Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Gülzow (Golczewo)

Gülzow (Golczewo)

(1) G. liegt in der im Hochmittelalter Pommern genannten Landschaft, dem späteren Ost- bzw. Hinterpommern, etwa 30 km östlich des Stettiner Haffs inmitten der sanft-hügeligen und bewaldeten Moränenlandschaft auf der Strecke von Naugard (Nowogard) nach Cammin (Kamień Pomorski). Der Ort kannte eine ältere slawische Besiedlung, die bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht. Zwischen zwei Seen, dem Untersee (Okonie) und dem Obersee (Szczucze), wurde eine Burg errichtet. Etwas nördlich von ihr entstand der spätere Flecken.

Die frühe Besitzgeschichte ist nicht bekannt. 1304 erwarb der Camminer Bischof Heinrich von Wachholz (1302–1317) mit Zustimmung des Hzg.s von Pommern-Stettin Burg und Dorf G. von den Adelsfamilien Schmeling und Wedelstädt; zur Gänze beglichen wurde die Kaufsumme wohl erst unter Bischof Friedrich von Eickstedt (1330–1343). Ab 1315 war die Burg Hauptsitz der Camminer Bischöfe, wurde jedoch mehrmals als Pfand ausgegeben, so vor 1336 die Burg an Ritter Siegfried Lode. 1363 verpfändete der Bischof Johann I. (1343–1370) die Burg an das Camminer Domkapitel. Mehrere Besitzerwechsel schlossen sich an, 1385 löste Bischof Philipp von Rehberg (1370–1385) die Burg aus und überließ sie wiederum pfandweise dem Archidiakon von Usedom Philipp von Helpte, der sie 1402 an die Ritterfamilie Flemming verkaufte. 1405 ging sie durch Verkauf des Hofmarschalls Dam Flemming an Herzog Bogislaw VIII. von Pommern-Stolp über, der die ebenfalls mit Rechten an der Burg versehenen Adelsfamilien Wedel und Mallin herauskaufte. Herzog Bogislaw setzte auf der Burg einen Landvogt ein. Bemühungen des Camminer Bf.s Nikolaus von Bock (1398–1410) zur Rückgewinnung blieben erfolglos, langjährige Streitigkeiten zwischen dem Camminer Domkapitel und den Hzg.en von Pommern-Stolp waren die Folge. Beigelegt werden konnten sie erst durch einen 1436 geschlossenen Vergleich, der vorsah, dass die Burg erneut an das Camminer Domstift ging, welches die Burg aber alsbald wieder verkaufte. Weitere Besitzerwechsel setzten ein, u. a. ging sie 1451 als Pfand an die gemeinsamen Pfandherren Otto von Eberstein, Kurd Flemming und Ludeke Massow. Wahrscheinlich um 1471 gelangte G. unter die Verwaltung Graf Ludwigs von Eberstein (nach 1471–1478), der postulierter Bischof von Cammin war, das Amt jedoch nie antrat und mit G. abgefunden wurde. 1500 kauften ihm Bischof Martin Karith (1498–1521) und das Domkapitel Cammin gemeinsam die Burg ab, die hinfort in ihrem Besitz verblieb und als Residenz diente. 1534 wurde sie Teil des bfl.en Kammerguts. 1665–1684 hatte der letzte evangelische Bischof Ernst Bogislaw von Croÿ (1637–1648/1650), zugleich Statthalter des brandenburgischen Kurfürsten, dem Hinterpommern im Westfälischen Frieden zugefallen war, seinen Amtssitz auf der Burg. Nach seinem Tod ging die Burg gemäß eines 1650 geschlossenen Vertrags an Brandenburg über, die Kurfürsten begründeten ein landesherrliches Amt, das in der Franzosenzeit aufgelöst wurde.

(2, 5) G. erhielt nie Stadtrecht und wurde erst im 18. Jahrhundert als eine mit Stadtrecht ähnliche Ortschaft behandelt. Wegen fehlender früherer Quellen sind Angaben zur Einwohnerzahl erst für das 18. Jahrhundert möglich (1726 36 Häuser, um 1780 72 Häuser und 359 Einwohner, darunter drei jüdische Familien). G. war so gut wie vollständig von der Landwirtschaft geprägt, der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte dienten Mühlen. Erst für die Jahre 1744–1749 lasen sich nähere Aussagen zur Gewerbestruktur machen, es gab die Zünfte der Schneider, Böttcher, Tischler, Stellmacher, Rademacher, Huf- und Waffenschmiede und Drechsler. Durch die ab 1700 zwischen Michaelis (29. September) und Martini (11. November) abgehaltenen wöchentlichen Viehmärkte erhielt G. eine gewisse Bedeutung für das dörflich-ländliche Umland, im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts wurden sie zu Krammärkten erweitert.

Zur Versorgung der Burg wurde sie 1363 mit vier Dörfern (Drewitz [Drzewica], Klemmen [Kłęby], Tonnebuhr [Unibórz], Wildenhagen [Gadom]) ausgestattet, hinzu kam eine Mühle, die bis ins 17. Jahrhundert erwähnt wird. Nach den Statuten des Camminer Domkapitels aus der Zeit Bf.s Philipps von Rehberg sollten ständig zwei Geistliche in G. residieren, zu denken ist an Mitglieder des Kapitels.

(3) Die Entstehung der Pfarrkirche liegt im Dunkeln, 1373 wird ein Kaplan, 1472 ein Vikar erwähnt. Das Patronat stand anfangs dem Domkapitel Cammin zu. Zu einem unbekannten Zeitpunkt ging es an die Herzöge von Pommern-Stolp über. Der Bau der Kirche stammt aus dem 15. Jahrhundert 1454 berief der Camminer Bischof Henning Iven (1446–1468) eine Diözesansynode nach G. ein, die auf der Burg abgehalten wurde, eine von Bischof Erasmus von Manteuffel (1521–1544) für 1536 geplante Synode kam nicht zustande. 1544, wohl im Zusammenhang mit der Einsetzung des ersten evangelischen Bf.s, erfolgte eine Inventur des kirchlichen Vermögens. Über das Aussehen der Kirche im 15./16. Jahrhundert ist nur bekannt, dass sie 1554 über einen Holzturm mit drei Glocken verfügte. In brandenburgischer Zeit war G. 1653–1816 Sitz einer Synode.

(4) Bereits 1670, zu Zeiten des brandenburgischen Statthalters Croÿ, war die Burg, über deren Aussehen so gut wie nichts bekannt ist, verfallen. Für den brandenburgischen Amtmann wurde ein neuer Amtshof angelegt. Ein Plan von 1771 zeigte eine Vierflügelanlage, die von einem runden Graben umgeben ist, über den eine Brücke zu Wirtschaftsgebäuden führt. Mit der Auflösung des Amts wurde die Burg 1812 in Privatbesitz abgegeben und verfiel weiter, allein der Turm blieb stehen (1895 und 1929 renoviert). Merian hat in seiner Topographie keine Abbildung, rechnet den Ort aber zu den „Städtlein“.

(6) G. war im 13. und frühen 14. Jahrhundert bfl.er Burgort sowie ab etwa 1500 Residenzort bis zur Auflösung des Bm.s Cammin 1685. Über die Verflechtung von Ortsgemeinde und Hof ist nichts bekannt, festzustellen ist jedoch, dass es kein höherwertiges Handwerk in G. gab.

(7) Quellen zur Frühgeschichte der Burg sind aufbewahrt im Landesarchiv Greifswald unter den Signaturen UR/Rep. 1 Bistum Kammin und UR/Rep. 2 Ducalia. Im Staatsarchiv Stettin (Archiwum Państwowe w Szczecinie) befinden sich Quellen im Archiv der Herzöge von Pommern-Stettin I, Nr. 6046, 6047, 6048 sowie in der Kriegs-Schatz-Kammer Stettin, Nr. 61–72, 317–329. – Brüggemann, Ludwig Wilhelm: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königlich Preußischen Herzogthums Vor- und Hinter-Pommern, Tl. 2, Bd. 1, Stettin 1784, S. 15–17.

Diplomatische Beiträge zur Geschichte Pommerns aus der Zeit Bogislafs X, hg. von Robert Klempin, Berlin 1859. – Pommersches Urkundenbuch, Bde. 1–7, Stettin 1868–1936, Bde. 8–11, Köln 1961–1990, Bd. 1, Köln 21970. – Protokolle der pommerschen Kirchenvisitationen, Tl. 2: 1540–1555, bearb. von Hellmuth Heyden, Köln 1963, S. 341–349.

(8)Berghaus, Heinrich Karl Wilhelm: Landbuch des Herzogthums Pommern und des Fürstenthums Rügen. Enthaltend Schilderung der Zustände dieser Lande in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Tl. 2, Bd. 6, Anklam 1870, S. 293–296. – Wehrmann, Martin: Graf Ludwig von Eberstein als Postulat von Cammin (1469–1480), in: Monatsblätter der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde 11 (1897) S. 33–37, 49–54. – Lemcke, Hugo: Art. „Gülzow“, in: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin, Heft 12: Kreis Kammin, Stettin 1919, S. 318–323. – Wehrmann, Martin: Von Gülzow im Mittelalter, in: Heimatkalender des Kreises Cammin (1927) S. 54–58. – Heyden, Hellmuth: Von den bischöflichen Beamten in Pommern, in: Blätter für Kirchengeschichte Pommerns 19 (1939) S. 36. – Bronisch, Gerhard, Ohle, Walter: Kreis Kammin Land, Stettin 1939, S. 195–209. – Radacki, Zbigniew: Średniowieczne zamki Pomorza Zachodniego, Warszawa 1976, S. 216–222. – Nawrolski, Tadeusz: Zależność między funkcją, planem i niektórymi elementami kultury materialnej na przykładzie zamku w Golczewie, woj. szczecińskie, in: Najnowsze kierunki badań najdawniejszych dziejów Pomorza, Szczecin 1995, S. 257–277. – Bei Der Wieden, Helge: Die Grafen von Everstein an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Land am Meer. Pommern im Spiegel seiner Geschichte. Roderich Schmidt zum 70. Geburtstag, hg. von Werner Buchholz und Günter Mangelsdorf, Köln u. a. 1995, S. 269–305. – Bahr, Ernst, Conrad, Klaus: Art. „Gülzow“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 12: Mecklenburg-Vorpommern (1996), S. 203–204. – Rymar, Edward: Biskupi-mnisi-reformatorzy. Studia z dziejów diecezji kamieńskiej, Szczecin 2002. – Radacki, Zbigniew: Średniowieczne zamki na Pomorzu Zachodnim. Suplement do monografii z 1976 roku, in: Materiały Zachodniopomorskie NS 2–3 (2005–2006) S. 5–81. – Wejmann, Grzegorz: Biskupi kamieńscy w Golczewie, in: Colloquia Theologica Ottoniana 2011, S. 145–163.

Rafał Simiński