrich VII. von Gleichen-Tonna († nach 1414) als Ehemann der B.er Erbin Katharina († nach 1427) die Herrschaftsrechte über B. 1424 belehnte der Mainzer Erzbischof die Grafen Ernst IX. († 1461) und Ludwig I. von Gleichen († 1467) mit Schloss und Stadt B. Ludwig I. baute den Herrschaftskomplex durch den Erwerb weiterer Güter aus und schuf in B. ab 1442 eine eigenständige Haus- und Hofhaltung der in Thüringen reich begüterten Grafen von Gleichen. Mit Ludwig I. begann die Linie Gleichen-B., welche mit dem söhnelosen Grafen Wolrad 1627 ausstarb. Im Erbgang ging B. zunächst an die Linie Gleichen-Tonna über, bis Ort und Herrschaft 1631 nach dem Aussterben des gleichenschen Gf.enhauses als erledigtes Lehen an Kurmainz zurückfielen. Seit dem 16. Jahrhundert beanspruchten die benachbarten Ernestiner die Landeshoheit über B. Die Phase politischer Krise und herrschaftlicher Instabilität nach dem Aussterben der Grafen von Gleichen 1631 nutzten die sächsischen Herzöge, um das B.er Gebiet in ihren Besitz einzubeziehen. Der Kurfürst von Mainz konnte sich gegen die ernestischen Ansprüche allerdings zur Wehr setzen und belehnte 1639 den ksl.en Feldherrn Melchior von Hatzfeld († 1658) und dessen Bruder Herrmann († 1667) mit der Herrschaft B. Erst 1665/67 wurde ein Ausgleich zwischen den Regionalmächten geschaffen. Kurmainz akzeptierte die Quasi-Landeshoheit Sachsen-Weimars über B. Im weiteren Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts verblieb B. im Besitz der aus dem hessischen Raum stammenden und vorrangig in habsburgischen Territorien begüterten Grafen von Hatzfeld-Gleichen. Nach deren Aussterben 1794 fiel B. als erledigtes Lehen zunächst an Kurmainz zurück, gelangte 1802 für vier Jahre unter preußische, zwischen 1806 und 1813 unter französische Verwaltung, wurde dann wieder preußisch, bis es 1815 dem auf dem Wiener Kongress neugeschaffenen Ghzm. Sachsen-Weimar zugeschlagen wurde.

(2) Ihrer Funktion als Residenz der Grafen von Gleichen verdankte die im Schutz der Burg gelegene Siedlung zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Erhebung zur Stadt. Die räumliche Ausdehnung der nur aus wenigen Straßenzügen bestehenden und in eine Vor- und Kernstadt gegliederten Siedlung war eher begrenzt: In ihrem Grundriss bildete die Kernstadt ein an die Burg angelehntes langgestrecktes Viereck, welches neben Rathaus und Kirche nicht mehr als 20 Bürgerhäusern Platz bot. Die erste schriftliche Erwähnung als Stadt ist für 1424 überliefert, 1464 sind Ratsverfassung und Stadtmauer bezeugt. Die Ummauerung schloss die Stadtkirche und das Rathaus mit ein, nicht jedoch den Markt, welcher bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts in der erstmalig 1464 bezeugten Vorstadt lag. Das Recht, einmal wöchentlich einen Markt abzuhalten, erwarb Graf Ludwig I. von Gleichen 1461 von Herzog Wilhelm von Sachsen. Erst 1716 wurde der neue Marktplatz vor dem Rathaus in der Kernstadt angelegt. 1478 bildeten zwei Bürgermeister und vier Ratsherren den Rat, seit dem beginnenden 17. Jahrhundert wechselten sich in den Amtsgeschäften zwei Räte mit je einem Bürgermeister und drei bis fünf Ratsmitgliedern ab, welche vom Landesherrn eingesetzt wurden. 1716 übertrug Gf.in Anna Elisabeth von Hatzfeld-Gleichen dem Rat die niedere Gerichtsbarkeit. Über die Einwohnerzahl B.s gibt erstmalig ein 1486 erstelltes Zinsregister Auskunft, das 65 zinspflichtige Untertanen, 41 davon in der Vorstadt nennt, was einer Einwohnerschaft von rund 300 Personen entsprochen haben dürfte. Für 1541 ist von rund 400 Einwohnern auszugehen, für 1585 von rund 550, nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs lag die Einwohnerschaft bei rund 350 Personen. Ökonomisch profitierte B. von seiner Lage an der »Kupferstraße«, die sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts aus einem Handelsweg zur Umgehung des Erfurter Geleits entwickelt hatte und in Nord-Süd-Richtung über B. führte. Deswegen war das Fuhr- und Gastgewerbe von gewisser Bedeutung (1565 bezeugtes Gasthaus »Zum Güldenen Zopf«, später »Zum Mohren« in der Vorstadt). Prägend waren Land- und Forstwirtschaft und kleinere Gewerbe. Für 1541 ist ein Hofschneider bezeugt. Innungsbriefe sind aus dem 17. und 18. Jahrhundert überliefert: 1658 für Böttcher, 1666 für Schmiede und Wagner (1772 erneuert), 1677 für Fleischer, 1699 für Schneider, 1676 für Schuster. 1747 bestanden 17 Innungen.

(3) Die Pfarr- bzw. spätere Stadtkirche wurde vermutlich im 13. Jahrhundert gegründet, ihr wurden drei Altäre gestiftet (Hl. Kreuz, Hl. Jungfrau und Hl. Andreas). Ein Pfarrer ist erstmalig 1366 bezeugt. Die Mehrzahl der in B. residierenden Angehörigen des gleichenschen Gf.enhauses wurde in der Stadtkirche bestattet. Im Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506 wird eine weitere Kirche genannt, die außerhalb der Stadtmauer lag und einen der Hl.en Anna geweihten Altar besaß. Kirchlich gehörte B. bis zur Einführung der Reformation zum Erzbistum Mainz (Archidiakonat Erfurt, Sedes Oberweimar). Die Reformation wurde 1526 auf Initiative des Grafen Wolfgang von Gleichen († 1551) eingeführt, zugleich ist ein evangelischer Pfarrer bezeugt. 1533 wurde eine Superintendentur geschaffen. Zudem war B. 1529 und 1533 in die Kirchenvisitationen der ernestinischen Herzöge einbezogen. 1556 fand in B. die erste Visitation unter gfl.er Leitung statt. Nach dem Übergang B.s an die Grafen von Hatzfeld gab es Pläne zur Rekatholisierung, später verpflichteten sich die Grafen von Hatzfeld gegenüber den Ernestinern allerdings dazu, keine Änderung der Religion herbeizuführen. Die beim alten Glauben verbliebenen Grafen von Hatzfeld-Gleichen nutzten bei ihren Aufenthalten in B. die dortige Schlosskapelle für katholische Gottesdienste. Noch im 18. Jahrhundert führte diese Praxis zu Spannungen zwischen Stadt und Herrschaft. Auf preußische Vermittlung hin fanden 1732 evangelische Glaubensflüchtlinge aus dem Erzbistum Salzburg in B. Asyl.

(4) Das nach Süden hin gelegene, 1279 erstmals erwähnte (aber sicherlich ältere) Schloss befindet sich auf einer Anhöhe am Rand der Kernstadt. Nachdem es 1527 z. T. abgebrannt war, wurde es unter Graf Karl II. († 1599) und Graf Wolfgang Sigmund von Gleichen († 1554) umgestaltet. Weitere Umbauten erfolgten nach einem weiteren Brand 1669 unter den Grafen von Hatzfeld-Gleichen bis 1690. Die ältesten Gebäudeteile der Pfarrkirche stammen ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert Auf den Grundmauern des Vorgängerbaus begann 1481 unter Graf Karl I. von Gleichen die Umgestaltung der Stadtkirche durch Bau von Turm, Langhaus und südlichem Vorbau. Aufgrund ihrer sehr geringen räumlichen Ausdehnung bildeten Schloss und Kernstadt nach außen hin eine Einheit. Eine Ummauerung gab es ab 1450, die Kernstadt war lediglich durch ein Tor zugänglich. Im »Sächsischen Bruderkrieg« wurde B. 1450 von Herzog Wilhelm belagert und teilweise zerstört. Erst 1728 erhielt B. ein weiteres Stadttor. Mehrmals (1448, 1527, 1667, 1682, 1729, 1742) wurde die Stadt durch Brände in Mitleidenschaft gezogen. Das Rathaus wurde 1729 zerstört, 1752 dessen Neubau vollendet.

(5, 6) Über seine direkte Nachbarschaft hinaus verfügte B. über keinen nennenswerten Einfluss auf das Umland. Seine zentralörtliche Bedeutung bezog B. im Wesentlichen aus seiner Funktion als Sitz einer (hoch)adeligen Herrschaft, verfügte dabei jedoch kaum über ausreichende Ressourcen, um komplexere Wirtschafts- und Sozialstrukturen auszubilden. In dieser Hinsicht unterschied sich B. nur wenig von Kleinstädten der näheren Umgebung. Für das 16. und 17. Jahrhundert ist ein in der Stadt gelegenes Rittergut nachweisbar. Die Beziehungen zwischen Stadt und Herrschaft waren zum einen von wechselnden herrschaftlichen Zugehörigkeiten geprägt, zum anderen durch konkurrierende Herrschaftsansprüche des Mainzer Ebf.s als Lehensherrn und der Wettiner und späteren Ernestiner. Bereits 1414 verkaufte der letzte männliche Angehörige der Herren von B. (Heinrich) das Schloss mit Zubehör an die Wettiner, scheiterte mit diesem Vorhaben jedoch am Einspruch des Mainzer Ebf.s, welcher seine Gefolgsleute, die Grafen von Gleichen, 1424 mit B. belehnte. Am Ende des 16. Jahrhunderts sahen sich die Grafen von Gleichen gezwungen, zur Schuldentilgung wesentliche Teile ihrer Herrschaft an Niederadlige zu verpfänden, welche B. unter sich aufteilten und eigene Bürgermeister stellten. Im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts dominierten vor allem Angehörige der Familie von Mandelslohe als Pfandinhaber (Benennung von Räumlichkeiten im Schloss nach Jost von Mandelslohe sowie Grabsteine in der Stadtkirche). Nach dem Erlöschen des gleichenschen Gf.enhauses im Mannesstamm 1631 kam es zu intensiven Erbstreitigkeiten. Protektioniert durch Sachsen-Weimar waren hier auch die im Südwesten des Reichs begüterten und verwandtschaftlich mit den Grafen von Gleichen verbundenen Grafen von Mörsperg involviert. Erst in den 1660er Jahren gelang es den Grafen von Hatzfeld-Gleichen als neue kurmainzische Lehensinhaber, die Herrschaftsrechte vollständig in ihrer Hand zu vereinen. Angehörige der Gf.enfamilie von Hatzfeld-Gleichen hielten sich nur sporadisch in B. auf, richteten 1676 jedoch eine Kanzlei ein. Für die Zeit nach der Belehnung der G.fen von Hatzfeld 1639 liegen keine neueren Erkenntnisse zur Sozialgeschichte B.s vor. Die städtische Führungsschicht dürfte im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts weitgehend von der Gf.enfamilie geprägt worden sein.

(7) Ungedruckte Quellen befinden sich vor allem im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar. Dort sind als Teil des »Ernestinischen Gesamtarchivs« Rechnungen sowie diverses Schrifttum aus dem 16. Jahrhundert überliefert. Weitere Materialien zur Geschichte Blankehains bieten mehrere Staats-, Kirchen- und Stadtarchive in Thüringen (z. B. Stadtarchiv Erfurt). Siehe dazu insgesamt auch »Archivportal Thüringen«: www.archive-in-thueringen.de. Archivalien zu den Grafen von Hatzfeld-Gleichen verwahrt das Staatsarchiv Österreich (vgl. www.oesta.gv.at). Lünig, Johann Christian: Das Teutsche Reichs-Archiv, Bd. 22, Leipzig 1719 [darin: XII. Absatz: Von den Gf.en zu Hatzfeld und Gleichen].

Scriptores Rerum Germanicarum Praecipue Saxonicarum, Bd. 1, hg. von Johann Burkhard Mencke, Leipzig 1728 [darin Diplomata LV. Res Comitum Gleichensium, S. 533–582; zu B. vgl. Nr. XLIV]. – Sagittarius, Caspar: Gründliche und ausführliche Historia der Grafschafft Gleichen, hg. von Ernst Salomon Cyprianus, Frankfurt a. M. 1732. – Diplomataria et Scriptores Historiae Germanicae Medii Aevi, Bd. 1, hg. von Christian Gottlieb Buder, Georg Christoph Kreysig und Christian Schöttgen, Altenburg 1753 [darin VII. Diplomataria Gleichense, S. 725–749]. – Hellbach, Johann Christian: Archiv für die Geographie, Geschichte und Statistik der Grafschaft Gleichen und ihrer Besitzer, 2 Bde., Altenburg 1805 [u. a. Quellenführer und Bibliographie]. – Tettau, Wilhelm Johann Albert von: Beiträge zu den Regesten der Grafen von Gleichen, erste Abtheilung (bis 1300), zweite Abtheilung (1301–1631), in: Mittheilungen des Vereins für die Geschichte und Alterthumskunde von Erfurt 5 (1871) S. 135–176; 10 (1881) S. 193–313. – Urkundenbuch der Stadt Erfurt, 2 Bde., bearb. von Carl Beyer, Halle 1889–1897 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 23–24) [Bd. 1: Nr. 161, 205, 218, 221, 506, 551; Bd. 2: Nr. 3, 94, 131, 136, 178, 465, 499]. – Regesta Thuringiae, hg. Dobenecker (1896–1939), [Bd. 3: Nr. 2039; Bd. 4: Nr. 868, 1981]. – Codex diplomaticus Saxoniae regiae I, B, Bd. 1 (1899) [Nr. 69, 454], Bd. 3 (1909) [Nr. 39, 342, 353, 376]. – Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506, bearb. von Enno Bünz, Köln 2005 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen / Große Reihe, 8).

(8)Ackermann, Constantin: Geschichtliche Nachrichten über die Stadt und Herrschaft Blankenhain, Jena 1828. – Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, bearb. von Paul Lehfeldt, Heft 17, Jena 1893 [S. 101–112]. – Egert, Paul, Bankwitz, Walther: Geschichte der Stadt und Herrschaft Blankenhain (Thür.), 2 Bde., Blankenhain 1922. – Zeyss, Edwin: Beiträge zur Geschichte der Grafen von Gleichen und ihres Gebiets, Gotha 1931. – Facius, Friedrich: Die Herrschaften Blankenhain und Kranichfeld in der ernestinischen Politik vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, N.F. 35 (1941) S. 49–100. – Huschke, Wolfgang: Art. „Blankenhain“, in: Deutsches Städtebuch, Bd. 2: Mitteldeutschland (1941), S. 277–278. – Geschichte Thüringens, hg. von Hans Patze und Walter Schlesinger, Köln 1967–1979 (Mitteldeutsche Forschungen, 48, 1–6) [passim]. – Huschke, Wolfgang: Art. „Blankenhain“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 9: Thüringen (21989). S. 52–53. – Friedhoff, Jens: Schloß Blankenhain, in: Burgen und Schlösser 4,4 (2003) S. 230–240. – Mutschler, Thomas: Art. „Gleichen“, in: Höfe und Residenzen IV,1 (2012), S. 490–510 [vgl. Abschnitt C. Blankenhain, S. 502–504].

Thomas Mutschler