Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

Zurück zur Liste

Tangermünde

Tangermünde

(1) T. entstand an der Mündung des (!) Tanger in die Elbe auf einer flutgeschützten Hochebene, die eine bis in die Frühzeit reichende Besiedlungsgeschichte kennt. Die Entstehung einer Siedlung wurde begünstigt durch die Möglichkeit zur Elbquerung durch eine Fähre, wodurch im Spätmittelalter eine Verbindung zwischen der linksseitigen Altmark und dem ostelbischen Teilen der Markgrafschaft Brandenburg gegeben war. Während der hochmittelalterlichen Christianisierung wurde hier eine Burg angelegt, die zwar erst zum Jahr 1009 in der Chronik Thietmar von Merseburgs erwähnt wird, deren Existenz aber sicherlich weiter in ottonische Zeit zurückreicht. Im 11. Jahrhundert gehörte die Burg zum kgl.en Besitz, der dem Markgraf der Nordmark übergeben worden war. 1136 befand sich hier der bedeutendste Elbzoll unterhalb Magdeburgs. Die Herren von T. erscheinen im 12. Jahrhundert im Gefolge Markgraf Albrechts des Bären. Seit Anfang des 13. Jahrhunderts war T. Sitz von mkgfl.-brandenburgischen Vögten, die seit Mitte des 14. Jahrhunderts auch als Landeshauptleute der gesamten Altmark fungierten. Als Sitz eines landesherrlichen Amts machte T. die Wechsel der Dynastien von den Askaniern 1319/20 zu den Wittelsbachern, dann 1365/73 weiter zu den Luxemburgern mit. Besondere Bedeutung erlangte T. in den letzten Jahren Kaiser Karls IV. 1373–1377/78, der sich mehrmals für längere Zeit hier aufhielt und die Stadt als Herrschaftsort (nicht nur Brandenburgs, sondern, da Reichsoberhaupt, auch des Reichs), ausbaute, welcher von Böhmen aus bequem über die Elbe erreicht werden konnte. Karls IV. erbende Söhne suchten die Mark Brandenburg nur noch gelegentlich auf (dann meist in Berlin weilend); 1388 verpfändete Sigismund die Markgrafschaft an seinen Cousin Jobst von Mähren, der sie an Markgraf Wilhelm von Meißen weiterverpfändete. Nach Jobsts Tod 1411 wurde wieder Sigismund Landesherr, der 1412 den Burggraf von Nürnberg, Friedrich von Zollern, als Statthalter einsetzte, dann 1415 mit der Markgrafschaft belehnte. Unter ihm und seinen Nachfolgern ist das Bild in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts uneinheitlich. Sofern sie im Lande Brandenburg weilten, pendelten sie teils zwischen Berlin und T. hin und her, bevorzugten teils Berlin, teils T. (so 1429–1437 Markgraf Johann »der Alchimist« als Statthalter seines Vaters). T. wurde 1447 erneut Residenzstadt für den abgeteilten jüngeren Bruder Markgraf Friedrichs II., Friedrich d. J., der die Altmark und die Prignitz erhalten hatte. Nach dessen Tod 1463 fielen diese an die Markgrafschaft Brandenburg zurück. Ab 1464 stand unter Friedrich II. Berlin im Mittelpunkt, T. wurde unter ihm und den Nachfolgern nur noch gelegentlich aufgesucht. T., das seine Bedeutung im Spätmittelalter vor allem aus dem florierenden Elbhandel zog, verblieb Amtsstadt auch über die gravierenden Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg hinweg. Im Zeichen der christlichen Irenik stand der Plan einer Universitätsgründung, der 1666/67 von Kurfürst Friedrich Wilhelm (reg. 1640–1688) in Angriff genommen wurde, aber letztlich an Geldmangel scheiterte.

(2) T. bestand aus mehreren selbständigen Siedlungsteilen. Unmittelbar zur Burg gehörten zum einen die südwestlich direkt vorgelagerte Schlossfreiheit, wo die Burgmannen mit ihren Freihöfen wohnte, zum anderen nördlich der Burg das Hünerdorf, die Siedlung der dienstrechtlich an die Burg gebundenen Haushalte, und zum dritten die etwas weiter elbabwärts, direkt am Fluss gelegene slawische Fischersiedlung Kalbau. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entstand südwestlich der Schlossfreiheit aus einem älteren Marktflecken die eigentliche Stadt. Ihr südwest-nordöstlich ausgerichteter Grundriss in Form eines Rechtecks (ca. 600 m lang, 300 m breit) ist von zwei parallelen Hauptstraßen geprägt, der Langen und der Kirchstraße, die von mehreren Querstraßen berührt werden. Zwischen den Hauptstraßen liegt der Markt, am südwestlichen Ende der Stadt die Kirche St. Nikolai. Zwischen der Burg und der Stadt befand sich auf einer Erhebung als weiteres selbständiges Areal die Stephanskirche mit ihren Nebengebäuden, die allerdings in dem um 1300 entstandenen Mauerring einbezogen wurde. Im 15. Jahrhundert kam noch an der südwestlichen Schmalseite eine (kleine) Neustadt hinzu, die eine eigene Befestigung erhielt. 1457 kaufte der Rat vom Landesherrn das Dorf Hünerdorf. Vertreten wurden die Landesherren durch einen Schultheißen, der zugleich als Stadtrichter fungierte, und dem ein Schöffenkollegium zur Seite stand.

Ein Rat, der den Schultheiß um etwa 1300 beiseite gedrängt und das Schöffenkollegium zum reinen Gericht gemacht haben dürfte, wird 1311 erstmals genannt; die zwölf, später 14 Ratsstellen, ergänzt durch Kooptation, lagen zumeist in den Händen einiger Patrizier (Kaufleuten und Brauern), geteilt in den Neuen bzw. sitzenden und den Alten bzw. ruhenden Rat. An der Spitze standen regierende Bürgermeister (erstmals 1373 belegt). Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts änderte sich daran nichts. Die Stadtgemeinde löste sich parallel dazu aus dem Landgerichtsverband, der Rat wurde zuständig für das Nieder- und Hochgerichtsbarkeit (erstmals 1321 belegt, 1555 endgültig bestätigt). Um 1275 erscheinen die Gewandschneider (gemeint sind die Kaufleute) als älteste Zunft, Schuhmacher (1306?), Knochenhauer (1311), Brauer und Bäcker (beide 14. Jahrhundert) und Schneider (1530 belegt, wohl früher) bildeten im Laufe der Zeit die sog. Viergewerke, die Mitspracherechte gegenüber dem Rat durchsetzten; hiervon ausgeschlossen waren die Leineweber (1458) und die Fischer (zwischen 1431–1486). 1693 wurde durch den Landesherrn eine neue Ratsverfassung eingeführt.

Wirtschaftlich profitierte T. vom Elbhandel. Zwischen 1465 und 1470 konnte die Stadt den Fährzoll, den Schiffsdurchgangszoll und das Pachtgeld für die Marktstände erwerben, die bisher dem Landesherrn zustanden. In der Stadt dominierten die Kaufleute, vereinigt in der Gewandschneidergilde (für 1275 als gegeben anzunehmen). Um 1500 dürfte T. etwa 2500 Einwohner gehabt haben.

(3) Älteste Kirche und damit wohl auch ursprüngliche Pfarrkirche war St. Stephani, neben der Burg gelegen. Für die entstehende Stadt wurde jedoch St. Nikolai wichtiger, die wohl gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf der Seite der Stadt errichtet wurde, die der Burg und Stephanskirche gegenüberlag, nämlich in der Nähe des (späteren) Neustädter Tors. Zur Nikolaikirche gibt es nur eine spärliche spätmittelalterliche Überlieferung. Unklar ist, ob sie eigene Pfarrrechte besaß oder stets mit der Stephanskirche eine Pfarre bildete. 1335 ist jedenfalls nur von einem Pfarrer in T. die Rede. In den 1460er Jahren wurde der ältere Turm durch einen hohen Backsteinbau ersetzt. 1531 wurde ein Altarlehen auf Geheiß des Magdeburger Ebf.s dem T.er Johannisstift inkorporiert. Das Patronatsrecht über zwei Altäre lag 1540 beim Rat. Im frühen 16. Jahrhundert wurde die Kirche gelegentlich als Kapelle bezeichnet. Im weiteren Verlauf der Reformation wurde sie profaniert.

In den 1180er Jahren, eventuell 1185, wurde von Markgraf Heinrich von Gardelegen auf dem Prälatenberg neben der Burg mit der Neuerrichtung der St. Stephanskirche begonnen. Eine möglicherweise zunächst dort geplante Stiftsgründung wurde 1188 in Stendal vollzogen, die T.er Kirche wurde aber weitergebaut (in drei Phasen: Bauanfänge Ende des 12. Jahrhunderts; Erweiterung unter Markgräfin Agnes 1320–1334 sowie Vollendung des Langhauses unter Kaiser Karl IV.; Westanbau, Fertigstellung der Kapellen und des Chores und Hochbau der Türme in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts). 1270 wurde das Patronatsrecht der ecclesia in T. der Propstei des Stendaler Kollegiatstifts St. Nikolai übertragen. 1377 wurde sie von dieser getrennt und dem von Kaiser Karl IV. auf der T.er Burg gegründeten Kollegiatstift St. Johannis einverleibt. Sowohl der Rat als auch die Landesherren statteten die Kirche mit Gütern aus. Den Markgrafen stand allerdings nach dem Visitationsprotokoll von 1540 kein direktes Patronatsrecht über eine der 17 Altarpfründen zu. Vielmehr waren sieben davon dem St. Johannisstift inkorporiert, über zwei weitere übte dieses Patronatsrechte aus. Weitere Patronate gehörten dem städtischen Rat (3), den Schöffen (1), Rat und Schöffen gemeinsam (1) und den Gewandschneidern (1), daneben der Elendengilde (Martinsaltar) und der T.er Familie Krull (Katharinenaltar). Im Zuge der Reformation ging das Patronat über die Pfarre an den Rat über.

1438 gründete Markgraf Friedrich II. das Dominikanerkloster mit der Allerheiligenkirche, das in der Neustadt lag. Eine besondere Förderung durch die Markgrafen erfuhr es wohl nicht, 1442 erhielt es eine Einnahme aus der T.er Fähre. 1540 wurde es in ein Spital umgewandelt und die letzten Mönche abgefunden. Die Lage des Gertraudenhospitals, das ebenfalls 1438 durch Markgraf Friedrich II. eine Einnahmequelle zugewiesen bekam, aus der eine Armenspeisung erfolgen sollte, ist unbekannt. Außerhalb der Neustadt an der Straße nach Magdeburg befand sich als Leprosenhaus das Georgenhospital mit St. Georgskapelle (1557 verfallen).

Auf der der Neustadt entgegengesetzten Seite T.s, im Hünerdorf, nördlich der Burg gelegen, wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt an der nach Arneburg führenden Straße Kapelle und Hospital der Hl. Elisabeth errichtet, möglicherweise eine Gründung Markgraf Friedrichs d. J., aus dessen Zeit (1447–1463) Teile des Bauwerks stammen. Das Patronat an den drei Altarlehen stand je der Bäckergilde, dem Stadtrat und der T.er Familie von Hoppener zu. Außerhalb T.s gab es noch eine Marienklause zwischen der Neustadt und der Landwehr beim Dorf Bölsdorf, zu der sich in den 1420er Jahren eine kleine Wallfahrt entwickelte, die von Markgraf Friedrich I. gefördert wurde; Friedrich d. J. inkorporierte die Klause 1459 dem Kollegiatstift in Arneburg. In der Reformation dürfte die Klause untergegangen sein (1540 bereits abgebrochen).

Bedeutsam ist die Umwandlung der älteren, 1271 erstmals erwähnten Burgkapelle St. Johannis in ein reich (u. a. mit der Stephanskirche) ausgestattetes, hinsichtlich der Pracht dem Stift auf dem Prager Karlstein an die Seite zu stellendes Kollegiatstift durch Kaiser Karl IV. 1377, der ihm mehrere Reliquien überließ (später vom Pfandherrn Markgraf Jobst von Mähren nach Böhmen abgeführt, Reste in der Reformationszeit von Markgraf Joachim II. dem Kollegiatstift Cölln gegeben). Das Patrozinium bildeten Johannes der Täufer und der Evangelist Johannes. Die Besetzung der zwölf (alsbald auf elf reduziert) Stellen oblag den Landesherren, die Investitur hatte durch den Bischof von Halberstadt zu erfolgen. Das Stift erhielt das Patronat über die Stephanskirche. Die Chorherren, die einer strengen Residenzpflicht unterlagen, erhielten Kurien um die Stephanskirche herum (wodurch dieses kleine Areal den Namen Prälatenberg erhielt). Das Johannisstift wurde unter den nachfolgenden Herrschern aus der Luxemburger- und der Zollern-Dynastie gefördert, auch als die Landesherren in Berlin residierten. 1414 wurde die Residenzpflicht aufgehoben. Das Stift ging nach 1540 ein.

(4) T. wurde von der auf einer Erhebung liegenden Burg geprägt, die in ihren ersten Anfängen wohl ins 10. Jahrhundert zurückreichen dürfte. Die Burg erlebte im Spätmittelalter zahlreiche backsteinerne Erweiterungen, so dass sie im ausgebauten Stadium eine Fläche von 1,8 ha umfasste. Aus der Zeit um 1200 stammt der Wohnturm (später als Kapitelturm bezeichnet), um den herum später die Vorburg entstand. Reste der unter Karl IV. neu errichteten Kapelle und Stiftskirche wurden 1888/89 und 2000 archäologisch nachgewiesen. Etwa um 1460 wurde das heute als »Kanzlei« bezeichnete Gebäude errichtet, das repräsentativ gestaltet ist (eventuell Tanzhaus?). Das einzige, zur Stadt hin gelegene Tor des 15. Jahrhunderts ist neben der Ringmauer erhalten. Die Burg wurde 1640 stark zerstört, um 1700 als schlichtes Schloss als Sitz des Amtsmanns neu errichtet. Zwischen der Burg und der Stadt erhob sich die in mehreren Bauphasen des 14./15. Jahrhunderts errichtete Stephanskirche mit ihrer wuchtigen Doppelturmfassade, der Nordturm erreichte eine Höhe von 94 Metern.

Im 15. Jahrhundert erlebte T. mit der Errichtung mehrerer Hochbauten eine Baublüte, die sich nur zum Teil mit der Zeit als Residenz der Zollern deckt und wohl als Zeugnis des durch den Elbhandel bedingten Wohlstands zu deuten ist. In diese Zeit fiel auch die Anlage der Neustadt. Fast vollständig erhalten hat sich die Stadtmauer mit einem Rest des Hünerdorfer Tors (sog. Eulenturm), Neustädter Tor und Elbtor (Fundamente z. T. des 13. Jahrhunderts, Aufbauten aus Mitte und zweiter Hälfte des 15. Jahrhunderts). Das Rathaus, das wohl einen Vorgängerbau hatte, stammt aus den 1430er Jahren und weist eine imposante, 24 m hohe Schaufassade zum Marktplatz auf. 1480 wurde die Gerichtslaube mit der Ratsstube im ersten Stock ergänzt. Ebenfalls in das 15. Jahrhundert gehört die Errichtung des Turms der Nikolaikirche (das aus Feldstein gemauerte Schiff gehört in das 13. oder gar in das 12. Jahrhundert). Schließlich ist der zehneckige Umgang des Chors der Stephanskirche zu nennen, der ab 1470 in Angriff genommen wurde. Das Stadtbild litt erheblich unter den Bränden der Jahre 1617, 1678 und unter dem Dreißigjährigen Krieg; der Wiederaufbau des späten 17. Jahrhunderts erfolgte in vergleichsweise schlichter Form.

(5) Nach dem Ende des Askanier verbündeten sich 1321 die altmärkischen Städte, u. a. T., mit einem Teil des Adels zu einem Schutzbund. 1344, 1351 und 1386 folgten rein städtische Bündnisse. Ende des 15. Jahrhunderts beteiligte sich T. am genannten Aufstand der altmärkischen Städte gegen die von Markgraf Johann Cicero (reg. 1486–1499) verhängte Biersteuer, den dieser 1488 niederschlug, woraufhin die Neubestimmung von Ratsherren der landesherrlichen Zustimmung bedurfte. Mit der Hanse stand T. seit 1368 in Kontakt, Mitglied war es 1436 bis 1478. 1375 wurde T. mit 40 Mark zur landesherrlichen Urbede veranschlagt, der Hälfte des Satzes, den Stendal zu leisten hatte, und etwas weniger als Salzwedel. 1471 ließ sich Markgraf Albrecht Achilles von den altmärkischen Städten und Adligen in Salzwedel huldigen, nicht in T., was eine Abkehr von T. ausdrückt (wo genau zu dieser Zeit das Haupttor der Burg gebaut wurde), sein Sohn Johann Cicero ließ sich in den Einzelstädten huldigen. T. verfügte über eine größere Feldmark, die eine der wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt bildete. Zudem belegt das unter Karl IV. angelegte Landbuch der Mark Brandenburg umfangreichen linkselbischen Grundbesitz von etwa 30 T.er Bürgerfamilien, daneben den Besitz von Gerichtsrechten in einzelnen Dörfern.

(6) Allenfalls ein Intermezzo war die Funktion als Residenzstadt unter Karl IV. in den Jahren 1373–1377; fraglich ist, ob in diesem Zusammenhang ein Bauprogramm in Gang gesetzt wurde. 1374 fand ein wichtiger Hoftag statt, auf dem die böhmisch-brandenburgische Erbvereinigung beschlossen wurde; neben der ksl.en Familie nahmen zwei Kurfürsten, zwei Erzbischöfe, sieben Bischöfe, acht Herzöge und zahlreiche Hochadlige teil. Vergleichend an die Seite stellen könnte man Wien unter König Rudolf I. (reg. 1273–1291), der sich in dieser Stadt um 1280 für etwa dreieinhalb Jahre aufhielt, oder Erfurt, wo er 1290 für zehn Monate verblieb. Deutlich abwertend war das Urteil des Italieners Nicolò de Becari, der als Frühhumanist am Hofe Karls IV. für etwa ein Jahr in T. weilte und sich in einem Brief an einen Veroneser Freund über T. und Umgebung beklagte (nichts als Essen und Trinken und andere Ausschweifungen). Bleibend war hingegen die Einrichtung des Kollegiatstifts, das bis zur Reformation ein geistliches Element in der Stadt bildete. Als Residenzstadt fungierte T. sodann für etwa eine Generation unter den ersten Markgrafen der Zollern 1415–1450, eventuell bis 1463. Der aus dem fünf Kilometer von T. entfernten Dorf Buch stammende Jurist Johann von Buch († 1356), der seit 1305 in Bologna studierte und zeitweilig capitaneus generalis der Markgrafschaft Brandenburg war, bezeichnete T. in seinem Richtsteig Landrechts als die höchste Richtstätte Brandenburgs. Die eigentliche Blüte als Handelsstadt erlebte T. wie die anderen altmärkischen Städte im 15. Jahrhundert Wegen seiner Überlegungen zum Steuerrecht ist der gelehrte Bürgermeister Johannes Matthias (ca. 1585–ca. 1636) hervorzuheben (Tractatio methodica politico-iuridica, et theoretico practica de contributionibus …, Frankfurt am Main/Leipzig 1628).

Von Aufständen oder Widerstand gegen die Anwesenheit des Ks.s bzw. der Markgrafen in T. ist nichts festzustellen, Konflikte mit den Landesherren bewegten sich im üblichen Rahmen. Weitergehende Verflechtungen zwischen Hof und Stadt sind nur schwierig festzustellen, da das ältere Stadtarchiv bei dem großen Brand 1617 zum großen Teil vernichtet wurde.

(7) Das ältere Stadtarchiv wurde ein Opfer des großen Brands von 1617. Vereinzelt erhalten gebliebene Amtsbücher setzen 1428 ein, die Aktenüberlieferung beginnt 1519. Quellen anderer Provenienz zur Geschichte Tangermündes bis ins 16. Jahrhundert finden sich insbesondere im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem (I. Hauptabteilung, Geheimer Rat, Rep. 53 Altmark). Die landesherrlichen Akten zum Amt Tangermünde im Bestand Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer des Brandenburgischen Landeshauptarchivs in Potsdam setzen erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in der Masse im 18. Jahrhundert ein. Ähnliches gilt für den Bestand Da 66 Amt Tangermünde im Landesarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg, der die schriftliche Hinterlassenschaft des Amtes enthält; hier finden sich jedoch einzelne Archivalien aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert.

Riedel, Adolph Friedrich: Stadt Tangermünde, in: Codex diplomaticus Brandenburgensis, Bd. A XVI (1859), S. 1–174. – Die Abschiede der in den Jahren 1540–1542 in der Altmark gehaltenen ersten General-Kirchen-Visitation mit Berücksichtigung der in den Jahren 1551, 1578–79 und 1600 gehaltenen Visitationen; Bd. 1, H. 1, hg. von Julius Müller und Adolf Parisius, Magdeburg 1889, S. 1–38.

(8)Zahn, Wilhelm: Geschichte der Kirchen und kirchlichen Stiftungen in Tangermünde, in: Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel 24 (1897) S. 9–60; 25 (1898) S. 25–68. – Rosendorf, Hugo: Tangermündes Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Greifswald 1914. – Ahrens, Karl-Heinz: Residenz und Herrschaft. Studien zur Herrschaftsorganisation, Herrschaftspraxis und Residenzbildung der Markgrafen von Brandenburg im späten Mittelalter, Frankfurt a. M. 1990 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, 427), zu Tangermünde S. 235–270. – Ahrens, Karl-Heinz: Bemerkungen zur Mittelpunktsfunktion Berlins und Tangermündes im 14. und 15. Jahrhundert, in: Vorträge und Forschungen zur Residenzfrage, hg. von Peter Johanek, Sigmaringen 1991, S. 147–185 (Residenzenforschung, 1). – Blahová, Marie, Böcker, Dagmar, Böcker, Heidelore: Art. „Tangermünde“, in: Höfe und Residenzen I,2 (2003). – Riedel, Frank: Stadtverfassung Tangermündes. Rechts-, finanz- und sozialgeschichtliche Aspekte im Schatten der Residenz, in: Tangermünde, die Altmark und das Reichsrecht. Impulse aus dem Norden des Reichs für eine europäische Rechtskultur, hg. von Heiner Lück, Stuttgart 2008 (Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, 81, 1), S. 45–64. – Tangermünde. 1000 Jahre Geschichte, hg. von Sigrid Brückner, Dößel 2008.

Michael Scholz, Harm von Seggern