Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Wiesenburg

Wiesenburg

(1, 2) In der schriftlichen Überlieferung taucht W. – seit der Erstnennung stets in hochdeutscher Form – zuerst 1161 in einer von Erzbischof Wichmann (1154–1192) verfassten Grenzbeschreibung für das Brandenburger Domkapitel auf. Erzbischof Wichmann dürfte die Burganlage auch errichtet haben, die zu einer Reihe weiterer Burgen gehörte, die den Magdeburger Kernbesitz mit dem als Insel in anderen Territorien gelegenen Land Jüterbog verband. Archäologisch sind eine slawische und frühdeutsche Siedlung in der Umgebung der Burganlage belegt. 1213/17 besaß der aus einem magdeburgischen Ministerialengeschlecht stammende Heinrich von Plaue die Burg mit den Gebrüdern von Zerbst. Später (vor 1288) war sie im Besitz der Grafen von Brehna, dann der Grafen von Barby und Mühlingen. 1356 verkauften diese den Komplex an die Herzöge von Sachsen-Wittenberg, die Lehnshoheit Magdeburgs ist aber noch 1362 nachweisbar. Auch weiterhin blieb W. nicht lange in einer Hand: 1378 ist es im Pfandbesitz des Bf.s von Brandenburg, 1410 erscheint ein sächsisch-wittenbergischer Vogt zu W., später wird die Vogtei vom ebenfalls kursächsischen Belzig aus verwaltet, doch wurde W. bald darauf wieder als Lehen ausgetan, diesmal an die Herren von Querfurt und die von Kracht.

Von ihnen kaufte 1456 Friedrich von Brandt den Besitz. Die Familie von Brandt, später Brandt von Lindau, hatte bereits zuvor Erwerbungen in der Umgebung getätigt, so von Wendisch-Bork, das mit der Herrschaft W. vereinigt wurde. Die Familie und deren Nachkommen sollten den Besitz bis 1945 halten können. Noch 1456 wurden die Brüder Heinrich und Jan von Brandt mit »Slos Wesemburg mit dem Stetlein doselbsst« sowie anderen Gütern belehnt, nur die hohe Jagd blieb den Kurfürsten von Sachsen-Wittenberg vorbehalten (sie hatten im nahe gelegenen Jeserig ein Jagdhaus). Die Herren von Brandt erwarben in der Folgezeit weitere Orte hinzu, auch zahlreiche, im Verlauf des 14. Jahrhunderts wüst gefallene, deren Gebiet bis heute den Namen »Brandtsheide« trägt.

Die Bewohner des Städtleins sowie der zur Herrschaft gehörenden Siedlungen waren bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zu Abgaben und Diensten verpflichtet. Die Brandt pflegten enge Verbindungen zu den Landesherren, so insbesondere Christoph Friedrich Brandt von Lindau (1485–1548) als kfl.er Rat und Hofrichter zu Wittenberg im Umfeld der drei sächsischen Kurfürsten der Reformationszeit (Friedrich den Weisen, Johann den Beständigen und Johann Friedrich den Großmütigen). Die Niederlage des von dem Wittenberger Kurfürsten geführten Schmalkaldischen Bundes führte zum Einlager der siegreichen ksl.en Truppen und Teilzerstörungen der Burg W. 1547. In höfischer Hinsicht war die Herrschaftszeit Benno Friedrichs Brandt von Lindau, genannt »der Reiche« (1571–1625), ein Höhepunkt: Er (Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, zudem bedeutsam wegen des rechtlichen Kampfes gegen den Exorzismus) ließ die Burg zum Schloss umbauen, bei seinem Tod zählte der Hof etwa 20 Mitglieder. Den Beinamen »der Reiche« trug er zu Recht, er hinterließ ein Vermögen von 126.000 Gulden. Unter ihm setzte aber auch die rechtliche Minderung der kleinen Stadt ein. Unter seinen Erben wurde der Besitz geteilt in zwei Linien, die 1730 wieder vereinigt wurden. Mit dem Tod des sächsischen Generals Adam Friedrich Brandt von Lindau (1681–1754) endete ihre Besitzgeschichte, W. ging an einen Schwiegersohn aus der sächsischen Familie von Watzdorff, die W. bis in die 1930er Jahre besaßen.

Das vor der Burg gelegene, 1443 zuerst genannte stetlein, war unbefestigt und bestand nur aus wenigen Straßen. 1531 werden dort 18 Türkensteuerpflichtige, darunter der Bürgermeister und ein Krüger gezählt, was auf etwas unter 100 Einwohner schließen lässt. Auf diesem Niveau dürfte die Einwohnerzahl zunächst geblieben sein. Die nur in Ansätzen gegebene städtische Struktur wurde im 17. Jahrhundert nachhaltig verändert. Das Bauerngut des Bürgermeisters wurde 1609 von der Herrschaft ausgekauft, sein Besitzer zum Kossäten gemacht, das Kruggut folgte 1621. Weitere Veränderungen brachte der Dreißigjährige Krieg. 1696 waren zehn Stellen besetzt. 1777 zählte man einen Hufenbauern; 18 Kossäten sowie 24 Häusler auf Gemeindegrund sowie 36 Stellen auf Rittergutsgrund des Rittergutes, von letzteren standen 20 im Eigentum der Herrschaft. W. war zu einem großen Gutsdorf herabgesunken und verlor seine Stadtrechte.

(3) Die W.er Kirche gehörte zu den Mutterkirchen im Sedesbezirk Leitzkau und kam vor 1527 zu Belzig, in dessen Superintendentur es seit der Reformation verblieb. Tochterkirche war Jeserig. Die Patronatsrechte über beide Kirchen lagen bei der Herrschaft. Eine 1480 durch den Bischof von Brandenburg geweihte Burgkapelle verfiel wohl nach der Reformation.

(4, 5, 6) Baulich bedeutsam ist, dass unter Benno Friedrich Brandt von Lindau, genannt »der Reiche« ab 1608 die Burg zu einer Schlossanlage umgebaut wurde (u. a. großer Saal mit 16 Fenstern). Überregional bedeutsam war W. nicht. Als Residenzstadt lässt sich W. etwa von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts bezeichnen, blieb allerdings als Stadt nur klein. Unter dem höfisch eingebundenen Benno Friedrichs Brandt von Lindau setzte ab 1609 die rechtliche Minderung des Orts ein, der letztlich zu einem größeren Gutsdorf wurde.

(7) Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 37 (Die Herrschaft Wiesenburg, Kreis Zauch-Belzig). – Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestand 100024 (Geheimer Rat) Rittergut Wiesenburg im Amt Belzig, Bestand 12624 (Familiennachlass Grafen von Watzdorff).

(8)Fähndrich, Ernst Wilhelm: Die Herrschaft Wiesenburg unter den Herr Brand von Lindau und deren späteren Mitbesitzern, Berlin 21883. – Dorno, Friedrich: Der Fläming und die Herrschaft Wiesenburg. Agrar-historische Studien aus den nördlichen Ämtern des sächsischen Kurkreises, München 1914 (ND Berlin 2009). – Historisches Ortslexikon Brandenburg V, 1977, S. 465–469. – Schumann, Dirk: Wiesenburg, Berlin 2007 (Schlösser und Gärten der Mark). – Wendland, Folkwart, Wendland, Folkwin: Gärten und Parke in Brandenburg. Die ländlichen Anlagen in der Mark Brandenburg und der Niederlausitz, Bd. 3, Berlin 2015, S. 265–270.

Felix Escher